Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

April/Mai 2005

Friedensbewegung in den Medien



Frankreich hat "Non" zur EU-Verfassung gesagt. Die politische Klasse hier zu Lande und im übrigen EU-Europa ist konsterniert. Friedens- und globalisierungskritische Bewegung finden das Ergebnis aber völlig in Ordnung (siehe: "Niederlage" für Europa? Oder Sieg für die Demokratie?). www.ngo-online.de brachte am 30. Mai einen längeren Artikel, in dem die unterschiedlichen Standpunkte zur Geltung kamen, u.a. auch der der Friedensbewegung:

(...) Auch der deutsche Außenminister Joseph Fischer sagte einerseits, dieses Votum der französischen Bürgerinnen und Bürger sei "selbstverständlich" zu respektieren. Aber auch Fischer möchte die demokratische Entscheidung in Frankreich nicht als endgültig akzeptieren: "Bisher haben neun Mitgliedstaaten das innerstaatliche Zustimmungsverfahren abgeschlossen. Die Voten von Bundestag und Bundesrat – dieser hat noch vergangenen Freitag dem Vertrag zugestimmt - haben die überwältigende Zustimmung praktisch aller politischen Kräfte in Deutschland deutlich gemacht. In Spanien hat sich die Bevölkerung in einem Referendum mit deutlicher Mehrheit für den Vertrag ausgesprochen. In vielen anderen Mitgliedsstaaten haben die Ratifizierungsprozesse bereits begonnen. Ich gehe davon aus, dass diese auch zu Ende geführt werden."
Der Bundesausschuss Friedensratschlag feiert die französische Entscheidung hingegen als ein "Sieg der Demokratie". Am Sonntagabend sei eine vorsorglich angeschaffte Flasche Champagner geöffnet worden, weil die Franzosen diese "Militärverfassung" abgelehnt hatten.
(...)
Mit der Abstimmung in Frankreich solle nun der Weg frei sein für ein neuerliches Nachdenken über die Perspektiven, die der Europäischen Union offen stehen: "Ist es der Weg in das neoliberale Wirtschaftsbündnis eines ungehemmten Shareholder-Kapitalismus oder der Weg in ein Europa des sozialen Ausgleichs und der Solidarität, in dem nicht der Mammon, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht? Ist es der Weg in eine militarisierte und hochgerüstete Weltmacht Europa, vor der die übrige Welt sich nicht mehr sicher fühlen kann, oder der Weg in eine Friedensmacht, die ihre Stärken ausschließlich im Aufbau ihrer zivilen, d.h. ökonomischen, sozialen, technologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Kompetenzen beweisen will?" (...)

Aus: "Retten die Franzosen das deutsche Grundgesetz?", www.ngo-online.de

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Anlässlich der bevorstehenden Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes zur EU-Verfassung im Bundesrat am 27. Mai 2005 versuchte die Friedensbewegung und Attac noch einmal öffentlich dazu Stellung zu nehmen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag gab z.B. eine Pressemitteilung heraus, die noch am selben Tag von "www.ngo-online.de" ausführlich gewürdigt wurde. Titel: "Wird Militarisierung zum Staatsziel Deutschlands?". Hier geht es zu dem Artikel: www.ngo-online.de.

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Die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York tritt Ende Mai in ein dramatisches Stadium. Friedensbewegungen und andere NGOs aus aller Welt begleiten die Konferenz und mischen sich ein. Die Süddeutsche Zeitung erwähnt das Engament in einem längeren Artikel ("Furcht vor atomarer Aufrüstung", Autor: Stefan Ulrich), worin es u.a. heißt:

Vertreter von Nichtregierungs-Organisationen (NGO) werfen besonders den USA und Iran vor, die Verhandlungen zu sabotieren. Washington kündige längst eingegangene Abrüstungsverpflichtungen auf, während Iran sich weigere, seine Projekte zur Urananreicherung hinterfragen zu lassen, heißt es. „Die Verhandlungsverzögerungen gefährden den ganzen Vertrag", sagt Wolf gang Schlupp-Hauck von Abolition 2000, einer weltweiten Koalition von etwa 2000 NGOs für nukleare Abrüstung. „Wenn die Blockierer so weiter machen, existiert der Vertrag in fünf Jahren vielleicht nicht mehr. Dann wird das, was der Vertrag bisher weitestgehend verhindern konnte - nämlich das Entstehen neuer Atomwaffen-Staaten - eintreten." Atomkriege würden dann immer wahrscheinlicher.
(...)
Angesichts der Zwistigkeiten wird erwartet, dass in New York allenfalls ein Formelkompromiss herauskommt. Beobachter befürchten, dass die USA den Atomwaffen-Sperrvertrag bereits abgeschrieben haben und nun im Alleingang oder in einer Koalition der Willigen versuchen werden, Staaten wie Iran notfalls mit Gewalt vom Bombenbau abzuhalten. NGO-Vertreter wie Schlupp-Hauck halten die Konferenz dennoch nicht für sinnlos. So sei in den USA die Diskussion über die Nuklear-Politik der Regierung Bush wieder voll aufgeflammt. Und in Europa werde intensiv über einen Abzug amerikanischer Atomwaffen diskutiert. (...)

