Totales EU-Ölembargo gegen Iran
LINKE: Neue Strafmaßnahmen verschärfen Kriegsgefahr
Von Roland Etzel *
Mit einem Ölembargo und dem Einfrieren der Konten der iranischen Zentralbank hat die Europäische Union (EU) die bisherigen Sanktionen gegen Iran deutlich verschärft. Ab Juli sollen die Einfuhren von Öl aus Iran gestoppt und dem Land auch keine Fördertechnik mehr verkauft werden.
Die Außenminister der Europäischen Union haben am Montag (23. Jan.) den bisher gültigen Sanktionskatalog gegen die Islamische Republik Iran erheblich erweitert. Galten bisher ein Waffenembargo und verschiedene Einschränkungen im Waren- und Zahlungsverkehr für den Handel zwischen einem EU-Staat und Iran, so dürften derlei Geschäftstätigkeiten demnächst ziemlich zum Erliegen kommen. Ab Juli soll kein Staat der Union mehr Öl aus Iran kaufen dürfen - ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Diese treffen aber kaum die Einpeitscher jener Beschlüsse wie Frankreich und Großbritannien. Paris zum Beispiel verfügt über keinerlei nennenswerte Wirtschaftsbeziehungen zu Teheran. Es trifft einmal mehr Griechenland, das 25 Prozent seines Öls aus Iran bezieht. Auch Italien (13 Prozent) und Spanien (10 Prozent) müssen sich nun trotz ihrer komatösen Bilanzdefizite nach teureren Alternativen umsehen.
Die EU beschloss neben dem Einfuhrverbot für petrochemische Produkte auch ein Exportverbot für sämtliche Ausrüstungen für die Ölwirtschaft. Jegliche Investitionen in Ölfirmen in Iran sind künftig ebenfalls verboten. Über ein »beispielloses Sanktionspaket« freute sich daher der britische Außenminister William Hague.
Begründet werden die Strafmaßnahmen mit dem angeblichen Streben Irans nach Eigenentwicklung nuklearer Waffen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Sanktionen: »Es geht darum, dass wir nicht akzeptieren können, dass der Iran nach der Atombombe greift.« Dies sei nicht nur eine Frage der Sicherheit für die Region, sondern der Sicherheit für die gesamte Welt. Das sehen nicht alle Staaten so. Russland hat die Sanktionen der EU im Hinblick auf einen künftigen Dialog kritisiert. »Diese einseitigen Schritte sind nicht hilfreich«, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Montag in Sotschi.
Der ehemalige UN-Waffeninspekteur Jan van Aken, für die LINKE Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, hält überdies die Begründung der Strafmaßnahmen für fragwürdig. Der Verweis der EU auf den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sei verlogen, denn er enthalte keinen einzigen stichhaltigen Beleg für ein aktuelles iranisches Atomwaffenprogramm. Das habe auch der Direktor der IAEA, Yukiya Amano, letzte Woche im Bundestag eingestanden. »Das Ölembargo gegen Iran verschärft die Kriegsgefahr.«
Ähnlich sieht das der Bundesausschuss Friedensratschlag. Sein Sprecher
Peter Strutynski erklärte, Iran, das von den Ölexporten in die genannten Länder sehr stark abhängig sei, solle die wichtigste Lebensader durchschnitten werden.
* Aus: neues deutschland, 24. Januar 2012
Ölboykott gegen Iran
EU verschärft ihre restriktiven Maßnahmen gegen Teheran. Experten erwarten schwerwiegende Auswirkungen auf europäische Länder.
Strafmaßnahmen auch gegen Syrien.
Von Knut Mellenthin **
Die Europäische Union weitet ihre Sanktionen gegen Iran aus. Entsprechende Beschlüsse haben die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten am Montag (23. Jan.) gefaßt. Im Zentrum steht offenbar ein generelles Einfuhrverbot für iranisches Erdöl. Nach ersten Agenturmeldungen dürfen ab sofort keine neuen Verträge mehr abgeschlossen werden. Bereits laufende Verträge sollen bis zum 1. Juli beendet werden.
Ungefähr 18 Prozent der iranischen Erdölexporte gingen bisher nach Europa. Hauptabnehmer sind Griechenland, Italien und Spanien, auf die 68 Prozent dieser Menge entfallen. Vor allem von Griechenland ist bekannt, daß ihm vom Iran spezielle, sehr günstige Zahlungskonditionen eingeräumt wurden. Für die Kosten, die einzelnen Mitgliedstaaten durch den jetzt beschlossenen Boykott entstehen, wird voraussichtlich die EU insgesamt aufkommen müssen. Angeblich soll auf Drängen Griechenlands ein verbindliches Verfahren vereinbart worden sein, nach dem die Folgen des Embargos für den Ölpreis und für die europäischen Volkswirtschaften überprüft werden sollen. Experten erwarten, daß die Auswirkungen des Importverbots für die EU teurer und schwerwiegender sein werden als für den Iran.
