Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

November/Dezember 2005

Friedensbewegung in den Medien


Pünktlich zum Heiligen Abend veröffentlichte die Friedensbewegung große Anzeigen in der Frankfurter Rundschau, dem Neuen Deutschland und der jungen Welt. Finanziert wurde die Anzeige von rund 650 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern (Einzelpersonen sowie Organisationen). Das Faksimile der FR-Anzeige mit allen Namen haben wir als pdf-Datei dokumentiert:
"Spart endlich an der Rüstung"
.

***

Vor Weihnachten gab der Bundesausschuss Friedensratschlag noch eine Pressemeldung heraus (siehe: "Wünsche der Friedensbewegung zum Weihnachtsfest und für das Neue Jahr", die von den überregionalen Zeitungen lediglich im "Neuen Deutschland" zur Kenntnis genommen wurde ("Friedensbewegung mit Wünschen für 2006"):

(...) Die vagen Andeutungen im Koalitionsvertrag vom 11. November, die insgesamt auf eine forcierte Politik der Renationalisierung und Militarisierung der Außenpolitik hinauslaufen, werden von der realen Politik längst eingeholt. Peter Strutynski formulierte Wünsche der Friedensbewegung zum Weihnachtsfest und für das neue Jahr. Danach sollen drei Minister ihres Amtes enthoben werden, die Komplizenschaft mit der US-Kriegspolitik sollte beendet udn die deutsche Truppe nach Hause gebracht werden.

Die Kritik aus der Friedensbewegung richtet sich insbesondere auf die Geschäftsbereiche der Minister Wolfgang Schäuble (Inneres), Frank-Walter Steinmeier (Äußeres) und Franz Josef Jung (Verteidigung). Schäuble habe sich mit wiederholten beschönigenden Äußerungen zur Folterpraxis der CIA und mit seinem Vorschlag, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, als Innenminister disqualifiziert.
Steinmeier habe durch beharrliches Schweigen jede Aufklärung im Fall des verschleppten Deutschen El-Masry verhindert, obwohl er als Kanzleramtsminister in der Regierung Schröder mit dem Fall mehr als vertraut war. Doch auch der neue Verteidigungsminister Franz-Josef Jung stünde in der Kritik der Friedensbewegung. Er machte von sich reden, als er sich mehrfach für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen einsetzte und – zuletzt – die Ausweitung des Kriegseinsatzes der deutschen Marine vor den Küsten Ostafrikas auf die Hoheitsgewässer von Jemen und Oman vorschlug.
(...)
Die Friedensbewegung weist darauf hin, dass weder in Afghanistan noch im Irak noch auf möglichen künftigen Kriegsschauplätzen völkerrechtswidrige Aggressionen wirklichen Frieden und politische Partizipation der Bevölkerung bringen können. Gewaltregime können und dürfen nicht mit Gewalt von Außen beseitigt, sondern nur durch die gemeinsame Aktion der jeweiligen Bevölkerung überwunden werden. Hilfe von Außen müsse ausschließlich politischer, diplomatischer, wirtschaftlicher und humanitärer Art sein. Deutsche Soldaten, die sich in Kampfeinsätzen befinden, müssen unverzüglich nach Hause gebracht werden. (...)

Aus: Neues Deutschland, 27. Dezember 2005

***

Am 2. bis 4. Dezember fand in Kassel der 12. Friedenspolitische Ratschlag statt. Das Presseecho war unterschiedlich. Vielfach wurde eine dpa-Meldung kolportiert, die sich mit dem Entführungsfall Susanne Osthoff befasste. So hieß es in der "Rhein-Zeitung" (online):

Kassel - Die deutsche Friedensbewegung sieht im Fall der Entführung von Susanne Osthoff im Irak einen politischen Hintergrund. Die neue Bundesregierung solle vor einem proamerikanischen Kurs im Irakkonflikt gewarnt werden, sagte der Friedensforscher Werner Ruf bei der Jahrestagung der Friedensbewegung in Kassel. Die Gefahr bestehe, dass Deutschland auch ohne das Entsenden von Truppen schrittweise in den Konflikt verstrickt werde. Zu den Kidnappern Osthoffs hat die Bundesregierung noch immer keinen Kontakt.