Aus: Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2005

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Die jährliche Vorlage des Verfassungsschutzberichts durch den deutschen Innenminister bietet seit einigen Jahren nichts wirklich Neues. Das Alte aber ist aus Sicht der Friedensbewegung ein Skandal: Regelmäßig wird der "Bundesausschuss Friedensratschlag" unter der Rubrik "Linksextremismus" mit dem Stigma der Verfassungsfeindlichkeit belegt. Dem "Neuen Deutschland" war dies sogar einen Kommentar von René Heilig wert:

(...) Obgleich die Behörde jede Menge zu tun hätte mit den erstarkenden Rechtsextremisten, visitiert man – um nicht auf einem Auge blind zu sein – die linke Szene. Dann liest man solche Sätze, die zwischen Heiterkeit und Trübsinn schweben lassen: »Auf der Basis von Programm und Statut wirken nach wie vor offen extremistische Kräfte innerhalb der Partei... Zudem gründete sie mit ausländischen kommunistischen Parteien die ›Europäische Linkspartei‹. Diese Tatsache begründet nach wie vor tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen.«
Welch fromme Einfalt – damit und auf einigen weiteren Seiten wird die PDS beschrieben. Ähnlich »Militantes« hat man über den »Bundesausschuss Friedensratschlag«, »den stark überalterten Verband« der VVN oder andere Gruppen im linken Spektrum zusammengetragen. (...)

Aus: Neues Deutschland, 18. Mai 2005

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"Friedenstauben in Uniform" war ein Artikel in der "jungen Welt" vom 17. Mai überschrieben. Gemeint waren Militärs aus Ost und West, die sich der Militärpolitik von USA, NATO und EU widersetzen. In dem Bericht von Heike Schrader über eine dreitägge Veranstaltung des Weltfriedensrats in Athen heißt es u.a.:

Die europäische Verfassung, die militärische Rolle von NATO und EU sowie die neuen imperialistischen Bedrohungen auf dem Balkan und im Mittleren Osten waren die Themen der diesjährigen Tagung des Griechischen Komitee für Entspannung und Frieden (EEDYE). (...)
Schon zum zweiten Male hatte die EEDYE dabei nicht nur Vertreter von Friedensorganisationen des Weltfriedensrates aus 15 Ländern Europas und des Mittleren Ostens, sondern auch ehemalige Mililitärangehörige aus west- und osteuropäischen Staaten als Gäste und Referenten geladen. Aus der BRD waren gleich zwei hochrangige Offiziere angereist. Der ehemalige Admiral und Chef des Militärischen Abschirmdienstes MAD, Elmar Schmähling, und der ehemalige Oberst der NVA der DDR Wilfried Schreiber setzen sich heute gemeinsam für Frieden und Abrüstung überall in der Welt ein.
Einhellig betonten die Militärs auf der Tagung ihre Verpflichtung zu einer aktiven Rolle im Widerstand gegen die Militärpolitik von USA, NATO und EU. Als Experten hätte ihre Stimme Gewicht auch bei denjenigen, die ihre Ohren den Argumenten der Friedensbewegung verschließen. (...)
Den Höhepunkt der dreitägigen Veranstaltung bildete auch dieses Jahr wieder der auf der Olympiastrecke ausgetragene Friedensmarathon nach Athen. Erstmalig hatte die EEDYE den Marathon im Jahre 1963, anläßlich des griechischen Protestes gegen die damalige Stationierung von Atomwaffen in Europa, ausgetragen. Die reaktionäre griechische Regierung hatte den Marsch damals verboten, bei den folgenden Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei wurden etwa 300 Demonstranten verwundet und mehr als 2000 festgenommen. Daraufhin marschierte der damalige Vizevorsitzende der EEDYE und Abgeordnete der Vereinigten Linken (EDA), Giorgos Lambrakis, die Strecke allein, seine Immunität als Abgeordneter nutzend. Einen Monat später wurde Lambrakis in Thessaloniki von faschistischen Söldnern des reaktionären griechischen Regimes ermordet.

