Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Grass stimuliert Ostermärsche" / "Grass-Gedicht polarisiert beim Ostermarsch"

Ein Pressespiegel (von der Deutschen Welle bis zum Weser-Kurier)


Es grasste ganz heftig bei den diesjährigen Ostermärschen. Ob Günter Grass der Friedensbewegung auf die Sprünge helfen wollte, sei dahin gestellt. Jedenfalls half sein Gedicht, weil es die öffentliche Diskussion anregte und diese Diskussion just in die Zeit der Ostermärsche fiel, die das von Grass literarisch verarbeitete Thema ebenfalls umtrieb. Der folgende Pressespiegel (unvollständig wie immer in solchen Fällen) gibt einerseits Auskunft über den Medien-Hype Grass, berichtet aber auch über die weiteren Inhalte der Ostermärsche.

Folgende zehn Artikel/Zeitungen kommen zu Wort:

Grass stimuliert Ostermärsche

Neben Nein zu Krieg und Rüstung viel Zustimmung für Gedicht des Literaten

Von Reimar Paul


Hauptthemen der Friedensbewegung waren in diesem Jahr die Lage in Afghanistan und die bleibende Bedrohung durch Atomwaffen. Daneben rückte der Iran-Konflikt in den Blickpunkt. Günter Grass erhielt Zustimmung für sein israelkritisches Gedicht.

Viele Demonstranten hatten noch eigens neue Transparente beschriftet. »Grass hat Recht«, war am Wochenende vielerorts auf Spruchbändern zu lesen. Das Israel-kritische Gedicht des Literatur-Nobelpreisträgers und die Reaktionen darauf waren ein großes Thema bei den diesjährigen Ostermärschen. »Nicht Günter Grass gehört an den Pranger«, erklärte etwa der Bundesausschuss Friedensratschlag. »Sondern diejenigen Politiker, die weiterhin an der Eskalationsschraube im Nahen und Mittleren Osten drehen, indem sie Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge treiben.« Viele Redner warnten bei den diesjährigen Ostermärschen vor der Zuspitzung der Lage in der Region durch die Kriegsdrohungen gegen den Iran.

Das Netzwerk Friedenskooperative bezeichnete das von der israelischen Regierung ausgesprochene Einreiseverbot für Grass als »unsouveräne Reaktion«. Damit werde auch jede Möglichkeit ausgeschlossen, dass der Schriftsteller sich etwa von Universitäten organisierten Streitgesprächen in Israel stellen könnte.

Insgesamt beteiligten sich Tausende Menschen an den Osterdemonstrationen der Friedensbewegung. »Wenn Tausende Menschen bei eisigen Temperaturen, Regen, Hagel und Schnee überall im Land auf die Straße gehen, dann muss es ihnen Ernst sein mit ihrem Anliegen«, bilanzierte Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, die bundesweit rund 80 Aktionen.

In Berlin umzingelten Demonstranten mit einem rund 600 Meter langen Transparent die US-amerikanische Botschaft und forderten »Schluss mit den weltweiten Kriegseinsätzen« und verlangten ein Ende der Todesstrafe. Beim Leipziger Ostermarsch protestierten sie gegen die Nutzung des Flughafens für Kriegseinsätze, im thüringischen Ohrdruf verlangten sie die Auflösung des Truppenübungsplatzes. Friedensinitiativen aus dem Rhein-Main-Gebiet forderten die Schließung des US-Headquarters in Wiesbaden. Beim traditionellen dreitägigen Ostermarsch Ruhr liefen mehrere hundert Menschen mit.

Inhaltliche Klammer der Ostermärsche war die Forderung nach einem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan. Der Krieg müsse umgehend beendet werden. Das versprochene Abzugsdatum Ende 2014 bedeute - wenn es denn überhaupt eingehalten werde - weitere zwei Jahre grausamen Krieg, unter dem hauptsächlich die Zivilbevölkerung leiden müsse. Zudem verlangten die Demonstranten den Stopp aller Rüstungsexporte. Viele Kundgebungsredner hoben hervor, dass Deutschland in die Spitzengruppe der größten Waffenexporteure der Welt aufgestiegen und somit verantwortlich für die Versorgung der halben Welt mit todbringenden Waffen ist. Auch Atomanlagen waren Ziele von Ostermärschen.

* Aus: neues deutschland, 10. April 2012


Friedensbewegung solidarisiert sich mit Grass

Das israelische Einreiseverbot für den deutschen Literaturnobelpreisträger Günter Grass stößt auf Kritik – auch in Israel. Die deutsche Friedensbewegung verteidigt dagegen die Thesen in seinem umstrittenen Gedicht.