Und das Handelsblatt (ähnlich die Financial Times Deutschland) wusste am 5. Dez. folgendes zu berichten:

Mit der Entführung von Susanne Osthoff im Irak soll die neue Bundesregierung nach Einschätzung der Friedensbewegung vor einem pro-amerikanischen Kurs im Irakkonflikt gewarnt werden. Die Gefahr bestehe, dass Deutschland auch ohne das Entsenden von Truppen schrittweise in den Konflikt verstrickt werde, sagte der Friedensforscher Werner Ruf am Sonntag bei der Jahrestagung der Friedensbewegung in Kassel.
Statt in der Irakfrage einen engeren Schulterschluss mit den USA zu suchen, solle Deutschland seine indirekte Unterstützung für den Krieg beenden. Trotz Chaos und Gewalt im Irak biete letztlich nur der Abzug der Besatzungstruppen die Möglichkeit, Terror und Entführungen ihre Grundlage zu entziehen, sagte Ruf.

Ein großer Kongress mit vielen Themen, Vorträgen und Diskussionen - reduziert auf ein tagesaktuelles Geschehen! Von den überregionalen Zeitungen wurden die Inhalte dieses bedeutsame Kongress weitgehend ignoriert. Ausnahmen bildeten die Frankfurter Rundschau und linke Zeitungen. Das Hessische Fernsehen brachte in den Nachrichtensendungen einen kurzen und korrekten Filmbericht. Die in Kassel beheimatete "Hessisch-Niedersächsische Allgemeine" (HNA) brachte am 5. Dez. im Feuilleton eine Besprechung des Auftaktkonzerts mit Konstantin Wecker sowie im Politischen Teil auf Seite 3 einen Kongressbericht, der sich fast ausschließlich mit dem Vortrag von Andreas Zumach befasste. Im folgenden ein paar Auszüge aus den Artikeln:

Politisch, aber etwas leiser

Konstantin Wecker in der Aula der Ingenieurschule

Von Antje Carina Schumacher


KASSEL. (...) Der 58-Jährige kommt zwar leiser daher und singt Lieder wie "Das ganz schrecklich schöne Leben", aber gerade das ist Programm.

In der Aula der alten Ingenieurschule kokettierte der leicht ergraute Konstantin Wecker am Freitag Abend mit seinem Alter und mit dem, was vor 25 Jahren war. Mit rotem Hemd, schwarzer Hose und seinem "Wampen verdeckenden Sakko" - wie der Musiker mit einem Lächeln verrät - singt er kraftvoll. Und das Publikum in der ausverkauften Aula ist begeistert.

Das Solo-Konzert war Auftaktveranstaltung des zwölften bundesweiten und inernationalen Friedenspolitischen Ratschlags an der Universität Kassel. Die AG Friedensforschung an der Uni Kassell hatte den Sänger und Pazifisten eingeladen. Seine Texte sind wie immer politisch. Aber eben auch leiser als zu Beginn seiner Karriere, voller Poetik, Liebe, und Kindheitserinnerungen, angereichert mit Zeitkritik. (...) Seine Texte sprechen aus, was andere nur denken. Er lässt Börsianer tanzen, singt von Waffenhändlern, Generälen, Helden und gegen den Krieg.
(...)
Die Zuschauer erheben sich zum Schluss von den Sitzen, applaudieren, pfeifen und Konstantin Wecker gibt sichtlich gern mehrere Zugaben. Ganz nebenbei sagt er, dass für ihn die revolutionäre Kraft in der Stille liegt.

Also doch: ein leiser Revoluzzer.

Aus: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 5. Dezember 2005

Entführung als Warnung

"Friedensratschlag" in Kassel

Kassel · Mit der Entführung von Susanne Osthoff im Irak soll die neue Bundesregierung nach Einschätzung der Friedensbewegung vor einem pro-amerikanischen Kurs im Irakkonflikt gewarnt werden. Die Gefahr bestehe, dass Deutschland auch ohne das Entsenden von Truppen schrittweise in den Konflikt verstrickt werde, sagte der Friedensforscher Werner Ruf am Sonntag bei der Jahrestagung der Friedensbewegung in Kassel. Zum zwölften "Friedensratschlag" trafen sich dort am Wochenende rund 400 Vertreter deutscher Friedensgruppierungen.

