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Friedensbewegung fordert Ende der NATO

Großes Bündnis "Nein zur Nato" stellt Planungen zum Gegengipfel in Baden-Baden und Strasbourg vor - Erste gemeinsame Pressekonferenz

Der NATO-Gipfel zum 60. Jahrestag des Bestehens des Militärbündnisses wirft lange Schatten voraus. Dies betrifft die offiziellen Vorbereitungen des Großereignisses genauso wie die Planungen der Gipfelgegner.
Im Folgenden eine Agenturmeldung über den Stand der Planungen von Seiten der NATO sowie das Echo auf eine Pressekonferenz, die das Anti-Nato-Bündnis am 11. Februar 2009 in Berlin veranstaltete.



Die eine Seite

Vorbereitungen für den NATO-Gipfel laufen auf Hochtouren

Die Vorbereitungen für den NATO-Gipfel in Baden-Baden laufen auf Hochtouren. In der Kurstadt rücken in den nächsten Wochen verstärkt Bauarbeiter aus, um Straßenschäden auszubessern. Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU) sagte: «Wir wollen ein positives Bild nach außen abgeben.» In der Stadt treffen sich die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten am 3. April anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Militärbündnisses zu einem Abendessen. Einen Tag später gehen die Beratungen im französischen Straßburg weiter. Diesen Artikel weiter lesen Baden-Baden mit seinen gut 54.000 Einwohnern wird am Gipfeltag in eine Festung verwandelt. Es gibt keinen Zaun wie beim G-8-Gipfel in Heiligendamm, aber ein «zeitlich und räumliches abgestuftes Sperrkonzept» rund um das Kurhaus, wie ein Sprecher der Einsatzleitung der Polizei erläutert. Insgesamt gebe es fünf unterschiedliche Sicherheitszonen.

Schule fällt aus

Mit Bürgerversammlungen und einem Infotelefon wollen Polizei und Stadtverwaltung die betroffenen Bürger über die Einschränkungen informieren. Rund um das Kurhaus wohnen mehrere hundert Leute. Sie müssen sich spezielle Ausweise ausstellen lassen, um in ihre Wohnungen kommen zu können. Für die meisten Schüler fällt der Unterricht aus, nur die Abiturienten müssen zu ihrer Reifeprüfung antreten. Falls ihre Schule in der Innenstadt liegt, findet die Prüfung in einem anderen Gebäude statt. Betroffen sind rund 100 Abiturienten, die ihre Prüfung in den Fächern Latein, Spanisch, Italienisch und Griechisch ablegen müssen.

Der Oberbürgermeister hofft auf ein positives Image in der Öffentlichkeit von der Stadt an der Oos. Er verweist auf die engen Beziehungen der Stadt zum nahe gelegenen Frankreich. Zweimal hatten sich hier der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer getroffen. Und für die neue US-Außenministerin Hillary Clinton ist die Kurstadt auch kein unbekannter Ort: Ihr Mann, der frühere US-Präsident Bill Clinton, macht öfters einen Abstecher nach Baden-Baden, wenn er in Deutschland ist.

Während noch unklar ist, ob US-Präsident Barack Obama in Deutschland oder in Frankreich nächtigt, hat sich die Polizei bereits Unterkünfte für bis zu 14.000 Einsatzkräfte gesichert. Für die Ordnungshüter seien Zimmer in rund 300 Hotels, Pensionen und Jugendherbergen gebucht worden, berichtet ein Sprecher. «Wir wollen die Leute passabel unterbringen.» Man habe aus den Protesten der Beamten über die Unterbringung beim Einsatz in Heiligendamm gelernt. Außerdem stünden Kasernen oder ähnliche Einrichtungen am Oberrhein nicht zur Verfügung. (...)

Auszug aus einer Meldung der Nachrichtenagentur AP, 12. Februar 2009

Die andere Seite

"Lassen uns nicht aus Strasbourg verdrängen"

NATO-Jubiläumsgipfel: Friedensaktivisten wollen an Erfolg der G-8-Proteste von 2007 anknüpfen

Von Claudia Wangerin *


Vertreter des Aktionsbündnisses »Nein zur NATO« haben erneut zu Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Jubiläumsgipfel des Militärbündnisses am 3. und 4. April in Strasbourg und Baden-Baden aufgerufen. Geplant sind außerdem eine Gegenkonferenz, Protestcamps und eine internationale Großdemonstration, wie die Veranstalter am Mittwoch in Berlin ankündigten. Damit wolle man auch an den Erfolg der Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 in Rostock und Heiligendamm anknüpfen. Damals hatten Tausende an Blockadeaktionen teilgenommen und den Ablauf des Gipfels erheblich gestört.

»Gemeinsame Sicherheit kann es nur ohne die NATO geben«, erklärte Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag. »Ein exklusiver Militärpakt schließt andere aus und erklärt sie zu Gegnern.« Deshalb fordere die Friedensbewegung die Auflösung der NATO.

