Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zitate der Woche (57 bis 62)

September bis Dezember 2003

Zitat Nr. 62: 21. Dezember 2003

Avraham Burg

Was der Premierminister den Bürgern sagen sollte

Die Zeit der Illusionen ist vorbei, die Zeit der Entscheidungen ist angebrochen. Wir lieben das ganze Land unserer Vorväter, und in einer anderen Zeit wollten wir hier alleine leben. Aber das wird nicht geschehen. Auch die Araber haben Träume und Bedürfnisse.

Zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer gibt es keine klare jüdische Mehrheit mehr. Und darum, Mitbürger, ist es nicht möglich, das Ganze zu bewahren, ohne einen Preis dafür zu zahlen. Wir können nicht eine palästinensische Mehrheit unter unserem Stiefel halten und uns zugleich einbilden, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein. Es kann keine Demokratie geben ohne gleiche Rechte für alle, die hier leben, Araber wie Juden. Wir können nicht die Gebiete behalten und eine jüdische Majorität erhalten – nicht mit Mitteln, die menschlich sind, moralisch und jüdisch.

Ihr wollt das größere Land Israel? Kein Problem. Schafft die Demokratie ab. Lasst uns ein effektives System der Rassentrennung einführen, mit Straf- und Internierungslagern.

Ihr wollt eine jüdische Majorität? Kein Problem. Entweder ihr setzt die Araber in Eisenbahnwaggons und Busse, auf Kamele und Esel und werft sie raus – oder ihr sondert euch vollständig von ihnen ab, ohne Tricks und Kniffe. Es gibt keinen Mittelweg. Wir müssen unsere Siedlungen abreißen und eine international anerkannte Grenze ziehen zwischen dem Heim der jüdischen Nation und dem Heim der palästinensischen Nation.

Ihr wollt Demokratie? Kein Problem. Gebt das größere Israel auf, bis zur letzten Siedlung, oder gebt jedem die volle Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht, einschließlich der Araber. Das Ergebnis ist natürlich, dass diejenigen, die keinen Palästinenser-Staat neben uns wollen, ihn in unserer Mitte dulden müssen, durch die Wahlurne.

Das ist es, was der Premierminister den Menschen sagen sollte. Er sollte rundheraus die Alternativen darstellen: Jüdischer Rassismus oder Demokratie. Siedlungspolitik oder Hoffnung für beide Völker. Falsche Visionen von Stacheldraht, Straßensperren und Selbstmordattentätern oder eine international akzeptierte Grenze zwischen zwei Staaten und eine gemeinsame Hauptstadt Jerusalem.

Aber es gibt keinen Premierminister in Jerusalem. Die Krankheit, die den Körper des Zionismus zerstört, hat bereits den Kopf angegriffen. David Ben Gurion hat sich manchmal geirrt, aber er ist immer gerade wie ein Pfeil geblieben. Wenn Menachem Begin mal falsch lag, hat darum niemand seine Beweggründe in Zweifel gezogen. Das ist jetzt anders. Umfragen, die vor zwei Wochen veröffentlicht wurden, haben gezeigt, dass die Mehrheit der Israelis nicht an die persönliche Integrität des Premierministers glaubt – gleichwohl vertrauen sie auf seine politische Führungsstärke. Mit anderen Worten, Israels derzeitiger Premierminister verkörpert beide Seiten der Medaille: moralische Fragwürdigkeit sowie offene Missachtung der Gesetze – gepaart mit der Brutalität der Besetzung und dem Niedertrampeln jeder Chance auf Frieden. Die einzig mögliche Schlussfolgerung lautet, dass die zionistische Revolution tot ist.

Warum ist die Opposition trotzdem so schweigsam? Vielleicht, weil sie alle müde sind, oder vielleicht, weil einige von ihnen um jeden Preis der Regierung angehören möchten, selbst um den Preis, Teil der Krankheit zu sein. Aber während sie zaudern, verlieren die Kräfte des Guten ihre Hoffnung.

Es ist Zeit für klare Alternativen. Jeder, der es ablehnt, deutlich Stellung zu beziehen – Schwarz oder Weiß –, trägt de facto zum Niedergang bei. Das ist keine Frage von Rechts gegen Links, sondern von Richtig gegen Falsch, erträglich oder unerträglich. Was wir brauchen, ist keine politische Ablösung der Regierung Scharon, sondern eine Vision der Hoffnung, eine Alternative zur Vernichtung des Zionismus und seiner Werte durch die Tauben, Stummen und Herzlosen.

Israels Freunde im Ausland – jüdische genauso wie nicht-jüdische, Präsidenten und Premierminister, Rabbis und Laien – sollten sorgfältig ihre Wahl treffen. Sie müssen ihre Hand ausstrecken und Israel helfen, mit der Road Map seiner nationalen Bestimmung entgegenzusteuern als ein Licht unter den Nationen und als eine Gesellschaft des Friedens, der Gerechtigkeit und Gleichheit.

Avraham Burg ist Abgeordneter der Arbeitspartei Israels und war von 1999 bis 2003 Sprecher der Knesset.
Der Text ist ein Ausschnitt aus einem Artikel, den die Süddeutsche Zeitung in ihrem Feuilleton am 12. September 2003 veröffentlicht hat. Der Artikel stand unter der Überschrift: "Es gibt keinen Mittelweg. Das Ende des Zionismus?"


***

Zitat Nr. 61: 15. Dezember 2003

Larry Hagman über Amerika

Auszüge aus einem Interview mit einem der Hauptdarsteller aus der legendären Fernsehserie "Dallas":

(...) Gott, Sie haben immer noch diesen Blick, Mr. Hagman. Immer noch zum Fürchten. Sie haben die Leute damit berauscht wie mit einer Droge.

Es gibt gefährlichere Drogen als mich, da bin ich Spezialist. Aber "Dallas" war eine Droge, ja. Hypnotisch. Heute könnten Sie das so nicht mehr drehen. Zu lange Einstellungen, zu lange Dialoge, kein einziger bewundernswerter Charakter. Die Figuren waren entweder Schwächlinge oder Höllenhunde. Wunderbar war, wie die Höllenhunde die Schwächlinge quälten. Heute würden die Leute schnell weiterzappen, fürchte ich. Sie haben meine Autobiographie gelesen?

