Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Friedenspolitik à la DGB

Illustre Runde für "Sicherheitspolitischen Workshop" geladen. Aufruf zu Protesten gegen Kriegspropagandisten

Von Peer Heinelt *

Am Mittwoch kommender Woche lädt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, zu einem »Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshop« in die »Kalkscheune« nach Berlin. Er wolle das »Verhältnis der Gewerkschaften zum Militär diskutieren«, erklärt Sommer und freut sich, daß er hierfür »eine Reihe von namhaften Referentinnen und Referenten gewinnen« konnte. Einen Namen haben die angekündigten Redner in der Tat – sofern es um Legitimationsstrategien und Propaganda für aktuelle und künftige deutsche Kriege geht.

Ganz weit oben auf der Liste der Vortragenden steht der grüne Wehrpolitiker Winfried Nachtwei, seines Zeichens Mitglied im »Beirat Innere Führung« des Bundesverteidigungsministeriums. Nachtwei macht sich nicht zuletzt in Publikationen der Bundeswehr gerne Gedanken darüber, wie die »wuchernde Aufstandsbewegung« in Afghanistan »wirksam eingedämmt« werden könne. Kein Wort der Kritik findet er folgerichtig für das am 4. September 2009 von einem deutschen Oberst nahe Kundus angeordnete Massaker, bei dem 142 Zivilisten, darunter viele Kinder und Jugendliche, starben. Vielmehr treibt ihn die Frage um, warum es die hiesige politisch-militärische Führung nicht geschafft habe, »der Bevölkerung Sinn, Verantwortbarkeit und Realität des Einsatzes überzeugend zu vermitteln«.

Bei seinen Koreferenten dürfte Nachtwei mit dieser Haltung keinen Widerspruch ernten. So zählt etwa der für »polizeiliche Auslandseinsätze« zuständige stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, zu den Teilnehmern des DGB-Workshops. Noch während in Libyen der Bürgerkrieg tobte, sprach sich Radek dafür aus, deutsche Polizisten in das nordafrikanische Land zu entsenden. Neben Nachtwei und Radek ist auch der Ver.di-Funktionär Michael Peters angekündigt. Peters leitet die »Fachgruppe Bundeswehr« der Dienstleistungsgewerkschaft und ist damit qua Amt für die Organisierung und Vertretung der Soldaten und Zivilbeschäftigten der deutschen Streitkräfte zuständig. Ihm zur Seite steht Jürgen Bühl, Leiter des beim Vorstand der IG Metall angesiedelten »Arbeitskreises Wehrtechnik und Arbeitsplätze«. Wie bereits die Bezeichnung des Gremiums nahelegt, hat Bühl ein großes Herz für die deutsche Rüstungsindustrie, die seiner Ansicht nach »gut aufgestellt« ist, da sie »mit Qualität überzeugt«.

In einer solch illustren Runde dürfen Leute wie Almut Wieland-Karimi vom »Zentrum für Internationale Friedenseinsätze« und der Politologe Herfried Münkler selbstverständlich nicht fehlen. Laut einer an der Hochschule Bremen 2004 eingereichten Diplomarbeit unterstützte Karimis Verein »Mediothek für Afghanistan« die deutschen Besatzungstruppen am Hindukusch bei der Herausgabe und beim Vertrieb einer an die lokale Bevölkerung gerichteten Propagandazeitung. Münkler wiederum plädiert für die »Herstellung von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von Wohlstandszonen« gegen die Habenichtse des globalen Südens. Man müsse lernen, so der Wissenschaftler, die »Kategorie des Imperiums« als »Ordnungskategorie des Politischen« zu denken.

Gegen den Versuch der DGB-Spitze, unter dem Deckmantel einer vermeintlich friedenspolitischen Debatte imperialistischen Kriegen das Wort zu reden, formiert sich mittlerweile allerdings Protest. So ruft etwa die gewerkschaftliche »Initiative Frauenfriedenskonferenz« ihre Mitglieder dazu auf, die Teilnehmer des Berliner Workshops mit »entschiedenem Widerspruch« zu konfrontieren – und zwar sowohl in als auch vor den Veranstaltungsräumlichkeiten. Wie die Aktivistinnen erklären, sind sie nicht bereit, »ein Feigenblatt abzugeben für eine angebliche Diskussion, in der es weder um die verteidigungspolitischen Richtlinien und den Umbau der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz in aller Welt geht noch um die Militarisierung der Gesellschaft, sondern die der Versuch ist, die sicherheitspolitische Doktrin der Bundesregierung in den Gewerkschaften zu verankern, so wie dies in Schulen und Hochschulen schon seit langem passiert«.

Verwiesen wird auch darauf, daß es sich bei dem von DGB-Chef Sommer angekündigten »Workshop« keineswegs um ein singuläres Ereignis handelt. Bereits im Februar war es zu einem Treffen der DGB-Spitze mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) gekommen; dieses gipfelte in der Ankündigung, in Kürze eine »gemeinsame Erklärung« vorzulegen, die die »gemeinsamen Werte« von Bundeswehr und Gewerkschaft betonen solle. Der seinerzeit von der Gewerkschaftsbasis artikulierte Widerspruch war offenbar noch nicht entschieden genug.

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Oktober 2013


Lesen Sie dazu auch:




Zurück zur Seite "Gewerkschaften und Frieden"

Zur Friedensbewegungs-Seite

Zurück zur Homepage