Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Februar 2005

Friedensbewegung in den Medien

Am 23. Februar fand in Mainz der Gipfel Bush-Schröder statt. Neben geladenen Gästen kamen auch zwischen 12 und 15 Tausend Demonstranten in die Bischofsstadt, in der, so mochte man meinen, der Ausnahmezustand herrschte. Die Presse berichtete am 24. Februar seitenlang über Bush und die transatlantischen Beziehungen. Die Proteste fanden in ihr - fast wie in der belagerten Stadt - fast nur am Rande statt.
In der Frankfurter Rundschau war zu lesen:


(...) Was andere dem Präsidenten zu sagen haben, wird der wiederum kaum mitbekommen. Denn die rund 8000, die am Nachmittag ganz und gar nicht gastfreundlich durch Mainz ziehen, müssen wohlweislich weit ab vom Geschehen demonstrieren. Das aber tun sie ausgiebig und, wenn man so will, regionaltypisch: Die Demonstranten laufen unten durch die Boppstraße, und oben schauen die Einwohner zu. Einer hat ein Bettlaken bekritzelt: "Wer in der freien Wirtschaft pennt, wird in den USA Präsident. Helau!" Auf einem Wagen sitzt ein Bush-Gerippe als Todbringer in einem Panzer, dazu die Botschaft: "Von der Achse des Bösen werd ich euch erlösen." Drei Zivis aus der Pfalz haben sich mit Schlaufen eine Brezel um den Hals gebunden. Mainz bleibt Mainz - auch im Protest.
Bernhard Bub vom Frankfurter Aktionstheater Antagon demonstriert "auch gegen das Volk, das diesen Präsidenten nach dem Irak-Krieg wiedergewählt hat". Susanne aus Gießen, die für die Demo die Schule schwänzt, sagt hingegen, sie sei den USA dankbar. Ihr missfällt nur die "Arschkriecherei" vor dem Präsidenten.
Kurzum: Die Charmeoffensive des neuen George W. Bush hat sich noch nicht überall in Mainz und um Mainz herum gesprochen. Das Feindbild ist intakt, die Atmosphäre eher "frosty" als "cosy". (...)

Aus: FR, 24. Februar 2005

Das "Neue Deutschland" gab ein paar weitere Informationen:

(...) Weiträumig war die Region abgesperrt. Und wer zu deutlich auf ein Transparent geschrieben hatte, was er von Bush und seiner Kriegspolitik hält, wurde abgewiesen. Man lasse, so die Polizei, keine Beleidigungen zu.
Mit Trillerpfeifen, Megafonen und Trommeln verschafften sich die Demonstranten dennoch Gehör. Auch Aktivisten von Greenpeace wussten für einen Augenblick Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Trotz Absperrungen drangen sie auf Höhe der Theodor-Heuss-Rheinbrücke per Schlauchboot in die Sicherheitszone ein. Auf einem Transparent war geschrieben: »No nuclear weapons in the USA and elsewhere – No more wars, Mr. Bush!« (Keine Atomwaffen in den USA und anderswo – Nie mehr Kriege, Mr. Bush!). Am Mainzer Hauptbahnhof entfalteten andere Aktivisten ein gleiches Transparent.
Keine Chance gab man Mitgliedern von Pax-Christi und des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Ihre Mahnwache am Mainzer Schloss wurde kurzerhand verboten. Zornig bemerkten die Demonstranten, dass man wieder einmal das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit der Ungestörtheit eines Staatsbesuches geopfert hat.
Protest gegen den Bush-Besuch kam auch von der Deutschen Friedensgesellschaft–Vereinigte Kriegsdienstgegner. Die Organisation stellte sich hinter das Motto des Mainzer Aktionsbündnisses »Not welcome Mr. Bush« und verlangt von der rot-grünen Bundesregierung, mit der Friedensbewegung in einen öffentlichen Dialog über Ziele und Methoden deutscher »Sicherheits«politik einzutreten. Auch der »Friedensratschlag«, ein Zusammenschluss zahlreicher Friedensgruppen, meldete sich zu Wort. Man finde es »beschämend«, dass die EU-Regierungschefs »kuschen« und »sich überall zum Erfüllungsgehilfen der US-Regierung« machen. Selbst einstige Gegner des Irak-Kriegs wie Deutschland akzeptierten inzwischen durch den Bruch des Völkerrechts geschaffenen Tatsachen des Besatzungsregimes und beteiligten sich an dessen Aufrechterhaltung. Das alles sei keine Partner-, sondern Komplizenschaft.
In über 50 deutschen Städten hatten Aktionen gegen den Besuch des US-Präsidenten stattgefunden.

Aus: ND, 24. Februar 2005

Und in der taz gab es auch einen Artikel, der sich ganz den Protestierern widmete:

Mit der "Fassenacht" ist es in Mainz nie vorbei. Die beiden Motivwagen jedenfalls, die gestern bei der Demonstration des Aktionsbündnisses "Not welcome, Mr Bush!" mitfuhren, hätten auch am Rosenmontag für Furore gesorgt. Da zogen täuschend echte GIs eine Karre mit Ölfässern und Kriegsgefangenen, die pausenlos gepeinigt wurden. Und vorneweg marschierte der uniformierte "Gevatter Tod". Andere hatten einen Kleinlastwagen mit Pappmaschee zum Panzer umgerüstet. Das Motto: "Von der Achse des Bösen werd' ich euch erlösen!" Rund 12.000 Teilnehmer hatte nach Angaben der Veranstalter der Protestzug, der von so genannten Deeskalationsbeamten begleitet wurde, Polizisten in nur leichter Kampfmontur.
Martialisch bekleidete Polizisten gab es allerdings auch. Sie kümmerten sich um die Demonstrationsteilnehmer, die Bush auf Plakaten als "Terrorist Nr. 1" bezeichneten. Die Staatsanwaltschaft in Mainz, so die Veranstalter vom Lautsprecherwagen aus, habe die Polizei angewiesen, auf entsprechende Beleidigungen des Staatsgastes zu reagieren und eventuell auch Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Der Greiftrupp sorgte für viel Unmut unter den fast ausnahmslos friedlichen Demonstranten, von denen einige bei der Gestaltung ihrer Transparente viel Fantasie entwickelt hatten: "In Mainz ist alles anders wie in Amerika. Hier wird der Cowboy von Bullen bewacht", hieß es auf einem Schild und auf einer anderen Pappe in Anspielung auf die Konsulatsaffäre: "Fischer ist schuld; hier kriegt jeder Verbrecher ein Visum!"
(...) Der ganze Protest gegen Bush, dem die Redner die ganze Palette der bekannten Vorwürfe - vom "angezettelten Krieg in Afghanistan" über die "Lüge mit den Massenvernichtungswaffen im Irak" bis hin zum "blutigen Krieg um Öl und Einfluss im Irak" - vorhielten, spielte sich gut einen Kilometer Luftlinie vom Schloss ab, in dem die Ehepaare Bush und Schröder gegen 13 Uhr zum Lunch gebeten wurden. Näher herangekommen war am Vormittag nur die von dem US-amerikanischen Philosophen und Straßenmusiker Terry Keegan undogmatisch geleitete Rhythmusgruppe aus Bischofsheim am Main. Deren Mitglieder trommelten sich gegen 10 Uhr in Sichtweite des Schlosses und vor den Absperrgittern der Polizei die Seelen aus den Leibern. Die schwarz gekleideten Beamten griffen aber bald ein und drängten die Musiker und ein paar Punks mit sanfter Gewalt ab. Gerne hätte Keegan, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, seinem Präsidenten etwas zugerufen: "Mehr Demokratie wagen!" etwa. Auf dem Plakat der Gruppe aber stand: "Bush swim home!" Dazu sangen alle: "… and sink like a stone!"

Aus: taz, 24. Februar 2005

Wenn auch die Rufe der Demonstranten kaum das Ohr des Präsidenten erreichten, im Ausland wurden sie gehört. Der Wiener "Standard" berichtete:

Mehr als 10.000 Menschen haben am Mittwoch in Mainz friedlich gegen den Besuch des US-Präsidenten George W. Bush demonstriert. Diese Zahl nannte die Polizei. Die Organisatoren der Demonstration sprachen von bis zu 15.000 Teilnehmern. Die Demonstranten warfen Bush Kriegstreiberei und Umweltfrevel vor. Sie wurden mehrere hundert Meter vom Ort des Zusammentreffens zwischen Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder im Mainzer Regierungsviertel fern gehalten. Zu den Protesten hatte das Aktionsbündnis "Not welcome, Mr. Bush" aufgerufen. Dies ist ein Zusammenschluss von mehr als 50 Gruppierungen aus Friedensbewegung, Globalisierungskritikern und Umweltschützern.
Nach einer Auftaktkundgebung hatte sich der Zug am frühen Nachmittag bei Schneetreiben zum Marsch durch die Innenstadt in Bewegung gesetzt. Dabei wurden die Demonstranten von einem starken Polizei-Aufgebot begleitet. Immer wieder erklangen Sprechchöre wie "George Bush - Terrorist" oder "Internationale Völkermordzentrale". Auf Transparenten war zu lesen "Terrorist Nr. 1", "Irak - ein neues Vietnam", "Kriegstreiber Bush - hau ab" oder die Parolen "Kein Krieg für falsche Freiheit" und "Master of War go home" ("Herr der Kriege, geh nach Hause").

Aus: Der Standard, 25. Februar 2005

Auch der britische "Guardian" erwähnte in einem längeren Artikel über den Bush-Besuch die Proteste:

(...) Protesters from an alliance called "Not welcome Mr Bush" had built a model tank from wood and mounted it on a truck, and a float showing an Iraqi prisoner being beaten up in Abu Ghraib prison. Others hung banners from windows declaring: "Go home Mr Bush" and "Peace".
"I cannot understand how someone can say they are acting in God's will and then wage war. It's perverse," said Margret Koehler-Gutch, a protester.
Mr Bush remains deeply unpopular in Germany, not just among young people or those on the left, but across all social classes. (...)

The Guardian, 24. Februar 2005

Am 22. Februar zeigte sich die Friedensbewegung wieder in zahlreichen Städten in Aktion. Die Nachrichtenagentur AP berichtete darüber am Abend u.a.:

(...) Für Dienstagabend waren Demonstrationen in insgesamt 35 Städten geplant. In Kassel zogen unter dem Motto «Wir pfeifen auf Bush» rund 300 Demonstranten durch die Innenstadt. In Wiesbaden gingen nach Schätzungen der Polizei ebenfalls rund 300 Menschen auf die Straße, in Mainz etwa 200. Kleinere Kundgebungen gab es in Bad Kreuznach, Daun, Gießen und Rüsselsheim.
In Hamburg kamen rund 200 Demonstranten zu einer Anti-Bush-Demonstration zusammen und forderten auf Plakaten unter anderem den Abzug der US-Truppen aus dem Irak. In Stuttgart kamen laut Polizei rund 40 Demonstranten zum militärischen Hauptquartier Eucom. Vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof versammelten sich rund 50 Demonstranten, in Bonn waren es 60, in Wuppertal und Köln zählte die Polizei jeweils 20 bis 30 Personen. Zu den Protesten aufgerufen hatten die Friedensbewegung sowie globalisierungskritische Gruppen aufgerufen.
(...) Die deutsche Friedensbewegung, die die Proteste organisiert hatte, warnte anlässlich des Bush-Besuchs vor einer Wiederannäherung zwischen EU und USA. «Der neue Tonfall gegenüber Europa ändert nicht den politischen und militärischen Kurs der Supermacht USA», sagte der Sprecher des Netzwerks Friedenskooperative, Manni Stenner, in Bonn.
«Vor der von Präsident Bush beschworenen neuen Ära der transatlantischen Einigkeit kann nur gewarnt werden», sagte Stenner: «Sie bedeutet verstärktes militärisches Engagement in Irak, Afghanistan und anderen Schauplätzen des Kriegs gegen den Terror.» (...)
Der Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag, Peter Strutynski, sagte, Bush arbeite auf einen erneuten militärischen Schulterschluss mit den europäischen Staaten hin. Die Europäer drohten so zu Erfüllungsgehilfen der US-Regierung zu werden: «Deshalb ist die Friedensbewegung gezwungen, stellvertretend für die Mehrheit der Bevölkerung auf die Straße zu gehen.»

AP, 22. Februar 2005

Der Südwestdeutsche Rundfunk berichtete darüber hinaus von regionalen Aktionen:

Vor der Zentrale der US-Streitkräfte in Europa, der EUCOM in Stuttgart, demonstrierten etwa 70 meist junge Menschen gegen Bush. EUCOM war von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelt worden. In Mannheim trafen sich rund 50 Demonstranten, in Karlsruhe waren es nach Polizeiangaben etwa 30. Zwischenfälle habe es nicht gegeben.
Am Dienstagnachmittag demonstrierte das Tübinger Friedensplenum vor allem gegen die amerikanischen Kriegsdrohungen an die Adresse des Iran. Die Initiative wirft der US-Regierung Menschenrechtsverletzungen in dem "völkerrechtswidrigen Irak-Krieg" vor und fordert den Abzug der US-Truppen. Zum inzwischen verbesserten transatlantischen Verhältnis sagte Heike Hensel vom Friedensplenum: "Wir pfeifen auf diese Freundschaft."

SWR, 22. Februar 2005 (online: www.swr.de)

In der Netzeitung, einer der großen Internetzeitungen, hieß es - gestützt auf AP und ddp:

Aus Protest gegen den Besuch von US-Präsident George W. Bush in Deutschland haben am Dienstag Friedensaktivisten in mehreren Städten demonstriert. In Hessen und Rheinland-Pfalz nahmen nach Polizeiangaben insgesamt knapp 900 Menschen an den Demonstrationen und Mahnwachen teil, in Berlin waren es rund 450.
(...) In Kassel zogen unter dem Motto «Wir pfeifen auf Bush» rund 300 Demonstranten durch die Innenstadt. In Wiesbaden gingen nach Schätzungen der Polizei ebenfalls rund 300 Menschen auf die Straße, in Mainz etwa 200. Kleinere Kundgebungen gab es in Bad Kreuznach, Daun, Gießen und Rüsselsheim.
In Hamburg kamen rund 200 Demonstranten zu einer Anti-Bush-Demonstration zusammen und forderten auf Plakaten unter anderem den Abzug der US-Truppen aus dem Irak. In Stuttgart kamen laut Polizei rund 40 Demonstranten zum militärischen Hauptquartier Eucom. Zu den Protesten aufgerufen hatten die Friedensbewegung sowie globalisierungskritische Gruppen aufgerufen. (nz)

www.netzeitung.de, 22. Februar 2005

Die dezentralen Aktionen der Friedensbewegung fanden viel Gehör in der Regionalen Presse. Nur ein Beispiel aus Lüdenscheid:

"Wir pfeifen auf Sie, Mr. Bush" - wie überall in Deutschland demonstrierten auch in Lüdenscheid gestern Menschen gegen die Politik des US-Präsidenten George-W. Bush, der zeitgleich Mainz besuchte. In der Bergstadt wurde die Demonstration von der Friedensgruppe Lüdenscheid organisiert. Zunächst ging von der Erlöserkirche aus ein Trauerzug mit symbolischen Särgen zum Sternplatz. In einer Kundgebung verurteilten verschiedene Redner die Politik von Bush. Er sei in Deutschland, um die "Zusammenarbeit gegen den Terror" zu vertiefen. Dabei sei der Krieg im Irak selbst terroristisch und eine Verletzung der Menschenrechte. Mehr als 100 000 Menschen verloren in den letzten zwei Jahren im Irak ihr Leben - viele davon seien Zivilisten wie Frauen und Kinder gewesen. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, Bush die Unterstützung zu verweigern. Als Abschluss der Demo gab es "Friedens-Brezeln" vor allem für die Kinder.

Aus: Westfälische Rundschau, 23. Februar 2005

Einen Tag vor Bushs Besuch in Deutschland steigt die Spannung - nicht nur in Mainz. Mit welchen Gastgeschenken werden sich die Europäer ihrem hohen Gast erkenntlich zeigen? Wie wird der Protest gegen den Besuch ausfallen?
Im "Neuen Deutschland heißt es dazu u.a.:


(...) Ob in Brüssel oder in Mainz und anderen deutschen Orten – Friedensaktivisten wollen mit Demonstrationen, Mahnwachen und Kundgebungen deutlich machen, dass der neue Schmusekurs Bushs gegenüber den europäischen Verbündeten noch längst kein prinzipieller Kurswechsel der US-amerikanischen Außenpolitik ist, und zugleich gegen die zunehmende Militarisierung der EU protestieren. Auch Amnesty International hat jetzt an die Union appelliert, beim Gipfel mit dem US-Präsidenten nachdrücklich auf die Achtung der Menschenrechte zu drängen. Bisher habe man über Verstöße im Rahmen des Washingtoner Anti-Terrorkrieges öffentlich geschwiegen. Und der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) forderte Bush auf, die völkerrechtswidrige Behandlung der Gefangenen im Stützpunkt Guantánamo endlich zu beenden. Aber angesichts der massiven Sicherheitsvorkehrungen werden Proteststimmen den abgeschotteten Europareisenden kaum erreichen. Brüssel, Mainz und die Schlussstation Bratislava, wo Bush am Donnerstag mit Russlands Präsident Putin zusammentreffen will, wurden gleichsam zu geschlossenen Städten erklärt.

Aus: Neues Deutschland, 22. Februar 2005

Auch zwei Tage vor dem Bush-Besuch in Mainz ist die Berichterstattung beherrscht von den ausgreifenden "Sicherheitsmaßnahmen" - die Vorbereitungen der Friedensbewegung geraten demgegenüber in den Hintergrund:

(...) "Not welcome" heißt das Motto der organisiert protestierenden Gegner. Unwillkommen ist der Präsident. Seine Armee hat den Irak verheert, um weltweiten Klimaschutz kümmert er sich nicht die Bohne, er macht Anstalten, die "Achse des Bösen" weiter abzuarbeiten: Das ist das Bush-Bild in weiten Kreisen. Mit "einem Staatsbesuch" hat ein Ladenbesitzer am Rheinufer die Schließung seines Geschäfts am Bush-Tag begründet. Er hat nicht mal den Namen des Präsidenten erwähnt. Je länger man durch die Stadt streift, umso stärker wird der Eindruck, dass auch Menschen, die noch nie was von Guantánamo gehört haben, den Bush-Besuch nicht begrüßen, und sei es eben nur, weil die Sicherheitsmaßnahmen den Alltag verkomplizieren; der Lokalstolz - so ein großer Mann in unserer Stadt! - hält sich in Grenzen.
Bereits eine knappe Woche vor dem Staatsakt ist die Polizei allgegenwärtig. Beamte in Zivil oder Uniform inspizieren verwilderte Grundstücke entlang der von Bush wahrscheinlich benutzten Boelcke-Straße zwischen dem US-Militärflughafen Erbenheim und dem Mainzer Schloss, sie begutachten Brücken und kontrollieren, ob die Kanaldeckel verschweißt sind. Polizisten ziehen ihre Runden durch die Geschäfte in dem am Tag des Besuchs abgeriegelten Hochsicherheitstrakt Innenstadt und sagen den Ladenbesitzern, was sie zu tun und vor allem, was sie zu lassen haben. (...)

Frankfurter Rundschau, 21. Februar 2005

Auch die taz weiß fast nur von den amtlichen Vorbereitungen und deren Auswirkungen zu berichten. Am Ende eines Artikels dann wenigstens der Satz, in dem die Friedensbewegung vorkommt:

Verspätungen von bis zu zwei Stunden wurden für die S-Bahn avisiert, deren Strecken teilweise entlang der möglichen Fahrtrouten verlaufen. Auch die Busse müssen gewaltige Umwege fahren. Wer zur geplanten Anti-Bush-Demonstration nach Mainz will, muss also früh aufstehen - und einen großen Teil der Strecke zu Fuß zurücklegen.

taz, 19. Februar 2005

Ein weiterer Bericht im Hessen-Teil der FR - befasst sich mit den absehbaren chaotischen Verkehrsproblemen, die der Bush-Besuch in Mainz und Umgebung verursachen wird ("Verkehrschaos scheint unumgänglich"). Daneben wird über Aktionen der Friedensbewegung außerhalb von Mainz berichtet:

Zu einer Demonstration und Kundgebungen anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush am Mittwoch, 23. Februar, in Mainz haben Kasseler und Gießener Friedensinitiativen aufgerufen. Bereits einen Tag zuvor will die Friedensbewegung bundesweit Aktionen veranstalten.
Die Aktion in Kassel, die vom Kasseler Friedensforum und von der Attac-Regionalgruppe unterstützt wird, beginnt am 22. Februar um 17 Uhr am Kasseler Rathaus in der Oberen Königstraße. Eine Demonstration soll durch die Innenstadt führen und gegen 18 Uhr zum Rathaus zurückkehren; dort ist dann eine Kundgebung geplant, Hauptredner ist Horst Bethge (Hamburg), der Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag und in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist. In Gießen wollen sich die Friedensaktivisten, unterstützt von Attac und der PDS, um 17 Uhr "bei den Schwätzern" im Seltersweg treffen.
Im Aufruf des Kasseler Friedensforums heißt es, der "Repräsentant einer ungenierten globalen Kriegspolitik möchte Nato, EU und Berlin dazu bringen, noch mehr Mittel in den weltweiten ,Krieg gegen den Terror' zu investieren".
Der Bundeskanzler und die Minister Struck und Fischer hätten auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich gemacht, dass sie den militärischen Schulterschluss mit den USA gern vollzögen und ihr Engagement in Afghanistan und auf dem Balkan verstärken würden. Struck sei auch bereit, deutsche Soldaten in den Nahen Osten und nach Sudan zu entsenden. Die Friedensbewegung widersetze sich solchen Plänen: "60 Jahre nach Kriegsende sehen wir mit Sorge, dass Deutschland sein militärisches Gewicht in der Welt erhöht und ,deutsche' Interessen auf Kosten anderer durchsetzt. Dazu sagen wir nein". Der Protest gegen Bush richtet sich daher auch an die Bundesregierung.

Aus: Frankfurter Rundschau, 21. Februar 2005

***

"Jetzt kehrt das Friedensvolk zurück", stellten die Medien in Italien fest angesichts des Aufmarsches von einer halben Million Menschen unter Pace-Fahnen am 19. Februar in Rom. Die Kölnische Rundschau berichtete u.a.:

Mit so vielen Menschen hatte niemand gerechnet. Bis zu einer halben Million Menschen marschierten am Samstag durch Rom zum ehemaligen Circus Maximus hin, wo Italiens linke Parteien seit Jahrzehnten ihre politischen Veranstaltungen organisieren. Die linke Tageszeitung Il Manifesto hatte zu dem Demonstrationszug aufgerufen. Er galt der Freilassung der im Irak verschleppten italienischen Journalistin Giuliana Sgrena.
(...) Ganz Rom war von regenbogenfarbenen Fahnen der Friedensbewegung übersät, schweigend zogen die Menschen durch die Stadt.
Viele Demonstranten fühlten sich an die Riesendemonstration Anfang 2003 erinnert: Damals, kurz vor Ausbruch des Irak-Krieges, waren eine Million Menschen mit ihren „Pace“-Fahnen durch die Straßen gezogen. „Jetzt kehrt das Friedensvolk zurück“, meinen Kommentatoren. Zwar stand das Schicksal der Entführten im Vordergrund - aber eine politische Demonstration gegen die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi war es dennoch. „Giuliana nach Hause, aber auch die Truppen“, hieß denn eine der wenigen Parolen. Nicht ohne Grund blieben die Vertreter der römischen Regierung dem Marsch fern.
Während der Abschlussveranstaltung im Circus Maximus setzen sich die Angehörigen der Entführten, linke Politiker und Gewerkschaftsführer dafür ein, dass die italienische Militärpräsenz im Irak ein Ende findet und durch eine rein humanitäre Hilfe ersetzt wird. „Keine Soldaten, dafür aber konkrete Hilfe“, forderte Oppositionsführer Romano Prodi. (...)

Kölnische Rundschau (online-Ausgabe), 20. Februar 2005

Und die junge Welt berichtete direkt aus Rom (Damiano Valgolio):

In Italien sind die Regenbogenfahnen zurück. Am Tag vor dem Beginn der Europa-Reise von US-Präsident George W. Bush ging die Friedensbewegung wieder auf die Straße. Am Samstag demonstrierten in Rom nach Veranstalterangaben rund 500000 Menschen für die Freilassung der italienischen Journalistin Giuliana Sgrena. Die Korrespondentin der linken Tageszeitung il manifesto war am 4. Februar im Irak von einer bis dato unbekannten Gruppe, die sich »Mudschaheddin ohne Grenzen« nennt, entführt worden.
Unter dem Motto »Befreien wir den Frieden« forderten die Demonstranten in der italienischen Hauptstadt neben ihrer Freilassung auch das Ende der Besatzung und den Rückzug der italienischen Soldaten. »Truppen raus aus dem Irak«, hieß es auf einigen der Spruchbänder. »Die Freiheit von Giuliana und das Ende des Krieges sind eng miteinander verknüpft, sie sind ein und dasselbe«, erklärte Gabriele Polo, Chefredakteur von il manifesto, während der Kundgebung. Sgrenas Entführung sei Folge der Besatzung und ein Abzug der italienischen Truppen also dringend geboten. Auch Italiens Fußballprofis erklärten am Sonntag ihre Solidarität. Beim Stadioneinlauf trugen alle Erstligateams Leibchen mit der Aufschrift: »Freiheit für Giuliana.« (...)

junge Welt, 21. Februar 2005

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Am 18. Februar gab das Aktionsbündnis gegen den Bush-Besuch in Mainz eine Pressekonferenz, Die Zeitungen berichteten am nächsten Tag vor allem über die schikanösen Auflagen, die den Demonstranten verordnet worden waren. In der Frankfurter Rundschau hieß es z.B.:

(...) Die Bush-Gegner, die am 23. Februar zu Tausenden in Mainz demonstrieren wollen, fühlten sich von den Auflagen der Stadt in ihrer Demonstrationsfreiheit eingeschränkt. "Wir werden klagen", verkündete das Bündnis am Freitag im Matthäus-Saal der Christuskirche in Mainz. Umd zeigte sich zuufrieden, dass die Stadt gestern Abend doch noch einlenkte. Eine endgültige Einigung sei aber noch nicht erzielt worden, sagte ein Bündnissprecher.
Für Aufregung sorgte vor allem die beabsichtigte Registrierung der Ordner durch die Polizei. Die Veranstalter, die pro 50 Demonstranten einen Ordner stellen sollten, hätten alle ihre Ordner polizeilich erfassen lassen müssen, um mögliche Zeugen bei Verstößen gegen Auflagen zu haben.
Das Bündnis der Anti-Bush-Demonstranten sieht in den Auflagen der Stadt, den Versuch, "das Demonstrationsrechte auszuhebeln und sich den US-Bedürfnissen unterzuordnen". Dazu zählen die Bush-Gegner auch Sperrmaßnahmen, die das öffentliche Leben behindern. "Da lacht der Sicherheitsstaat", sagte Michael Wilk aus Wiesbaden. Es sei noch unklar, wie die Teilnehmer ungehindert zu den Demonstrationen kommen könnten, um ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auszuüben.

Frankfurter Rundschau, 19. Februar 2005

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Attac, amnesty international und der Bundesausschuss Friedensratschlag haben fast gleichzeitig Pressemitteilungen herausgegeben, worin sie auf die Proteste anlässlich des Bush-Besuchs in Deutschland hinweisen. AP berichtete:

Kassel (AP) Gegen den Deutschlandbesuch von US-Präsident George W. Bush soll es in der kommenden Woche in knapp 40 Städten Proteste geben. Wie der Bundesausschuss Friedensratschlag am Donnerstag in Kassel mitteilte, sind Mahnwachen, Protestveranstaltungen und Demonstrationen geplant. Die Friedensbewegung wolle «dem obersten Kriegsherren der Welt» demonstrativ die kalte Schulter zeigen.
Die zentrale Anti-Bush-Demonstration findet am 23. Februar in Mainz statt. Die Proteste seien nicht anti-amerikanisch, sondern anti-militaristisch, sagte der Sprecher des Bundesausschusses, Peter Strutynski. Sie richteten sich daher auch nicht allein gegen die «globale Kriegspolitik der Bush-Regierung», sondern auch gegen die Versuche der Bundesregierung und der EU, im Krieg gegen den Terror weltweit eine größere Rolle zu spielen.
Bush trifft am kommenden Mittwoch in Mainz mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und weiteren Vertretern der Bundesregierung zusammen. Strutynski kritisierte, in Mainz träfen «zwei gleich gesinnte Feldherren» aufeinander, die «sich im Grundsatz darin einig sind, dass der Rest der Welt militärisch in Schach zu halten sei».
Die Organisation attac Deutschland erklärte, der US-Präsident stehe für neoliberale Globalisierung und Raubtierkapitalismus. «Diese Person gehört nicht in das Goldene Buch der Stadt Mainz, sondern vor Gericht», sagte Angelika Shams vom bundesweiten attac-Koordinierungskreis.
Neben attac rief auch die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (ASG) zu Protesten gegen Bush auf. Die Partei warnte vor einer Annäherung Deutschlands an eine Regierung, «die völkerrechtswidrige Kriege führt, die Genfer Konvention und Menschenrechte massiv verletzt». Bei der Demonstration in Mainz werden rund 6.000 Menschen erwartet.

Die Internetzeitung ngo-online.de berichtete über die ai-Erklärung u.a.:

Amnesty International (ai) hat den Bundeskanzler aufgefordert, sich bei Bush für eine menschenrechtsgemäße Behandlung der Inhaftierten in Guantánamo einzusetzen: Unabhängige Gerichte müssten unverzüglich über deren Status entscheiden. Die Gefangenen müssten angeklagt oder sofort freigelassen werden. Unschuldig Inhaftierte müssten angemessen entschädigt werden. An alle Staats- und Regierungschefs der EU hat ai appelliert, das bisherige Schweigen zu Guantánamo und den Foltervorwürfen zu brechen. U. a. sollen sie Bush bei seinem Besuch in Brüssel an das absolute Folterverbot erinnern. (...)

Der ganze Artikel: www.ngo-online.de

Die Pressemitteilung des "Friedensratschlags" hat sogar im Ausland Eindruck gemacht. Die Neue Zürcher Zeitung meldete auf Seite 2:

Gegen den Deutschlandbesuch von Präsident Bush soll es in der kommenden Woche in knapp 40 Städten in Deutschland Proteste geben. Wie der "Bundesausschuss Friedensratschlag" am Donnerstag in Kassel mitteilte, sind Mahnwachen, Protestveranstaltungen und Demonstrationen geplant. Die Friedensbewegung wolle "dem obersten Kriegsherrn der Welt" demonstrativ die kalte Schulter zeigen. Die uzentrale Anti-Bush-Demonstration findet am 23. Februar in Mainz statt.,

Neue Zürcher Zeitung, 18. Februar 2005

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Eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Abschluss der Münchner Sicherheitskonferenz fand Aufnahme in die Internetzeitung "www.ngo-online.de":

Auf massive Kritik und Ablehnung der Friedensbewegung sind die Reden von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Außenminister Fischer, und Verteidigungsminister Struck auf der Münchner NATO-Sicherheitskonferenz gestoßen. Der Bundeskanzler und sein Außenminister forderten zwar "keine militärischen Antworten" auf die Probleme dieser Welt, aber ihre Schlussfolgerungen seien militärisch, so Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. (...)

Der ganze Artikel: www.ngo-online.de.

Die und Sicherheitskonferenz in München war auch dieses Jahr ein Thema für die Friedensbewegung. Neben einer gut besuchten Konferenz zahlreicher Friedensorganisationen, die am Freitagabend im Saal des Alten Rathauses eröffnet wurde (mit Referaten u.a. von Horst-Eberhard Richter und Gerald Oberansmayr) gab es am Freitag eine Demonstration mit rund 1.000 Teilhemer/innen und am Samstag eine Kundgebung mit anschließender Demonstration mit über mehreren Tausend Teilnehmern.
Ein kleiner Auszug aus den Presseberichten vom Montag, den 14. Februar:


(...) 8000 Kriegsgegner ließen sich weder vom Konferenzmotto »Frieden durch Dialog« noch durch die Teilnahme von UN-Generalsekretär Kofi Annan vom Charakter der Sicherheitskonferenz täuschen. »Ihr Job ist der Krieg«, erklärte Claus Schreer vom Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am Samstag bei der Auftaktkundgebung am Marienplatz. Die Verleihung einer Friedensmedaille durch »berufsmäßige Kriegsbrandstifter« an den UN-Generalsekretär sei, als ob die Drogenmafia einen Preis »Keine Macht den Drogen« stiften würde. Auch der parteilose Europaabgeordnete Tobias Pflüger wies die Friedensrhetorik der Sicherheitskonferenz zurück »Es ist der Frieden der westlichen Staaten gegen die Menschen im Süden. Dieser Frieden bedeutet für viele Menschen Krieg und dagegen protestieren wir hier.«
Von einem Polizeispalier begleitet zogen die Demonstranten in die Nähe des Tagungshotels Bayerischer Hof. Der Protestzug wurde mehrfach von der Polizei angegriffen. Zahlreiche Demonstranten wurden durch Pfefferspray oder Schlagstöcke verletzt. Einem 21jährigen wurden mehrere Zähne ausgeschlagen. Angeblich seien auch Flaschen geworfen worden. Bis Samstag abend wurden 49 Demonstranten verhaftet und vier »vorbeugend« in Gewahrsam genommen, unter anderem »wegen langer Nieten an der Kleidung«, wie ein Polizeisprecher erklärte. Alle Festgenommenen kamen in der Nacht zum Sonntag wieder frei.

Aus: junge Welt, 14. Februar 2005

In der Frankfurter Rundschau wurde auf die übergroße Härte der Poizei bei ihrem Einsatz gegen Friedensdemonstranten hingewiesen:

Aus Protest gegen die "beispiellose und absolut grundlose Polizeibrutalität" riefen die Veranstalter zu einer weiteren Kundgebung am Sonntagnachmittag vor dem bayerischen Innenministerium auf. Das Motto der Einsatzkräfte hieß "Deeskalation durch Stärke". Und das hieß: 4000 Polizisten waren im Einsatz, um die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof zu schützen und dafür zu sorgen, dass keine Scheibe zu Bruch geht.
(...)
Die Ausschreitungen begannen, als Einsatzkräfte der Polizei Transparente entfernten, um Demonstranten die Möglichkeit zu nehmen, sich vor Videoaufnahmen zu verstecken. Die Beamten seien mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, sagte die Polizei. Sie setzte ihrerseits Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Demo-Organisator Claus Schreer sprach von "grundloser Schikane der Polizei".

Aus: Frankfurter Rundschau, 14. Februar 2005

Die Süddeutsche Zeitung übernimmt zum größten Teil die offizielle Sprachregelung der Polizei. Immerhin kommt auch die Gegenseite zu Wort:

(...) Der Sprecher des "Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz", Hans-Georg Eberl, kritisierte das Vorgehen der Polizei auf Schärfste. Insgesamt 4000 Beamte waren im Einsatz.
Die vorläufig festgenommenen Personen stammten der Polizei zufolge aus dem so genannten "Schwarzen Block", der aus rund 500 gewaltbereiten Autonomen bestand. Mehrfach hatten die Demonstranten versucht, seitlich Transparente zu tragen und Seile zu spannen, um sich von den anderen Demonstrationsteilnehmern abzugrenzen.
Bündnis-Sprecher Eberl sagte, die Demonstranten mussten nach dem Pfeffersprayeinsatz der Polizei notärztlich versorgt werden. Einem Jugendlichen seien mehrere Zähne ausgeschlagen worden. Zudem habe die Polizei mit "beispielloser Gewalt" den Demonstranten Transparente entrissen und diese zerstört. Der Polizeieinsatz sei ein "Versuch gewesen, eine Demonstration zu zerschlagen sowie die Teilnehmer einzuschüchtern und zu kriminalisieren", kritisierte Eberl.
Ein Polizeisprecher betonte: "Der ’schwarze Block’ verhält sich immer aggressiv, aber wir wissen mit diesen Leuten umzugehen." (...)

Aus: Süddeutsche Zeitung, (Online-Ausgabe), 13. Februar 2005

Der Wiener "Standard" berichtet ebenfalls ausführlicher über die Münchner Proteste:

(...) Nach einer Kundgebung auf dem Marienplatz zogen die Demonstranten mit Trommeln, Trillerpfeifen und Megafonen durch die Stadt. Auf ihren Transparenten waren Aufschriften zu lesen wie "Stoppt den globalen Krieg der NATO-Staaten", "München, kein Herz für NATO-Krieger" oder "Krieg und Leichen, die letzte Hoffnung der Reichen". Der Zug wurde stellenweise eng von der Polizei begleitet. (...)
Trotz der Ausschreitungen zeigten sich Polizei und Aktionsbündnis letztlich zufrieden mit dem Verlauf der Demonstrationen. Auch die Lokal- und Geschäftsbesitzer in München waren erleichtert über den glimpflichen Ausgang der Proteste. Der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels erwartet allerdings, dass die Geschäfte in der Innenstadt Umsatzausfälle von durchschnittlich 30 Prozent hinnehmen müssen. Der Verband fordert seit Jahren eine Verlagerung der Konferenz an einen Ort außerhalb des Zentrums.

Aus: Der Standard, 14. Februar 2005

Über die Demonstration vom Freitagabend und den Beginn der alternativen Friedenskonferenz hieß es im Münchner Merkur u.a.:

(...) Die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz haben am Freitagabend friedlich begonnen. Etwa 550 Friedensaktivisten, darunter nach Polizeiangaben 40 bis 50 Autonome, waren zur "Jubeldemo" gekommen. Ziel der Demonstration war die erste "Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost" der deutschen Wirtschaft, die am Freitag im Dorint Sofitel an der Bayerstraße stattfand. Die Tagung kooperiert mit der Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof, die noch bis Sonntag andauert. Die Polizei nahm vier Personen fest.
Grün uniformierte Polizisten dominierten die Szenerie. Mehrere Hundertschaften waren im Einsatz. Bis kurz vor Beginn des Aufzugs standen diesem Aufgebot nur rund 200 Aktivisten gegenüber, dann aber zählte die Polizei doch noch 550 Teilnehmer, die, so ein Sprecher, "aus den Seitenstraßen zugeströmt" seien.
Vom Lenbachplatz zog die Demonstration zum Dorint, um dort den Teilnehmern der "Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost" ironisch zuzujubeln. "Schweigen heißt Dulden" oder "Mehr Frauen in die Rüstungsindustrie" verkündeten durchnässte Transparente.
(...) Parallel zur Sicherheitskonferenz findet in München eine "Internationale Friedenskonferenz" statt, an der rund 500 Vertreter von Friedensinitiativen teilnehmen. Der Schirmherr, der Physiker und Träger des alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr, forderte zu größerer internationaler Solidarität und einem Ausbau der "Zivilmacht" auf.
Die Teilnehmer der Friedenskonferenz wollen sich auch der für Samstag angemeldeten Großdemonstration anschließen.

Aus: Münchner Merkur, (Online-Ausgabe), 12. Februar 2005

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Über einen Erfolg der Friedensbewegung wusste am 12. Februar das "Neue Deutschland" (Hendrik Lasch) zu berichten. Es geht um den "Geordneten Rückzug" der Bundeswehr von der Leipziger Buch-Messe:

Eine Initiative von Friedensfreunden, die 1111 Unterschriften gegen einen Stand der Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse sammelten, hatte offenbar Erfolg: Die Truppe hat sich für 2005 nicht angemeldet.
Wenn am 17. März in Leipzig die Buchmesse beginnt, wird die Bundeswehr nach jetzigem Stand nicht als Aussteller vertreten sein. Die Truppe habe sich bislang nicht angemeldet, bestätigte Messesprecherin Susanne Heusler gestern auf ND-Anfrage. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums hatte zuvor in der »Freien Presse« Chemnitz erklärt, man werde »auf Grund der Vorfälle des letzten Jahres und einer entsprechenden Störankündigung für dieses Jahr« nicht nach Leipzig kommen.
Die Äußerung bezieht sich auf Proteste von Friedensfreunden, die den Messestand, das dort präsentierte Computer-Rollenspiel »Police light« und die verteilten Broschüren als kaum verhohlene Rekrutenwerbung kritisiert hatten. Versuche der Messeleitung, angesichts der Proteste das Hausrecht durchzusetzen, hatten zu einem harten Einsatz von Feldjägern geführt, der für Negativschlagzeilen sorgte.
Gegen einen erneuten Auftritt der Bundeswehr hatte eine Initiative von Friedensfreunden, die von dem Unternehmer Detlev Gaida und dem Buchhändler Jörg Windt aus dem vogtländischen Reichenbach gestartet wurde, 1111 Unterschriften gesammelt. Neben einer engen Zusammenarbeit mit der Friedensinitiative Hildburghausen gab es Unterstützung von der Deutschen Friedensgesellschaft, dem Kasseler Friedensratschlag, regionalen Initiativen und PDS-Politikern. Gaida, der auch auf den Imageschaden für die Messe verwiesen hatte, sieht in der nunmehr erfolgten Absage eine »gute Nachricht für die Literatur«.
Der Widerspruch der Pazifisten war der Leipziger Messeleitung vorgetragen sowie an Verteidigungsminister Peter Struck und den Wehrbeauftragten des Bundestages, Wilfried Penner (beide SPD), übermittelt worden. Die Friedensfreunde hatten für den Fall einer erneuten Bundeswehr-Präsenz eine inhaltliche Auseinandersetzung gefordert und öffentliche Diskussionen etwa über Standortschließungen in Sachsen oder Foltervorwürfe angeregt. Diese Diskussion, sagte Gaida gestern, habe die Bundeswehr »vielleicht nicht führen wollen«.

Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2005

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Unter dem Titel "Druck aus dem Pentagon?" berichtete die "junge Welt über Befürchtungen des Republikanischen Anwaltsvereins, die USA würden Einfluß auf die Karlsruher Ermittlungsbehörde ausüben, bei der seit dem 30. November 2004 eine Strafanzeige gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere Mitglieder der US-amerikanischen Militärführung wegen der Foltervorwürfe in Abu Ghraib liegt (siehe: "Der Kriegsverbrechen beschuldigt").

(...) Aus dem Pentagon heißt es nun, daß Rumsfeld wegen des Ermittlungsverfahrens nicht an der Münchner "Sicherheitskonferenz" teilnehme. Wenn er nicht komme, sei dies die Konsequenz aus der Strafanzeige, konkretisierte ein Sprecher des Pentagon am 3. Februar. Rumsfeld selber erklärte, er wolle es bis zum letzten Moment offenlassen, ob er komme. Der Verteidigungsminister habe ergänzt, so Hannes Honecker vom republikanischen Anwaltsverein am Montag [7. Feb.], daß er aber sicher bald wissen werde, ob er nach München reisen könne.
Wolfgang Kaleck, Vorstandsvorsitzender des RAV, kommentierte dennoch: "Wir sind zuversichtlich, daß die deutschen Ermittlungsbehörden unabhängig sind und sich soviel Zeit zur Prüfung der Vorwürfe und des nachgereichten Materials nehmen, wie sie brauchen."
Mit oder ohne Donald Rumsfeld: "Die 'Sicherheitskonferenz' 2005 versammelt immer noch genügend militärstrategischen Sprengstoff im Münchener Bayerischen Hof und im Dorint-Hotel", so Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag. Der Friedensratschlag unterstütze auch in diesem Jahr die alternative Friedenskonferenz am 11. und 12. Februar in München und die Demonstration am kommenden Wochenende.

Aus: junge Welt, 9. Februar 2005
Hier geht es zur Presseerklärung des "Friedensratschlags".

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Der Februar wird ganz im Zeichen des Bush-Besuchs stehen. So fand sich beispielsweise am 4. Februar in der "jungen Welt" ein Vorbericht über das Großereignis der Friedensbewegung:

(...) Knapp drei Wochen vor dem Deutschland-Besuch von US-Präsident George W. Bush am 23. Februar werden die Konturen der geplanten Antikriegsproteste sichtbar. Erschwert werden die Planungen allerdings durch das offizielle Stillschweigen über das Besuchsprogramm von Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder in Mainz und – möglicherweise – Wiesbaden. (...)
Die Proteste in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt sollen bereits am Vorabend der Bush-Visite beginnen. Friedensgruppen und andere Organisationen aus dem Rhein-Main-Gebiet haben am 22. Februar für 17.30 Uhr eine »Versammlung mit Rahmenprogramm« in der Mainzer Innenstadt angemeldet. Die Großdemonstration am 23. Februar beginnt dann um »fünf vor zwölf« in der City. Von da aus wollen die Demonstranten unter dem Motto »Wir holen euch ab!« zunächst zum Bahnhof ziehen, um anreisende Kriegs- und Bush-Gegner in Empfang zu nehmen. (...)
(...) Die Rahmenbedingungen für den Protest erscheinen zunächst nicht sehr günstig. Der 23. Februar ist ein Mittwoch. Wer einen Job hat und trotzdem demonstrieren will, muß also krankfeiern oder Urlaub nehmen. Peter Strutynski vom »Bundesausschuß Friedensratschlag« rechnet dennoch mit großem Zulauf aus der Region. »Der Bush-Besuch wird zu einer starken Mobilisierung im gesamten Rhein-Main-Gebiet führen«, meint er. Das gilt teilweise auch für weiter weg liegende Orte. In Hannover, Freiburg, Berlin und vielen anderen Städten haben Friedensgruppen bereits Busse für die Fahrt nach Mainz organisiert. An alle, die am 23. Februar arbeiten müssen, appellieren die Demo-Organisatoren: »Beflaggt eure Fenster mit Friedensfahnen oder tut sonstwie kund, daß ihr mit dem Besuch und dem Handshake zwischen Bush und Schröder nicht einverstanden seid.«
Dezentrale Demos soll es am Vortag des Bush-Besuches am 22. Februar unter anderem in Berlin, Hamburg, Frankfurt/Main und Wiesbaden geben. Ein bundesweites Treffen von Friedensinitiativen in Kassel beschloß, diese »lautstarken Aktionen« unter das Motto »Wir pfeifen auf Bush« zu stellen. Alle Demonstrationen sollten deutlich machen, daß der US-Präsident in Europa unerwünscht sei, so lange er der Welt mit neuen Kriegen drohe, sagt Strutynski. (...)
(...) Zu den Sicherheitsvorkehrungen beim Bush-Besuch gibt es in den Innenministerien in Mainz und Wiesbaden bisher nur vage Auskünfte. Autofahrer müßten aber mit »erheblichen Einschränkungen« rechnen, heißt es. In Lokalzeitungen wird darüber spekuliert, daß am 23. Februar mehrere Autobahnen und Straßen ganztägig gesperrt werden. Dann ginge im Rhein-Main-Gebiet nichts mehr. »Pendler sollten an diesem Tag am besten Urlaub nehmen«, zitiert die Wormser Zeitung einen Polizisten.

Aus: junge Welt, 4. Februar 2005

Daneben brachte die jW noch ein Interview mit einem "Cowboy" aus Berlin(Markus Reuter ist Mitglied der Berliner Gruppe »Cowboys und Cowgirls für den Frieden« und Betreiber der Internetseite www.bushinmainz.de):

F: Am 23. Februar kommt der US-Präsident nach Mainz und muß nicht zuletzt mit einer Begrüßung durch die »Cowboys und Cowgirls für den Frieden« rechnen? Was haben Sie gegen Bush?
Bush tritt gerne als harter Cowboy auf. Menschen auf der ganzen Welt verbinden ihn mit diesem amerikanischen Urbild. Da war es bitter nötig, diese Art von Cowboy vom Sockel zu stoßen und ein anderes Cowboybild zu entwerfen. Anarcho-Cowboys, die Freiheit wirklich als Freiheit sehen. Friedliche Cowboys, die ihren Colt abgelegt und Spaß haben. Cowgirls, die gegen Ungerechtigkeiten in der globalen Prärie aufstehen. Cowboys, die mit Indianern tanzen. Echte Cowboys und Cowgirls eben, die Kühe statt Krieg treiben.
(...)
Aus: junge Welt, 4. Februar 2005


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