Statt in der Irakfrage einen engeren Schulterschluss mit den USA zu suchen, solle Deutschland seine indirekte Unterstützung für den Krieg beenden. Letztlich helfe nur der Abzug der Besatzungstruppen, sagte Ruf.

Der Atomstreit mit Iran lasse sich nur unter Einbeziehung der Atommächte der Region lösen, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski. Die atomaren Ambitionen Irans dienten nicht nur der Energiegewinnung, sondern auch der Abschreckung. Eine iranische Erkenntnis aus dem Irakkonflikt sei, dass es zum US-Einmarsch dort nur gekommen sei, weil das Land keine Massenvernichtungswaffen besaß. Zu einer Lösung des Konflikts könnten Sicherheitsgarantien und Abrüstungsanstrengungen in der gesamten Region führen. dpa

Aus: Frankfurter Rundschau, 5. Dezember 2005

"2,50 Euro für Benzin bis 2010"

Kasseler Friedensratschlag diskutiert

Von Wolfgang Riek

KASSEL. (...) Der Krieg im Irak, ein drohender Waffengang im benachbarten Iran und die künftige Militärpolitik Deutschlands und Europas bildeten Diskussionsschwerpunkte beim zwölften "Friedensratschlag" mit 400 Teilnehmer am Wochenende in Kassel.

Andreas Zumach, Korrespindent verschiedener zeitungen und Rundfunksender bei der Uno in Genf, sieht die Sicherung von Ölreserven als einen vorrangigen Grund der US-Invasion im Irak. Die EU, so Zumach gestern vor dem "Friedensratschlag" in der Kasseler Uni, brauche sich dabei nicht aufs hohe Ross zu setzen: "Europa ist mitverantwortlich für die desolate Situation der Gesellschaften in den Ölländern."

Der Westen habe bis Ende der 70er-Jahre im Iran den diktatorisch regierenden Schah gestützt, dann im Irak Saddam Hussein gegen den Iran gestärkt und setze mittlerweile auf Saudi-Arabien - immer im Gegenzug für Öllieferungen. Auch die EU bereite sichh längst auf Militäreinsätze zur Rohstoffsicherung vor, sagte der Referent.

Krieg um Öl, für Zumach eine wachsende Gefahr: (...) Die Schere zwischen wachsende3m Verbrauch und sinkender Förderung werde immer drastischer aufklaffen. Zumach: "Den Literpreis von 2,50 Euro, der dem entspricht, was die Grünen kurzzeitig 1998 forderten, haben wir spätestens 2010."

Wirtschaftliche und politische Vernunft, ganz abgesehen von Umweltgründen, sprechen für Zumach für sparsameren Energieeinsatz und den massiven Ausbau erneuerbarer Energiequellen.

Aus: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 5. Dezember 2005

"Blick auf Schlachtfelder" hieß der Beitrag von Nick Brauns in der "jungen Welt", in den sich ein paar Fehler eingeschlichen haben. Der Referent Mohssen Massarrat ist nicht aus Kassel sondern von der Uni Osnabrück, Erhard Crome schreibt sich nur mit einem "m" und Karin Leukefeld "lebt" nicht im Irak, sondern besucht den Irak häufig als Journalistin. Im Unklaren werden die Leser/innen auch darüber gelassen, wer den "Ratschlag" überhaupt veranstaltet hat.

»Neue Kriege in Sicht?« Das war die Leitfrage des 12. bundesweiten Friedensratschlags am Wochenende in Kassel. Der Iraner Mohssen Masarrht aus Kassel beantwortete sie beim Auftaktplenum vor mehreren hundert Aktivisten der Friedensbewegung sehr konkret. Bereits im März des kommenden Jahres müsse mit einem Luftschlag gegen den Iran gerechnet werden. Die USA würden nur noch auf das Scheitern der EU-Diplomatie im Atomstreit warten, die damit zum Bestandteil der kriegerischen US-Strategie geworden sei.