Aus: junge Welt, 17. Mai 2005

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Noch am selben Tag, da der Bundestag über die EU-Verfassung abstimmte, meldeten sich Friedensorganisationen zu Wort und kritisierten die Entscheidung. Die Internetzeitung www.ngo-online.de berichtete umgehend und umfassend in ihrem Aufmacher am 12. Mai 2005 über die Erklärungen des Bundesausschusses Friedensratschlag und der DFG-VK:
"Tiefpunkt an politischer Ehrlichkeit und Transparenz".

Die Tageszeitungen vom 13. Mai schwiegen sich über die Kritik aus der Friedensbewegung und über die Prfoteste vor dem Reichstag weitgehend aus. Eine Ausnahme machte das "Neue Deutschland", das am Ende des Artikels über die Bundestagsdebatte schrieb:


(...) Parallel zur Bundestagsdebatte erneuerten auch Initiativen und Vereine ihr Verlangen nach einem Referendum oder ihre Ablehnung des Verfassungsvertrags. Attac demonstrierte mit einem Transparent »für ein soziales, friedliches, ökologisches Europa«. »Entgegen aller Schönrednerei im Bundestag schreibt diese Verfassung eine neoliberale und militaristische Politik dauerhaft fest«, erklärte Stephan Lindner von der EU-Arbeitsgemeinschaft von Attac.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht über den »Tiefpunkt an politischer Ehrlichkeit und Transparenz«. Die mangelnde Teilnahme der Bürger an einer am Vortag veranstalteten »Probeabstimmung« zur EU-Verfassung erklärte das Bündnis mit der unzureichenden Informiertheit der Bürger über das Vertragsdokument.
Die Initiative »Mehr Demokratie« übergab Listen mit 21000 Unterschriften für eine Volksabstimmung an die Abgeordneten des Bundestages. Symbolisch entsorgte sie sie zuvor in einem Müllcontainer – als Zeichen für die Reaktion der Politik.

Aus: Neues Deutschland, 13. Mai 2005

Am Tag der Bundestagsdebatte brachte die "junge Welt" ein Interview mit Angelika Shams, Mitglied im ATTAC-Koordinierungskreis. Darin äußerte sie sich u.a. auch zur deutschen außerparlamentarischen Kritik an der EU-Verfassung:

(...) Seit zwei Jahren versuchen wir, die Kritik am Verfassungsentwurf in die Öffentlichkeit zu tragen – mit Publikationen, Konferenzen, Aktionen und einer länderübergreifenden Demonstration. Zuletzt gab es aus unserem wissenschaftlichen Beirat heraus die Initiative für einen Aufruf, der unsere Kritik an dieser EU-Verfassung belegt, nämlich daß sie neoliberal, militaristisch und pseudodemokratisch ist. 188 Intellektuelle und politisch Aktive haben diesen Aufruf unterzeichnet, und seitdem sind im Internet viele Unterstützer hinzugekommen. Auch der Bundesausschuß Friedensratschlag unterstützt die Proteste. Weil sich aber abzeichnet, daß der Bundestag heute ohne kritische Debatte mit breiter Mehrheit für die Verfassung stimmen wird, setzen wir große Hoffnung auf Frankreich und haben die Aktivitäten von ATTAC Frankreich an Ort und Stelle unterstützt. Auch während der Bundestagsdebatte wollen wir mit einer Aktion ein Signal nach Frankreich senden, daß es in Deutschland eine Opposition gegen diese Verfassung gibt. (...)

Aus: junge Welt, 12. Mai 2005

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Die Ratifizierung der EU-Verfassung steht unmittelbar bevor. Höchste Zeit, dass doch noch etwas Bewegung in die öffentliche Diskussion kommt. Die Friedensbewegung und Attac versuchen in letzter Minute, ihre Kritik auch in den überregionalen Medien zu platzieren. Zwei Tage vor der Bundestagsabstimmung widmet die Frankfurter Rundschau eine Themenseite der EU-Verfassung und lässt dabei auch einen Kritiker zu Wort kommen. Außerdem wird auf der Dokumentationsseite endlich nachgeholt, was schon lange gefordert worden war: Es werden die zentralen Artikel aus der Verfassung veröffentlicht, die sich mit der Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigen. Schleßlich weiß die FR auch von den Aktivitäten der Friedensbewegung und Attac zu berichten:

Aus Sicht der deutschen Friedensbewegung hat die Politik die Bürger zu wenig über die neue EU-Verfassung aufgeklärt. In einer Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag und der globalisierungskritischen Bewegung Attac heißt es, die Friedensbewegung sei zwar für die Weiterentwicklung Europas, teile die Euphorie der politischen Klasse aber nicht. Der größte Skandal sei, dass Bundesregierung und Parteien eine echte Information über den Inhalt der Verfassung bisher systematisch verweigert und durch "schönfärberische Beschwichtigungen" ersetzt hätten.
Die Info-Kampagne der Bundesregierung rede die Verfassung schön, indem sie mit der "Charta der Grundrechte" die "Glanzlichter" der Verfassung herausstelle, erklärte die Friedensbewegung. Dazu bedürfe es aber nicht einer neuen Verfassung, da das deutsche Grundgesetz und die Verfassungen der meisten anderen EU-Staaten einen ähnlichen Grund- und Menschenrechtskatalog enthielten. Ferner lüge die Informationskampagne, wenn etwa behauptet werde, eine Ablehnung der Verfassung durch das Plebiszit in einem beliebigen EU-Land oder durch das Verfehlen einer qualifizierten Mehrheit in einem Ratifizierungsorgan würde die Einheit der EU gefährden. In Wahrheit blieben im Falle des Scheiterns des Verfassungsentwurfs alle EU-Verträge gültig.

Aus: Frankfurter Rundschau, 10. Mai 2005

Auch die taz berichtet von der Kritik aus der Friedenbewegung:

Aus Sicht der deutschen Friedensbewegung hat die Politik die Bürger zu wenig über die neue EU-Verfassung aufgeklärt. In einer Erklärung heißt es, die Friedensbewegung sei zwar für die Weiterentwicklung Europas, teile die Euphorie der politischen Klasse aber nicht. Der größte Skandal sei, dass Bundesregierung und Parteien eine wirkliche Information über den Inhalt der Verfassung bisher systematisch verweigert hätten. Die Info-Kampagne der Bundesregierung rede die Verfassung schön, indem sie mit der "Charta der Grundrechte" die "Glanzlichter" der Verfassung herausstelle. Dazu bedürfe es aber keiner neuen Verfassung, da das deutsche Grundgesetz und die Verfassungen der meisten anderen EU-Staaten einen ähnlichen Grund- und Menschenrechtskatalog enthielten. Ferner lüge die Info-Kampagne, wenn etwa behauptet werde, eine Ablehnung der Verfassung durch ein Plebiszit in einem EU-Land oder einem Ratifizierungsorgan würde die Einheit der EU gefährden. Tatsächlich behielten alle bisherigen EU-Verträge ihre Gültigkeit.

Aus: taz, 10. Mai 2005

Ausführlich geht auch die "junge Welt" auf die Kritik von Globalisierungskritikern und Friedensbewgung ein. Sie schreibt unter dem Titel "Verlogene Kampagne" u.a.:

Aus Sicht der deutschen Friedensbewegung hat die Politik die Bürger viel zu wenig über die neue EU-Verfassung aufgeklärt. In einer am Montag in Kassel veröffentlichten Erklärung heißt es, die Friedensbewegung sei zwar für die Weiterentwicklung Europas, teile die Euphorie der politischen Klasse aber nicht. Der größte Skandal sei, daß Bundesregierung und Parteien eine wirkliche Information über den Inhalt der Verfassung bisher systematisch verweigert und durch »schönfärberische Beschwichtigungen« ersetzt hätten.
(...)
»Besonders empörend« sei die Weigerung der etablierten Parteien, in Deutschland eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung zuzulassen. Gerade wenn landauf, landab beklagt werde, daß in der Bevölkerung der europäische Einigungsgedanke unterentwickelt sei, »wäre es gut gewesen, eine öffentliche Debatte über den Verfassungsvertrag in Gang zu setzen«. Diese Chance sei verspielt worden.
ATTAC und Friedensbewegung werden hierzulande in ihren Aktivitäten gegen diese Verfassung nicht nachlassen«, heißt es in der Stellungnahme. Zum Vorabend der für Donnerstag in Berlin geplanten Verabschiedung der Verfassung durch den Bundestag rief der Bundesausschuß Friedensratschlag bundesweit zu Aktionen auf.