Dem Aktionsbündnis gehören knapp 500 Gruppen und Organisationen an. Es ist somit das größte Friedensbündnis seit den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg 2003. Viele der Beteiligten sehen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg. Durch die weltweite Krise des Kapitalismus sei die Kriegsgefahr erhöht, erklärte Jonas Frykman, Sprecher der »Interventionistischen Linken«. Frykmann rief auch zur Teilnahme am eine Woche vor dem NATO-Gipfel stattfindenden Aktionstag zum Weltfinanzgipfel auf. Unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise!« solle am 28. März in Berlin protestiert werden. Diese Demonstration bilde in Deutschland den Auftakt zur weltweiten Aktionswoche gegen Krise und Krieg.

Zeitgleich zu den Protesten in Strasbourg und Baden-Baden sind auch Großdemonstrationen von NATO-Gegnern in Istanbul und New York geplant. Bis heute ist unklar, mit welchen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit auf deutscher Seite gerechnet werden muß - und ob die wichtigsten Grenzübergänge überhaupt geöffnet bleiben. Eine mögliche Sperrung der Europabrücke wolle man auf gar keinen Fall akzeptieren, erklärte Reiner Braun vom internationalen Juristenverein gegen Atomwaffen (IALANA). Die Brücke gilt als Symbol der deutsch-französischen Freundschaft und soll zumindest vorübergehend gesperrt werden, während sich die Staats- und Regierungschefs für ein Gruppenfoto auf der benachbarten Mimrambrücke versammeln.

Die NATO-Gegner wollen es sich aber nicht nehmen lassen, in räumlicher Nähe zum Gipfelgeschehen zu protestieren. Dieses Recht werde man notfalls auf europäischer Ebene einklagen, betonte Braun. »Wir lassen uns nicht aus Strasbourg verdrängen.«

* Aus: junge Welt, 12. Februar 2009


Polizei setzt auf Hotelblockade

Nato-Gegner kündigen Massendemonstrationen gegen den Jubiläumsgipfel an. Die Polizei belegt alle Hotels in der Tagungsregion und kündigt gigantischen Einsatz an.

VON FELIX LEE **

Die baden-württembergische Polizei wappnet sich für den größten Einsatz in ihrer Geschichte. Nach Plänen des Innenministeriums in Stuttgart sollen mindestens 14.000 Beamte den Nato-Jubiläumsgipfel vor DemonstrantInnen abschirmen, der am 3. und 4. April in Straßburg, Baden-Baden und Kehl stattfindet.

Lokalzeitungen berichten, dass die Polizei bereits rund 300 Hotels zur Unterbringung ihrer Einsatzkräfte reserviert hat. Auch Freizeitheime, Turnhallen und Jugendherbergen seien in der Woche zwischen dem 26. März und dem 5. April durch die Polizisten "blockiert".

Die DemonstrantInnen sehen dem Buchungswahn der Ordnungsbehörden gelassen entgegen - setzen sie doch auf ihre eigene Infrastruktur. "Wir planen ein internationales Camp in Straßburg mit Außenstellen in und um Kehl", sagte Reiner Braun, Sprecher des Aktionsbündnisses "Nein zur Nato", am Mittwoch (11. Feb.) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Zur erwarteten Teilnehmerzahl auf Demonstrantenseite wollte Braun keine Angaben machen. "Nur so viel: Wir werden an Heiligendamm anknüpfen", sagte Braun. Zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm kamen 2007 über 70.000 Menschen.

Der Nato-Jubiläumsgipfel Anfang April in Straßburg, Baden-Baden und Kehl findet anlässlich des 60. Geburtstags statt. Die Friedensbewegung und Antimilitaristen wollen den Tag nutzen, um gegen das Nordatlantische Militärbündnis zu demonstrieren. Einst als Verteidigungsbündnis gegen die Bedrohung des Ostblocks gegründet, habe sich die Nato im Kampf gegen den internationalen Terrorismus "weitreichendere Aufgaben als bisher zugeschrieben" und "sich auf globaler Ebene selbst ermächtigt", sagte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Er spricht von einer "neuen Spirale der Aufrüstung". Jonas Frykman von der Interventionistischen Linken (IL) befürchtet, dass sich angesichts der zuspitzenden Weltwirtschaftskrise die sozialen Konflikte ausweiten werden, die Nato-Staaten jedoch vor allem "militärische Antworten" hätten. "Die Nato ist ein wachsendes Hindernis für den Frieden in der Welt", heißt es in dem gemeinsamen Aufruf des Aktionsbündnisses. "Sechzig Jahre Nato sind mehr als genug", sagte Bündnis-Sprecher Braun. Das Bündnis setzt sich nach Angaben der Veranstalter aus rund 500 Organisationen aus dem In- und Ausland zusammen. Aus Deutschland gehören dazu Friedensorganisationen, zahlreiche linke und linksautonome Gruppen, die Linkspartei sowie Grüne Jugend und die Jusos. Dies sei das größte Friedensbündnis seit den Demonstrationen gegen den Irakkrieg 2003, heißt es.