Die Charta der Vereinten Nationen sei mit dem Verbot von Angriffskriegen und der Legitimation antikolonialer Befreiungskämpfe eine »historische Errungenschaft«, erinnerte Professor Ernst Woit aus Dresden. Die von US-Strategen propagierte neue Weltordnung sei als Abkehr von internationalen Verträgen zugunsten der Freiheit des militärischen Handelns zu verstehen. Trotz der offensichtlichen Krise der UNO würde der Artikel 51 der Charta mit dem Verbot von Angriffskriegen allerdings aus eigenem Interesse von keiner Macht in Frage gestellt, zeigte sich Woit »nicht absolut pessimistisch«. Doch schwebe die UNO natürlich nicht über den Staaten, sondern spiegele das Kräfteverhältnis innerhalb der Staatengemeinschaft wider.

»Ein oder mehrere Imperien?« war ein Forenblock überschrieben. Das Schicksal des US-Imperiums entscheide sich in Ostasien, meinte Erhard Cromme von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, während sich Harri Grünberg aus Berlin mit der Herausforderung der USA durch den unter anderem von Hugo Chavez, Präsident Venezuelas, verkörperten Aufbruch in Lateinamerika auseinandersetzte. Thomas Roithner aus Wien und der Europaabgeordnete Tobias Pflüger schilderten die Wandlung der Europäischen Union von einer Handelsmacht zur Kriegsallianz.

Ein pessimistisches Bild zeichnete die im Irak lebende Journalistin Karin Leukefeld von der Situation im besetzten Zweistromland. So würde in Europa kaum wahrgenommen, daß vom irakischen Innenministerium gebildete Todesschwadrone bereits Hunderte Menschen hingerichtet hätten. Wild um sich schießende Söldnertruppen von Privatunternehmen seien mittlerweile selbst für die US-Besatzungstruppen zu einer Gefahr geworden. Die Entführung der deutschen Archäologin Susanne Osthoff und unzähliger weiterer Zivilisten wurde von vielen Teilnehmern des Friedensratschlags als Folge der US-Besatzungspolitik verstanden. Sie forderten die Bundesregierung auf, ihre Unterstützung für die Besatzung sofort zu beenden.

Aus: junge Welt, 5.12.2005

»Neue Kriege in Sicht?«

Von Birgit Gärtner, Kassel

Kassel: Angeregte Debatten beim 12. Friedenspolitischen Ratschlag
Mehrere hundert Teilnehmer haben sich am Wochenende in Kassel beim traditionellen Friedensratschlag auf die Suche nach Alternativen zur herrschenden Kriegspolitik gemacht.

»Neue Kriege in Sicht?« war die Fragestellung, die beim 12. bundesweiten und internationalen Friedensratschlag 2005 in Kassel in verschiedenen Arbeitsgruppen und Foren vertieft wurde.

Bei den Debatten spielte vor allem das Verhältnis zwischen USA, Europa und anderen Mächten im nahen, mittleren und fernen Osten eine Rolle. Ferner wurde über die Erschließung alternativer Energien sowie den Einsatz deutscher Soldaten in aller Welt diskutiert.

Als roter Faden sollte sich allerdings die Suche nach Alternativen zur herrschenden Kriegspolitik durch alle Arbeitsgruppen, hatte Peter Strutynski von der AG Friedensforschung der Universität Kassel in seiner Einführungsrede gehofft. Doch genau damit taten die Friedensbewegten in Kassel sich schwer.

In Zeiten der ganz großen Koalition von CSU bis zu den Grünen gilt es als schwierig, friedenspolitische Ansätze durchzusetzen – so vernünftig diese auch sein mögen. Ein beredtes Beispiel dafür ist die Debatte um einen drohenden Iran-Krieg. Der Osnabrücker Politologe Mohssen Massarat zeichnete in seinem Vortrag ein sehr differenziertes Bild des Konflikts. Die von ihm favorisierte Lösung: eine »seriös vorbereitete Konferenz«, auf der UNO, USA, Europa und andere relevante Kräfte mit den herrschenden Schichten des mittleren Ostens eine für alle Seiten akzeptable Lösung erarbeiten – eine Atom- und Massenvernichtungswaffenfreie Zone mittlerer Osten. Das würde auch die Lösung lang schwelender Konflikte, wie etwa jener zwischen Israel und Palästina sowie Indien und Pakistan voraussetzen. Auf der Konferenz entspann sich daraufhin eine Diskussion, was leichter zu erreichen sei: Die Ächtung der zivilen und militärischen Nutzung der Atomkraft – oder die Abschaffung des Kapitalismus. In anderen Arbeitsgruppen wurde über »das schwierige Verhältnisse zwischen Polen und Russland« und »Lateinamerika als Gefahr für die USA« diskutiert.