Ja, und mich ein bißchen gewundert. Sie waren in den Sechzigern offenbar gegen den Vietnamkrieg.

Wieso wundert Sie das?

Womöglich hat man ein anderes Bild von Ihnen. Es gab zu Beginn der achtziger Jahre zwei amerikanische Schauspieler, die Angst verbreitet haben: Der eine hieß Reagan, der andere Hagman.

Vor Larry Hagman mußte sich noch kaum wer fürchten. Bei Reagan sieht die Sache anders aus. Die Leute hatten allen Anlaß, vor ihm Angst zu haben.

Wieso?

Reagan war die Quintessenz eines gekauften Politikers. Er gehörte der Firma General Electric. Ronald Reagan war ein totaler Idiot.

Wie bitte? Redet man so als Amerikaner, noch dazu als Texaner?

Ja, wenn man gefragt wird. Ich werde das nur selten gefragt.

Ich dachte, Sie seien Republikaner.

Jeder hält mich für einen Republikaner. Ich habe eine ganze Dekade lang einen Ölmulti gespielt, ich trage einen Stetson, wenn ich Lust dazu habe, und ich bin Texaner. Das ist alles. Die Republikaner schicken mir heute noch Briefe, ob ich nicht Werbung für sie machen will. Ich sage denen jedes Mal: "Laßt mich in Ruhe mit eurer gottverdammten Bullenscheiße!" Die Republikaner waren und sind dafür verantwortlich, daß die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Sie sind dafür verantwortlich, daß die soziale Balance in Amerika zerstört ist. Vielleicht können wir auch noch ein bißchen über den religiösen Fanatismus reden, mit dem sie das Land überziehen?

Selbst viele Demokraten unter Ihren Landsleuten sagen heute, daß Reagan ein starker Präsident war.

Schauen Sie, er war wirklich ein gefährlicher Mann. Er hatte sich selbst gehirngewaschen: Er war der Überzeugung, daß sein Lifestyle "the absolute one and only way of life" sei. Er konnte gut Witze erzählen, gut reden und die Leute gut einseifen. Dumm war er nicht. Aber er stand schon als Chef der Schauspielergewerkschaft in Hollywood auf der Seite der Film-Multis, nicht auf der Seite der Schauspieler. Als Präsident stand er dann auf der Seite der Strom- und Öl-Multis, nicht auf der Seite der einfachen Menschen.

Wen haben Sie bisher gewählt?

Keinen Republikaner und keinen Demokraten. Die Demokraten sind nur das etwas kleinere Übel. Wenn Sie heute etwas werden wollen als Politiker in Amerika, müssen Sie nur eins haben: Geld. Sie müssen sich Werbezeit für´s Fernsehen kaufen. Und wer gibt Ihnen das Geld? Und was müssen Sie ihm dafür versprechen? Lauter dumme Fragen, eh? Das Zwei-Parteien-System in den USA ist eine Katastrophe.

Gründen Sie doch eine eigene!

Ich bin seit den sechziger Jahren Mitglied der Peace And Freedom Party. Die wurde während des Vietnamkriegs gegründet.

Nie davon gehört.

Sie hat nur noch vier Mitglieder. Mich und drei andere. Sollen wir über den amtierenden Präsidenten auch reden?

Wenn Sie möchten, aber wir sollten gleich auch ...

Während der Idiot Reagan gefährlich, aber nicht eigentlich dumm war, sieht die Sache bei dem Idioten George W. Bush schon anders aus: Das Land wird heute von einem Menschen regiert, der gefährlich und dumm ist. George W. Bush fällt komplett aus dem Rahmen dessen heraus, was Sie und ich unter einem sozialisierten Menschen verstehen. Er kann nicht reden. Er kann nicht lesen. Er ist Legastheniker. Und, jetzt kommt das Beste: Er ist unser Präsident.

Sieht ein Land anders aus, wenn es von einem Texaner regiert wird?

Wie meinen Sie das denn?

Sieht es simpler aus?

Sie haben ein falsches Bild von Texas. Texas ist ein dynamischer Staat, voller kluger Menschen. Fallen Sie nicht auf dieses Texas-Klischee herein. Die ganze Sippschaft von George W. Bush treibt sich sowieso eher in Maine herum als in Texas. Er inszeniert dieses Texas-Ding, weil die Leute es urig finden. Bullshit!

Waren Sie schon so wütend auf Ihr Land, als Sie in den fünfziger Jahren erste Bühnenerfahrungen sammelten? Damals hatten es Ihre farbigen Kollegen noch schwerer als heute.

Als ich in den Fünfzigern durch New York zog, hatten es alle Arten von Minderheiten in Amerika deswegen schwer, weil man sie schlicht nicht beachtet hat. Die einzige Minderheit, die sich langsam durchsetzte und heute mehr oder weniger sozialisiert ist, sind die Latein- und Südamerikaner. Aber das ist auch kein Wunder. Kalifornien besteht inzwischen zu 48 Prozent aus Hispanics.

Der beliebteste Name für neugeborene Jungen in Kalifornien ist heute José.

Wissen Sie, warum? Weil man im Ernstfall aus dem Namen José den Namen Joe machen kann. Bequem in allen Lebenslagen. Aber um auf Ihre Frage von eben zurückzukommen: Ich war in den Fünfzigern noch nicht sehr politisch.

Sie wurden es in den Sechzigern?

Natürlich. Vietnam. Der gewöhnliche Amerikaner kreischte damals herum: "Jesus! Wir werden die verdammten Schlitzaugen doch nicht in Dallas einmarschieren lassen?!" Diese Einstellung war von der Propaganda aus dem Zweiten Weltkrieg übrig geblieben. Da haben sie Hiroshima und Nagasaki vernichtet. Die Menschen, die dort lebten, waren im Verständnis der gehirngewaschenen Masse in Amerika keine Menschen. Eher Tiere. Meine Landsleute standen auf der Straße und sagten: "Hey, die Schlitzaugen glauben nicht an Jesus, sondern an Shindurindubindu, fucking hell!" Vietnam war nichts als purer Wahnsinn.

Verteidigungsminister McNamara hat sich später entschuldigt.

Nett von ihm. Da hatte außer ihm natürlich keiner was davon. Das nutzt unseren toten Jungs nichts mehr, und den vielen Asiaten, die wir weggeblasen haben, hilft es auch nicht. Und: Was ist mit Henry Kissinger? Wieso sitzt Kissinger nicht im Knast? Er ist ein Kriegsverbrecher.

Er versucht sich immerhin auch in der Aussöhnung mit ...

Bullshit!

Gibt es Amerikaner, die Ihre Gnade finden?

Hören Sie mal, ich habe viele Freunde, und fast alle sind Amerikaner. Einer meiner engsten Freunde ist Gore Vidal ...

... der Ihre Ansichten teilt.

Ich liebe ihn. Gore ist ein wunderbarer Schriftsteller und Essayist. Er ist unbestechlich. Er erkennt Amerika als das, was es ist: ein wunderbares Land, das von korrupten Politikern und Geldhaien zerstört wird.

Sind Sie ein Patriot?

Natürlich! Ich meine, was für eine Frage! Sind unsere Politiker Patrioten? Sind die, die das Land regieren, Patrioten? Schauen Sie, ich spende Jahr für Jahr einen Haufen Geld für Entwicklungsprojekte, eines davon fördert alternative Energien. Amerika könnte, wenn die Politik dies wollte, in fünf oder sechs Jahren zu einem sehr großen Teil von alternativen Energien versorgt werden. Wir wären nicht mehr abhängig von den Öl exportierenden Ländern, wir wären dann auch nicht mehr abhängig von den verfickten Öl-Multis im eigenen Land ... (...)

Das vollständige Interview - erschien 2002 in der Süddeutschen Zeitung - gibt es hier: http://www.informatik.hu-berlin.de/~kurz/hagman.html

***

Zitat Nr. 60: 28. November 2003

Der amerikanische Kalif in Bagdad

Bush besuchte den Irak, die freiesten US-Zone der Welt, zum ersten Mal nach dem Krieg (nach Afghanistan hat er IMHO überhaupt keinen Fuß gesetzt). Allerdings visitierte er den Irak nach Märchen-Art: Seine irakischen Untertanen durften auf keinen Fall erfahren, daß er da ist. Ihnen und der staunenden Welt wurde es erst mitgeteilt, als Bush nach einem Zwei-Stunden-Besuch bereits wieder auf dem Rückflug war (Vor dem Flug: "Wenn etwas durchsickert, während wir in der Luft sind, kehren wir um.")

Was im Märchen jedoch damit endet, daß der Prinz - oder war es der Kalif von Bagdad (sic!) - sich unter's Volk mischt, um dessen Meinung über die Regentschaft zu erfahren und diese auch erfährt, ist im realen Leben des heutigen Kalifen von Bagdad reichlich anders.

Der moderne Kalif hat hasenherzige Angst, sich unter die Bevölkerung zu wagen. Er besuchte statt dessen lieber eine Elite-Bevölkerung: "seine" GIs. Von denen - und wohl nur von denen - konnte er 100%igen Jubel erwarten.

Was mag er ihnen wohl erzählt haben? Er hatte - wie bei fast allem, was er tut - auch hier ein Symbol mit seinem Auftritt verbunden: als Tag hatte er den nach dem Unabhängigkeitstag zweitwichtigsten US-Feiertag, Thanksgiving Day, ausgesucht.

Bush hat bekanntlich einen "Spezialgott", der reichlich anderes mit den Erdenmenschen im Sinn hat als der "normale" Gott der Christenmehrheit. Er schickt - ebenfalls nicht unbekannt - Bush auf weltweite Kriegs-Missionen. So wäre es vorstellbar, daß er ihm an diesem Tag für die reichliche Ernte für sich und die ihn unterstützenden Freunde im Irak-Krieg gedankt hat.

Die Meinung der irakischen Untertanen und die Wahrheit über deren Lebensumstände hat Bush jedoch nicht erfahren. Märchen sind eben nicht so hart wie die Wirklichkeit: gute Autokraten - mit Demokratie haben alle märchenhaften Helden nichts im Sinn - gibt es halt *nur* im Märchen, nicht im real existierenden Leben. Man darf mit Fug und Recht annehmen, daß Kalif George W. das Leben seiner Iraker auch gar nicht wirklich interessiert.

Wofgang Kuhlmann (FriedensTreiberAgentur) am 28. November 2003 (Bush des Tages 58)

***

Zitat Nr. 59: 27. November 2003

Terror und Widerstand

Kritischen Journalismus kann man auch daran erkennen, dass er die geschriebenen Produkte der eigenen Zunft hinterfragt und häufig verwendete Begriffe, die einem sonst scheinbar so leicht über die Lippen bzw. in die Tasten gehen, auf ihre politische Brisanz überprüft. Beides tut die Redakteurin der Wiener Tageszeitung "Der Standard", Gudrun Harrer, in dem nachfolgenden Kommentar ("Terror und Widerstand") auf vorbildliche Weise. Es geht darin um die im Oktober/November wieder stark zunehmenden Anschläge und Kampfhandlungen im Irak. Aber nicht nur dort sind die Begriffe "Terror" und "Widerstand" schwer auseinander zu halten.

Das ganze Dilemma ist im ersten Satz des heutigen Berichtes des Bagdad-Korrespondenten des STANDARD enthalten. Er schreibt: "... irgendwann würden Widerständler oder Terroristen die Zwillingstürme der Hotels 'Palestine' und 'Sheraton' aufs Korn nehmen". Aber was nun wirklich? Waren es Widerständler oder waren es Terroristen, die am Freitag außerdem das irakische Ölministerium angriffen? Oder meint der Autor, dass zwei zu unterscheidende Gruppen infrage kommen? Und wer entscheidet eigentlich, wer was ist?

Natürlich meint jeder Konsument von Nachrichten, genau zu erkennen, wann er es mit Terrorismus zu tun hat - und in den allermeisten Fällen wird er auch richtig liegen. Der Korrespondent hat jedoch für den konkreten Fall die Definitionsgewalt zurückgewiesen, und das ist gut zu argumentieren: Begriffe von so großer politischer, gesellschaftlicher und moralischer Brisanz sollten nicht von den Medien in Eigenregie je nach Standpunkt definiert werden, sondern von Institutionen mit verbindlichem Anspruch. Im Fall eines internationalen Phänomens wie dem Terrorismus werden das nur internationale Institutionen leisten können, sprich die UNO - die wiederum aus Staaten mit verschiedenen politischen Wertungen und Partikularinteressen besteht, weshalb diese Definition bis dato nicht zustande zu bringen ist. Sie scheitert gerade an denjenigen, die sich die Bekämpfung des Terrorismus auf die Fahnen geheftet haben.

Spannend ist es zu verfolgen, wer wann Terrorismus wie definiert hat: Für Großbritannien ist es 1974 pauschal "Gewalt mit politischem Ziel", anders als bei der Definition des US-Außenministeriums (1984) fehlt die Bedingung, dass die Gewalt gegen "nicht an Kämpfen beteiligte Ziele" gerichtet sein muss - Nordirland lässt grüßen.

Für den Irak sind wir da bereits in der Bredouille: Ein Militärhubschrauber ist auf alle Fälle ein militärisches Ziel, aber, so würden die USA argumentieren, nach Kriegsende war er nicht mehr "kämpfend", sondern wurde höchstens durch Angriffe so gemacht. Aber wer bestimmt das Ende des Kriegs? Im Irak hat es keine Kapitulation gegeben, also werden sich die Angreifer des Militärhubschraubers wohl auf das Kriegsrecht berufen: Widerstand gegen Invasion und Besatzung. Ist ein von US-Soldaten bewachtes und einem US-"Berater" unterstelltes irakisches Ölministerium nach dieser Definition ein legitimes Ziel?

Und was, wenn sich die "Widerständler" nicht an die Regeln halten, wenn sie anstelle der Besatzungsarmee die UNO und das Rote Kreuz oder irakische Zivilisten angreifen: Sind dann auch alle ihre Angriffe, die sie nach den Regeln des Widerstandes gegen militärische Ziele richten, delegitimiert? Und was für eine Rolle spielt die "Natur" der Angreifer? Macht es einen Unterschied, ob Vertreter eines - nach unseren Begriffen übrigens keineswegs legitimen - Saddam-Regimes den Hubschrauber vom Himmel holen oder Kämpfer im Namen der als Terrorismusorganisation eingestuften Al-Kaida?

Dazu kommt, dass die Besatzung im Irak, wenn auch im Nachhinein, durch die internationale Gemeinschaft - mittels UNO-Resolutionen - legitimiert wurde. Übrigens spielt bei allen neueren Terrorismusdefinitionen auch das "Streben nach Publizität" eine wichtige Rolle, was die Frage nach dem medialen Beitrag zur Thematik aufwirft. Aber gerade zum Irak kann man mit Sicherheit sagen: Die Angriffe auf die Besatzer würde es auch dann geben, wenn wir nicht darüber berichten würden.

Gudrun Harrer in: DER STANDARD, Printausgabe, 22./23. November 2003

***

Zitat Nr. 58: 21. November 2003

Birds against Bush (BAB)

Ein Ereignis - zwei Berichte. Es geht um den Alarm im Weißen Haus am 20. November. Im Folgenden zunächst die nüchterne Meldung der Nachrichtenagenturen:

Washington (AP) Teile des Weißen Hauses sind am Donnerstag wegen eines falschen Alarms evakuiert worden. Gemäß irrtümlicher Radar-Interpretaionen war ein Flugzeug in die fünf Meilen umfassende Flugverbotszone über dem Regierungsgebäude eingedrungen. "Es war ein Irrtum", sagte ein Sprecher der Flugaufsichtsbehörde. "Als Kampfflugzeuge den Ort aufsuchten, an dem sich das Flugzeug den Daten zufolge befand, fanden sie nichts."
Möglicherweise hätten ein Vogelschwarm oder atmosphärische Störungen den falschen Alarm ausgelöst. Eine Sprecherin des Sicherheitsdienstes des Weißen Hauses sagte, es habe keine offizielle Evakuierung gegeben. Dennoch verließen die Mitarbeiter im Westflügel des Gebäudes ihre Arbeitsplätze am Morgen. Nach Angaben eines Sprechers von US-Präsident George W. Bush wurden sie angewiesen, sich auf einer nahe gelegenen Straße zu versammeln. Nach kurzer Zeit hätten sie zurück gedurft.

Aber vielleicht steckt doch mehr hinter der nüchternen Meldung? Wolfgang Kuhlmann, der seit längerer Zeit im Internet die "FriedensTreiberAgentur" betreibt, hat dem terroristischen Kern der Meldung nachgespürt.

Birds against Bush (BAB)

"Birds against Bush",(BAB) ist eine weltweit im Verborgenen agierende Terrorgruppe, deren Köpfe noch nicht enttarnt worden sind.

Die "Vögel gegen Bush" verübten gestern einen Terroranschlag aus der Luft gegen das Weiße Haus, welches jedoch rechtzeitig evakuiert werden konnte. Wie aus unbekannten Quellen verlautet, flogen die Terroristen in Flugzeug-Formation auf das Weiße Haus zu.

Das war ein großer Fehler in der Planung der dämonischen Terror-Chefs: dadurch wurde sofort Luftalarm ausgelöst. Vermutlich war ihnen auch nicht bekannt, daß die überwachte Flugverbotszone rund um das Weiße Haus 5 Meilen bemißt.

Jedenfalls sahen sich die Terroristen dadurch veranlaßt, von ihrem verbrecherischen Vorhaben Abstand zu nehmen. Sie konnten sich jedoch unerkannt in alle Winde zerstreuen, bevor sie durch einen gezielten putativen Abschuß ergriffen werden konnten.

Es wird seitens der üblichen Experten vermutet, daß bei dem Attentat der BAB völlig neuartige A-B-Waffen zum Einsatz kommen sollten: aus dem *A*fter der Terrorpiloten abzufeuernde Mini-Bomben aus *B*io-Shit. Ihnen wird eine stark ätzende Wirkung zugeschrieben.

Noch nicht bekannt ist, wie weit auch Al Kaida und OBL in diesen Terrorakt gegen die westliche Wertegemeinschaft verwickelt sind. Es gilt jedoch allgemein als sicher, daß in den geheimen Horsten der Terrorflieger, die offensichtlich über lange Zeit Schläfer waren, entsprechende Anweisungen zu finden sein werden. CIA und FBI klären bereits verstärkt auf.

Es wird in Kürze mit einem Bekenneranruf der terroristischen "Luftbrigaden BAB" bei Fox News zu rechnen sein. Unklar ist noch, ob wegen des ebenfalls sehr wichtigen Bush-Besuches in London dies ebenfalls zur Prime Time in Live-Schaltung erfolgen kann.

Das Pentagon stellt - von den Ereignissen einmal mehr "völlig überrascht" (so Rumsfeld nach unbestätigten Quellen) - bereits Überlegungen an, ob solche biologischen Varianten der Mini-Nukes auch für Einsätze der US-Armee in Frage kommen. Sie erlauben einen über das bisherige Ausmaß hinausgehenden "sauberen Krieg" in dem Sinne, das weniger Blut fließt. Dies könnte einen großen Sieg im Kampf um die Köpfe der Kriegsgegner bringen.

***

Zitat Nr. 57: 1. September 2003

Eduardo Galeano

Die elegantesten Lügner der Welt

Fünfundvierzig Jahre verbrachte der Iraker Ahmad Chalabi im Exil. Um seinen Kummer zu erleichtern, gründete er die Petra Bank in Jordanien. Als die Bank Pleite ging, wechselte Chalabi in ein anderes Land über. Bei seinem Weggang ließ er 500 Millionen Dollar verschwinden und raubte so Tausende Aktienbesitzer aus.
1992 verurteilte ihn ein jordanisches Gericht in Abwesenheit zu einer 20jährigen Gefängnisstrafe und Zwangsarbeit. Im gleichen Jahr wurde der Irakische Nationalkongress in London gebildet und Chalabi zum Führer der demokratischen Opposition gegen die korrupte Tyrannei Saddam Husseins bestimmt.
Der allgegenwärtige Chor zorniger Gegner konspirierte in den folgenden Jahren gegen ihn und beschuldigte ihn, einen Teil der Spenden vom CIA zu erhalten. Eine der geistesabwesenden Taten auf der Liste der Anklagen gegen ihn war, dass er 4 Millionen Dollar in die eigene Tasche gesteckt habe.
Nichts von all dem hielt Chalabi davon ab, zum Lieblingsberater der Streitkräfte zu werden, die vor kurzem in den Irak einfielen. Seine Kollaboration versetzte die Invasoren in die Lage, während der von ihnen ausgeführten Morde und danach, mit bewundernswertester Gerad- heit zu lügen. Und Präsident Bush bestätigte, er habe eine gute Wahl getroffen. Dieser neue Verbündete besaß die gleichen Gewohnheiten wie seine Freunde bei Enron.
Seit 1958 hat Chalabi den Irak nicht betreten. Endlich hat er den Weg zurück gefunden und ist jetzt das Lieblingsmaskottchen der Besatzungstruppen.
***
In Afghanistan ist Hamid Karzai, der vorgibt, Präsident zu sein, das Lieblingsmaskottchen der Besatzungstruppen.
Vor dem Irak wurde Afghanistan zum Ort für das Bombardement in die Geographie des Bösen des neuen Jahrhunderts auserkoren. Dank des donnernden Sieges der Invasoren gibt es jetzt dort Freiheit. Freiheit für die Drogenhändler.
Nach Informationen verschiedener Sonderorganisationen der Euro- päischen Union und der Vereinten Nationen ist Afghanistan weltweit zum Hauptlieferanten von Opium, Heroin und Morphium geworden.
Schätzungen dieser Organisationen zeigen, dass im ersten Jahr nach der Befreiung die Drogenproduktion um das 18fache, von 185 auf 3400 Tonnen, im Wert von 1,2 Milliarden Dollar, gestiegen ist. Sogar Tony Blair musste im vergangenen Januar eingestehen, dass 90 Prozent des in England konsumierten Heroins aus Afghanistan kam.
Die Regierung von Hamid Karzai, die ausschließlich die Stadt Kabul kontrolliert, ist eng mit Washington liiert. Von den sechzehn Ministern der Regierung besitzen zehn einen US-Pass. Und Karzai selbst, der früher als Berater des US-Ölkonzerns Unocal tätig war, lebt von US-Soldaten umgeben, die ihm Befehle erteilen und ihn bewachen, wo immer er auch hingeht, selbst wenn er schläft.
Die Invasoren sollten ursprünglich nur zwei Monate bleiben, aber sie sind immer noch da. Dies ist der Grund: Die unbestechlichen Krieger des Anti-Drogenkrieges haben in Afghanistan ein Geschäft eröffnet, um die Freiheit des Anbaus, des Handels und die des Grenzübertritts zu garantieren.
Es wird kaum noch über den Wiederaufbau dieses zerstörten Landes gesprochen. Ahmed Karzai, der Bruder des virtuellen Präsidenten und prominentes Mitglied der Regierung beklagte sich kürzlich: "Was haben sie für uns getan? Nichts. Die Leute sind erschöpft und ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll."
***
Der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank schießen keine Raketen ab. Sie haben andere Waffen, um Länder zu bombardieren und zu erobern sowie deren Ruinen zu besetzen.
Nachdem die beiden Organisationen Argentinien ausgenommen hatten, schickten sie Anfang des Jahres ein Spezialteam in das Land, um sich einen Überblick über die Konten zu verschaffen. Eines der Mitglieder dieser Finanzpolizei, Jorge Barca Campodonico, war angeklagt, Steuern hinterzogen zu haben.
Er ist Experte auf diesem Gebiet. In seinem Heimatland Peru besteht ein Haftbefehl wegen verschiedener Anschuldigungen. Sobald er in Buenos Aires gelandet war, nahm ihn Interpol in Gewahrsam. Aber der IWF schritt ein und gab ein Vermögen für Anwälte aus, um eine Auslieferung seines Funktionärs zu verhindern.
***
Der Weltcup, bei dem jedes Jahr verschiedene Teilnehmer in der französischen Stadt Moncrabeau miteinander wettstreiten, hat nichts mit Fußball zu tun. Es ist ein Wettbewerb der elegantesten Lügner der Welt. Die Teilnehmer schwören dabei, dass sie Lügen erzählen, ausschließlich Lügen und vollständige Lügen.
Dieser Artikel, der die Qualifikationen einiger möglicher Kandidaten präsentiert, erwähnt nicht Italiens Silvio Berlusconi oder Agentiniens Carlos Menem. Sie nehmen jedoch nicht an dem Wettbewerb teil. Sie sind einfach unschlagbar. Keiner von den beiden hat es bisher gewagt, die Wahrheit, die ganze Wahrheit oder einen winziges Körnchen Wahrheit zu sagen.
Um nicht außerhalb der Grenzen des Rechts zu streunen, einer unangenehmen Tätigkeit, kaufte es sich Menem einfach: Er kaufte sich das Recht mit dem Geld, dass er verdiente, als er das Land ausverkaufte. Genau wie Berlusconi verabschiedete er ein Gesetz nur für sich. Er verwarf das alte Gesetz und ersetzte es durch ein neues auf Bestellung italienischer Schneider.
Berlusconi ist immer noch an der Macht. Das argentische Volk hat andererseits Menem arbeitslos gelassen.
Aber früher oder später wird er im Dienste der Menschlichkeit, als Verantwortlicher irgendeiner internationalen Organisation, die beauftragt ist, Korruption, Waffen und Drogenhandel zu bekämpfen, wieder auf der politischen Bühne erscheinen. Seine Zeugnisse sind makellos. Diese Themen beherrscht er gut.

Der Artikel (Orginalartikel: "The Finest Liars in the World"), aus dem wir ein paar Abschnitte für unser "Zitat der Woche" verwendet haben, erschien zuerst in der Augustausgabe 2003 von "The Progressive". Aus dem Englischen übersetzt von: Tony Kofoet.
Quelle: http://www.zmag.de/article/article.php?id=786
TomDispatch.com / ZNet 14.08.2003




In Kürze


"Das wird ein einziger Parkplatz"
Wie sich die US-Soldaten im Irak fühlen? Gelächter. Einer sagt: "Am 9. August habe ich geheiratet, und nicht mal einen Monat später sitze ich in dieser Hölle. Ich wurde oft beschossen. Mein bester Freund ist schon tot, drei andere gute Freunde sind im Lazarett. Einem fehlt ein Bein. Mir ist egal, ob die Iraker verrecken." Ein anderer: "Hoffentlich holt uns die Regierung raus und beobachtet die Iraker. Und wenn sie wieder Scheiße bauen, dann planieren wir das Land. Das wird ein einziger Parkplatz." "Aber aus der Luft", wirft ein weiterer Soldat ein. "Ja, aus der Luft."
Spiegel Online, 21.11.2003

***

Gute Politik
Die Politik verkündet den Frieden und führt dann Krieg. Sie kämpft mit Macht für eine Sache, der sie anschließend wie der den Rücken kehrt. Erst unterstützt sie bestimmte Rechtspositionen, anschließend hilft sie bei deren Zerstörung mit. Man fällt mit Soldaten in ein Gebiet ein, um es zu erobern, danach macht man sich wieder aus dem Staub - angeblich um der Rechte der Einwohner willen. Man schließt Freundschaft mit einem anderen Staat und kündigt sie wieder auf. Oder man wird Mitglied eines Bündnisses, das man dann wieder verlässt, um später erneut beizutreten. (...) All das ist Politik, und zwar gute, so gut zumindest, wie die menschliche Schwäche es erträgt.
Maurice Joly: Handbuch des Aufsteigers, 1867 (zit. nach Heribert Prantl: Das Phantom der Politik, in: Süddeutsche Zeitung, 10.12.2003, S. 4)

***

Philosophisches
"Reports that say that something hasn't happened are always interesting to me because, as we know, there are known knowns; there are things we know we know. We also know there known unknowns; that is to say we know there are some things we don't know." (Donald Rumsfeld)
Der Spiegel hat versucht, diese Gedanken ins Deutsche zu übersetzen:
"Berichte, die sagen, dass etwas nicht passiert ist, finde ich immer interessant, denn wie wir wissen, gibt es Bekanntes, das bekannt ist. Es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekanntermaßen Unbekanntes gibt. Das heißt, wir wissen, dass es Dinge gibt, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch Unbekanntes, das unbekannt ist - das, wovon wir nicht wissen, dass wir es nicht wissen."
Von "Plain English Campaign" (Auf gut Englisch gesagt) hat Rumsfeld dieser Tage für die Verbalisierung des Undenkbaren einen Preis verliehen. Glückwunsch!

***

Metamorphose
Weil in Deutschland seit geraumer Zeit erfolgreich versucht wird, die Täter aus der NS-Zeit in Opfer zu verwandeln, ist es eigentlich kein Zufall, dass ein Bundestagsabgeordneter die Opfer zu Tätern machen will.
Werner Lutz, Deutscher Einheit(z)-Textdienst, 12/03

***

Mephistopheles Bush
Mephistopheles introduced himself to Faust as "ein Teil von jener Kraft, die stets das Boese will und stets das Gute schafft. (a part of that power, which always wants to do evil, but always does good)." Reverse this, and you have the tragedy of Bush: he wants universal good, but he will end up doing some terrible things. The more Bush preaches idealism, the more the course of events pushes him towards imperial methods.
Asia Times, 25.11.2003

***

"Wo Bush war, wächst kein Gras mehr",
überschrieb die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine am 24. November 2003 einen Artikel über den Staatsbesuch des US-Präsidenten bei Königin Elisabeth. Aber nicht von Bombardements und Flächenbränden ist hier die Rede, sondern von den Folgen der Aktivitäten des Sicherheitspersonals, das Bush mitgebracht hatte. Die Queen soll sehr erbost gewesen sein.

***

Laura Bushs Wahrnehmungen
"We haven't seen that many protests. But we have seen many American flags and people welcoming us."
Die First Lady der Vereinigten Staaten, Laura Bush, nach der Demonstration der 200.000 Kriegsgegner in London. (Quelle: The Guardian, 21.11.2003)

***

Frauenförderung ŕ la Marianne Tritz
"Der Frauenanteil ist zwar im Berichtszeitraum leicht gestiegen, liegt jedoch mit 3,97 Prozent aller Zeit- und Berufssoldaten zu niedrig. Es bedarf weiterer Anstrengungen, den Bundeswehrdienst für Frauen attraktiver zu gestalten, auch und gerade was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Darüber hinaus ist es notwendig, die existierenden Probleme zu bekämpfen, zum Beispiel die in einzelnen Fällen auftretenden frauenfeindlichen Äußerungen und Übergriffe weiter zu minimieren.
Die steigende Zahl der Auslandseinsätze führt zu einem Sinken der Familien- und Beziehungsverträglichkeit des Soldatenberufs insgesamt. Die Länge der Auslandseinsätze ist ein erhebliches Hindernis bei der Nachwuchsgewinnung von Soldatinnen und Soldaten."

Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) am 13. November 2003 in der Bundestags-Aussprache über den Bericht des Wehrbauftragten. Einen Tag später stimmte die Fraktion von Bü90/Grüne geschlossen für die Verlängerung des Auslandseinsatzes "Enduring Freedom".

***

Eine Reporterin von CNN hörte die Geschichte von einem alten Juden in Jerusalem, der seit vielen Jahren zwei Mal täglich an die Klagemauer geht. Sie beobachtete ihn beim Gebet und bat ihn danach um ein Interview. Das Gespräch hat folgenden Wortlaut:
"Rebecca Smith, CNN News. Mein Herr, wie lange kommen Sie schon hierher um zu beten?"
"Ungefähr 50 Jahre."
"Wofür beten Sie?"
"Für den Frieden zwischen Juden und Arabern. Dafür, dass all dieser Hass aufhört. Dafür, dass unsere Kinder in Sicherheit und Freundschaft aufwachsen können."
"Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie das 50 Jahre lang gemacht haben.?"
"Als würde ich gegen eine Wand sprechen."


***

Ivan Nagel
Wir sollten uns weigern, durch nachträgliche "bündnispartnerliche" oder auch "humanitäre" Beihilfe jetzt schon den nächsten Krieg mitzuerfinden. (...)
Susan Sontag fürchtet, und wir mit ihr, dass der noch demokratische Westen militarisiert wird unter dem Walten derer, die den Krieg nur aus Parademärschen, Budgetgefeilsch und Computersimulationen kennen, aber ihre Herrschafts- und Wirtschaftsinteressen bis zu der Massentötung, die sich Krieg nennt, durchzusetzen gewillt sind.

Ivan Nagel in seiner Laudatio auf Susan Sontag bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 12. Oktober

***

Die neue Macht
Im siebten Teil seines "Tagebuchs aus dem Irak" berichtet Ulrich Ladurner über das Schicksal einer jungen Araberin aus Kirkuk.
"Aischa blieb trotzdem noch eine Zeit lang auf dem Gelände. Sie sah die fremden Soldaten, ihre großen, modernen Waffen und sie sah vor allem die Irakis, die mit der US-Armee gekommen waren. Sie ähnelten dem Übersetzer, der sie am Eingang so grob behandelt hatte. Sie hatten dasselbe herrische Auftreten, sie lachten und schäkerten mit den Amerikanern und wenn ein Einheimischer auf sie zuging, blickten sie ihn von oben herab an wie einen Bittsteller. So also sieht die neue Macht aus, dachte Aischa. Das war der Moment als sie zweifelte, ob ihr eigener Wunsch, dass die Amerikaner endlich den Diktator Saddam vertreiben würden, ein guter Wunsch gewesen war. Der Moment an dem sie zum ersten Mal dachte, dass sie sich vielleicht noch nach Saddams Zeiten sehnen würde."
Aus: Die Zeit vom 09. Oktober 2003

***

"Zu Bush Nein sagen"
Wenn wir die Welt politisch sicherer, wirtschaftlich stabiler und wohlhabender machen wollen, wird die politische Globalisierung die wirtschaftliche einholen müssen. Die Prinzipien der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und Solidarität und der Rechtsverbindlichkeit müssen sich über die nationalen Grenzen hinweg ausdehnen. Europa und der Rest der Welt werden ihren Anteil dazu beizutragen haben. Sie müssen selbst diesen Prinzipien treu bleiben, und sich und Amerika in diese Richtung drängen. Gerade jetzt bedeutet das, zu Bush Nein zu sagen.
Joseph E. Stiglitz, Nobelpreisträger für Ökonomie und Wirtschaftsprofessor an der Columbia Universität (zit. nach Süddeutsche Zeitung, 29.09.2003)

***

Feind Frankreich
Frankreich ist nicht etwa unser lästiger Verbündeter. Es ist auch nicht unser eifersüchtiger Rivale. Frankreich wird zu unserem Feind. (...) Frankreich wünscht sich ein Scheitern Amerikas im Irak. Frankreich möchte, dass Amerika in einem Schlamassel versinkt in der wahnwitzigen Hoffnung, dass die geschwächten USA Frankreich den Weg ebnen, damit es in der Weltpolitik seinen "rechtmäßigen" Platz an der Seite, wenn nicht sogar über Amerika einnehmen kann.
Thomas L. Friedman in der New York Times vom 18. September 2003

***

Präventives Abschieben
Wir haben ein Ausländerrecht, das die Sicherheitslage unseres Landes nicht genügend berücksichtigt. Wenn wir Tatsachen gegen Ausländer haben, die deren Gefährlichkeit belegen, dann dürfen wir nicht warten, bis sie die Straftaten begangen haben. Wir müssen vorher abschieben.
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein laut "Standard" (Wien) vom 20.09.2003

***

Alexander Kluge: Wie man einen Gegner erfindet
Wenn die Regierung nicht mehr sagen kann: "Protego, ergo sum" (Ich gewähre Schutz, das ist meine Existenzberechtigung), ist ihre Souveränität unterbrochen. Sie muss dann eine Wirklichkeit erfinden, die auf ihre Waffen passt. Also kommt die amerikanische Flotte von Pearl Harbor am dritten Tag nach der Katastrophe vom 11. September durch den Panamakanal und kreuzt vor New York. Eine Machtdemonstration von hoher Unwirklichkeit. Völlig wirkungslos gegen die Papiermesser. Es wird Afghanistan und später Irak mit Krieg überzogen, um einen Gegner zu erfinden, weil man den wahren Gegner nicht auffinden kann. Das ist Reparatur einer Wirklichkeit, die zerrissen ist."
Alexander Kluge in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 17. September 2003

***

Auch das noch: Kanzler Kohl trifft US-Präsident Bush
Wohl um dem US-Präsidenten George W. Bush ein Treffen mit dem amtierenden deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu ersparen, hat die Presseagentur AP-American Press kurzerhand Helmut Kohl wieder ins Amt zurückgerufen. AP meldete am Nachmittag des 18. September 2003:
Eine Woche vor dem möglichen Treffen von Bundeskanzler Helmut Kohl mit US-Präsident George W. Bush hat das führende Mitglied des irakischen regierenden Rates, Adnan Pachachi, am Donnerstag Berlin besucht. Bei einer Unterredung mit Außenminister Joschka Fischer wurde nach diplomatischen Angaben Einigkeit über die Bedeutung eines konkreten Zeitplans für die Wiedererlangung der irakischen Souveränität festgestellt.
(AP, 18.09.2003, 15.43 Uhr)

***

Zum Tod des Erfinders der Atombombe
Der Tod von Edward Teller ruft uns auf, uns des positiven Potenzials der Wissenschaft sowie ihrer unkontrollierbaren Risiken bewusster zu werden. Er ermahnt uns, die Wissenschaft stärker in den Dienst der Friedensstiftung zu stellen und uns zu bemühen, die Bedingungen der Möglichkeit der Überwindung der Institution des Krieges zu erforschen, um die Selbstzerstörung der Menschheit zu vermeiden.
Carl-Friedrich von Weizsäcker, Süddeutsche Zeitung vom 12. September 2003

***

Johnny Cash, 1932 - 2003

Man In Black (1971)

Well, you wonder why I always dress in black,
Why you never see bright colors on my back,
And why does my appearance seem to have a somber tone.
Well, there's a reason for the things that I have on.

I wear the black for the poor and the beaten down,
Livin' in the hopeless, hungry side of town,
I wear it for the prisoner who has long paid for his crime,
But is there because he's a victim of the times.
(...)
And, I wear it for the thousands who have died,
Believen' that the Lord was on their side,
I wear it for another hundred thousand who have died,
Believen' that we all were on their side.
(...)
Well, there's things that never will be right I know,
And things need changin' everywhere you go,
But 'til we start to make a move to make a few things right,
You'll never see me wear a suit of white.

Ah, I'd love to wear a rainbow every day,
And tell the world that everything's OK,
But I'll try to carry off a little darkness on my back,
'Till things are brighter, I'm the Man In Black.


Johnny Cash starb in den Nacht zum 12. September 2003 in Nashville.

***

Uri Avnery
Ich bin davon überzeugt, dass das 21.Jahrhundert große Veränderungen in den Strukturen der Welt und der Lebensweise der menschlichen Gesellschaft mit sich bringen wird. Die Bedeutung des Nationalstaates wird nach und nach weniger. Eine Weltordnung, ein Weltgesetz und weltweite Strukturen werden eine zentrale Rolle spielen. Ich vertraue darauf, dass Israel aufrichtig am Marsch der Menschheit teilnehmen wird. Wir sollten nicht zögern. Aber es hat keinen Zweck, von der israelischen Öffentlichkeit zu erwarten, dass sie um 50 Jahre ihrer Zeit voraus ist.
Aus: Der bi-nationale Staat, Juli 2003

Uri Avnery feiert am 10. September 2003 seinen 80. Geburtstag.
Der Publizist und langjährige Knesset-Abgeordnete Avnery, 1923 in Beckum geboren und 1933 nach Palästina ausgewandert, gehört seit Jahrzehnten zu den profiliertesten Gestalten der israelischen Politik. Er ist durch seine kämpferisch-kritische Begleitung der offiziellen israelischen Regierungspolitik weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt geworden. Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Bereits 1974 hatte er die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung hergestellt. Uri Avnery ist Gründer der Bewegung Gush Shalom. Für sein Engagement für den Frieden im Nahen Osten sind ihm zahlreiche Auszeichnungen zuerkannt worden, unter anderen der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (1995), der Aachener Friedenspreis (1997), der Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte (1997), der Alternative Nobelpreis (2001) sowie der Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg (Mai 2002).
Texte von Uri Avnery auf der Homepage http://www.uri-avnery.de.

***

Bush, Clinton und - Rommel
Bushs außenpolitische Mannschaft war immer voller Verachtung für Clintons holprige, improvisierte Interventionen in aller Welt. Als sie selbst die Macht übernahm, versprach sie eine globale Ordnung voller Größe, Finesse und Weitsicht. Nun aber lässt Bushs "Dream-team" den ungestümen Clinton wie einen Rommel aussehen."
Maureen Dowd in der New York Times, 3. September 2003 (Übers.: Pst)

***

Böse Nachbarn
Nicht einmal auf seiner Ranch in Crawford, Texas, findet US-Präsident George Bush Ruhe und Entspannung von seinen nervenaufreibenden Amtsgeschäften. Nur wenige Hundert Meter von Bushs Ranch entfernt hat John Wolf ein Haus gekauft. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn John Wolf nicht Quäker und Friedensaktivist wäre und somit aus Sicht Bushs eher zu den "bösen" Nachbarn zählt. Wolfs Haus und Hof sind nun "Crawford Friedenshaus" (Crawford Peace House), im Garten stehen schön sichtbar erste Schilder wie "Krieg ist keine Antwort". Ob auf der Homepage des Zentrums - sie befindet sich erst im Aufbau - künftig auch interessante Details aus dem Freizeitverhalten des Präsidenten mitgeteilt werden, bleibt abzuwarten. So viel ist bisher gewiss: Crawford, Texas, hat 705 Einwohner - wenn der Präsident abwesend ist.
Quellen: Frankfurter Rundschau, 26. August 2003; fta-FriedenstreiberAgentur; www.crawfordpeacehouse.org




Zum neuesten Zitat der Woche

Zu den vorangegangen "Zitaten der Woche"

Zurück zur Homepage