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Friedensbewegung "hofft auf ein 'Non' in Frankreich und auf ein 'Nee' in den Niederlanden"

Am 29. Mai und am 1. Juni finden Referenden über die EU-Verfassung in zwei Nachbarländern statt, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung aus der Friedensbewegung anlässlich der Beratung des Ratifizierungsgesetzes zur EU-Verfassung im Bundesrat, die am 27. Mai 2005 stattfindet.



Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

  • Bundesrat segnet EU-Verfassung ab
  • Aufrüstung als Staatsziel anerkannt
  • Abschied von einem solidarischen Europa der Regionen
  • Friedensbewegung: Denn sie wissen, was sie tun

Kassel, 25. Mai - Die Verabschiedung der EU-Verfassung im Bundesrat am kommenden Freitag ist nur noch eine Formsache. Längst haben sich die etablierten Parteien darauf verständigt, die EU-Verfassung ohne Befragung der Bevölkerung im Eiltempo durch Bundestag und Bundesrat durchzuwinken - nicht zuletzt um damit auf das Referendum in Frankreich am kommenden Sonntag Einfluss zu nehmen. Die Ländervertretungen halten es genauso wie der Bundestag: Jede noch so große inhaltliche Kröte wird bedenkenlos geschluckt, da es um das große Projekt Europa geht.

Verschwiegen wird auch im Bundesrat, dass mit der Verabschiedung der EU-Verfassung die Europäische Union ihre politische Unschuld verliert, indem sie das alte Zivilmachtprojekt einer allgemeinen Militarisierung und Aufrüstung der EU opfert. Artikel 41 legt nicht etwa nur der EU als Ganzes, sondern allen Mitgliedstaaten die Pflicht auf, ihre "militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Aufrüstung wird also über die EU zum Staatsziel aller 25 EU-Mitgliedstaaten.

Schon heute streiten sich die Staaten der EU über die angemessene Verwendung der knappen EU-Gelder. Berlin macht sich zum Sprecher derjenigen Länder, die der größeren EU keinen entsprechenden Zuwachs an Haushaltsmitteln zugestehen wollen. Bei insgesamt enger werdenden Kassen müssen erhöhte Militäraufwendungen an anderer Stelle zu Einsparungen führen. Es steht zu befürchten, dass die Mittel für die EU-Struktur- und Regionalförderung eingefroren bzw. sogar gesenkt werden. Die Angleichung der Lebensverhältnisse in einem zunehmend disparitären Europa der 25 wird so der allgemeinen Militarisierung geopfert. An einem Beispiel: Die Modernisierung der polnischen Streitkräfte und ihre Teilnahme an den EU-Eingreiftruppen und den sog. Battle Groups (Schlachttruppen) hat Vorrang vor der Finanzierung von Strukturmaßnahmen, womit etwa die über 40-prozentige Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden könnte. Die EU entfernt sich damit von der ursprünglichen Idee eines solidarischen Europas der Regionen.

Auch wenn ein bekanntes Politmagazin der ARD vor kurzem aufgedeckt hat, dass die meisten Abgeordneten im Bundestag über die EU und ihre Verfassung nicht wirklich etwas wissen, so müssen wir doch davon ausgehen, dass Bundestag und Bundesrat sehr wohl bewusst ist, was mit der EU-Verfassung im Großen und Ganzen beabsichtigt ist:
  1. In EU-Europa soll die neoliberale Wirtschaftsauffassung - wie sie von Schröder bis Westerwelle inbrünstig vertreten wird - als verfassungsrechtliches Dogma festgeschrieben werden.
  2. Soziale Prinzipien - wie sie etwa im Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes oder in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 GG) vorkommen, haben im EU-Verfassungsvertrag keine Chance mehr: Die Tarifautonomie und Mitbestimmungsrechte werden genauso gefährdet wie etwa die Herstellung von Chancengleichheit in der Bildung.
  3. Statt schließlich die Europäischen Union als friedensorientierte Zivilmacht auszubauen, werden weltweite militärische Kampfeinsätze ermöglicht und permanente Aufrüstung zum Verfassungsgebot erklärt.
Auch der Bundesrat weiß also, was er tut, wenn er dieser Verfassung seine Zustimmung gibt. Er wird sich von den Aktionen der Friedensbewegung und der Globalisierungskritiker nicht beeindrucken lassen. Zu bezweifeln ist indessen, ob sich die Franzosen von dem einmütigen Votum des deutschen Länderparlaments beeindrucken lassen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag, Attac und andere NGOs haben - als Gegenmittel gegen den Druck der politischen Elite und ausgewählter "Promis" aus Deutschland - in diesen Tagen in zahlreichen Veranstaltungen in Frankreich und in Anzeigen in französischen Tageszeitungen darauf aufmerksam gemacht, dass das fast einstimmige Votum von Bundestag und Bundesrat nicht repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland ist.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag hofft am 29. Mai auf ein "Non" in Frankreich und auf ein "Nee" am 1. Juni in den Niederlanden - damit EU-Europa nicht zur Beute neoliberaler "Shareholder" und europäischer Großmachtstrategen wird.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


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