Aus: junge Welt, 10. Mai 2005

Die Internetzeitung www.ngo-online.de berichtet von den Pressemitteilungen von Attac und Friedensratschlag bereits am selben Tag, dem 9. Mai. In einem ausführlichen Bericht heißt es unter dem Titel "Ungewöhnlich scharfe Kritik wegen EU-Verfassung" u.a.

Am kommenden Donnerstag wird der Deutsche Bundestag über die Ratifizierung der EU-Verfassung entscheiden. Es wird eine breite Zustimmung erwartet. In der Union wollen nach Angaben des CSU-Europapolitikers Gerd Müller etwa 20 Abgeordnete von CDU und CSU mit Nein stimmen. Vertreter der deutschen Friedensbewegung nannten die Informationspolitik der Bundesregierung "skandalös". Die Regierung würde "schönen, lügen und verschweigen". Besonders empörend sei die Weigerung der etablierten Parteien, eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung zuzulassen. Gerade wenn landauf landab beklagt werde, dass in der Bevölkerung der europäische Einigungsgedanke unterentwickelt sei, wäre es gut gewesen, eine öffentliche Debatte über den Verfassungsvertrag in Gang zu setzen, meint der Bundesausschuss Friedensratschlag. Dessen Ansicht nach entwickelten Bürgerinnen und Bürger nur dann ein Interesse an Europa, wenn sie über "grundlegende Weichenstellungen der europäischen Politik" mitentscheiden dürften. Währenddessen hätten in Frankreich "Demokratie und Transparenz gesiegt", weil auch über die neoliberalen und militaristischen Aspekte der Verfassung offen und breit gesprochen worden sei.
Auch die globalisierungskritische Organisation "Attac" führte seinen Widerstand fort. Unter dem Motto "Nein zu diesem EU-Verfassungsvertrag - Ja zu einem sozialen, demokratischen und friedlichen Europa" startete Attac eine Aktion, der sich nach eigenen Angaben 188 Intellektuelle und politisch Aktive aus Deutschland angeschlossen hatten.

Aus: www.ngo-online.de

Eine andere Internetzeitung, rbi-aktuell (http://rbi-aktuell.de) dokumentiert die Presseerklärung vollständig:
http://rbi-aktuell.de


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Die Auseinandersetzungen mit den Neofaschisten in Berlin am 8. Mai fanden erwartungsgemäß ein großes Medienecho. Anerkannt wurde vielfach, dass der Zug der Neonazis nur durch das entschlossene Auftreten von Tausenden von Gegendemonstranten gestoppt werden konnte. So schilderte etwa die junge Welt den Hergang so:

Die Neonazis haben am Sonntag, dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, eine herbe Niederlage erlitten. Ihr Versuch, unter der Parole »60 Jahre Befreiungslüge – Schluß mit dem Schuldkult« durch die Berliner Innenstadt zu marschieren, scheiterte aufgrund von Protesten Tausender Antifaschisten, die die geplante Demonstrationsroute der Neofaschisten blockierten. Nach Angaben der Polizei, die mehrere tausend Beamte einsetzte, verlief der Tag bis auf kleinere Rangeleien friedlich.
»Spasibo – wir sagen danke«. Unter diesem Motto gingen am Sonntag vormittag rund 15000 Menschen in Gedenken an die Befreiung vom Nazismus und gegen den Aufmarsch der Neonazis in Berlin auf die Straße. Die von über 100 linken Gruppen organisierte Demonstration »gegen Faschismus, Militarisierung und deutsche Opfermythen« führte vom Bertolt-Brecht-Platz zum Kundgebungsort der Rechtsextremisten am Alexanderplatz. Dieser war von einem massiven Polizeiaufgebot, inklusive Wasserwerfern und Räumpanzern, hermetisch abgeriegelt worden. Auf der Gegendemonstration waren Fahnen und Transparente verschiedener linker und autonomer Gruppen, von ATTAC, der IG BAU und vielen anderen zu sehen. Ein Kundgebungsredner kritisierte, der Holocaust sei »Talkshowthema ohne jedes Gefühl für Angemessenheit und ohne wirkliche gesellschaftliche Konsequenz« geworden. »Wo du stehst, kann kein Nazi stehen«, hieß es auf Plakaten – eine Anspielung darauf, daß es hier darum ging, sich den Neonazis in den Weg zu stellen.
Die rechtsextreme Mobilisierung selbst fiel deutlich kleiner aus als befürchtet. Statt der erwarteten 3000 bis 4000 Neofaschisten waren etwa 1500 in der Nähe des Roten Rathauses zusammengekommen. Zu dem höchstrichterlich genehmigten Aufmarsch konnten sie dann aber doch nicht aufbrechen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die von der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« angemeldete Demonstration zwar nicht mit der ursprünglichen Route am Holocaust-Mahnmal vorbei zum Brandenburger Tor, wohl aber eine alternative Strecke über die Flaniermeile Unter den Linden zum Bahnhof Friedrichstraße genehmigt. Auch diese neue Route war jedoch nicht durchsetzbar. Tausende Antifaschisten belagerten den Alexanderplatz von allen Seiten und machten den Abmarsch der Neonazis unmöglich. Diesen blieb nur übrig, an Ort und Stelle eine Kundgebung abzuhalten. Um 17 Uhr wurde die »Demonstration« für beendet erklärt, und die frustrierten Teilnehmer wurden von der Polizei zu bereitstehenden Sonderzügen im S-Bahnhof geleitet. Ein Redner hatte zuvor für den Abend »dezentrale Aktionen« der Neofaschisten angekündigt. (...)

