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Zum Verhältnis von DGB und Bundeswehr

Ulla Jelpke *

Die Führung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist drauf und dran, sich von der Friedensbewegung endgültig zu verabschieden. Von einem „Schulterschluss“ zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr sprachen die Medien nach einem Gespräch zwischen DGB-Chef Michael Sommer und Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Die beiden kündigten an, ein gemeinsames Grundlagenpapier zu erarbeiten.

Für DGB-Chef Sommer ist es eine gute Nachricht, dass das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und der Bundeswehr nicht mehr „gestört“ sei. Dabei wäre durchaus die Frage zu stellen, ob man zur Bundeswehr, jedenfalls so wie sie heute ist, tatsächlich ein ungestörtes Verhältnis haben sollte –zumal dann, wenn man sich die Vertretung von ArbeiterInnen-Interessen auf die Fahne schreibt.

Richtig ist natürlich, dass Gewerkschaften sich für die Zustände im Militär interessieren und sich auch um die Rechte jener Werktägigen bemühen, die –aus welchen ökonomischen und/oder politischen Gründen auch immer – zur Bundeswehr gehen. Wobei man sich keinen Illusionen über die Reichweite gewerkschaftlicher Rechte hingeben sollte.

Das heißt aber noch lange nicht, hieraus ein unkritisches Verhältnis zur Bundeswehr abzuleiten. Wenn Thomas de Maizière sagt, seine Truppe sei „Teil der Friedensbewegung“, dann kann es nicht sein, dass der DGB-Vorsitzende eine solche Begriffsentwertung unwidersprochen hinnimmt. Welche Friedensbewegung hat jemals die Ermordung von über 100 Menschen verbrochen, wie das ein Oberst der Bundeswehr im September 2009 am Kunduz-Fluss getan hat?

Nun hat sich Michael Sommer nicht explizit zugunsten der konkreten Praxis von Bundeswehr-Einsätzen ausgesprochen. Aber die achselzuckende Gleichgültigkeit, die er an dieser Stelle demonstriert, ist für einen Gewerkschafter fehl am Platz.

Eine Gewerkschaft, die die Interessen von Werktätigen zu vertreten hat, sollte eine Meinung zum Auftrag der Bundeswehr haben. Wie dieser Auftrag lautet, daran lassen die einschlägigen Strategiepapiere keinen Zweifel: Es geht darum, an potentiell allen Orten der Welt interventionsfähig zu sein, um kapitalistische Interessen zu sichern. Ungestörter Handel und freie Transportwege stehen in den Verteidigungspolitischen Richtlinien des Verteidigungsministeriums ganz oben auf der Agenda, und unverhohlen wird mit Militärschlägen gegen diejenigen gedroht, die das ungehemmte Wirtschaften stören könnten.

Es sind nicht die erbärmlichen Zustände in den sweat-shops im Trikont, welche die Bundeswehr zum Einsatz gegen die unmenschlichen Ausbeuter veranlassen. Diese Ausbeutung ist vielmehr Teil der „freien Weltwirtschaft“, zu deren militärischer Verteidigung die Bundeswehr stets auf dem Sprung ist. Deshalb gibt es zwar einen Antipiraterie-Einsatz vor der somalischen Küste, aber keinen Einsatz zur Befreiung von Arbeitern etwa in Bangladesh, egal wie sehr die Fabriken dort Gefängnissen ähneln.

Die meisten Bundeswehrsoldaten sind nicht aus militaristischer Überzeugung in der Armee, sondern aus ökonomischer Not. Letztlich sind sie prekarisierte Werktätige. Diese richtige Erkenntnis darf nicht davon ablenken, dass das Gleiche im Wesentlichen auch für ihr militärisches Gegenüber gilt.

Angesichts einer Konstellation, in der deutsche Arbeiter auf ausländische Arbeiter oder Bauern schießen sollen, muss einer Gewerkschaft mehr einfallen als nur wie Sommer zu sagen: Egal wie wir zum konkreten Einsatz stehen, wenn er einmal beschlossen ist, fordern wir die bestmögliche Ausrüstung unser eigenen Arbeiter/Soldaten.

Natürlich muss sich ein Arbeitervertreter um Leben und Gesundheit von Arbeitern sorgen. Aber auch um den Preis, dass die „eigenen“ Arbeiter dank besserer Bewaffnung umso eher die „anderen“ Arbeiter töten? Von einer internationalistischen Haltung ist der DGB-Chef offenbar ganz weit entfernt. In solchen Äußerungen wird eher eine Standortlogik ganz besonders tödlicher Art offenbar. Der beste Schutz für die Arbeiter ist nicht ihre bessere Bewaffnung, sondern ihr Abzug aus den Kriegsgebieten. Dies müsste eine Gewerkschaft fordern, und sie müsste SoldatInnen darüberhinaus zum Verweigern, Desertieren und Sabotieren des Kriegsdienstes ermuntern. Damit würde der DGB seiner Verantwortung gegenüber ArbeiterInnen aller kriegführenden Länder gerecht.

Daran ändert der Hinweis nichts, dass Bundeswehreinsätze vom Bundestag beschlossen werden. Die Kriegskredite im Ersten Weltkrieg waren auch vom Reichstag beschlossen worden. (Mehrheits-)Sozialdemokratie und Gewerkschaften gaben der Kriegspolitik ihren Segen. Das hat den Krieg nicht weniger mörderisch gemacht, das hat nicht weniger, sondern eher mehr Arbeitern das Leben gekostet. 100 Jahre später hat der DGB das hieraus Gelernte offenbar komplett vergessen.

Was die Bundeswehr an Vorbereitungen für Inlandseinsätze leistet, sollte Gewerkschaftern ebenfalls zu denken geben. Nach und nach werden Strukturen und Einheiten speziell für Inlandseinsätze aufgestellt. Unter der Bezeichnung „Zivil-Militärische Zusammenarbeit“ (ZMZ) wird angeblich der „Katastrophenschutz“ verbessert. Auf Nachfrage erklärt die Bundesregierung allerdings auch Ereignisse wie etwa einen Streik zu möglichen Anlässen für ein Tätigwerden der Bundeswehr. Das komme auf den Einzelfall an…

Die Bundeswehr ist keine Organisation zur Verteidigung von Arbeiterinteressen, sondern sie ist ein Instrument des kapitalistischen Staates, das die Grundlagen des Profitschaffens – und damit der Ausbeutung – mit bewaffneter Gewalt verteidigen soll.

Dass eine Gewerkschaft zu einer solchen Organisation ein „gestörtes“ Verhältnis hat, sollte das Mindeste sein. Friede, Freude, Eierkuchen sind Fehl am Platz. Gewerkschaften gehören an die Seite der Friedensbewegung, an die Seite jener, die gegen die absurde Normalität von Kriegseinsätzen protestieren.

Dieser Beitrag erschien auf der Website der Antikapitalistischen Linken, 19.02.2013; www.antikapitalistische-linke.de


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