Auch wenn niemand ein Patentrezept zur Lösung der Menschheitsfrage »Krieg und Frieden« in petto hatte, so war der Kassler Friedensratschlag nach Meinung vieler Beteiligter aber dennoch einmal mehr ein fruchtbarer Iden- und Positionsaustausch. Die Irak-AG appellierte an die Konferenz, sich für die Befreiung aller im Irak verschleppten Geiseln. Neue Impulse gab es auch für die lokale Arbeit. Die Veranstalter zeigten sich am Sonntag nach drei Konferenztagen zufrieden. »Es freut mich, dass so viele Menschen nach Kassel gekommen sind, obwohl das Thema Frieden nicht gerade politische Hochkonjunktur hat. Das zeugt von der großen Attraktivität des Programms und der hohen Akzeptanz des Ratschlags in der Friedensbewegung«, so Mitveranstalter Peter Strutynski gegenüber ND.

Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2005

***

Am 25. November bracht die taz ein Interview mit der Atomwaffenexpertin Xanthe Hall von der IPPNW. Darin äußerte sie sich zu den Aussichten, den Atomstreit mit dem Iran friedlich zu regeln. Auf die Frage, wie wohl die USA auf die Ergebnisse der Verhandlungen reagieren würden, sagte Xanthe Hall:

Anders als beim Irakkrieg kann die Regierung Bush sich dieses Mal einen Alleingang nicht leisten. Zudem muss sie die Stimmung im eigenen Land und international vorbereiten, Fakten vorlegen, um die Menschen von der Notwendigkeit eines Angriffs zu überzeugen.

Hier geht es zu Auszügen aus dem Interview: "Man sollte mit Iranern nicht reden, als seien sie Esel"

***

Der Tod eines Bundeswehrangehörigen bei einem Attentat in Kabul veranlasste auch die Friedensbewegung zu Stellungnahmen, die sich vom Chor der "Jetzt-erst-recht"-Politiker grundlegend unterschied. (Vgl hierzu: "Jetzt erst recht!" oder: "Jeder Tote ist ein Toter zuviel".) Im Neuen Deutschland wird in einem Artikel eine Stimme aus der DFG-VK zitiert:

(...) Paul Schäfer, Sicherheitsexperte der Linksfraktion, weiß, dass ein von seiner Partei verlangtes Ende des Afghanistan-Abenteuers, nicht einfach zu bewältigen ist. "Doch alle Alternativen dazu vergrößern nur das Problem." Er verweist darauf, dass deutsche Sicherheitskreise bereits im Herbst 2003 von einer Verdopplung der Taliban-Aktivitäten berichten mussten und dass sich die Situation seither verschärfte. Die Bundesregierung müsse sich auch im NATO-Verbund für eine realistische Bewertung der Ergebnisse all jener Anti-Terror-Einsätze stark machen, für die deutsche Soldaten ihren Kopf hinhalten müssen. Zudem müsse Schwarz-Rot dafür sorgen, dass den Abgeordneten, die Menschen in den Krieg schicken, ehrliche Erkenntnisse vorgelegt werden.
Monty Schädel, Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner, betonte: "Die Bundeswehr schafft Unsicherheit, ohne dass die wirklichen Konfliktursachen bekämpft werden." Soldaten seien eben "keine Wiederaufbauhelfer, sondern Kombattanten". (...)

