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Widerstand gegen EU-Verfassung

Nach der Ratifizierung der EU-Verfassung im österreichischen Parlament: Österreichische Friedensbewegung kämpft weiter - Ein Interview mit Dr. Thomas Roithner (ÖSFK)

Das österreichische Parlament hat am 11. Mai mit 183 zu einer Stimme die Europäische Verfassung ratifiziert, einen Tag also vor dem Deutschen Bundestag (siehe: Die Reden im Bundestag im Wortlaut). Die einzige Gegenstimme kam von der Abgeordneten der rechten FPÖ. Der ehemalige FPÖ-Chef und jetzige Vorsitzende der BZÖ, Jörg Haider, hat allerdings angekündigt, gegen die Ratifizierung klagen zu wollen und fordert ein Referendum. Im Parlament stimmte die an der Regierung beteiligte BZÖ der Ratifizierung jedoch zu. Auch im österreichischen Bundesrat, der Ende Mai entscheiden soll, gilt die Zustimmung als sicher. Im Vorfeld der Abstimmung gab es Protest von Seiten der Friedensbewegung. Nach ihrer Auffassung verstoßen militärische Rüstungs- und Beistandsklauseln in dem Vertragswerk gegen die Neutralitätsverpflichtung Österreichs.

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview, das in "ZDF-Online" am 11. Mai 2005 erschien. Interviewpartner von Stefan Lehmacher (ZDF-online) ist Dr. Thomas Roither vom Österreichischen Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung (ÖSFK), den Lesern unserer Website und den Besuchern der jährlichen Friedenspolitischen Ratschläge längst kein Unbekannter mehr.



ZDFonline (Stefan Lehmacher): In Österreich gibt es starken Widerstand gegen die Europäische Verfassung. Warum?

Thomas Roithner: Der Widerstand richtet sich zum einen gegen die militärische Aspekte in der Verfassung und zum anderen gegen den Neoliberalismus, der dort festgeschrieben ist.

ZDFonline: Welche militärischen Aspekte meinen Sie?

Roithner: Österreich ist ein "immerwährend neutraler Staat", dem durch seine Verfassung untersagt ist, an Kriegen teilzunehmen, militärischen Bündnissen beizutreten oder fremde Truppen auf seinem Staatsgebiet zu dulden. Das ist der wesentliche Kern der Neutralität. Es besteht eine grundlegende Inkompatibilität zwischen dieser Neutralität und der Rüstungsverpflichtung, die Bestandteil der europäischen Verfassung ist. Es fehlt auch eine generelle Ächtung von Krieg als Mittel der Politik oder ein Verbot von Massenvernichtungswaffen. Während die militärischen Aspekte in der Verfassung sehr genau geregelt sind, fehlen präzise Formulierungen zur zivilen Konfliktbearbeitung der Europäischen Union.

ZDFonline: Welche Gruppierungen leisten Widerstand gegen die Verfassung?

Roithner: Der Widerstand kommt vor allem von Nichtregierungsorganisationen, parteipolitisch ungebundenen Organisationen aus der Friedensbewegung und aus der globalisierungskritischen Bewegung. Es sind zahlreiche Frauenorganisationen, die sich angeschlossen haben. Eigentlich geht der Widerstand quer durch alle Gesellschaftsschichten.

ZDFonline: Das heißt, Sie treten dafür ein, dass eine Volksabstimmung stattfindet und dass einzelne Passagen der Europäischen Verfassung geändert werden?

Roithner: Vor allen Dingen treten wir dafür ein, dass über einige Passagen dieser Verfassung noch einmal gesprochen wird. Der Konvent, über den es zur Verfassung gekommen ist, wurde immer als sehr offener Prozess dargestellt. In Wahrheit sind von den 460 Artikeln der Verfassung 340 in diesem Konvent überhaupt nicht diskutiert worden. Das ist nicht das Europa der Bürgerinnen und Bürger, dem Österreich vor zehn Jahren beigetreten ist.

ZDFonline: Auch die Rechtspopulisten um Jorg Haider haben einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht Österreichs angekündigt, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Ist es nicht eine merkwürdige Konstellation, wenn Rechtspopulisten, Friedensbewegung und Globalisierungsgegner zusammen protestieren?

Roithner: Es gibt ein breites Spektrum politischer Kräfte, die an dieser Verfassung kritische Momente sehen. Die Haider-Partei hat sich in letzter Zeit nicht unbedingt einen Namen mit kritischen Stellungnahmen zur Verfassung gemacht. Ich vermute dahinter hauptsächlich innenpolitische Gründe, warum man zuerst im Parlament zustimmt und dann ankündigt, man wolle das Ganze rückgängig machen. Da hätte man ja auch gleich die Zustimmung verweigern können.

ZDFonline: Das österreichische Parlament hat am Mittwoch die europäische Verfassung mit nur einer Gegenstimme ratifiziert, der Bundesrat wird voraussichtlich ebenfalls zustimmen. Ist die Sache damit gegessen?

Roithner: Es wird von Seiten der Nichtregierungsorganisationen auf jeden Fall weitere Aktionen zur Europäischen Verfassung geben. Das ist ja nicht irgendein Dokument, das dann in einer Schublade verschwindet, sondern mit dieser Verfassung wird Politik gemacht, bespielweise im sicherheitspolitischen Bereich. Die in der Verfassung enthaltene Verpflichtung, die militärischen Fähigkeiten zu verbessern, wird auch Auswirkungen auf das österreichische Militärbudget haben.

ZDFonline: Nun haben verschiedene Gruppierungen eine Klage gegen die europäische Verfassung vor dem österreichischen Bundesverfassungsgericht angekündigt. Hat dies Aussicht auf Erfolg?

Roithner: Die Abstimmung im Parlament mit 183 Ja-Stimmen quer durch alle Parteien und einer Gegenstimme ist eine sehr klare Antwort. Ich denke, dass diese Verfassung von österreichischer Seite aus nur noch den wenigsten Widerstand zu erwarten hat. Die Nichtregierungsorganisationen werden sich dennoch weiter kritisch mit dieser Verfassung beschäftigen.

Quelle: ZDF-Online (www.zdf.de)


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