In mehreren Städten Deutschlands sind die diesjährigen Ostermärsche fortgesetzt worden, allerdings mit mäßigem Zulauf. Nach Angaben der Organisatoren wurde vielfach Unterstützung für Günter Grass' Aussage laut, wonach es kein Recht auf präventive Militärschläge gebe. Die Friedensbewegung teile die Auffassung, dass die Nahost-Region umfassend demilitarisiert werden müsse, teilte die bundesweite Informationsstelle Ostermarsch in Frankfurt am Main mit. Dass Israel gegen Grass ein Einreiseverbot verhängt habe, sei ein "unmögliches Verfahren", sagte deren Sprecher, Willi van Ooyen. Damit versuche Israel die öffentliche Debatte um den Umgang mit dem Iran zu behindern.

Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, sagte, dass nicht der Schriftsteller an den Pranger gehöre, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der "Eskalationsschraube" im Nahen und Mittleren Osten drehten. Dass Israel Atomwaffen besitze und offen das Für und Wider eines Präventivkriegs gegen Iran diskutiere, seien Tatsachen, die Grass auf seine Weise ins rechte Licht gerückt habe, erklärte er.

Das „Netzwerk Friedenskooperative“ bezeichnete das von der israelischen Regierung ausgesprochene Einreiseverbot für Grass in Folge seines Gedichts zur israelischen Atompolitik als „unsouveräne Reaktion“. Damit würde auch jede Möglichkeit ausgeschlossen, dass der 84-Jährige sich Streitgesprächen in Israel stellen könnte.

Einreiseverbot für Grass stößt auf Unverständnis

Israels Einreiseverbot für Günter Grass stößt bei deutschen Politikern weiter auf Kritik. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Montag, sie finde es schade, dass Israel so reagiert habe. Das Verbot sei offensichtlich innenpolitisch motiviert. Sie warf Grass aber vor, er spiele sich mit seiner Kritik an der israelischen Politik als Tabubrecher auf. Doch damit komme er viel zu spät. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nannte das Einreiseverbot völlig überzogen. Ähnlich äußerte sich der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose. Der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Jan van Aken, nannte das Einreiseverbot und die Forderung, Grass den Literaturnobelpreis abzuerkennen, völlig überzogen und undemokratisch.

Literaturnobelpreisträger Grass hatte in seinem Gedicht angeprangert, dass der Iran von einem atomaren Präventivschlag durch Israel bedroht sei, der das iranische Volk auslöschen könne. Zudem schrieb er, dass Israel den Weltfrieden gefährde. Dies hatte ihm harsche Kritik und den Vorwurf des Antisemitismus eingebracht.

Deutsche Welle, 9. April 2012


Tausende gegen Krieg

Ostermärsche in 80 Orten: Afghanistan-Einsatz und Rüstungsexporte in der Kritik. Auch Aktionen an AKW-Standorten. Veranstalter mit Beteiligung zufrieden

Von Max Eckart


Die Friedensbewegung hat am Wochenende mit rund 80 Ostermärschen Flagge gezeigt. An den Kundgebungen und Demon­strationen beteiligten sich insgesamt mehrere tausend Menschen – das waren weniger als in den Jahren davor. Eine Erklärung neben der kalten Witterung liefert der Wegfall des Mobilisierungsmagneten »Bombodrom«. Nach ihrem Erfolg im jahrelangen Kampf gegen die Nutzung des ehemaligen Truppenübungsplatzes als Bombenabwurfplatz hatte die Bürgerinitiative »Freie Heide« dieses Mal nicht zum Ostermarsch aufgerufen.

Gleichwohl zeigten sich die großen Organisationen der Friedensbewegung mit der Beteiligung zufrieden. »Wenn Tausende Menschen bei eisigen Temperaturen, Regen, Hagel und Schnee überall im Land auf die Straße gehen, dann muß es ihnen Ernst sein mit ihrem Anliegen«, sagte Peter Strutynski, der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Inhaltliche Klammer der diesjährigen Ostermärsche war die Forderung nach einem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan. Dieser Krieg müsse umgehend beendet werden. Das versprochene Abzugsdatum Ende 2014 bedeute – wenn es denn überhaupt eingehalten werde – weitere zwei Jahre grausamen Krieg, unter dem hauptsächlich die Zivilbevölkerung leiden müsse.

Zudem verlangten die Demonstranten den Stopp aller Rüstungsexporte. Viele Kundgebungsredner hoben hervor, daß Deutschland in die Spitzengruppe der größten Waffenexporteure der Welt aufgestiegen und somit verantwortlich für die Versorgung der halben Welt mit todbringenden Waffen ist.