Über die Einzelheiten der Außenministerbeschlüsse besteht noch keine Klarheit. Sicher ist, daß sie neben dem Ölboykott auch weitere Bereiche betreffen. In der gestern veröffentlichten Presseerklärung des EU-Rats ist das nur vage angedeutet: »Der Rat (für auswärtige Angelegenheiten) hat zusätzlichen restriktiven Maßnahmen im Energiesektor (…), im Finanzsektor, darunter gegen die Zentralbank Irans, und im Transportsektor sowie weiteren Exportbeschränkungen, insbesondere für Gold und für sensible Dual-Use-Güter und Technologie, zugestimmt.« Außerdem wurden weitere Personen und Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt.
Ebenfalls am Montag beschlossen die EU-Außenminister zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Syrien. Gegen 22 Personen wurden »wegen Menschenrechtsverletzungen« Einreiseverbote und Vermögensbeschlagnahmungen verfügt. Letzteres trifft nun auch acht weitere Unternehmen, die angeblich das »Regime« in Damaskus finanziell unterstützen. Damit stehen insgesamt 108 Syrer und 38 syrische Firmen auf der Sanktionsliste der EU. Darüber hinaus hat die EU gegen Syrien ein Waffenembargo, einen Importboykott für Erdöl und ein Verbot von Investitionen in die Ölindustrie des Landes verhängt.
Bereits am Sonntag (22. Jan.) hatte ein starker Flottenverband mehrerer NATO-Staaten in einer Kräftedemonstration die Straße von Hormuz durchquert und war in den Persischen Golf eingefahren. Einzelne iranische Politiker und Militärs hatten in den vergangenen Wochen Gedankenspiele über eine Sperrung der Meerenge geäußert und damit der offiziellen Haltung Teherans widersprochen. Dem Flottenverband gehören der US-Flugzeugträger Abraham Lincoln mit drei Begleitschiffen, eine Fregatte der britischen Marine und ein französisches Kriegsschiff an.
Rußland hat indessen die Außenpolitikchefin der EU, Catherine Ashton, die auch für die Kontakte zum Iran zuständig ist, dringend aufgefordert, ein konkretes Datum für ein baldiges Treffen mit dem iranischen Chefunterhändler Said Dschalili zu vereinbaren. Einseitige Sanktionen seien »nicht hilfreich« zur Überwindung der Blockade im Streit um das Atomprogramm Irans, mahnte Außenminister Sergei Lawrow am Montag.
** Aus: junge Welt, 24. Januar 2012
EU auf Abenteuerkurs
Von Roland Etzel ***
Diesmal sind es deutlich mehr als Nadelstiche. Die bisherigen Sanktionen Westeuropas gegen Iran folgten zwar immer dem von den USA vorgegebenen totalen Abgrenzungskurs. Sie waren politisch konfrontativ, hatten aber nicht die Dimension einer Existenzbedrohung. Mit den gestern in Brüssel verhängten Strafmaßnahmen nimmt die EU als Staatenbund aber nun erstmals am Versuch der wirtschaftlichen Strangulation Irans teil. Es geht nicht mehr nur darum, Teheran kein Öl mehr abzunehmen. Viel schlimmer trifft die dortige Wirtschaft das EU-Ausfuhrverbot für sämtliche Ölfördertechnik nach Iran. Das Land könnte für sein Öl gewiss weiter im Osten andere Abnehmer finden, aber kaum Lieferanten für jene Hightech-Verschleißprodukte.
Was wären die Folgen? Weniger Ölförderung, weniger Deviseneinnahmen, weniger Lebensmittelkäufe im Ausland. Träumt man in der EU davon, den unbotmäßigen Ahmadinedschad am Ende durch Hungerrevolten zu stürzen? Zurückhaltend ausgedrückt, ist derlei Strategie abenteuerlich.
Wäre die größtmögliche Verhinderung iranischer Öleinnahmen tatsächlich das Gegenmittel zu drohendem Krieg und ginge es, wie Außenminister Westerwelle behauptete, um »eine Frage der Sicherheit für die gesamte Welt«, dann wäre es doch angeraten gewesen, wenigstens Verhandlungsbereitschaft anzudeuten. Es sei denn, man will den Krieg.
* Aus: neues deutschland, 24. Januar 2012 (Kommentar)
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