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"Die Grünen verabschieden sich bei Zustimmung zu MEADS vollends von ihren friedenspolitischen Wurzeln."

DFG-VK, IPPNW und Braunschweiger Friedensbündnis kritisieren Grünen-Zustimmung zum umstrittenen Rüstungsprojekt MEADS

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung von IPPNW und DFG-VK zur Entscheidung der Fraktion der Grünen im Bundestag, dem umstrittenen Raketenabwehrsystem MEADS zustimmen zu wollen. Im Anschluss daran eine bereits vom 11. April 2005 datierte Presseerklärung zum selben Thema vom Braunschweiger Friedensbündnis.




Berlin/Velbert, 20.04.2005

MEADS: B90/Grüne im Rüstungsrausch

DFG-VK und IPPNW verlangen, Zustimmung zu MEADS im Haushaltsausschuss zu verweigern

Die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) protestieren energisch gegen die Entscheidung der Partei- und Fraktionsspitze von Bündnis 90/ Die Grünen, der Entwicklung des Raketenabwehrsystems MEADS zuzustimmen.

Beide Organisationen fordern mit Nachdruck, die Zustimmung zu MEADS heute im Haushaltsausschuss zu verweigern. "Die Befürwortung von MEADS würde einen weiteren Schritt der Militarisierung der Außenpolitik darstellen. Mit MEADS werden mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern verschwendet, die wiederum im Bereich der Sozial- und Bildungspolitik oder der Zivilen Konfliktbearbeitung fehlen werden", so Joachim Thommes, Politischer Geschäftsführer der DFG-VK.

"Alle Sparappelle der Bundesregierung im Sozialbereich werden damit Lügen gestraft. Neben den jetzt zu beschließenden 847 Millionen Euro Entwicklungskosten stehen den deutschen Steuerzahlern nach Angaben des Bundesrechnungshofes weitere 6 Milliarden Euro Beschaffungskosten ins Haus", stellt Thommes fest. Weitere immense Kosten erwarten Experten für die Bedienung und Wartung.

"Im Falle der endgültigen Zustimmung zu MEADS machen sich Bündnis 90/DieGrünen zu Handlangern der Rüstungsindustrie - insbesondere des Rüstungsriesen DaimlerChrysler-EADS. MEADS ist ein aktiver Beitrag zur Kriegspolitik und steht in eklatantem Widerspruch zu den Vereinbarungen des rot-grünen-Koalitionsvertrags", konstatiert Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK und der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler. Er resümiert: "Die Grünen verabschieden sich bei Zustimmung zu MEADS vollends von ihren friedenspolitischen Wurzeln."

Laut den beiden mitgliederstärksten Friedensorganisationen in der Bundesrepublik sei MEADS völlig ungeeignet für die geplanten Zwecke. Innerhalb eines Radius von 1.000 Kilometern rund um Deutschland seien keinerlei Raketenangriffe zu erwarten. "Gegen den Überraschungseffekt von terroristischen Angriffen sind Raketenabwehrsysteme grundsätzlich unbrauchbar. Und auch für Auslandseinsätze von Bundeswehrsoldaten - die eher Angriffen mit Kleinfeuerwaffen und Artillerie ausgesetzt sind - taugt MEADS nicht viel", sagt Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW.

Weitere Informationen:
Jürgen Grässlin, DFG-VK, Tel. 0761 - 7678208
Jörg Welke, IPPNW, Tel. 030 - 69807414


Milliarden für ein unsinniges Rüstungsprojekt

Presseerklärung des Braunschweiger Friedensbündnis

Die Bundesregierung plant mit Beteiligung der Länder USA und Italien die Entwicklung, Beschaffung und Aufstellung des Raketenabwehrsystems MEADS. Dieses bodengestützte mobile Raketenabwehrsystem soll das existierende Patriot-Abwehrsystem ergänzen.

Der deutsche Anteil an den Entwicklungskosten wird auf rund 1 Milliarde Euro geschätzt. Die vom Bundesverteidigungsministerium geplante Beschaffung von zwölf Einheiten des Systems wird auf rund 2,85 Milliarden Euro veranschlagt. Einwände bezüglich der Umsetzung dieses Rüstungsprojektes gibt es vom Bundesrechnungshof, der die hohen Kosten bemängelt. Kritik am Nutzen dieser Anschaffung kommt auch von Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestages, so dass es hier bisher zu keiner Entscheidung kam. Trotz dieser Kritik hält das Verteidigungsministerium weiterhin an seinen Plänen fest.