Vielfach gingen die Ostermarschierer auch auf das israelkritische Gedicht von Günter Grass und die Reaktionen darauf ein. »Grass hat recht«, hieß es auf Transparenten. »Nicht Günter Grass gehört an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiterhin an der Eskalationsschraube im Nahen und Mittleren Osten drehen, indem sie den Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge treiben«, erklärte der Bundesausschuß Friedensratschlag. Im Konflikt um das iranische Atomprogramm gebe es nicht den Schurken Ahmadinedschad auf der einen und friedfertige Staaten auf der anderen Seite. »Daß Israel über 250 einsetzbare Atomsprengköpfe besitzt, dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten ist, keinerlei internationale Kontrollen über seine Atomanlagen zuläßt und zudem offen das Für und Wider eines Präventivkriegs gegen Iran diskutiert, sind Tatsachen, die Günter Grass auf seine Weise ins rechte Licht gerückt hat.«

Das Netzwerk Friedenskooperative bezeichnete das von der israelischen Regierung ausgesprochene Einreiseverbot für den Schriftsteller als unsouveräne Reaktion. Damit werde auch jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß der Literaturnobelpreisträger sich etwa von Universitäten organisierten Streitgesprächen in Israel stellen könnte.

Vielfach setzten die örtlichen Veranstalter eigene Schwerpunkte. In Berlin umzingelten Demonstranten mit einem rund 600 Meter langen Transparent die US-amerikanische Botschaft in Solidarität mit Mumia Abu-Jamal und verlangten ein Ende der Todesstrafenpraxis. Beim Leipziger Ostermarsch protestierten sie gegen die Nutzung des Flughafens für Kriegseinsätze, im thüringischen Ohrdruf verlangten sie die Auflösung des Truppenübungsplatzes. Friedensinitiativen aus dem Rhein-Main-Gebiet forderten die Schließung des US-Headquarters in Wiesbaden. Atomanlagen waren ebenfalls Ziele von Ostermärschen. Im westfälischen Gronau blockierten Atomkraftgegner eine Zufahrt zur Urananreicherungsanlage. Vor dem AKW Brokdorf zogen Umweltschützer zu einer Mahnwache auf. Auch am Forschungszentrum Jülich und am Atommüllager Asse gab es Protestaktionen.

* Aus: junge Welt, 10. April 2012


Das längste Transparent der Welt

Berliner Ostermarschierer fordern Abzug aus Afghanistan und Freiheit für Abu-Jamal

Von Ralf Hutter


Afghanistan-Krieg, Todesstrafe und die Debatte um Günter Grass: die Themen beim Berliner Ostermarsch waren hochaktuell. Trotz des ungemütlichen Wetters sind nach Angaben der Organisatoren rund 1500 Menschen gekommen.

Es ist Ostersamstag am Mittag: Rechtzeitig zur Auftaktkundgebung des Ostermarsches lassen kalter Wind und Regen nach. Trotz des ungemütlichen Wetters sind nach Angaben der Organisatoren rund 1500 Menschen gekommen, etwa drei Mal so viele, wie von ihnen erwartet. Die Polizei zählt allerdings nur 700. Das Schrumpfen und Überaltern der Friedensbewegung wird seit langem beklagt. War der letztjährige Ostermarsch, als unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe mehrere Tausend Menschen kamen, nur ein Aufflackern?

Von einem Lkw werden Redebeiträge verlesen und Konzerne angeprangert, die am Potsdamer Platz ansässig und im militärischen Geschäft vertreten sind: so EADS, der zweitgrößte Rüstungskonzern Europas; oder die Deutschen Bahn, die über eine Tochtergesellschaft Lkw an die Bundeswehr vermieten würde. Auch zu den geplanten Anti-NATO-Protesten in Chicago im Mai gibt es Informationen.

Im Publikum ist ein breites Spektrum an linken Gruppen zu finden. Geht es nach den Fahnen, dominiert die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), aber auch Bürger aus Bahrain sind stark vertreten, die auf die dortige Niederschlagung der demokratischen Bewegung hinweisen wollen, wie auf einem Flugblatt erklärt wird. Auch Anti-Kernkraft-Fahnen wehen heftig. Und Günter Grass hat hier viele Sympathisanten. »Bleiben Sie stark, Herr Grass« ist auf einem Plakat zu lesen. Die Demonstranten fordern den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sowie die Abschaffung von öffentlichen Gelöbnissen und Zapfenstreichen.

»Es ist mal wieder der harte Kern«, stellt Karl Lang fest. Der 32-jährige Anwalt ist zum wiederholten Mal dabei. Für Berlins Größe fällt die Demo klein aus, findet er. In Stuttgart, wo er aufgewachsen sei und auch hin und wieder den Ostermarsch besucht habe, kämen mehr Menschen. Ähnlich sei jedoch die Altersstruktur: »Zwei Drittel Alte«, schätzt Lang. »Das ist keine junge Bewegung. Und sie ist auch nicht sexy.« So habe er in eine Internetsuchmaschine »Ostermarsch Berlin 2012« eingegeben und das erste Suchergebnis sei der Ostermarsch von 2011 gewesen.

