"Diese Typen lassen sich nicht in die Karten schauen"
Steuerfrei Freunde bespitzeln: Linke Aktivisten in Freiburg lehnten unmoralisches Angebot des Staates ab. Ein Gespräch mit Peter Müller *
Peter Müller (Name auf Wunsch geändert) ist im Friedensforum Freiburg (Breisgau) und anderen sozialen und stadtpolitischen Initiativen aktiv.
Sie sind eine von vier Personen aus dem linken politischen Milieu Freiburgs, die in der Zeit von März bis Juli von Unbekannten mit dem Ziel angesprochen wurden, sich als Informant zu betätigen. Wie lief das in Ihrem Fall ab?
Mich haben Anfang Juni zwei Herren zu Hause aufgesucht, die ziemlich schnell damit herausrückten, daß sie vom Innenministerium kämen und mir einen Job anbieten wollten. Ich sei doch ein gewaltfreier und rechtschaffener Mensch und in diversen Gruppen und Gremien in Freiburg tätig, sagten sie und fragten, ob ich mir nicht vorstellen könnte, Informationen über die linke Szene, speziell über die Autonomen zu liefern.
Die Männer hatten also beste Kenntnisse über Sie und Ihr Lebensumfeld?
Ja, den Eindruck hatte ich schon. Die Leute wußten offenbar sehr genau, wie und wo ich mich politisch betätige. Andererseits hielten sie sich sehr bedeckt und wurden nie richtig konkret, um ja nichts über sich und ihre Quellen preiszugeben.
Wie haben Sie reagiert?
Ich war anfangs natürlich verdutzt, habe dann jedoch ziemlich schnell signalisiert, daß ich bei der Sache nicht mitmachen will. Die Männer ließen aber nicht gleich locker und sagten, ich als pazifistischer Mensch müßte doch ein Eigeninteresse daran haben, Gewalt zu unterbinden. Dahinter steckt eine gezielte Spaltungstaktik: Man wird im Gespräch suggestiv den Friedfertigen und Vernünftigen zugeschrieben, die mit den radikalen und gewaltbereiten Teilen der Linken nichts zu schaffen hätten. Und dann kam natürlich auch das Thema Geld zur Sprache.
Was wurde Ihnen geboten?
Konkrete Zahlen wurden nicht genannt, außer daß ich steuerfrei Geld bekommen würde und doch nur der Tod umsonst sei. Von einem anderen Betroffenen ist bekannt, daß man ihm monatlich 2500 Euro steuerfrei angeboten hat. Außerdem wurde ihm die Übernahme in den Staatsdienst nach zwei Jahren in Aussicht gestellt.
Bekannt ist auch, daß neben Ihnen noch drei andere Personen in Freiburg angeworben werden sollten. Haben Sie eine Erklärung, warum die Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen ist?
Ich bin wohl recht spannend für diese Leute, weil ich viel in der linken stadtpolitischen Szene unterwegs bin. Es ist nicht klar, ob sie nur die Autonomen im Visier haben, vielleicht wollen sie ja auch das Friedensforum ausspionieren. Aber das ist alles spekulativ. Wie gesagt: Diese Typen lassen sich nicht in die Karten schauen. Sie behalten immer die Kontrolle über das Gespräch, Nachfragen werden übergangen, man kriegt einfach nichts aus ihnen raus.
Hat Ihnen der Vorfall Angst gemacht?
Es ist ein mulmiges Gefühl, zu sehen, was die alles über einen wissen. Es entsteht auch eine Unsicherheit, wie und mit wem man noch kommunizieren kann, ob man überhaupt noch telefonieren oder E-Mails verschicken kann. Die Vorstellung, vielleicht permanent ausgespäht und ausgehorcht zu werden, ist schon ziemlich einschüchternd.
Haben Sie versucht, die Männer ausfindig zu machen?
Einer der beiden hat sich als Henry Bratsche ausgegeben und eine Telefonnummer hinterlassen. Es gab Versuche, auch seitens der Presse, dort anzurufen, aber ohne Erkenntnisgewinn. Ich habe für mich entschieden, daß es das beste ist, die Sache öffentlich zu machen – in meinem politischen Umfeld und in der Presse. Der Fall zeigt einfach Realitäten in Deutschland auf, von denen die wenigsten etwas wissen und die sie eher mit der Stasi und Co. in Verbindung bringen.
Was meinen Sie?
In Baden-Württemberg gibt es die berüchtigte »Arbeitsdatei politisch motivierte Kriminalität«, in der zeitweise bis zu 40000 Personen aufgeführt waren. Das heißt: Jeder, der sich irgendwie politisch betätigt, gilt den Sicherheitsbehörden und »Verfassungsschützern« als verdächtig oder gefährlich. Und eben nicht nur die Autonomen. Für Schlagzeilen hat ja gerade der Fall in Heidelberg gesorgt, wo ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts die linke Szene an der Uni ausspioniert hat und aufgeflogen ist. Solche Dinge hört man immer wieder auch aus anderen Bundesländern. Man kann den Menschen deshalb nur dringend raten, wachsam zu sein und nicht auf solche Rattenfänger hereinzufallen.
Interview: Ralf Wurzbacher
* Aus: junge Welt, 17. August 2011
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