Aus: junge Welt, 9. Mai 2005

In der Frankfurter Rundschau hieß es anerkennend:

(...) Und so demonstrieren die Ewiggestrigen - vielleicht 2500 sind es am Nachmittag - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Alexanderplatz. Eingepfercht zwischen S-Bahn-Gleisen und hässlichen Hochhäusern. "Wir sind das Volk", haben sie auf einen Laster gepinselt. Es handelt sich offenbar um ein Missverständnis.
Aber präsent sind die Rechtsextremisten gleichwohl überall in der Stadt. Sie sind es in dem Autokorso, der symbolisch den Weg der Roten Armee bis zum Reichstag vor sechzig Jahren nachzeichnet. Sie sind es am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park, wo Greise auf die Knie fallen, die dereinst hier kämpften. Sie sind es in der Sondersitzung der Volksvertreter im Reichstag, wo Bundespräsident Horst Köhler die "Unbelehrbaren" schilt, die zu Rassismus und Rechtsextremismus zurück wollten.
Und sie sind es vor Bertolt Brechts Berliner Ensemble, wo sich Jusos, Attac, Antifa und all die anderen Linken verabredet haben, um die Rechten keinen Meter weit marschieren zu lassen. "Der Untergang", krächzt dort ein alter Mann mit heiserer Stimme durch den Lautsprecher, "war nicht 1945 - der Untergang war 1933." Er sei dabei gewesen, damals, als es anfing mit den Nazis. "Und ich sage euch: Es hat genau so angefangen." Mit einem "falschen" Demokratieverständnis, das den Faschisten die Straße überlassen habe. Nie wieder dürfe das geschehen. "Ihr seid unsere Hoffnung", ruft der Alte. "Ihr seid da, ihr vergesst nicht." Da jubeln rund 7000 Menschen und setzen sich Richtung Alexanderplatz in Bewegung, wo die Rechten bereits seit Stunden auf der Stelle treten.
Weit kommen sie bis zum Abend nicht mehr, denn die erlaubte Marschroute wird von unzähligen Menschen blockiert. Und anders als bei früheren Nazi-Aufzügen verzichtet die Polizei diesmal darauf, den Weg mit Wasserwerfern frei zu spritzen. Die Bilder, die man damit produzieren würde, will man sich ganz offensichtlich ersparen. Der Protest der Neonazis bleibt vergleichsweise mau. Die nationale Revolution wird bis auf weiteres abgesagt. Es ist, zumindest für diesen Tag, das Ende vom Anfang. (...)

Aus: Frankfurter Rundschau, 9. Mai 2005

Und auch die Süddeutsche Zeitung berichtete korrekt:

(...) Tausende von Demonstranten haben am 60. Jahrestag des Kriegsendes einen NPD-Marsch durch die Mitte Berlins verhindert. Abgeschirmt von der Polizei konnten sich am Sonntag zwar rund 3.000 Rechtsextremisten auf dem Alexanderplatz versammeln und dort eine Kundgebung abhalten. Da Gegendemonstranten, verstärkt durch Teilnehmer des „Tags für Demokratie“ am Brandenburger Tor, aber die Marschroute besetzten, konnte sich der NPD-Zug bis zum späten Nachmittag nicht in Marsch setzen.
Die Polizei forderte deshalb die Veranstalter auf, auf den NPD-Umzug zu verzichten. Dies sei von den Verantwortlichen offiziell zugesagt worden, erklärte ein Polizeisprecher. Daraufhin hätten die ersten Teilnehmer den Alexanderplatz wieder verlassen. (...)