Der Zug unter dem Motto »Krieg darf kein Mittel der Politik sein« zieht Richtung Friedrichstraße. Auch dort werden in kurzen Reden Rüstungsfirmen und der Verband der Luft- und Raumfahrtindustrie verurteilt.

Mitten in der Demo haben sich Männer in blauen T-Shirts so eingeordnet, dass sie eine ganze Fahrbahnseite einnehmen. Auf ihre Shirts ist je ein Buchstabe gemalt. Zusammen ergeben sie »Free Syria«. Der Demo-Aufruf wendet sich allerdings gegen »jegliche Intervention« des »Westens« in Syrien. »Wir sind nicht für das Motto dieser Veranstaltung«, sagt Siamend Hajo, einer der Männer. Er stellt seine Gruppe als Teil des europäischen Netzwerks vor, das zur Organisation »Kurdische Zukunftsbewegung in Syrien« gehört. »Wir wollen, dass das Morden aufhört in Syrien«. 10.000 Menschen seien bereits getötet worden, 90 Prozent durch Regimekräfte, sagt Hajo. Er gibt zu, dass auch seitens der Oppositionsarmee »Menschenrechtsverletzungen« begangen werden, schließlich seien das ehemalige Regimesoldaten, die nur die Seiten gewechselt hätten. Hajo plädiert dafür, dass die europäischen Regierungen auch militärisch helfen sollten, das Regime zu beseitigen, denn »die Syrer können das nicht unter sich lösen«.

Beim Einbiegen in die Straße Unter den Linden schlägt dem schon dezimierten Marsch kalter Wind entgegen. Dennoch finden sich genug Leute, um am Brandenburger Tor das »längste Transparent der Welt« aufzunehmen. Eigentlich besteht es aus vielen Teilstücken, die »in vielen Monaten und in vielen Städten gemalt, gestickt und genäht wurden«, wie die Stimme vom Demo-Lkw verkündet. Auf einer Länge von über 600 Metern wird es nun um die US-Botschaft herumgewunden, um so gegen die Todesstrafe in den USA zu protestieren und Freiheit für den seit 30 Jahren in den USA inhaftierten Mumia Abu-Jamal zu fordern.

* Aus: neues deutschland, 10. April 2012


Politiker distanzieren sich von Günter Grass

In Deutschland und Israel wird das Gedicht von Günter Grass weiter scharf kritisiert - führende SPD-Politiker wollen auf seine Wahlkampfhilfe verzichten. Doch auch die harsche Reaktion aus Israel wird moniert.

Tel AvivFührende SPD-Politiker wollen künftig auf Wahlkampfhilfe von Literaturnobelpreisträger Günter Grass verzichten. Mit Grass' umstrittenen Gedicht zu Israels Atompolitik habe sich „die Frage von künftigen Wahlkampfunterstützungen für die SPD erledigt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Lange, der „Welt“.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker Reinhold Robbe. „Ich möchte Grass nicht mehr in einem Wahlkampf für die SPD erleben“, sagte er dem Blatt. Grass habe sich mit seinen jüngsten Äußerungen zwischen sämtliche Stühle gesetzt. „Wahlkampfaktionen mit Grass würden viele Sozialdemokraten jetzt als Provokation und nicht als Unterstützung empfinden.“ Davon abgesehen gelte mit Blick auf Grass: „Seine Zeit ist einfach vorbei.“

Grass machte seit Jahrzehnten Wahlkampf für die SPD. In den 1960-er Jahren hatte er sich leidenschaftlich für die Wahl des Sozialdemokraten Willy Brandt zum Kanzler eingesetzt. Seine Erfahrungen im Bundestagswahlkampf 1969 hatte Grass in dem Buch „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“ verarbeitet.

Auf der anderen Seite wird auch das Einreiseverbot Israels für den Literaturnobelpreisträger sowohl in Deutschland als auch im jüdischen Staat auf Kritik gestoßen. Vertreter von SPD, Grünen und FDP nannten die Entscheidung am Osterwochenende falsch. Unterstützung für den israelischen Schritt bekundete hingegen CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder.

„Ich glaube, das ist unangemessen und wird auch dem Thema nicht gerecht“, sagte SPD-Außenexperte Rolf Mützenich der ARD. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, bezeichnete das Verbot als „unsouverän und demokratisch nicht klug“. Während sich das Außenministerium nicht äußern wollte, bezeichnete FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr die Reaktion als „völlig überzogen“.