Aus: Neues Deutschland, 16. November 2005

Auch in der "jungen Welt" kam die Friedensbewegung zu Wort ("Augen zu und durch" von Wera Richter):

Am heutigen Mittwoch wird ein weiterer Zinksarg aus Afghanistan nach Deutschland überführt. Bei zwei Selbstmordattentaten wurden am Montag in Kabul ein Bundeswehrsoldat und fünf Afghanen getötet, zwei weitere deutsche Soldaten wurden verletzt. "Das Schlimmste, was jetzt passieren kann, ist, daß der noch amtierende und der designierte Verteidigungsminister in ein trotziges 'Jetzt erst recht! Wir dürfen dem Terror nicht weichen!' verfallen", reagierte der Sprecher des Bundesauschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, nach dem Anschlag.
Prompt wurde er von der Realität eingeholt: Der scheidende Minister Peter Struck (SPD) hielt sich nicht lange mit Beileidsbekundungen auf. Er schloß aus dem Attentat, daß es keine stabile Lage in Afghanistan gibt, weshalb "die Präsenz der ISAF-Truppen aufrechterhalten werden" muß. Unterstützung bekam Struck vom Bundeswehrverband: "Wir sind keine Besatzungsmacht in Afghanistan, sondern wir sind dort Hilfe", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Wolfgang Ostermeier, am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. (...) In dem Reigen fehlte nur noch der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei, der aber nicht lange auf sich warten ließ: Die Forderung der Linkspartei nach einem Abzug der deutschen Soldaten sei der "Gipfel des Populismus".
Für den Friedensratschlag forderte Strutynski die Bundesregierung unterdessen auf, nicht nur den gerade erst verlängerten Afghanistan-Einsatz, sondern sämtliche Auslandsmissionen der Bundeswehr zu überdenken. "Kosovo 1999, Afghanistan seit 2001, Irak seit 2003, aber auch Somalia, Sudan, Kongo und viele andere Bürgerkriegsschauplätze zeigen, daß Militäreinsätze von außen nicht geeignet sind, um Vertrauen in der einheimischen Bevölkerung zu schaffen und zivile Strukturen aufzubauen", so Strutynski. Krieg sei selbst eine terroristische Antwort auf Terror.

Aus: junge Welt, 16. November 2005

***

Die Kritik aus der Friedensbewegung am außenpolitischen Teil des Koalitionsvertrags (siehe: Stellungnahme aus der Friedensbewegung) hat die Internetzeitung "ngo-online" aufgegriffen und am 15. November einen längeren Bericht darüber gebracht. Er kann hier nachgelesen werden (im übrigen lohnt es sich immer die Website zu Rate zu ziehen): www.ngo-online.de

Tom Strohschneider berichtet im "Neuen Deutschland" über die Stellungnahme aus der Friedensbewegung zum Koalitionsvertrag u.a.:

"Mehr oder weniger wohl klingende Worthülsen" – der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD bleibt nach den Worten des Bundesausschusses Friedensratschlag "weitgehend allgemein". Dort allerdings, "wo es konkreter wird", sehen die Sprecher Lühr Henken und Peter Strutynski "durchweg" mögliche Verschärfungen des Kurses der neuen Regierung.
Auf Kritik stößt unter anderem die stärkere Betonung nationaler Interessen im Europäischen Einigungsprozess. Entsprechende Passagen im Koalitionsvertrag würden das vorausgehende Bekenntnis zu Multilateralismus und einer Stärkung europäischer Politik entwerten – "und von der rechtslastigen Ideologie des 'Deutschland zuerst' überlagert", so Henken und Strutynski. (...)
Mit Blick auf die Bundeswehr sieht der Bundesausschuss einen "Prioritätenwechsel", der sich allerdings schon in den letzten Jahren der rot-grünen Regierung abgezeichnet habe. Die Landesverteidigung werde auf Rang drei der Aufgabenskala verwiesen, während die internationale Konfliktbewältigung und Bündnishilfe aufgewertet würden. In die schwarz-rote Vereinbarung sei zudem der "Erhalt der Kernfähigkeiten der deutschen wehrtechnischen Industrie" aufgenommen worden. Kritik bekommen auch die "offensivere Formulierung geostrategischer Ziele" und die "Unterordnung der Entwicklungspolitik unter sicherheitspolitische Belange" ab. Das Fazit des Bundesausschusses Friedensratschlag fällt entsprechend aus: "Insgesamt ist von der großen Koalition eine forcierte Politik der Renationalisierung und Militarisierung der Außenpolitik zu erwarten. Die Friedensbewegung wird darauf zu reagieren wissen."