Aus: Süddeutsche Zeitung, 9. Mai 2005

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Zum traditionellen "Hafengeburtstag", der in Hamburg jedes Jahr begangen wird, hat sich das Hamburger Forum für Frieden und Abrüstung etwas besonderes einfallen lassen. Die junge Welt berichtete:

Mit einer Polizeiaktion endete am Wochenende eine Aktion des Hamburger Friedensforums gegen den spektakulären Marineauftritt beim diesjährigen Hafengeburtstag in Hamburg. Gleich mit einem ganzen Geschwader von fünf Kriegsschiffen, darunter der Fregatte Hamburg, die als Führungsschiff bei Auslandseinsätzen gilt, hatte sich die Marine an der traditionellen Einlaufparade beteiligt, um vor Hunderttausenden Werbung in eigener Sache zu betreiben. Dagegen richtete sich der Protest des Forums, das mit einer eigenen Barkasse ausgelaufen war. Direkt hinter der einlaufenden Fregatte war dann zu lesen: »Kriegsschiffe Nein Danke!« Doch jäh wurde die Aktion, an der sich auch der Hamburger Flüchtlingsrat beteiligte (der gegen die gesetzwidrige Inhaftierung von 22 kurdischen Boat-People auf der griechischen Insel Santorini protestierte), durch die Wasserschutzpolizei unterbrochen. Gewaltsam zwang man sie zum Anlegen, um Transparente zu beschlagnahmen und die Personalien der Demonstranten festzustellen.
In einer Erklärung betonte Lühr Henken vom Hamburger Friedensforum, daß die Präsenz von Kriegsschiffen bei Hafengeburtstagen noch nie so groß gewesen sei wie in diesem Jahr. Henken verwies insbesondere auf die Fregatte Hamburg, deren Kosten für Bau und Entwicklung allein bei 700 Millionen Euro gelegen hätten. Die Fregatte sei damit die teuerste deutsche Waffe aller Zeiten, die als Führungsschiff eines Einsatzverbandes Teil einer »offensiven« Marinekonzeption sei, um auch in fremden Küstengewässern »durchsetzungsfähig« operieren zu können.

Aus: junge Welt, 9. Mai 2005

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Die Seite 2 (Thema des Tages) in der Frankfurter Rundschau vom 29. April ist dem Atomwaffensperrvertrag (dessen Überprüfungskonferenz nächste Woche beginnt) und den Atomwaffen in Deutschland gewidmet. Darunter auch ein Artikel über den langjährigen Kampf der Friedensbewegung gegen die Atomkriegsgefahr (Autor: Michael Grabenströer). Darin heißt es u.a.:

(...) Lothar Liebsch bemüht sich in der Friedensbewegung darum, Aufklärung über die US-Atomwaffen zu betreiben. Der ehemalige Bundeswehroffizier ist Mitglied der kritischen Soldatenorganisation "Darmstädter Signal" und wirkt im Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen" mit. Die US-Atombomben in Ramstein, sagt Liebsch, seien keiner Einheit direkt zugeordnet. Logistisch könnten sie von der Versorgungsdrehscheibe Ramstein, die auch Munitionstransporte durchführt, an jeden Ort geschafft werden.
Genau ist die Zahl der Atombomben nicht zu beziffern. Offizielle Regierungsstellen in Rheinland-Pfalz halten es wie zu Hochzeiten des Kalten Krieges und lehnen jede Auskunft ab. Vom Militär heißt es: "No comment!" Die Friedensbewegten werten US-Papiere aus und setzen auf Indizien wie kleine US-Spezialeinheiten (in Büchel) oder besonders abgesicherte Areale in ohnehin besonders geschützten militärischen Anlagen. Dabei stoßen sie auf Hinweise, die interpretiert werden müssen. Denn den Amerikanern wird nachgesagt, dass sie neben den echten Sprengköpfen auch "Dummies" vorhalten - Attrappen zur Verunsicherung der gegnerischen Aufklärung, egal ob militärisch oder friedensbewegt.