Grass' Gedicht, indem er Israel eine Gefahr für den Weltfrieden genannt hatte, sei jedoch von „Vorurteilen und Uneinsichtigkeit“ geprägt, sagte Bahr der Zeitung „Die Welt“. Junge-Union-Chef Mißfelder wies die Kritik an israel hingegen zurück: „Israel entscheidet selber, wer willkommen ist und wer nicht.“ Das Land befinde sich in einer existenziellen Bedrohung, das erkläre die Reaktion, sagte er sagte er dem „Tagesspiegel“ laut Vorabbericht.

Grass hatte Israel in seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ unter anderem vorgeworfen, mit seiner Iran-Politik und Atomwaffen den Weltfrieden zu bedrohen. Politik- und Kulturszene im Innen- und Ausland reagierten überwiegend mit harscher Kritik auf das Gedicht. Israel verhängte ein Einreiseverbot gegen den Schriftsteller.

Rückendeckung bekommt Grass auch aus der deutschen Friedensbewegung. Nicht der Schriftsteller gehöre an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der „Eskalationsschraube“ im Nahen und Mittleren Osten drehten, indem sie den Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge trieben, erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Montag in Kassel. „Die logische Folge des Sanktionsregimes aber heißt Krieg.“

Dass Israel über 250 Atomsprengköpfe besitze, dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sei sowie keine Kontrollen zulasse und offen das Für und Wider eines „Präventivkriegs“ gegen Iran diskutiere, „sind Tatsachen, die Günter Grass auf seine Weise ins rechte Licht gerückt hat“, erklärte er.

Handelsblatt (online), 10. April 2012


"Komplizierter geworden"

An der Ruhr ging es um Kriege, den Verfassungsschutz und Neonazis

Von Lutz Debus, Düsseldorf


Die Kulisse ist von der Übertragung der Karnevalsumzüge bekannt. Vor dem Historischen Rathaus in Düsseldorf fanden sich am Sonnabendnachmittag allerdings keine Narren ein, sondern etwa 500 Demonstranten. Der Ostermarsch Ruhr machte einen kurzen Halt am Rhein.

Fahnen und Transparente flattern im kalten Wind. Es riecht nach Bratwurst. Eilige Ostereinkäufer hasten mit prall gefüllten Plastiktüten vorbei, fürchten, von diversen Flugblattverteilern angesprochen zu werden. Ulrich Sander von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes spannt am Rednerpult einen großen Bogen von der wachsenden Kriegsgefahr weltweit über die zunehmende Beteiligung Deutschlands an Militäreinsätzen bis hin zur Überwachung von Linken durch den Verfassungsschutz und dessen Versagen bei der Aufklärung von Nazi-Morden. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind bunt gemischt.

Einer davon ist der 17-jährige Anatol aus Köln. Seit einigen Jahren engagiert er sich bei der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend. Sein Vater sei ein linker Grüner und schon der wurde in der Friedensbewegung der 1980er Jahre politisiert, erzählt Anatol. »Ich aber denke radikaler, ich bin Kommunist.« Wichtig ist dem Oberschüler, dass mehr Geld für die Bildung als für immer neue Bundeswehreinsätze ausgegeben werde.

Der traditionelle Ostermarsch Ruhr führte in drei Tagen von Duisburg nach Dortmund. Auf die im Gegensatz zu früheren Zeiten geringere Beteiligung angesprochen, erwidert der junge Mann: »Es ist wichtig, dass überhaupt etwas geschieht.« Die Friedensbewegung wäre ohne Ostermarsch in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr präsent.

Jene früheren Zeiten, als sich Hunderttausende Menschen den Demonstrationen der Friedensbewegungen anschlossen, hat eine zehnköpfige Gruppe erlebt, die aus Solingen angereist ist. Eine etwa 60-jährige Frau erklärt keck: »Wir wollen doch mal gucken, wer noch alles überlebt hat.« Für sie gehe es nach wie vor gegen Atomwaffen, die ja noch immer auch auf deutschem Boden stationiert seien. Aber auch die zunehmende Werbung der Bundeswehr in den Schulen fände sie furchtbar. Neben ihr steht Günter Koch. Der 67-jährige ist ebenfalls aus Solingen. Schon vor 50 Jahren sei er beim Ostermarsch mitgelaufen. Damals ging es gegen die Wiederbewaffnung der Bundeswehr. Der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß wollte unbedingt die Atombombe auch für Deutschland. »Erst waren es nur Hunderte, ein paar Jahre später schon Hunderttausende, die größten Demonstrationen der Nachkriegszeit«, erzählt Koch. Noch mehr Ostermarschierer gab es nur in den 1980er Jahren, als neue Atomraketen vom Typ Pershing 2 in der Bundesrepublik stationiert werden sollten.

