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Ein DGB-Workshop zu Friedens- und Sicherheitspolitik in Berlin stieß auf Proteste. Kritische Redner waren ursprünglich nicht vorgesehen

Von Daniel Bratanovic *

Großes Aufheben wollte der Deutsche Gewerkschaftsbund offenbar nicht machen. Der »friedens- und sicherheitspolitische Workshop«, zu dem der DGB am Mittwoch in die Berliner Kalkscheune geladen hatte, war ausdrücklich nicht presseöffentlich. Womöglich sollte vermieden werden, daß eine Berichterstattung die Veranstalter in eine allzu kompromittierende Nähe zu Bundeswehr und Rüstungsindustrie rückt.

Das ursprüngliche Programm ließ aber genau das erwarten. Unter anderem waren der grüne Wehrpolitiker Winfried Nachtwei, Mitglied im »Beirat Innere Führung« des Bundesverteidigungsministeriums, und der Politikwissenschaftler Herfried Münkler als Referenten geladen. Letzterer hatte sich in der Vergangenheit schon mal für die »Herstellung von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von Wohlstandszonen« ausgesprochen. Eine Forderung, von der er am Mittwoch zwar implizit nicht Abstand nahm, allerdings in dieser Deutlichkeit nicht wiederholen mochte.

Die Zusammensetzung der Rednerliste provozierte den Protest vieler anwesender Gewerkschaftsmitglieder. »Die heutige Veranstaltung ist ein gewerkschaftspolitischer Skandal«, rief eine Kollegin in den Saal hinein. DGB-Chef Michael Sommer riet sie, »sofort zurückzutreten«, »dann hast du mehr Zeit für dein Hobby, Lobby für die Bundeswehr zu machen.« Der zeigte sich beleidigt, bezeichnete die Interventionen aus dem Publikum als »strukturelle Gewalt« und erinnerte daran, daß in einem Gespräch, das der DGB-Bundesvorstand mit Verteidigungsminister Lothar de Maizière (CDU) geführt hatte, die Ablehnung von Drohnen und Jugendoffizieren in der Schule vorgebracht worden sei. Dieses Gespräch fand im Februar statt. Vereinbart wurde damals eine engere Zusammenarbeit, die in einer »gemeinsamen Erklärung« über »gemeinsame« Werte zum Ausdruck kommen sollte. Für das Treffen – es war das erste mit einem Verteidigungsminister seit 30 Jahren – hatte die Gewerkschaftsspitze viel Kritik von der Basis geerntet. Sommer hatte wohl nicht zuletzt deshalb im Juni auf dem Kongreß der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angekündigt, »einen großen friedenspolitischen Workshop des DGB zu veranstalten, auf dem alle zu Wort kommen sollen«. Eine solche Veranstaltung solle »bewußt in der Tradition unserer Aufrufe zu den Antikriegstagen« stehen, so Sommer im Juni.

Doch bei der Sichtung des Programms müssen sich die Kollegen verwundert die Augen gerieben haben. Kein einziger der externen Redner steht in der Tradition der Friedensbewegung oder gar des Antimilitarismus. Stefan Berger von der Ruhruniversität in Bochum sprach sich für ein konstruktives Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr aus und belehrte das Publikum, daß erstere nie Bestandteil der Friedensbewegung gewesen seien. Münklers Aufgabe schien vielmehr darin zu bestehen, die Zuhörer daran zu gewöhnen, daß militärische Konflikte an der Peripherie zum Normalfall gehören. Dagegen sei die kapitalistische Weltordnung, wenngleich »normativ unbefriedigend«, in der Lage, die Verteilung von Ressourcen nicht über die Anwendung von Waffengewalt zu organisieren. Das rief ungläubiges Staunen seitens des Publikums hervor.

Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei warnte zwar vor einer schleichenden Militarisierung der deutschen Polizeien durch Auslandseinsätze, hatte aber generell an solchen Einsätzen nichts auszusetzen. Einzig Rainer Braun von der Vereinigung deutscher Wissenschaftler, der anfangs unter den Vortragenden gar nicht vorgesehen war, brachte kritische Positionen ein. So forderte er, der Interventionsarmee durch Konversion die materielle Basis zu nehmen. »Das ist die zentrale Aufgabe von Friedensbewegung und Gewerkschaften.«

Einigermaßen versöhnlich konnte die Abschlußrunde stimmen. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe sprach sich gegen die Kooperationsabkommen zwischen Ländern und Bundeswehr aus, die es letzterer ermöglicht, mit Jugendoffizieren an Schulen für ihr Handwerk zu werben. Ferner werde sich die GEW für Zivilklausel an Universitäten einsetzen, die militärrelevante Forschung verbietet. »Was wir außerdem brauchen, ist eine Aufklärung gegen Kriegsideologie«, sagte Tepe. Ihr Kollege von ver.di, Wolfgang Uellenberg-van Dawen, sekundierte, daß eine radikale Entmilitarisierung der deutschen Außenpolitik notwendig sei. Es bedürfe der Dominanz der Friedens- und Konfliktforschung. »Oder mit anderen Worten: Friedensbewegung an die Macht.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 1. November 2013


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