Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Aktive Friedenspolitik statt Sicherheitspolitik" - "Gegen die Weltmachtambitionen Deutschlands"

Zwei Presseerklärungen im Anschluss an die Münchner Sicherheitskonferenz

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Presseerklärungen aus der Friedensbewegung, die unmittelbar als Reaktion auf die Reden der Münchner Sicherheitskonferenz erschienen sind. Die erste Erklärung stammt von der Gesellschaft "Kultur des Friedens", die zweite vom "Bundesausschuss Friedensratschlag".


Pressemitteilung
13. Februar 2005

Aktive Friedenspolitik statt Sicherheitspolitik gefordert

Gesellschaft Kultur des Friedens für Menschenrecht auf Frieden

München/Tübingen. Die Tübinger Gesellschaft Kultur des Friedens (GKF) hält nach der Münchner Sicherheitskonferenz die ursprünglich friedliche Ausrichtung der Vereinten Nationen für gefährdet. "Statt über Herausforderungen und Potentiale einer aktiven Friedenspolitik zu beraten, sprachen sich fast alle Redner ausschließlich für eine kollektive Sicherheitspolitik aus" kritisierte GKF-Sprecher Henning Zierock, die immer militärische Maßnahmen intendiere. Vor allem UN-Generalsekretär Kofi Annan habe diesbezüglich Zugeständnisse an USA und EU gemacht und in seiner Rede die Legalisierung von Präventivkriegen durch die UN-Reform indirekt in Aussicht gestellt. Dies sei unverantwortlich und mit dem Geist der Charta der Vereinten Nationen unvereinbar, so Zierock weiter. Die GKF sieht deshalb mit Skepsis der von Annan angekündigten UN-Reform entgegen. In den Mittelpunkt der politischen Ausrichtung der Reform sei die militärische Terrorismusbekämpfung und Interventionsfähigkeit gerückt, zukünftig wohl mit Beteiligung von US- und EU-Truppen. Dadurch würde die Militarisierung der internationalen Politik weiter voran getrieben. Deshalb habe die GKF Kofi Annan mehrere tausend Unterschriften von Menschen aus Kriegsregionen überreicht, die ein "Menschenrecht auf Frieden" als Grundlage für die UN-Politik fordern.

Zierock sprach sich auch gegen eine UN-mandatierte Mission der Nato im Nahen Osten aus. Das sei reiner Selbsterhaltungszweck des Bündnisses, das sich schon seit langem in einer Legitimationskrise befinde.

Die GKF fordert dagegen die Entwicklung einer präventiven Friedenspolitik, die sich vor allem mit einer nachhaltigen Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit und Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen umsetzen lasse. Anstatt Milliarden für die Stationierung von Militär auszugeben, könne, laut Zierock, mit einem Bruchteil des Geldes die zivile und soziale Entwicklung in Krisenregionen gefördert werden. Das gelte sowohl für Palästina als auch für den Irak. "Die Wahlen im Irak können diesen illegalen Krieg nicht nachträglich rechtfertigen" kritisierte Zierock die europäische Haltung gegenüber der US-Politik. Zudem stelle sich die alltägliche Lebenssituation für die Menschen im Irak unter der Besatzung alles andere als demokratisch dar.

Die Gesellschaft Kultur des Friedens fühle sich ernsthaft dem Motto "Frieden durch Dialog" verpflichtet, durch mehrere Friedensdelegationen in den Irak und dem Aufbau einer Kulturbrücke in den Irak gemeinsam mit Künstlern und Musikern. Für Mitte Juni 2005 sei eine Friedensdelegation in den Iran geplant.

Für den 24. Februar hat die GKF zwei Ärzte aus der umkämpften irakischen Stadt Fallujah, die sich auf einer Rundreise durch Deutschland befinden, nach Tübingen eingeladen.

Mehr Informationen unter: www.kulturdesfriedens.de

Gesellschaft Kultur des Friedens

Friedensbewegung gegen Weltmachtambitionen Deutschlands

Pressemitteilung
  • Kritik am Auftreten der Bundesregierung auf Münchner „Sicherheitskonferenz“
  • „Abgeschmackter Beitrag“ Strucks zum 60. Jahrestag
  • Washington und Berlin pfeifen dieselbe Melodie
  • Friedensbewegung pfeift auf beide – in der kommenden Woche
Kassel, 14. Februar – Auf massive Kritik und Ablehnung sind die Reden von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer sowie die Erklärungen von Verteidigungsminister Struck auf der Münchner Sicherheitskonferenz in Kreisen der Friedensbewegung gestoßen. „So wichtig es ist, den USA in militärpolitischen und geostrategischen Fragen zu widersprechen und die NATO in Frage zu stellen, so falsch ist es, die Europäische Union und Deutschland als zweite militärische Säule der westlichen Hegemonie über den ‚Rest der Welt’ zu installieren“, betonte ein Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel.

Bundeskanzler Schröder und sein Außenminister haben zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Probleme dieser Welt „primär keine militärischen Antworten“ erforderten. Ihre Schlussfolgerungen aber sind wieder rein militärischer Natur: Für die Weiterentwicklung der EU fordert Schröder als vordringliche Maßnahme die „Schaffung eines eigenen politisch-militärischen Instrumentariums“. Von einer Erhöhung des Beitrags zur Entwicklungshilfe (Deutschland liegt mit 0,28 % des BIP himmelweit vom UNO-Ziel 0,70 % entfernt!) ist in Schröders Rede genauso wenig die Rede wie von einer Veränderung des ungleichen Welthandels. Fischer strebt die O,7 Prozent Entwicklungshilfe wenigstens bis zum Jahr 2014 an. Wichtigstes Ziel deutscher Außenpolitik à la Schröder/Fischer ist es aber, Europa zu einem „starken europäischer Pfeiler“ auszubauen, der eine „loyale arbeitsteilige Partnerschaft im transatlantischen Bündnis“ garantiere.

Verteidigungsminister Struck machte in seinen Gesprächen die Probe aufs Exempel: Kein noch so brisantes militärisches Engagement will er für die Bundeswehr ausschließen: Truppen in den Nahen Osten? Mit der NATO kein Problem. Truppen in den Sudan? Deutschland wolle sich dem nicht verschließen. Mehr Verantwortung in Afghanistan? Auch hier zeigt sich Struck „flexibel“ und schließt mittlerweile auch einen Einsatz der Bundeswehr im „Drogenkrieg“ nicht mehr aus. Deutschlands Soldaten überall in der Welt? Ein abgeschmackter Beitrag zum 60. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung vom Faschismus.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag, der in München die alternative Friedenskonferenz aktiv unterstützt hat, wertet den Auftritt der Bundesregierung bei der „Sicherheitskonferenz“ als provokanten Vorstoß in vermintes Gelände. Die Kanzlerkritik an NATO und US-Unilateralismus atmet den Geist militärstrategischer Ambitionen: Es geht Berlin offenbar um eine gleichberechtigte Militärkooperation mit den USA im Kampf gegen den Terror, gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und gegen regionale „Instabilitäten“ in aller Welt. Eben das sind auch die strategischen Ziele der US-Sicherheitsagenda. Berlin und Washington pfeifen dieselbe Melodie – Berlin möchte nur seine Stimme verstärken.

Die Demonstrationen anlässlich der Münchner „Sicherheitskonferenz“ haben keinen Zweifel daran gelassen, dass die Friedensbewegung diesen Kurs grundsätzlich ablehnt. Wenn US-Präsident Bush in der kommenden Woche nach Brüssel und Deutschland kommt, wird die Friedensbewegung nicht nur auf den Weltpolizisten Bush, sondern auch auf die Militarisierungspläne der EU und Deutschlands pfeifen – unüberhörbar.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Zu anderen Berichten von der Sicherheitskonferenz

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Presse-Seite

Zurück zur Homepage