An diese Zeit kann sich Christian Fahrenwald noch gut erinnern. Der nun 52-Jährige aus Düsseldorf ist bereits 1981 von Duisburg bis Dortmund marschiert. Man habe in Turnhallen übernachtet. Die Menschen seien in Massen gekommen. Die Spitze des Demonstrationszuges war bereits in Bochum angekommen, als die letzten Friedensmarschierer in Essen noch gar nicht losgezogen waren, schwärmt Fahrenwald. Damals sei es allerdings nur um ein gemeinsames Thema gegangen, den Protest gegen den NATO-Doppelbeschluss, mit dem eine neue Generation von Atomwaffen in Europa stationiert werden sollte. »Inzwischen besteht der Aufruf zum Ostermarsch aus dem Angebot eines politischen Gemischtwarenhandels«, bemerkt der gelernte Betriebsschlosser spöttisch.

Gegen die Kriegsdrohung von Israel an Iran können sich aus seiner Sicht nicht zwingend die gleichen Leute aussprechen wie diejenigen, die die Wiederaufarbeitung atomarer Brennstoffe in Gronau verhindern wollen. »Die Welt ist komplizierter geworden«, erklärt der Düsseldorfer. Aber auch früher, so gibt er zu, habe es nicht immer Konsens unter den Demonstranten gegeben. »Auch vor 30 Jahren gab es Krieg in Afghanistan, nur haben dagegen andere politische Gruppen protestiert und andere dazu geschwiegen als heute.«

Besonders aufgeregt hat ihn in diesem Jahr, dass in Duisburg die Hiphop-Band »Die Bandbreite« für das Kulturprogramm gesorgt hat. Viele linke Gruppen laden jene Musiker nicht mehr ein, die mit ihrer Verschwörungstheorie zum 11. September 2001 und ihrer Nähe zu rechtsradikalen Gruppen schon für einige Skandale sorgten.

Trotz des Ärgers wird Christian Fahrenwald auch im nächsten Jahr wieder am Ostermarsch teilnehmen. Und das begründet er mit nur einem Satz: »Wenn das ganze Geld, statt für Rüstung und Krieg für die Menschen ausgegeben werden würde - wir hätten das Paradies auf Erden.«

* Aus: neues deutschland, 10. April 2012

Hier können Sie zwei ostermarschreden aus Düsseldorf lesen:

"Sanktionen fördern Konflikte, anstatt sie zu lösen"
Rede von Karin Leukefeld
Die Gefahr geht von unserem Land aus
Rede von Ulrich Sander




Friedensbewegung solidarisiert sich mit Grass

Nobelpreisträger rücke Tatsachen auf seine Weise ins rechte Licht

Günter Grass bekommt Rückendeckung aus dem deutschen Bundesausschuss Friedensratschlag. Nicht der Schriftsteller gehöre an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der «Eskalationsschraube» im Nahen und Mittleren Osten drehten.

Literaturnobelpreisträger Günter Grass bekommt laut der Nachrichtenagentur DAPD Rückendeckung aus der deutschen Friedensbewegung. Nicht der Schriftsteller gehöre an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der «Eskalationsschraube» im Nahen und Mittleren Osten drehten, indem sie Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge trieben, erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Montag in Kassel.

Dass Israel über 250 Atomsprengköpfe besitze, dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sei sowie keine Kontrollen zulasse und offen das Für und Wider eines «Präventivkriegs» gegen Iran diskutiere, «sind Tatsachen, die Günter Grass auf seine Weise ins rechte Licht gerückt hat», erklärte er.

Grass hatte Israel in seinem Gedicht «Was gesagt werden muss» vorgeworfen, den Weltfrieden zu bedrohen. Politik- und Kulturszene im Innen- und Ausland reagierten überwiegend mit harscher Kritik auf das Gedicht. Israel verhängte sogar ein selbst von gewissen Israeli kritisiertes Einreiseverbot gegen den Schriftsteller.

Als populistisch und übertrieben bezeichnet beispielsweise der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, den Entscheid des Innenministers. «Ich glaube, dass der Innenminister gar nichts von Deutschland versteht. Er betreibt Innenpolitik. Ich halte das für falsch», erklärt Primor der ARD. Er selbst sehe Grass nicht als Antisemiten.

Neue Zürcher Zeitung, 10. April 2012


"Danke Günter"

Die um Günter Grass entbrannte Debatte treibt die Bürger auf die Straße

Gesa von Leesen, Stuttgart


In der baden-württembergischen Landeshauptstadt hat der Ostermarsch zwar Tradition, aber auch in Stuttgart ist die Zeit der Massen-Friedensdemos vorbei. Nachdem zuletzt nur noch wenige hundert Ostern auf die Straße gingen, setzten in diesem Jahr fast 1000 Menschen mitten im Einkaufsgetümmel ein Zeichen für den Frieden.

