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Wer hat Angst vor der Friedensbewegung?

Repression im Vorfeld der No-NATO-Aktionen ins Leere laufen lassen

Von Christine Buchholz *

Vor wenigen Tagen drohte die Bundespolizei, den Sonderzug der Friedensbewegung aus Nordrhein-Westfalen (NRW) nach Kehl zu den Anti-NATO-Protesten Anfang April zu stoppen. »Wenn es die Sicherheitslage erfordert«, hieß es, müsse die »Friedenslok« gut zwanzig Kilometer vor dem Zielort, dem Bahnhof in Kehl, angehalten werden. Dem war die Ankündigung der französischen Behörden vorausgegangen, die internationale Protestdemonstration gegen den NATO-Gipfel nicht in der Innenstadt von Strasbourg zuzulassen.

In Baden-Württemberg wird unterdessen der größte Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes vorbereitet. Zugleich arbeitet die Landesregierung an der Verschärfung des Versammlungsrechtes.

Die Regierungen von Deutschland, Frankreich und den USA, die maßgeblich die Vorbereitungen des Gipfels anläßlich des 60jährigen Bestehens des Militärbündnisses prägen, haben offensichtlich ein Interesse daran, die Proteste im Vorfeld zu kriminalisieren. Die Friedensbewegung wird zum Sicherheitsrisiko erklärt, um von den wahren Gefahren, die von der NATO ausgehen, abzulenken. Die Kriegsstrategen wollen nicht von Demonstrationen gestört werden, auf denen über ihre Politik und ihre Ziele aufgeklärt wird.

Vor zehn Jahren bombardierte die NATO Serbien. Es war der erste »Out-of-Area-Einsatz« des Bündnisses: ein Meilenstein in der Umwandlung des angeblichen Verteidigungsbündnisses in ein global agierendes Interventionsbündnis. Inzwischen stehen NATO-Kriege wie selbstverständlich auf der Tagesordnung. Der Afghanistan-Krieg wird weiter eskaliert. Neben den USA ist Deutschland dabei eine treibende Kraft. US-Präsident Barack Obama kündigte jüngst an, 17000 weitere Soldaten an den Hindukusch zu schicken, die Bundesregierung will ihr Kontingent um 600 Mann aufstocken.

Der Krieg ist nicht populär, aber aus Sicht der NATO-Strategen zentral, um die geopolitischen Machtinteressen der Mitgliedstaaten auszubauen Auf dem Gipfeltreffen am 3. und 4. April will das Militärbündnis eine Strategie auf den Weg bringen, die das weltweite militärische Eingreifen noch leichter und effektiver macht. Darum geht es der NATO in Strasbourg und Baden-Baden, und deshalb sollen die Proteste der Friedensbewegung möglichst unsichtbar sein. Potentielle Demonstranten sollen durch Verbote und Einschüchterungsversuche verunsichert werden.

Um Kriege durchzusetzen, wird einmal mehr die Militarisierung nach innen vorangetrieben. Nicht nur Demonstranten werden eingeschüchtert, auch die Bevölkerung wird verunsichert. Durch übertriebene Sicherheitsmaßnahmen erzeugen die Regierungen ein Gefühl der Bedrohung, die Protestierer sollen isoliert werden.

Diese Taktik geht aber nicht mehr auf und kann sogar in ihr Gegenteil umschlagen. Bereits die Aktionen gegen den Bush-Besuch in Mainz 2005 stießen auf große Sympathie der Bevölkerung. Die Mobilisierung zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm im Sommer 2007 zog nach absurden Versuchen der Kriminalisierung erst richtig an.

Die Friedensbewegung wird sich auch jetzt nicht einschüchtern lassen. Die Aktionskonferenz am 14./15. Februar in Strasbourg hat einen Appell für das demokratische Recht, in der Innenstadt zu demonstrieren, verabschiedet. An diesem Sonntag findet dort ein öffentliches Blockadetraining statt. Und auch die Initiatoren der Friedenslok lassen sich nicht von den Drohungen beeindrucken, sondern starten eine neue Runde der Mobilisierung.

* Christine Buchholz arbeitet mit im Bündnis zur Vorbereitung der Anti-NATO-Proteste und im Bundesausschuß Friedensratschlag. Sie ist Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der Partei Die Linke

Aus: junge Welt, 7. März 2009



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