Aus: Frankfurter Rundschau, 29. April 2005

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Das Raketenabwehrsystem MEADS, das die Bundeswehr anschaffen will, erregt natürlich auch die Kritik der Friedensbewegung. IPPNW und DFG-VK haben bis zuletzt auf ein Nein der Grünen gehofft. Über eine entsprechende Erklärung vom 20. April 2005 berichtet einen Tag darauf u.a. die "junge Welt" (Wera Richter):

(...) Nach monatelangem Gegrummel bei den Grünen gegen das amerikanisch-italienisch-deutsche Rüstungsprojekt, hatte der Parteirat bereits am Dienstag »trotz Bauchschmerzen« seine Zustimmung signalisiert. Fraktionschefin Krista Sager gab am Morgen vor der Abstimmung im RBB-Inforadio noch einmal die Marschrichtung aus: Man handele in einer Koalition, »auch wenn wir mal für etwas den Kopf hinhalten müssen, was uns als kleinerer Partner nicht gefällt«.
Was Sager »nicht gefällt«, nennen die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) und die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) »Rüstungsrausch der Grünen«. Mit MEADS würden mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern verschwendet, die im Bereich der Sozial- und Bildungspolitik oder der zivilen Konfliktbearbeitung fehlten, kritisierte Joachim Thommes (DFG-VK) am Mittwoch. »Mit ihrer Zustimmung machen sich die Grünen zu Handlangern der Rüstungsindustrie, insbesondere des Rüstungsriesen DaimlerChrysler-EADS«, erklärte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK und der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler, vor der Abstimmung.
Die beiden Friedensorganisationen halten das Rakentenabwehrsystem zudem für völlig ungeeignet für die geplanten Zwecke. Innerhalb eines Radius von 1 000 Kilometern rund um Deutschland seien keine Raketenangriffe zu erwarten. »Gegen den Überraschungseffekt von terroristischen Attacken sind Raketenabwehrsysteme grundsätzlich unbrauchbar«, erläuterte Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW. Selbst für Auslandseinsätze von Bundeswehrsoldaten – die eher Angriffen mit Kleinfeuerwaffen und Artillerie ausgesetzt seien – tauge MEADS nicht viel.

Aus: junge Welt, 21. April 2005

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Im Frühjahr 2005 gedenkt auch die Friedensbewegung mit zahlreichen meist lokalen Veranstaltungen des 60. Jahrestages der Befreiung von Krieg und Faschismus. Meist gibt es hierüber "nur" Artikel in der Lokalpresse, die von uns natürlich nicht verfolgt werden können. Über eine Veranstaltung in Kassel wusste die Frankfurter Rundschau (Hessenteil: Nord- und Mittelhessen) zu berichten:

"Schieflagen in der öffentlichen Diskussion korrigieren" - das wollen die Initiatoren einer Veranstaltung anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung Kassels unter dem Motto "Tage der Befreiung 1945: Kassel: Tigerstadt, Trümmerstadt, Träume einer neuen Zeit". Dazu laden das Kasseler Friedensforum, die Gedenkstätte Breitenau, der DGB Nordhessen und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) für den kommenden Montag, 18. April, ein. Der Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Kassel, Dietfrid Krause-Vilmar, spricht über die entscheidenden Tage; überdies sind Beiträge der Zeitzeuginnen Hilde Diegel und Herta Belz geplant.
"Wer heute öffentlich unterschiedslos aller Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenkt, des toten sowjetischen Soldaten in der russischen Steppe oder des toten amerikanischen Soldaten in den Niederlanden genauso wie des toten Wehrmachtsangehörigen, der beim Kampf um Berlin sein Leben ließ, der hat nicht genügend aus der Geschichte gelernt", sagt Peter Strutynski, Sprecher des Kasseler Friedensforums. "Man muss darauf bestehen, dass es zwischen Tätern und Opfern einen fundamentalen Unterschied gibt."
Die Veranstaltung beginnt am Montag, 18. April, um 19 Uhr im Saal des AWO-Hauses, Wilhelmshöher Allee 32 a , in Kassel.

Aus: Frankfurter Rundschau, 14. April 2005

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Am 9. April veröffentlichte die FR eine weitere ausführliche Gegen-Stellungnahme zu einem Papier von Angelika Beer (MdEP-Grüne), das in der Friedensbewegung auf heftige Kritik gestoßen war (siehe: "EU-Verfassung kontrovers" (Teil 1). Dieses Mal kamen Tobias Pflüger sowie sechs Leserbriefschreiber zu Wort, von denen nur einer Partei für Beer ergriff. Wir haben die Stellungnahmen hier dokumentiert: EU-Verfassung kontrovers - Zweiter Teil.




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