Kalter Wind lässt die roten Fahnen diverser linker Gruppen und viele regenbogenfarbene Pace-Fahnen flattern. Gegenüber vom Stuttgarter Hauptbahnhof sammelt sich die Menge vor dem Transparent mit dem diesjährigen Motto des Ostermarsches: »Hände weg vom Krieg! Atomwaffen ächten! Abrüsten!« Die Friedensdemonstranten sind jung, mittelalt und auch eine Menge sichtlich erfahrener Ostermarschierer trifft sich hier. Man begrüßt sich mit großem Hallo - der Ostermarsch ist auch immer wieder eine Gelegenheit, alte Mitstreiter zu treffen.

Lilli dagegen steht etwas verloren in der Nähe der kleinen Bühne. Die 14-Jährige hat ihre Gitarre wie einen Rucksack umgeschnallt, darüber ein Transparent der Grünen Jugend befestigt. Es ist ihr erster Ostermarsch. »Ich habe erst vor einer Stunde erfahren, dass das hier stattfindet«, erzählt die Waiblingerin. »Da bin ich dann schnell hergekommen. Weil ich gegen Krieg bin und vor allem gegen Atomkrieg.« Besonders beschäftigt sie im Moment der Konflikt in Syrien. »Ich glaube nicht, dass der Assad den Waffenstillstand einhält.« Sollte der Westen dann in Syrien militärisch eingreifen? »Nein!«, sagt die Schülerin entschieden. »Ich glaube, dann droht ein Weltkrieg.«

Nachdem ein Liedermacher zur Gitarre klassische Friedenslieder wie »Es ist an der Zeit« zum Besten gegeben hat, greift eine junge Frau zum Mikrofon. Ani ist Mitglied des »Offenen Treffens gegen Militarisierung«, einer zwei Jahre alten Friedensinitiative in Stuttgart. Die Gruppe organisiert unter anderem Aktionen gegen Werbeauftritte der Bundeswehr an Schulen. Denn auch mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gibt es in Baden-Württemberg eine Kooperationsvereinbarung zwischen Bundeswehr und Kultusministerium. »Die Bundeswehr hat an Schulen nichts verloren«, ruft Ani. Die 21-Jährige treibt die schleichende Militarisierung um. »Ich finde es wichtig, ein Bewusstsein dagegen zu schaffen. Das ist total eingeschlafen. Als Libyen bombardiert wurde, ist überhaupt niemand auf die Straße gegangen«, empört sich die junge Frau. Der Demonstrationszug hat sich mittlerweile in Bewegung gesetzt, angeführt von einer Trommelgruppe zieht man am Haus der Wirtschaft, am DGB-Haus und an der Stuttgarter Börse vorbei. Als die Königsstraße, Stuttgarts zentrale Fußgängerzone gekreuzt wird, stimmen die Demonstranten an: »Mit-lau-fen statt Ein-kau-fen!« Viele Passanten bleiben stehen, lesen die Transparente, manche lächeln, manche gucken genervt, Jugendliche machen Handy-Fotos, doch einreihen will sich spontan niemand.

In diesem Jahr hat manchen das Grass-Gedicht auf die Straße getrieben. So hält ein Mann ein auf die Schnelle gemaltes Papp-Plakat in die Luft. »Was gesagt werden muss« steht auf der einen Seite. »Danke Günter für Deinen Mut!«, auf der anderen. Klaus Fink ist extra die knapp 50 Kilometer von der Schwäbischen Alb nach Stuttgart gekommen, um dieses Schild zu zeigen. »In meiner Jugend bin ich mal auf dem Ostermarsch gewesen«, erzählt der 55-jährige Umweltingenieur. »Dann ewig nicht. Jetzt hatte ich das Bedürfnis, zu kommen, weil ich unbedingt meine Solidarität mit Günter Grass ausdrücken wollte.« Fink findet, dass Grass Recht hat und es mutig war, so klar Stellung zu beziehen. »Die Presse zerreißt ihn, aber über die Inhalte wird kaum gesprochen.«

Partei für den Literaturnobelpreisträger bezieht bei der Abschlusskundgebung auch die LINKEN-Politikerin Heike Hänsel. Die Bundestagsabgeordnete aus Tübingen ist seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung aktiv. Unter kräftigem Applaus schließt sie sich ausdrücklich der Forderung von Günter Grass nach einer internationalen Atomwaffenkontrolle von Iran und Israel an. Und sie betont: »Günter Grass schreibt in seinem mutigen Gedicht nicht gegen die israelische Bevölkerung, sondern gegen die israelische Regierung. Das ist ein großer Unterschied!«