Aus: Neues Deutschland, 15. November 2005

In der "jungen Welt" vom selben Tag findet sich die Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag in Auszügen dokumentiert ("Selbstbewußt in Europa und an der Seite der USA": www.jungewelt.de).

***

"Es kündigt sich Streit an unter den Friedensbewegten", meint Velten Schäfer in einem Artikel im Neuen Deutschland ("Einstein. Oder Quantenquark?"). Hintergrund ist eine kritische Analyse des auf dem "Einstein-Kongress" vorgestellten "Potsdamer Manifestes" durch Claus Peter Ortlieb und Jörg Ulrich (Hier geht es zu dem Beitrag: "Quantenquark: Über ein deutsches Manifest".) Im ND heißt es nun:

Enthält das vorvergangene Woche mit großer Medienaufmerksamkeit veröffentlichte »Potsdamer Manifest« (ND vom 22./23. Oktober), das das friedenspolitische Erbe von Betrand Russel und Albert Einstein in die Zukunft übertragen will, »unzulässige Analogien zwischen naturwissenschaftlichen Befunden und gesellschaftlichen Prozessen«?
So begründet die AG Friedensforschung an der Uni Kassel – ein intellektuelles Zentrum der Friedensbewegung – dass sie auf ihrer Internetseite eine harsche Kritik an den Thesen des Physikers Hans-Peter Duerr, des Geografen Daniel Dahm und des Soziologen Rudolf zur Lippe zur Diskussion stellt. (...)
Ulrich und Ortlieb erheben schwere Vorwürfe gegen Duerr und seine Mitstreiter. Deren »neues Denken« laufe tatsächlich eine »biologistisch-organizistische Interpretation des Sozialen« hinaus, die sich an rechtskonservative Denktraditionen der Zwanziger Jahre anlehne. Sogar »struktureller Antisemitismus« wird vorgeworfen – für eine Kritik am Kapitalismus, die eine »weltweite Hegemonie des Finanzkapitals« moniert, die aber »nicht mit der Marktwirtschaft gleichgesetzt« werden dürfe. Hier fallen die Manifest-Verfasser – so Ortlieb und Ulrich – auf die ideologische Trennung von (gutem) Produktions- und (bösem) Finanzkapital herein, die in der Tat konstitutiv für den Pseudo-Antikapitalismus der Nazis gewesen ist. Mit Einstein, so die Kritiker, habe das alles nur wenig zu tun.
In der »Frankfurter Rundschau«, die Ortliebs Polemik jetzt unter dem Titel »Quantenquark« druckte, tobt seither eine Leserbriefschlacht. Ausgetauscht werden dabei neben Fachlichkeiten die immergleichen Argumente, die schon aus der Gründungsphase der Grünen bekannt sind. Ist »Ganzheitlichkeit« rechts, weil sie Herrschaftsverhältnisse übersehen lässt? Oder ist der historische Materialismus als Kind des 19. Jahrhunderts selbst ein Teil des Problems – der »materialistisch-mechanistischen« Weltauffassung, wie Duerr und Kollegen sagen? Nicht neu, das alles. Aber schön, mal wieder über Theorien zu streiten.

Aus: Neues Deutschland, 4. November 2005

Eine Kostprobe aus der "Leserbriefschlacht" der FR wollen wir ebenfalls dokumentieren. Arno Klönne gibt den Kritikern Recht, wenn sie den Verfassern des Potsdamer Manifests vorwerfen, sie hätten keine angemessene Gesellschafts- und Kapitalismuskritik. Den Kritikern wiederum wirft er vor, dass sie - wohl um sich nicht dem Vorwurf der Nähe zur Nazi-Propaganda vom "raffenden Kapital" auszusetzen - dem Finanzkapital keine Bedeutung beimessen, ja es sozusagen aus der Schusslinie nehmen. Klönne schreibt:

Es ist erfreulich, Kritik am "Potsdamer Manifest" zu lesen, und es stimmt, dass dieses vom Kapitalismus keinen Begriff hat. Gar nicht erfreulich finde ich aber, dass die Kritiker Claus Peter Ortlieb und Jörg Ulrich suggerieren, jede besondere Auseinandersetzung mit finanzkapitalistischen Interessen und Machtstrategien sei erstens unsinnig und zweitens "strukturell antisemitisch".
Was den ersten Vorwurf angeht: Kapital als durchgängiges "gesellschaftliches Verhältnis" bedeutet keineswegs, dass es im Kapitalismus keine unterschiedlichen Formen der Kapitalverwertung und damit verbundene Veränderungen der Machtverhältnisse gäbe - und dass dies in ihren ökonomisch-sozialen Folgen unerheblich seien. Insofern ist das Vordringen finanzkapitalistischer Strukturen ein hochinteressantes Thema, mitsamt den lebenspraktischen Folgen. Wer das unter Berufung auf Marx verneint, hat von der Marx'schen Theorie wenig begriffen.
Und was den Antisemitismus betrifft: Der Blick auf die spezifischen Mechanismen und Effekte finanzkapitalistischer Verwertung hatte ideengeschichtlich nichts Nazistisches und Antisemitisches - aber die Nazis und ihre ideologischen Helfer verkehrten ihn dahingehend, dass finanzkapitalistische Spekulation und Rendite als jüdische "Rasseeigenschaft" erschien. Wer heute dazu rät, das Finanzkapital gar nicht näher zu betrachten, hilft der Aufklärung über antisemitische Ideologieentwicklung nicht voran, sondern erschwert diese.
Prof. Arno Klönne, Paderborn FR, 5. November 2005

***

Am 8. November 2005 wird der Deutsche Bundestag über die Verlängerung des Kriegseinsatzes der Bundeswehr im Rahmen von "Enduring Freedom" abstimmen. Einen entsprechenden Antrag verabschiedete das Bundeskabinett am 2. November. Die Fraktion der Linkspartei.PDS reagierte darauf mit einer Presseerklärung, die der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Norman Paech, abgab. Die "junge Welt" dokumentierte sie im Wortlaut in ihrer Ausgabe vom 3. November. Wir haben die Erklärung zusammen mit einer Pressemitteilung aus der Friedensbewegung auf dieser Seite dokumentiert: Fortsetzung von "Enduring Freedom".

Die erwähnte Presseerklärung aus der Friedensbewegung - sie wurde vom Bundesausschuss Friedensratschlag herausgegeben - fand fast vollständig Aufnahme auf den Seiten der Internetzeitung "www.ngo-online.de". Titel: "Faustdicke Lügen". "Anti-Terror-Krieg" soll illegal und erfolglos sein.

Die "junge Welt" dokumentierte einen großen Teil der Presseerklärung am 5. November unter der Rubrik "Abgeschrieben": www.jungewelt.de.


***

Die DFG-VK organisierte im Herbst 2005 eine Vortragsreise mit jungen israelischen Kriegsdienstverweigerern. Einer von ihnen ist Lothan Raz. Die Deutsche Welle führte mit ihm ein Interview, das im 1. November ausgestrahlt wurde. Darin heißt es u.a.:

Glauben Sie, dass die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer wächst?
Ja, definitiv. 1999 war ich einer der ersten, die verweigert haben und damit an die Presse gegangen sind. Als die zweite Intifada kam, gab es eine Gruppe von 62 Leuten, die sich kollektiv geweigert haben, in den besetzten Gebieten zu dienen. Viele sind seither im Gefängnis gewesen. Wegen des Mauerbaus ist das Thema allerdings gerade im vergangenen Jahr in den Hintergrund gerückt.
Äußern sich auch Prominente zu diesem Thema?
Kulturell engagierte Israelis haben versucht, die Anti-Kriegsdienstbewegung zu unterstützen, aber es sind noch nicht genug. Viele Prominente haben auch Sorge, dass ihre Karriere danach Einschnitte erfahren könnte. Sie sind zwar für Frieden, aber das bedeutet nicht, dass sie sich auch für Kriegdienstverweigerer einsetzen.

Aus einem Interview der "Deutschen Welle": "Besatzung bringt keinen Frieden", 1. November 2005


Zur Seite "Meldungen und Informationen über die Friedensbewegung"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage