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Vom "Prinzip Guantánamo" über den Irakkrieg bis zur EU-Militarisierung

Im Wortlaut: Drei Presseerklärungen aus der Friedens- und Menschenrechtsbewegung zum Bush-Besuch

Im Folgenden dokumentieren wir drei Presseerklärungen zum vorgesehenen Besuch des US-Präsidenten Bush in Deutschland am 23. Februar 2005:
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ai: "Prinzip Guantánamo" muss ein Ende haben!

amnesty international Deutschland
PRESSEMITTEILUNGEN


USA / Bush-Besuch in Deutschland am 23. Februar

Der Antiterror-Kampf der USA verletzt weiter Menschenrechte / Bundeskanzler soll sich bei Bush für die Rechte der Gefangenen auf Guantánamo einsetzen / EU muss Schweigen brechen

Berlin, 17. Februar 2005 - Jamals Jüngster wird bald drei Jahre alt. Seinen Vater hat er noch nie gesehen. Der 34-jährige Jemenite Jamal Mar’i arbeitete im pakistanischen Karachi, als er im September 2001 verschwand. Im April 2002 kam ein Brief aus der US-Militärbasis Guantánamo auf Kuba. Im November 2003 brach der Briefkontakt ab. Seitdem wissen Frau und vier Kinder nicht einmal, ob ihr Mann und Vater noch lebt.

Nach wie vor sitzen über 550 Gefangene im „rechtlichen Niemandsland“ von Guantánamo ein, wie ai in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder anlässlich des bevorstehenden Deutschland-Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush feststellt. „Guantánamo hat Prinzip: Seit über drei Jahren missachtet die US-Regierung eklatant völkerrechtliche Grundsätze, wenn sie diese Menschen ohne Anklage, ohne anwaltliche Vertretung, ohne Besuchsmöglichkeit, unter entwürdigenden Bedingungen festhält und foltert oder misshandelt“, sagte ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler.

ai wirft den USA vor, die Menschenrechte im Namen ihres ‚Kriegs gegen den Terror’ ungebrochen zu verletzen. Die anhaltende internationale Kritik und selbst Niederlagen vor US-Gerichten hat die US-Regierung bislang weitgehend ignoriert. Die zahlreichen Vorwürfe, in US-Militärbasen wie Guantánamo, Bagram oder Diego Garcia werde gefoltert, wie auch die skandalösen Folterfälle im Bagdader Abu-Ghraib-Gefängnis sind bisher nicht unabhängig untersucht worden. Gleiches gilt für Entführungen von Verdächtigen und die geheimen Verlegungen von Gefangenen. Hierzulande ist zuletzt der Fall des Deutschen libanesischer Herkunft Khaled el Masri bekannt geworden, der angeblich vom US-Geheimdienst in Mazedonien verschleppt worden war.

ai hat den Bundeskanzler aufgefordert, sich bei Bush für eine menschenrechtsgemäße Behandlung der Inhaftierten in Guantánamo einzusetzen: Unabhängige Gerichte müssten unverzüglich über deren Status entscheiden. Die Gefangenen müssten angeklagt oder sofort freigelassen werden. Unschuldig Inhaftierte müssen angemessen entschädigt werden. Im Falle des Bremer Murat Kurnaz soll der Bundeskanzler darauf dringen, dass Anwalt Bernhard Docke seinen Mandanten endlich besuchen darf. Die US-Behörden müssten erklären, welcher Vergehen sie Kurnaz verdächtigen und entweder ein faires Verfahren gegen ihn eröffnen oder ihn sofort freilassen. An alle Staats- und Regierungschefs der EU hat ai appelliert, das bisherige „schmerzliche Schweigen“ zu Guantánamo und den Foltervorwürfen zu brechen. U. a. sollen sie Bush bei seinem Besuch in Brüssel an das absolute Folterverbot erinnern.

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Heiß-kalter Empfang für US-Präsident Bush

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
  • Von Baden-Baden bis Worms: Aktionen in fast 40 Städten
  • Höhepunkt am 23. Februar in Mainz
  • Friedensratschlag: Feldherrentreffen auf höchster Ebene
Kassel, 17. Februar – Anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush in Europa und in Deutschland bereitet die Friedens- und globalisierungskritische Bewegung zahlreiche Proteste vor. Nach einer vorläufige Übersicht wird es in ca. 40 Städten der Bundesrepublik in den nächsten Tagen Mahnwachen, Protestveranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen geben. Sie werden von lokalen und regionalen Friedensinitiativen durchgeführt.

Aktionen finden u.a. statt in:
Baden-Baden, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Braunschweig, Bremen, Castrop-Rauxel, Daun, Detmold, Dortmund, Düsseldorf, Elmshorn, Frankfurt a.M., Gießen, Hamburg, Hofheim, Karlsruhe, Lörrach, Lüdenscheid, Kassel, Mainz, Mannheim, Mönchengladbach, München, Nottuln, Nürnberg, Saarbrücken, Siegen, Stuttgart, Wiesbaden, Worms

Wie ein Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag betonte, werde Bush ein "heißer und kalter Empfang" zugleich bereitet. An sich wolle man dem obersten Kriegsherren der Welt demonstrativ die kalte Schulter zeigen, da er, wie die zentrale Losung der Großkundgebung in Mainz lautet, hier zu Lande nicht willkommen sei ("Not welcome, Mr. Bush!"). Andererseits lässt sich der Protest der Friedensbewegung nur massenhaft und lautstark zum Ausdruck bringen. Daher werden die Kundgebungen und Demonstrationen in vielen Orten mit geräuschvollen Akzenten versehen. ("Wir pfeifen auf Bush", mancherorts werden auch wieder die "Bush-Trommeln" ausgepackt.)

All diese Aktionen, die im Übrigen bereits am Sonntag und Montag (da wird Bush in Brüssel eintreffen) mit Protesten in der NATO- und EU-"Hauptstadt" Brüssel eingeläutet werden, bilden den Auftakt für eine große Demonstration und Kundgebung in Mainz am 23. Februar. Darüber wird das Aktionsbündnis "Not Welcome, Mr. Bush!", dem der „Friedensratschlag“ angehört, gesondert informieren! Eine Pressekonferenz findet am 18. Februar um 11 Uhr im Matthäus-Saal der Christuskirche (Kaiserstraße, Eingang auf der Neustadtseite der Kirche) in Mainz statt.

Die Kritik der Friedensbewegung am Bush-Besuch ist nicht antiamerikanisch, sondern anti-militaristisch. Sie richtet sich auch nicht nur gegen die globale Kriegspolitik der Bush-Regierung, sondern auch gegen den Versuch Berlins und der Europäischen Union, im weltweiten "Krieg gegen den Terror" eine größere Rolle zu spielen. Am vergangenen Wochenende haben Schröder und Fischer bei der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert, Europa zu einem "starken europäischer Pfeiler" auszubauen, der eine "loyale arbeitsteilige Partnerschaft im transatlantischen Bündnis" garantiere. Dieser Pfeiler beruhe auf der "Schaffung eines eigenen politisch-militärischen Instrumentariums" (Schröder). Und der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck sprach von der Bereitschaft Deutschlands, Bundeswehr fast überall in der Welt hinzuschicken.

In Mainz treffen also zwei gleichgesinnte Feldherren aufeinander, die zwar unterschiedliche, vor allem wirtschaftliche Interessen im Auge haben, sich im Grundsatz aber darin einig sind, dass der "Rest der Welt" militärisch in Schach zu halten sei. Daher wird die Friedensbewegung nicht nur auf den Weltpolizisten Bush, sondern auch auf die Militarisierungspläne der EU und Deutschlands pfeifen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)

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Wer schweigt stimmt zu!

Am 23. Februar 2005 (Mittwoch) wird George W. Bush im Rahmen seiner Europareise auch die Stadt Mainz besuchen. Diesen Besuch nehmen wir zum Anlass gegen die unheilvolle und zum Teil verbrecherische Politik von George W. Bush zu protestieren und rufen alle demokratischen und gewaltfreien Kräfte auf, sich hieran zu beteiligen.

Die Politik von George W. Bush in den USA und weltweit steht wie kaum eine andere für neoliberale Globalisierung und Raubtierkapitalismus. Vom völkerrechtswidrigen Angriffskrieg über die offizielle Außerkraftsetzung des Rechtsstaats bis zur Beschneidung von Bürgerrechten und Schaffung sozialer Ungleichheit fehlt kaum etwas in der Liste seiner Verbrechen. Die Begriffe von "Freiheit" und "Demokratie" werden von George W. Bush infam missbraucht, um tatsächlich die Errungenschaften der Aufklärung und des Humanismus mit Füßen zu treten und zu beseitigen.

Diese Person gehört nicht in das "Goldene Buch" der Stadt Mainz sondern vor Gericht!

George W. Bush und seine Administration kennen keinerlei Skrupel, wenn es darum geht, die Interessen der Konzerne an ungestörter Kapitalverwertung weltweit mit wirtschaftlicher, politischer und militärischer Gewalt abzusichern. So wird der verschärfte Standortwettbewerb der Staaten immer heftiger buchstäblich auf Kosten des Lebens von Menschen ausgetragen. Auch die europäischen Staaten sind und waren daran nicht erst im Irakkrieg beteiligt. Zuletzt 1999 in Jugoslawien haben sie bewiesen, dass auch sie auf Uno und Völkerrecht pfeifen, wenn sie es für opportun halten. Gerhard Schröder errang sich damals das Verdienst, der erste echte deutsche Kriegskanzler seit dem zweiten Weltkrieg zu sein. Auch dagegen richtet sich unser Protest.

Attac wird dieser Politik gewaltfrei die Stirn bieten und unterstützt die Aktionstage am 22./23.02.05 und den Aufruf "Not welcome, Mr. Bush!"
Wer schweigt stimmt zu!

Attac Deutschland, Koordinierungskreis
Angelika Shams, Mitglied im Attac-Bundeskoordinierungskreis


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