* Aus: neues deutschland, 10. April 2012


Empörung über Kriegspropaganda

Gegen Krieg, gegen Militäreinsätze im Ausland, gegen Waffenexporte: In Deutschland sind am Wochenende Tausende bei den Ostermärschen mitgelaufen. Sie prangerten die 'Kriegspropaganda' im Westen gegen Iran und Syrien an sowie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Es gab etwa 80 Märsche, die durch 100 Städte führten, wie die Friedensbewegung bilanzierte. Bei nasskaltem Wetter war die Beteiligung aber oft dürftig. Solidarisch erklärte sich die Bewegung mit dem Schriftsteller Günter Grass, der Israel als Bedrohung des Weltfriedens bezeichnet hatte. Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, erklärte: 'Nicht Günter Grass gehört an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der Eskalationsschraube im Nahen und Mittleren Osten drehen, indem sie den Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge treiben.' Der Sprecher der Informationsstelle Ostermarsch, Willi van Ooyen, sagte: 'Was Grass angestoßen hat, kann nicht als antisemitisch unter den Teppich gekehrt werden.' Zu einer der größten Veranstaltungen kamen rund 1000 Menschen in Stuttgart. Sie warnten vor einer Eskalation der Konflikte um Syrien und Iran. In Berlin kreisten etwa 750 Demonstranten die US-Botschaft mit einem 700 Meter langen Transparent ein. Damit verbanden sie die Forderung nach einer Abschaffung der Todesstrafe und für die Freilassung politischer Gefangener weltweit.

(Süddeutsche Zeitung, 10. April 2012)


Grass-Gedicht polarisiert beim Ostermarsch

Rund 250 Teilnehmer haben gestern an der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz teilgenommen

VON SABINE DOLL


Bremen. Die Debatte um das Gedicht „Was gesagt werden muss“ des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass hat gestern auch die Abschlusskundgebung des diesjährigen Ostermarsches bewegt. Applaus und Buh-Rufe begleiteten den Vortrag von Peter Strutynski, der klar Partei für Grass und sein Gedicht ergriff: „Alles ist richtig, was Günter Grass gesagt hat“, sagte der Sprecher des Bundesausschusses „Friedensratschlag“, einem Zusammenschluss von Friedensinitiativen in Deutschland.

„Während in Afghanistan weiter Krieg geführt wird, werden bereits andere Kriege, zum Beispiel gegen den Iran oder Syrien, vorbereitet. Das muss man auch klar so nennen können.“ Die „Kampagne“ nach Veröffentlichung des Gedichts, in dem sich Grass gegen die Politik Israels richte, sei „kaum auszuhalten“, kritisierte der Hauptredner.

Nach Polizeiangaben nahmen rund 250 Menschen an dem Ostermarsch teil, der sich um 11 Uhr vom Ziegenmarkt in Richtung Marktplatz in Bewegung gesetzt hatte. Pünktlich um 12 Uhr versammelten sie sich vor dem Haus der Bürgerschaft zur Abschlusskundgebung. Eine der Teilnehmerinnen war Christiane Hahn-Büthe, für die der Ostermarsch ein jährlicher Pflichttermin ist: „Ich nehme schon seit 40 Jahren regelmäßig teil“, sagte die Bremerin. „Wenn ich nicht zu Hause bin, dann eben in der Stadt, wo ich mich gerade befinde.“

Enttäuscht zeigte sie sich von der „geringen“ Teilnehmerzahl. Sie vermutet, dass das zentrale Thema des diesjährigen Ostermarschs – „Protest gegen den Krieg in Afghanistan“ – für viele Menschen zu weit weg sei. „Anders war das bei der Atomkatastrophe in Fukushima im letzten Jahr, die Betroffenheit war deutlich größer“, sagt sie. Für die Bremerin ist es wichtig, sich zu engagieren: „Es gibt so viele Kriege, und wie es aussieht, steht der nächste im Iran oder in Syrien bevor.“ Teilnehmer und Redner der Abschlusskundgebung forderten einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen in Staaten des Mittleren und Nahen Ostens. Kritik wurde dabei auch an Bremer Unternehmen geübt: Von bundesweit 80 000 Arbeitsplätzen in der Rüstungsproduktion befänden sich derzeit 4000 in Bremen.

Von insgesamt 16 Milliarden Euro Rüstungsproduktionswert im Jahr 2010 seien mindestens 1,15 Milliarden Euro aus Bremen gekommen. Veranstalter des Ostermarschs waren das Bremer Friedensforum, die Deutsche Friedensgesellschaft und die Initiative „Nordbremer Bürger gegen Krieg“.

Weser-Kurier, 10. April 2012


Zurück zur Seite "Ostermarsch 2012"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage