Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

November/Dezember 2004

Friedensbewegung in den Medien

Ein Bundeswehr-Stand auf der Leipziger Buchmesse erregt seit zwei Jahren die Gemüter nicht nur friedensbewegter Menschen. Proteste gegen die Militärwerbung wurden im März 2004 von Feldjägern unterbunden. Nun gibt es im Vorfeld bereits eine breite Initiative zur Verhinderung der Bundeswehr-Präsenz auf der nächsten Buchmesse. Dazu erschien zum Jahresende im "Neuen Deutschland" ein Bericht von Hendrik Lasch ("Leserwerbung statt Rekrutenfang"), in dem es u.a. heißt:

(...) Gelten Broschüren über moderne Waffensysteme als Publikationen, für die auf einer Buchmesse geworben werden soll? Nicht wirklich, glaubt Detlev Gaida. Der Unternehmer aus Reichenbach im Vogtland, der regelmäßiger Besucher der Messe in Leipzig ist, war im März 2004 wie viele Besucher "verärgert und erschrocken" über einen ausladenden Stand der Bundeswehr. (...)
Nachdem Proteste auf der Messe 2004 von Polizei und Feldjägern beendet wurden, will Gaida einem erneuten Auftritt der Militärs jetzt bereits vor Messebeginn entgegentreten. "Ein literarisches Großereignis wie die Buchmesse in Leipzig verträgt sich nicht mit Vorführungen der Deutschen Bundeswehr", heißt es in einem Aufruf, den Gaida zusammen mit dem Betreiber einer evangelischen Buchhandlung in Reichenbach entwarf und für den er seither Unterschriften sammelt - mit beachtlichem Erfolg. Bisher haben sich 1111 Unterstützer zu den Forderungen bekannt. Sie kommen aus Sachsen und vielen anderen Bundesländern, aber auch aus Italien und selbst Kanada.
Das Spektrum ist dabei außerordentlich breit. Unterstützung kommt von der Kulturvereinigung Leverkusen, der Berliner Initiative "Aufstehen für eine andere Politik" und der Jugendinitiative "Storch" aus Jena. Besonders enge Bindungen knüpfte Gaida während eines Urlaubs zur Friedensinitiative Hildburghausen, deren Aktivistin Hanne Adams das Anliegen in Thüringen und Hessen propagierte. Prominente Einzelunterzeichner sind Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag, Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft und Thüringens PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow.
Vertreter der Initiative haben das Anliegen inzwischen der Messeleitung vorgetragen. Diese habe sich "aufgeschlossen gezeigt", erklärte Gaida. Auch die Leipziger PDS-Landtagsabgeordnete Barbara Höll, die an dem Treffen teilnahm, bescheinigt Messechef Wolfgang Marzin und Buchmesse-Direktor Oliver Zille das "Bedürfnis zu verstehen, warum protestiert wurde". Als Minimalkonsens der teilweise weit reichenden Forderungen nennt Höll das Anliegen, "keine Rekrutenwerbung als Bestandteil der Messe zuzulassen". Die Friedensaktivisten verlangen daher eine stärkere inhaltliche Prüfung der Messeangebote und pochen zudem auf "politische Neutralität", sagt Paul Russmann von der ökumenischen Aktion "Rüstung ohne Leben". (...)
Die Initiative will sich nun auch an die Bundeswehr als wesentlichen Adressaten des Anliegens wenden, sagt Gaida. Erwogen werde, die Unterschriften an Wilfried Penner, den Wehrbeauftragten des Bundestages, zu überreichen. (...)
Die entstandenen Kontakte will der Vogtländer auch über das Messethema hinaus pflegen. "Netzwerke in der Friedensbewegung sind in Ostdeutschland bisher kaum entstanden", sagt der Friedensaktivist: "Vielleicht bietet dieses Thema einen Anstoß, um das zu ändern."

Aus: Neues Deutschland, 29. Dezember 2004

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Am 24. Dezember erscheint in der Frankfurter Rundschau eine großflächige Anzeige des "Friedensratschlags" mit Hunderten von Unterzeichnern: Ja zu Europa, Nein zu dieser Verfassung. Wir haben sie als pdf-Datei dokumentiert.
Eine Kleinausgabe der Anzeige (nur Text ohne Namen) erschien am selben Tag im "Neuen Deutschland".


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Ob der angekündigte Bush-Besuch am 23. Februar 2005 der Friedensbewegung hier zu Lande wieder neues Leben einhaucht? Die erste Reaktion auf die Nachricht - eine Pressemitteilung des "Friedensratschlags" am 22. Dezember 2004 - fand jedenfalls ein breites Echo in den Medien (Agenturmeldungen von AFP und AP, Nachrichtensendungen, Spiegel Online vom selben Tag, Focus-Online, ein Interview in der "jungen Welt am 23. Dez. und jede Menge weiterer Meldungen in verschiedenen regionalen und überregionalen Zeitungen).
Im Folgenden ein paar Auszüge:


Unter dem Titel" Pace-Fahnen und Pfiffe gegen Bush" schrieb Reimer Paul im "Neuen Deutschland u.a.:

(...) "Unabhängig von der noch offenen Frage, in welcher Stadt der US-Präsident empfangen wird, bereitet sich die Friedensbewegung auf einen heißen Empfang vor", sagt Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Die Organisation hat den Vorschlag gemacht, die Aktionen gegen den Besuch unter das Motto "Europa pfeift auf Bush" zu stellen. Daraus, so Strutynski, "ergeben sich nahe liegende ohrenbetäubende Protestformen fast von selbst". Den Januar wollen die verschiedenen Friedens- und globalisierungskritischen Organisationen nutzen, um mögliche gemeinsame Aktivitäten zu vereinbaren. Für den 23. Januar hat der "Friedensratschlag" zu einer bundesweiten Aktionskonferenz nach Kassel eingeladen. Dort sollen letzte Verabredungen getroffen werden. (...)

Die "junge Welt" brachte ein Interview mit Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag, aus dem wir einen Ausschnitt zitieren:

Frage: Werden sich auch Gewerkschaften beteiligen?
Wir hoffen, daß zumindest Teile der Gewerkschaften dabei sind. Ich könnte mir vorstellen, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit ins Boot zu holen. Vielleicht kann man auch ver.di interessieren oder die IG Metall - deren führende Leute haben sich eindeutig gegen den Irak-Krieg ausgesprochen. F: Wird Bush versuchen, eine stärkere Kooperation Deutschlands bei den Kriegsaktivitäten der USA einzufordern?
Es gab in der letzten Zeit viele Signale, daß Washington von den europäischen NATO-Partnern und der EU mehr Engagement in Afghanistan, im Irak, oder in anderen Konfliktgebieten fordert. Der noch amtierende US-Außenminister Colin Powell hatte kürzlich in Brüssel verlangt, die Europäer müßten mehr in ihre militärischen Kapazitäten investieren. Das heißt nichts anderes, als daß Europa den USA den Rücken freihalten soll. Aber eigentlich bedarf es dieses Besuches gar nicht mehr, denn das geschieht ja ohnehin. Die Bundesregierung vergrößert ihre Kapazitäten in Afghanistan, sie will außerhalb des Iraks irakische Armeeangehörige ausbilden. Deutschland ist damit nicht mehr neutral, sondern Kombattant - mit allen Folgen, die das haben kann. Die Bundesregierung verstärkt ihr militärisches Engagement, um in Washington den Groll abzubauen, den sie sich vor zwei Jahren mit ihrer Opposition gegen den Irak-Krieg zugezogen hat.
F: Der 20. März ist der zweite Jahrestag des Überfalls auf den Irak. Was plant die Friedensbewegung zu diesem Datum?
Das ist für uns ein wichtiger Tag. Wir haben schon am ersten Jahrestag mit vielen dezentralen Aktionen deutlich gemacht, daß wir diesen Krieg nicht vergessen. Er ist ja auch längst nicht zu Ende, es ist im Irak immer schlimmer geworden. Die europäische Friedensbewegung hat sich für den 19. März auf zentrale Aktionen in Brüssel geeinigt. Das ist eine Woche vor den Ostermärschen, die aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik ohnehin nicht mehr wegzudenken sind. Natürlich wird da der Irak-Krieg eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen aber auch andere Themen berücksichtigen, vor allem die Europäische Verfassung, die die europäischen Staaten zur Aufrüstung zwingt.

Die Ankündigung der Friedensbewegung wurde selbst im Ausland registriert. Der Wiener Standard schrieb u.a.:

Kassel - Die Friedensbewegung plant massive Proteste für den Besuch von US-Präsident George W. Bush am 23. Februar in Deutschland. Unter dem Motto "Europa pfeift auf Bush" solle dem Präsidenten ein "heißer Empfang" bereitet werden, erklärte der "Bundesausschuss Friedensratschlag" am Mittwoch in Kassel. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Bush im Februar zu einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach Deutschland kommen wird. Der genaue Ort dafür steht aber noch nicht fest. Für die Friedensbewegung sei es schon "eine kleine Genugtuung", wenn Bush diesmal um Berlin einen Bogen mache, erklärte Peter Strutynski als Sprecher des "Friedensratschlags". Die großen Proteste bei seinem Besuch im Mai 2002 klängen ihm wahrscheinlich noch in den Ohren. Bush und die Rot-Grün-Regierung sollten aber nicht meinen, dass ein "Ausweichen in die Provinz" den Präsidenten vor Protesten bewahren könne. "Noch nie in der Nachkriegsgeschichte war die Popularität eines US-Präsidenten hier zu Lande geringer als heute", betonte Strutynski. Die Mehrheit der Bevölkerung lehne den "permanenten und weltweiten Kriegsfeldzug" der USA ab und werde dies am 23. Februar deutlich machen.
Auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac will sich an den Protesten beteiligen. Attac werde "auf jeden Fall" dabei sein, sagte Sprecher Malte Kreutzfeldt. Es müsse aber noch entschieden werden, in welcher Form dies geschehen werde.

Aus: Der Standard, 23. Dezember 2004 (Online, 22.12.04)

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Der am 16. Dezember anlaufende Sudan-Einsatz der Bundeswehr hat die Internetzeitung ngo-online veranlasst, noch einmal ein paar Hintergründe auszuleuchten. In einem Artikel, der am 15. Dez. ins Netz gestellt wurde, heißt es u.a.:

Die Bundeswehr soll ab Donnerstag ihren Sudan-Einsatz beginnen. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin sagte, sollen 200 Soldaten sowie Fracht per Flugzeug in den Sudan verlegt werden. Die "Operation" soll am 24. Dezember abgeschlossen werden. Wie die "Sächsische Zeitung" schreibt, hat Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) bereits eine entsprechende Weisung an das Einsatzführungskommando in Potsdam erteilt. Der Kasseler Friedensforscher Dr. Peter Strutynski weist auf das Interesse verschiedener Länder am Erdöl im Sudan hin. Außerdem sei ein deutsches Industriekonsortium an einem milliardenschweren Geschäft im Sudan interessiert, das nicht mit der Zentralregierung, sondern mit einer Rebellengruppe vereinbart worden sei. Daher mache es möglicherweise Sinn, mittels Darfur die Zentralregierung zu schwächen. (...)

Aus: www.ngo-online.de
(Siehe auch auf unserer Homepage: "Bundeswehr startet Sudan-Einsatz ...")

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Zur Forderung des Verteidigungsministers Dr. Struck nach mehr öffentlicher Diskussion über die Auslandseinsätze der Bundeswehr schreibt am 9. Dezember 2004 die Internetzeitung www.ngo-online.de:

Verteidigungsminister Peter Struck fordert eine Debatte über die neue Rolle der Bundeswehr. In einem Interview mit dem Magazin "stern" sagte Struck, derzeit würden 35 000 Soldaten und Soldatinnen als Eingreifkräfte für "friedenserzwingende Operationen" nach einem UN-Mandat aufgestellt. Das bedeute kriegerisches Handeln. Er fragt, "ob dieser Gesellschaft klar ist, wozu wir uns international verpflichtet haben". Auch über seinen oft zitierten Hinweis, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt, habe es keine richtige Debatte gegeben. "Die Diskussion ist in unserem Land verdrängt worden, weil alle sehen: Es läuft ja ganz gut", meint Struck. Peter Strutynski von der AG Friedensforschung an der Universität Kassel sieht das anders. Insgesamt werde in den großen Medien keine Diskussion zu diesen Themen gesucht. Alternative Positionen wie etwa die der Friedensbewegung würden kaum Gehör finden. "Äußerungen, die die internationale Aufrüstung und global organisierte Gewalt als Lösungsmittel in Frage stellen, werden in den Medien einfach nicht transportiert", kritisiert Strutynski.
So werde weder die neue Strategie der Bundeswehr noch die Europäische Sicherheitsstrategie gerne in der medialen Öffentlichkeit diskutiert. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung wüßte zum Beispiel auch Nichts von der festgeschriebenen Aufrüstung in der EU-Verfassung. Die Gründe für das Fehlen solch einer Diskussion liegen nach Ansicht des Friedensforschers Peter Strutynski in der mangelnden Diskussion alternativer Standpunkte.
Wenn in Leitartikeln und Kommentaren der größten Medien sich die Argumentation stets nur zwischen "rot-grün" und "schwarz-gelb" bewege, sei es kaum verwunderlich, dass den meisten Parlamentariern viele alternative Standpunkte unbekannt seien. Insofern gebe es in Deutschland sowohl ein Medien- als auch ein Demokratieproblem.

Siehe: www.ngo-online.de

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Am 6. Dezember veröffentlichten einige Zeitungen bereits die ersten Berichte über den "Friedensratschlag", der am Wochenende in Kassel stattfand. Beachten Sie hierzu bitte unseren Pressespiegel, den wir für den "Ratschlag" extra angelegt haben.

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Die Hessische Allgemeine brachte am 4. Dezember in ihrem Lokalteil einen Vorbericht zum "Friedensratschlag". Darin heißt es u.a.:

(...) Der "Friedensratschlag" wurde 1994 aus der Taufe gehoben und wird seitdem an jedem ersten Wochenende im Dezember durchgeführt. Veranstalter ist die AG Friedensforschung an der Uni Kassel. (...)
In zahlreichen Plenarvorträgen sowie in insgesamt 27 Foren und Workshops werden die Koordinaten der gegenwärtigen Weltpolitik analysiert, Trends ausgemacht und friedenspolitische Alternativen diskutiert.
(...) Parallel zum "Friedenspolitischen Ratschlag" ... tagte bereits gestern der "Bundesausschuss Friedensratschlag". Am Montag, 6. Dezember, tagt ein Netzwerk aus Friedensorganisationen europäischer Länder. In beiden Netzwerktreffen sollen gemeinsame Aktivitäten der Friedensbewegung und anderer sozialer Bewegungen zur Verhinderung der vorliegenden EU-Verfassung vereinbart werden.

Aus: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA), 4. Dezem,ber 2004

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Am 3. Dezember verabschiedete der Bundestag ein Bundeswehr-Entsendegesetz, das sog. "Parlamentsbeteiligungsgesetz". Eine entsprechende Presseerklärung aus der Friedensbewegung fand kaum Niederschlag in den Medien. Immerhin veröffentlichte die "junge Welt" den Text am 4. Dezember als "Gastkommentar": "Parlament entmündigt".

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Die jährlichen Friedenspolitischen Ratschläge in Kassel stoßen regelmäßig auf ein breites Echo in den Medien. Am Vorabend des Kongresses (hier geht es zum Programm) heißt es in einem größeren Ankündigungsartikel u.a.:

Die Universität in Kassel öffnet auch in diesem Jahr wieder Hunderten Friedensaktivisten aus ganz Deutschland und Kriegsgegnern aus dem europäischen Ausland ihre Türen. Bereits zum elften Mal tagt der "Friedenspolitische Ratschlag", eine Art "Denkfabrik" der verschiedensten in Deutschland aktiven Antikriegsgruppen, in der documenta-Stadt. Die Kasseler "Ratschläge" setzen wichtige Impulse für die deutsche und europäische Friedenspolitik der kommenden Monate, sie sind aber auch ein sozialpolitisches Ereignis. Zu keiner anderen Zeit trifft man so viele Aktive an einem Ort, Rat suchend und Rat gebend.
(...)
Obgleich von einer AG der Universtität veranstaltet, verstand sich der Friedensratschlag nie als ausschließlich akademische Veranstaltung. Immer wurden außeruniversitäre Akteure einbezogen. Nur so gelang es, daß sich die Kasseler Ratschläge zu einem Treffpunkt von Friedenswissenschaft, Politik und Friedensbewegung entwickelten, der von vielen als wichtigstes friedenspolitisches Diskussionsforum betrachtet wird. (...)

Aus: junge Welt, 3. Dezember 2004

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Auf die Vorlage des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung am 1. Dezember reagierte auch die Friedensbewegung mit verschiedenen Erklärungen (siehe "Lustiger Rüstungshandel" - "Öl ins Feuer bestehender Konflikte"). Die alternative Internetzeitung www.ngo-online.de veröffentlichte einen längeren Beitrag, in dem ein guter Überblick über den Bericht und seine Kritiken gegeben wird. Wir haben den Artikel auf unserer "Rüstungsexport"-Seite dokumentiert: "Legale Rüstungsexporte".

Und hier geht es zur Internetzeitung www.ngo-online.de

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Am 26. November wollte der Bundestag die Entsendung von rund 200 Soldaten in den Sudan beschließen. Aus "humanitären" Gründen, wie es heißt. Der Bundesausschuss Friedensratschlag hat hierzu am 25. November eine Erklärung an die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen und an die Presse geschickt. Die Erklärung ist hier dokumentiert:
"Friedensbewegung appelliert an Bundestag...".
Das Presseecho auf diese Initiative war bescheiden. Aber die alternative Internetzeitung "www.ngo-online.de" hat noch am selben Tag einen famosen Artikel daraus gemacht und einige passende Links angebracht. Siehe: "Friedensbewegung nennt sechs Gründe gegen einen Militäreinsatz im Sudan"


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Die deutschen NGOs, die sich an der Internationalen Landminen-Kampagne beteiligen, haben einen Offenen Brief an Bundeskanzler Schröder geschrieben, in dem sie ihre Forderung nach einem vollständigen Verbot aller Minen wiederholen. So weit wir sehen, hat die Frankfurter Rundschau als einzige große Tageszeitung diesen Brief in voller Länge dokumentiert - wir natürlich auch: "Ein Zeichen gegen Minen setzen".

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Einen Folterskandal in der Bundeswehr nahm der Arbeitskreis "Darmstädter Signal" zum Anlass, auf die ihm zu Grunde liegenden Strukturmängel hinzuweisen. Über die Presseerklärung berichtete das "Neue Deutschland" u.a.:

Die Ermittlungen nach den jüngsten Folter-Vorwürfen bei der Bundeswehr konzentrieren sich auf einen "harten Kern" von fünf Unteroffizieren. Das erklärte der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, gegenüber der Presse. Die fünf Vorgesetzten aus dem westfälischen Coesfeld sollen in der Grundausbildung vier Mal eine Geiselnahme nachgestellt haben. Dabei, so die Vorwürfe, haben sie Rekruten zu "Geiselbefragungen" gefesselt und in zwei Fällen durch Stromstöße aus der Induktionsspannung eines Feldfernsprechers gequält.
Auch wenn nur fünf Ausbilder direkt an den Erniedrigungen beteiligt waren, werde weiter gegen 20 Unteroffiziere und einen Hauptmann ermittelt. (...)
Dagegen stellt der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Brigadegeneral Robert Bergmann, die Frage, warum "ein großer Teil der Rekruten nicht von dem Recht der Beschwerde oder Eingabe Gebrauch gemacht hat". Er gehe dennoch davon aus, dass es ein Einzelfall ist, aber "einer zu viel".
Der Sprecher des Arbeitskreises kritischer Soldaten "Darmstädter Signal", Helmuth Prieß, widersprach. Die Rekrutenmisshandlungen in Coesfeld seien dem in der Bundeswehr anzutreffende "Droh- und Drucksystem" geschuldet. Daher seien die Foltereien kein Einzelfall, sondern "die Spitze eines nicht schwer erkennbaren Eisberges", sagte Prieß im Bayerischen Rundfunk. Dem Bundesverteidigungsministerium warf der einstige Oberstleutnant vor, die Vorfälle wochenlang vertuscht zu haben. (...)

Aus: Neues Deutschland, 24. November 2004

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Über vorgesehene Kundgebungen und ähnliche Protestaktionen gegen den andauernden Irakkrieg berichtete u.a. die junge Welt:

Mit Kundgebungen und Mahnwachen wollen Friedensgruppen am heutigen Sonnabend gegen die Erstürmung der irakischen Stadt Falludscha protestieren. "Die militärische Großoffensive der US-Truppen auf Falludscha droht alle bisherigen Gewaltakte der Besatzungstruppen im Irak in den Schatten zu stellen", erklärt das Bündnis "München gegen Krieg" in einem Flugblatt. (...)
Die Friedenskoordination Berlin wirft der Besatzungsmacht vor, "gegen die geltenden Normen des Völkerrechts wie Genfer Konvention und Haager Landkriegsordnung" zu verstoßen. Wie bereits bei der Invasion des Irak werde der Angriff auf Falludscha mit einer Lüge – "sie heißt diesmal Al Sarkawi" – gerechtfertigt, ist in dem Aufruf der Gruppe zu lesen. (...) Bundesregierung und Europäische Union werden von den Friedensgruppen aufgefordert, "die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Kollaborationsregierung Allawi unverzüglich einzustellen".

Aus: junge Welt, 13. November 2004

Lokale Aktivitäten der Friedensbewegung gegen die Erstürmung Falludschas und für die Beendigung des Irakkrieges finden auch wieder Eingang in die Presse. Von einer Aktion in Kassel berichtete z.B. die Frankfurter Rundschau u.a.:

Gegen die Eskalation im Irakkrieg haben am Mittwochnachmittag Demonstranten auf dem Kasseler Opernplatz eine Mahnwache abgehalten. Zu der spontanen Aktion aufgerufen hatte das Kasseler Friedensforum. "Aufstehen für den Frieden - gegen Terror und Krieg", stand auf den Transparenten der Demonstranten. Hintergrund waren die Berichte über den Angriff auf Falludscha, der "viele zivile Opfer fordern wird und militärisch nach überwiegender Expertenansicht keine Lösung bringen wird", sagte der Sprecher des Friedensforums, Peter Strutynski.
(...) Die Demonstranten appellierten an die USA, ihre Truppen aus dem Irak abzuziehen und Wiedergutmachung für die angerichteten Schäden zu leisten. An die Bundesregierung erging der Appell, die politische, ökonomische und militärische Unterstützung des "Verbrechens" unverzüglich zu beenden und auf die Verbündeten einzuwirken, dass sie ihre Truppen aus dem Irak abziehen.

Aus: Frankfurter Rundschau, 11. November 2004

Die Verschärfung des Krieges im Irak und das drohende Massaker in Falludscha veranlasst auch die Friedensbewegung, sich wieder stärker mit dem Konflikt zu befassen und an die Öffentlichkeit zu gehen, wie das folgende Interview in der "jungen Welt" (Peter Wolter) mit dem Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, zeigt (Auszug):

(...) F: Um die deutsche Friedensbewegung ist es still geworden. Woher nehmen Sie den Optimismus, daß demnächst wieder öffentlicher Protest gegen den Krieg laut wird?
Ich stimme der Diagnose zu, daß es relativ still geworden ist. Daraus darf man aber nicht den Schluß ziehen, die Friedensbewegung kümmere sich nicht mehr um diese Vorgänge. Das Problem ist, daß sie in der Öffentlichkeit weitgehend in den Hintergrund gerückt sind – da will ich die Schuld nicht nur den Medien geben. Es gibt andere Sorgen, viele Menschen haben soziale Probleme.
Eine große Mehrheit der Bevölkerung war von Anfang an gegen diesen Krieg, das hat sich nicht geändert. Aber viele Menschen resignieren und sagen: Die USA machen sowieso, was sie wollen. Ich hoffe, daß das drohende Massaker in Falludscha die Menschen wieder aufrüttelt. Und ich erhoffe von der Friedensbewegung, daß sie wieder auf die Straße geht und auf diesen Skandal hinweist. Das ist das mindeste, was wir tun können.
F: Sie schlagen Mahnwachen und Aufklärungsaktionen vor. Das alles hat ja schon tausendfach stattgefunden, auch schon während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien. Wäre es nicht an der Zeit, andere Aktionsformen zu suchen?
Wenn es erfolgversprechende neue Aktionsformen gäbe, wäre ich der erste, der dazu aufriefe. Wir haben zwei Möglichkeiten: Die eine ist – sozusagen über die Mobilisierung des Weltgewissens – den Druck auf die USA zu verstärken. Dazu muß auch die Friedensbewegung in den USA selbst beitragen. Die zweite ist, hierzulande Druck auf unsere Regierung auszuüben, damit sie ihren Einfluß geltend macht. Die Bundesregierung muß dazu gebracht werden, sofort jede politische, wirtschaftliche und vor allem militärische Unterstützung für die irakische Marionettenregierung und für diesen US-Krieg einzustellen. Viel mehr an direktem Einfluß sehe ich im Moment nicht. Da habe ich nichts anzubieten.
F: Also eher Hilflosigkeit?
Nein, keine Hilflosigkeit. Wir müssen aber öffentlich auf die Entwicklung aufmerksam machen und Druck erzeugen. Wir können aber nicht in dem Sinne eingreifen, daß wir die US-Luftwaffe daran hindern, Bomben zu werfen. Wie sollte das gehen?

Aus: junge Welt, 9. November 2004

Die Internetzeitung www.ngo-online berichtet von einer Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Thema Irak und Falludscha und schreibt am Schluss:

(...) An die Friedensbewegung wird appelliert, ihre Aktivitäten gegen den weiter eskalierenden Irakkrieg wieder zu verstärken. Vorgeschlagen werden wöchentliche Mahnwachen und Aufklärungsaktionen in möglichst vielen Städten und Regionen. Bei einer dramatischen Zuspitzung der Situation in Falludscha werde die Friedensbewegung im ganzen Land spontan auf die Straße gehen, wurde angekündigt.

Die volle Meldung: www.ngo-online.de

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Die Standortschließungen der Bundeswehr bewegen die Gemüter insbesondere in strukturschwachen Regionen, die nun wirtschaftliche Nachteile erwarten. Aus der Friedensbewegung kommen naturgemäß andere Töne, wie die Frankfurter Rundschau zu berichten wusste ("Abbau als Chance nutzen"):

Immer weniger Soldaten verringern die Chance auf einen Krieg, sagt der Sprecher des Kasseler Friedensratschlags, Peter Strutynski. Er fordert vom Bund ein Konversionsprogramm für die vom Rückzug der Bundeswehr betroffenen Kommunen.
"Wenn Soldaten abgebaut werden, weinen wir denen keine Träne nach, denn ihre Stationierung bedeutet immer, dass man sich auf einen Krieg vorbereitet", sagt Strutynski, Politikwissenschaftler an der Kasseler Uni und Mitglied der AG Friedensforschung. Der Friedensratschlag, als dessen Sprecher er arbeitet, ist ein bundesweites Netzwerk von Friedensinitiativen. Die Mitglieder würden im Abbau von Militär natürlich ein Stück Abrüstung sehen, "von der in diesem Fall aber leider keine Rede sein kann". Strutynski nennt den gegenwärtigen Abbau der Streitkräfte eine Umrüstung: Aus einer reinen Verteidigungsarmee entstehe eine schlagkräftige Interventionsarmee.
Auf regionaler Ebene sei es jedoch gut, "dass die Kommunen entmilitarisiert werden". Damit biete sich auch die Chance in den Städten und Gemeinden, "hervorragende Flächen für zivile Zwecke zu nutzen". Das Beispiel des einstigen Bundeswehrstandortes auf der Marbachhöhe in Kassel habe gezeigt, wie auf solch einer Fläche ein - inzwischen mit Auszeichnungen bedachtes - attraktives Wohngebiet entstehen könne.
Doch Strutynski sieht auch ein, "dass der Abbau in ländlichen Regionen durchaus zu Einbußen führt". Die Menschen, die bisher einen Arbeitsplatz in den Militärstandorten gehabt hätten, dürften durch den Abzug nicht bestraft werden. "Das sehe ich nicht ein." Hilfe sei vor allem in Kommunen wie Fuldatal nötig, die sehr stark den Charakter einer Garnisonsstadt tragen. Das Bundesverteidigungsministerium sei nun in der Pflicht, Umstellungshilfe für einen Strukturwandel zu gewähren. Der Bund habe jahrelang "von den Flächen gelebt", deshalb müsse er einen Teil der Mittel, die er jetzt durch die Schließung einspare, auch als Strukturhilfen an die Kommunen zahlen.

Aus: Frankfurter Rundschau, 3. November 2004

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Auch 18 Monate nach dem offiziellen Ende des Irakkriegs finden noch Proteste gegen den Krieg statt. Am letzten Oktoberwochenende gab es in Italien große Friedensdemonstrationen. z.B. in Rom:

(...) »Wir haben uns die Stadt zurückgeholt«, freut sich Fabio Alberti, Sprecher des Komitees »Den Krieg stoppen«. Einen Tag, nachdem die Staatschefs der EU in Rom den europäischen Verfassungsvertrag unterschrieben haben, protestierten am Samstag [30.10.2004] in der italienischen Hauptstadt 70000 Menschen gegen Krieg und Sozialabbau . Regenbogenfahnen vertrieben die 4000 Polizisten, die noch wenige Stunden zuvor die »rote Zone« bewacht hatten. Die Demonstranten kritisierten die militaristischen Tendenzen in der EU-Konstitution und forderten den sofortigen Rückzug der italienischen Truppen aus Irak. Neben Friedensgruppen hatten verschiedene linke Parteien und der Gewerkschaftsverband CGIL zu der Kundgebung aufgerufen. In Mestre am Stadtrand von Venedig haben am selben Tag Pazifisten eine Militärparade verhindert. Der Aufmarsch, zu dem Minister Maurizio Gasparri extra angereist war, mußte abgesagt werden, nachdem einige hundert Aktivisten die Bühne besetzt hatten.
Fabio Alberti erklärte während der Kundgebung in Rom, die Besatzung des Irak gäbe dem Terrorismus Auftrieb und verhindere einen dauerhaften Frieden. Die Bombardierung Falludschas müsse sofort beendet werden. »Eine internationale Friedenskonferenz kann es nur geben, wenn die irakischen Kräfte einbezogen werden, auch diejenigen, die Widerstand leisten.«
»In dieser Demonstration steckt mehr Europa als in der Verfassung der Staatschefs«, kommentierte Fausto Bertinotti, Vorsitzender der Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Wiederbegründung) am Rande der Proteste. »Un ponte per…«, die Organisation der beiden im Irak entführten und erst vor kurzem freigelassenen Helferinnen Simona Torretta und Simona Pari, forderte auf ihrem Transparent: »Die Waffen nieder«.

Aus: junge Welt, 1. November 2004


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