Deutliche Zweifel an der militärischen Notwendigkeit und Finanzierbarkeit des Programms äußert die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in ihrer Studie. Dort werden unter anderem folgende Kritikpunkte genannt:
  • MEADS soll der Abwehr ballistischer Flugkörper mit einer Reichweite von über 1.000 km dienen. Tatsächlich hat MEADS nur eine Reichweite von 1.000 km und ist somit für diese Anforderung nicht ausgelegt. Ferner ist Deutschland im Umkreis von 1.000 km von ihm friedlich gesonnenen Staaten umgeben.
  • MEADS soll zum Schutz von Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen eingesetzt werden. Die Bedrohungen bei solchen Einsätzen bestehen jedoch weniger durch Luftangriffe als vielmehr durch Kleinwaffen und Artillerie, gegen die MEADS keinen Schutz bietet. Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der GRÜNEN, kommentiert dazu in einem TAZ-Interview: "In den Stabilisierungseinsätzen (der Bundeswehr) - und die machen 99 Prozent der bisherigen Bundeswehrauslandseinsätze aus - spielen Bedrohungen durch taktisch-ballistische Raketen praktisch keine Rolle."
  • Hervorgehoben wird der Wissens- und Technologietransfer zwischen den USA und den Partnern Deutschland und Italien. Tatsächlich verweigern die USA den deutschen Firmen Einblicke in die Schlüsselkomponenten des Systems.
Die Entwicklung und Aufstellung von solchen Raketenabwehrsystemen bildet einen weiteren Baustein in der Aufrüstung und Militarisierung Europas, denn die Grenzen zwischen Raketen und Flugabwehrraketen sind fließend. Zwar wird mit der Aufstellung von MEADS kein Rüstungskontrollvertrag verletzt, jedoch sind in der Entscheidungsvorlage Perspektiven zur Entwicklung von Raketen größerer Reichweite enthalten.

Trotz der desolaten Haushaltslage, andauernder finanzieller Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen, wachsender Armut in Deutschland und einer pessimistischen Wirtschaftsentwicklung sollen Milliarden in ein zweifelhaftes Flugabwehrsystem investiert werden. Obwohl das existierende Patriot- Abwehrsystem die Anforderungen, die an MEADS gestellt werden, gleichermaßen erfüllt.

Es klingt zynisch, wenn Milliarden für ein sinnloses Waffensystem ausgegeben werden, während Millionen von Menschen unter dem Krieg im Sudan leiden und 780 Mio. EURO an Soforthilfe nötig sind, um die erste Not zu lindern und Millionen Menschen zunächst mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Im Rahmen des erweiterten Sicherheitsverständnisses kommt die Bundesregierung zu der Feststellung, dass Armut, schwache staatliche Institutionen und "bad governance" wichtige Ursachen für Konflikte und Kriege sind. Um diesen globalen Herausforderungen zu begegnen, ist allerdings ein vermehrter Einsatz zur Krisenprävention zu leisten, der mit Armutsbekämpfung und einer effektiven Entwicklungsförderung verbunden sein muss.

Wir fordern den Haushaltsausschuss deshalb auf, diesem unsinnigen Rüstungsvorhaben die Zustimmung zu verweigern und damit einer Verschwendung von Steuermitteln vorzubeugen.

Wir fordern das Verteidigungsministerium auf, dieses Rüstungsvorhaben zurückzuziehen und größeres Engagement in der Krisenprävention und der zivilen Konfliktlösung zu leisten.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Entwicklung und Anwendung wirksamer Strategien und Instrumente der Krisenprävention, der friedlichen Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung zu fördern und hier erkennbare und nachhaltige Unterstützung zu leisten.

Braunschweig, den 11.04.2005
ViSdP: Dr. Ute Lampe
Braunschweiger Friedensbündnis



Siehe auch:
"Abwehrwaffen" als Teil einer offensiven Strategie?
Bündnisgrüne stimmen Raketenabwehrsystems MEADS zu - Friedensforscher Bernd W. Kubbig: "Deutschland mit Meads weltweit als Interventionspartner hoffähig machen" (22. April 2005)
Braucht die Bundesrepublik Deutschland ein bodengebundenes Luftverteidigungssystem?
Von Hermann Hagena, Luftwaffengeneral a.D. (15. Februar 2005)
Nicht entscheidungsreif: MEADS zur Ablehnung empfohlen
Eine kritische Analyse des bodengestützten Raketenabwehrsystems aus der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) (31. Januar 2005)
Offener Brief der Grünen Jugend
an die Partei- und Fraktionsspitze gegen die von der Bundesregierung geplante Beteiligung an einem lanmgfristigen Rüstungsprojekt "MEADS" (22. Januar 2005)





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