So plant das Bündnis einen Gegenkongress am 3. und 5. April in Straßburg. Für den 4. April wollen die Nato-Gegner mit einer Großdemonstration in Straßburg, sowie Blockaden bei den Feierlichkeiten in Baden-Baden auf sich aufmerksam machen. Zeitgleich zu den Protesten im Elsass sind zudem internationale Demonstrationen geplant, unter anderem in New York und Istanbul.

** taz, 12. Februar 2009


Feier abblasen – NATO abschaffen

Bündnis gegen 60. NATO-Jahrestag gegründet

Von Christian Klemm ***


Anlässlich des 60. Geburtstages der NATO hat sich ein breites Friedensbündnis zusammengeschlossen, das zu Protesten in Baden-Baden und Straßburg mobilisiert. Anfang April steht der 60. Jahrestag der NATO-Gründung an. Zu den »Feierlichkeiten« in Baden- Baden und Straßburg werden die Staatschefs aller 26 Mitgliedstaaten erwartet. Der Friedensbewegung dagegen ist weniger zum Feiern zumute. Sie hält das Bündnis für »überholt« und streitet seit Jahren für dessen Abschaffung.

Wie Vertreter der Friedensbewegung am Mittwoch in Berlin mitteilten, hat sich ein internationales Anti-NATO-Bündnis aus rund 500 Organisationen gegründet, dem Friedensorganisationen, soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Jugendorganisationen sowie Parteien gleichermaßen angehören. Mit einer Gegenkonferenz, mit Aktionen des zivilen Ungehorsams, mit einem alternativen »Widerstands-Camp« und mit einer Großdemonstration wollen die Friedensaktivisten ihre Ablehnung der NATO unterstreichen. Denn, so ist in einem vorab verbreiteten Positionspapier zu lesen, eine gerechte Welt ohne Krieg sei nur ohne das nordatlantische Militärbündnis möglich.

Doch vieles bleibt im Vorfeld des Protestes im Unklaren. Nicht geklärt ist, auf welchen Campingplätzen die Friedensaktivisten untergebracht werden. Auch liegt bisher keine Genehmigung der angemeldeten Demonstrationsrouten von den offiziellen Behörden vor. »Eine Hinhalte-Taktik«, wie Monty Schädel, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen, gegenüber ND meinte.

Besonders die »Europabrücke«, die von Kehl in Baden-Württemberg über den Rhein ins französische Straßburg führt, ist ein Streitpunkt. Geplant ist, dass deutsche Friedensbewegte über die Brücke zum NATO-Konferenzort Straßburg marschieren. Da die »Europabrücke« als ein »Flaschenhals« zwischen beiden Staaten gilt, äußerten die Behörden in den vergangenen Wochen Sicherheitsbedenken und ziehen in Erwägung, die Brücke während der »Feierlichkeiten« vorübergehend zu sperren. Eine Möglichkeit, die mit allen politischen und rechtlichen Instrumenten verhindert werden müsse, wie Reiner Braun, Geschäftsführer der deutschen Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms, gestern unterstrich, zur Not mit dem Gang »bis zum Europäischen Verfassungsgericht«.

Das Antikriegsbündnis versteht seine Aktionen als Teil einer weltweiten Aktionswoche gegen die Krisenbewältigung des Kapitalismus vom 28. März bis 4. April. Den Auftakt bilden die bundesweiten Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main.

Neues Deutschland, 12. Februar 2009


Proteste gegen 60 Jahre Nato ****

60 Jahre nach der Gründung der Nato macht die Friedensbewegung mobil für die Auflösung des Militärbündnisses. Gegen den Nato-Gipfel Anfang April in Straßburg rufen fast 500 Organisationen zu Demonstrationen und Protestcamps in Baden-Baden, Kehl und Straßburg auf.

Spätestens seit der Auflösung des Warschauer Pakts 1991 sei die Nato überflüssig geworden, sagte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag am Mittwoch vor der Presse in Berlin. Die "historische Chance" der Selbstauflösung habe die Nato aber verpasst. Unter dem Vorwand der Rohstoffsicherung helfe sie jetzt, dass die reichen Länder die Dritte Welt ausbeuten könnten.

Die Proteste werden auch von Linkspartei, Grüner Jugend und Jungsozialisten unterstützt, wie die Sprecher der Friedensbewegung erklärten. Teilnehmerzahlen wollten sie nicht voraussagen. Allerdings soll mit den Demonstrationen an den Widerstand gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm angeknüpft werden. Es handele sich um das "größte Bündnis seit den Antikriegsaktionen 2003 gegen den Irakkrieg", hieß es. Strittig ist nach Angaben der Veranstalter der Verlauf der Demonstrationen. Die Protestierer wollen auch auf der Europabrücke von Kehl nach Straßburg und in der Straßburger Innenstadt demonstrieren, haben dafür aber bisher keine Genehmigung.m.m.

**** Tagesspiegel, 12. Februar 2009


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