Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Paech: "Um die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen, braucht es ziviler Instrumente und nicht des Militärs / Steinmeier: "Wir schulden unseren Soldaten unsere volle Unterstützung"

Dokumentation der Bundestagsdebatte (1. Lesung) zur Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes im "Antiterrorkrieg"

Am 4. November 2008 kam der Bundestag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, u.a. um über die Verlängerung der deutschen Beteiligung am internationalen Kampf gegen den Terror im Rahmen der Militäroperation "Enduring Freedom" zu beraten. Der Bundestag wird am 13. November 2008 in namentlicher Abstimmung über den Antrag befinden.
Wir dokumentieren die Debatte vom 4. November (1. Lesung) im Folgenden an Hand des vorläufigen stenografischen Protokolls.
Das Wort ergriffen (in dieser Reihenfolge):



185. Sitzung, Dienstag, 04.11.2008,14.45 -ca. 18.05 Uhr

Beratung Antrag Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373(2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen - Drs 16/10720 -

Präsident Dr. Norbert Lammert:

(...) Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier, das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag gesagt - wir erinnern uns -: Der Kampf gegen den Terror, der Kampf gegen al-Qaida wird wohl einen langen Atem brauchen. Auch wenn es in Europa und den USA von heute aus gesehen seit mehreren Jahren keinen Anschlag der al-Qaida mehr gegeben hat und Afghanistan heute nicht mehr die Brutstätte und das Trainingszentrum für die al-Qaida-Terroristen ist, bleibt es dennoch dabei: Die Gefahr ist in der Tat nicht gebannt. Sie hat sich aber verändert.

Darum müssen wir diese Mandate, durch die der Rahmen für unser militärisches Engagement in Afghanistan gegeben wird, auch an veränderte Situationen und neue Herausforderungen anpassen. Das entspricht dem, was viele von Ihnen gefordert haben, nämlich kein simples "Weiter so!". Das gilt auch für das ISAF-Mandat und auch für das OEF-Mandat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU])

Es hat sich in Afghanistan in der Tat die Erkenntnis durchgesetzt - das haben wir alle hier in vielen Debatten miteinander ausgesprochen -, dass der Kampf gegen den Terror nicht allein mit militärischen Mitteln zu gewinnen ist und dass wir mehr für den Wiederaufbau von Institutionen und für den Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur tun müssen. Darum ist die Zahl der Soldaten für die ISAF-Mission, die neben der Gewährleistung von Sicherheit eben auch den zivil-militärischen Aufbau des Landes sicherstellt, in den letzten Jahren von 10 000 auf 50 000 angewachsen, während sich in der gleichen Zeit die Zahl der bei OEF eingesetzten Soldaten von 20 000 auf etwa 10 000 halbiert hat.

Auch im Norden Afghanistans spiegelt der Einsatz unserer Bundeswehr durchaus diese Entwicklung wider. Auch wir haben in der Tat die Zahl der Soldaten unter ISAF erhöht, auch, um den militärischen Wiederaufbau abzusichern, auch, um mit den zusätzlich eingesetzten Soldatinnen und Soldaten Polizeiausbildung und vor allen Dingen Armeeausbildung zu betreiben, damit die Regierung dieses Landes nach und nach mehr in die Lage versetzt wird, für Sicherheit und Ordnung im eigenen Land zu arbeiten. Dafür sind unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. Das ist - der Überzeugung bin ich - ein weiterhin sinnvoller und notwendiger Einsatz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gleichwohl - auch das gehört dazu - müssen wir uns mit der Veränderung der Lage in der Region auch stärker um Pakistan kümmern. Sie wissen, dass ein Teil der al- Qaida, die früher in Afghanistan tätig und präsent war, nach Pakistan ausgewichen ist und dort teilweise unkontrolliert agieren kann. Deshalb muss es uns gelingen, Pakistan zu stabilisieren. Das kann uns nur gelingen, wenn wir mit der Regierung in Islamabad und dem neu gewählten Präsidenten zusammenarbeiten. Ich füge auch hinzu: Keine Hilfe sind die grenzüberschreitenden Luftschläge. Das trägt nicht zur Stabilisierung dieser Regierung bei, wie ich jüngst bei meinem Besuch in Pakistan erfahren konnte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Konkrete Politik hilft da sehr viel mehr. Darum bemühen wir uns durch Gespräche mit der Regierung in Pakistan oder wie zuletzt auf der Reise nach Pakistan und in die Golfstaaten.

Worum geht es nämlich? Neben der Bekämpfung von Terrorismus geht es darum, Pakistan insgesamt zu stabilisieren und dieses Land und seine Regierung fähig zu halten, Terrorismus im eigenen Land zu bekämpfen. Darum beteiligen wir uns mit anderen an einer internationalen Pakistan-Freundesgruppe. Wir treffen uns bereits am 17. November in Abu Dhabi. Daran mögen Sie erkennen, warum es sinnvoll ist, das Rettungsseil, das wir Pakistan jetzt mit der möglichen Bereitstellung von IWF-Krediten hingehalten haben, an möglichst vielen Stellen auf der Erde zu verankern. Dafür brauchen wir die Golfstaaten. Ich bin jedenfalls froh, festzustellen, dass in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten offensichtlich Bereitschaft besteht, Pakistan im Konzert mit anderen zu unterstützen.

Was bedeuten die Veränderungen, von denen ich spreche, insgesamt für die deutsche Beteiligung am OEF-Mandat? Wir ziehen jetzt die Konsequenzen daraus, dass es seit mehreren Jahren keine deutschen OEF-Einsätze mehr in Afghanistan gegeben hat. Wir haben deshalb die für den Afghanistan-Einsatz vorgesehenen Spezialkräfte aus dem OEF-Mandat herausgenommen. In Zukunft werden wir uns in Afghanistan militärisch nur noch im Rahmen von ISAF engagieren.

Das ist gleichzeitig der Grund, weshalb wir die Personalobergrenze von 1 400 auf zukünftig 800 Soldaten reduzieren. Wir werden damit weiterhin an der Mission teilnehmen können, die im Mittelmeer bzw. am Horn von Afrika operiert, und da die Bewegungsfreiheit von Terroristen und ihren Unterstützern auch weiterhin nachhaltig einschränken können. Das beinhaltet noch nicht - um auch das vorweg zu sagen - den Kampf gegen Piraterie in der Region. Dazu wird die Bundesregierung ein gesondertes Mandat vorlegen, das die Beteiligung Deutschlands an einer geplanten EU-Mission regeln wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das OEF-Mandat ist nur ein Faktor in unserer vielfältigen Arbeit für Sicherheit und Stabilität in Afghanistan. Ich weiß, dass nach der Rechtsgrundlage gefragt wird. Debattiert worden ist darüber auch in den Fraktionen. Ich will deshalb noch einmal darauf hinweisen: Dieser Einsatz ist nach wie vor durch das Recht auf Selbstverteidigung durch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das mehrfach bekräftigt und diesen Einsatz, wie Sie wissen, auch mehrfach positiv gewürdigt.

Alles in allem ist das Grund genug, um Sie als Mitglieder des Deutschen Bundestages um eine breite Zustimmung zu einer Verlängerung des OEF-Mandates zu bitten. Das wäre nicht nur ein politisches Signal, dass wir uns aus der Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft nicht verabschieden; es wäre vor allen Dingen auch ein starkes Zeichen für unsere Soldatinnen und Soldaten, die bei ihrem Einsatz für unsere Sicherheit Leib und Leben riskieren. Wir schulden unseren Soldaten dafür nicht nur Dank; wir schulden ihnen dafür vor allen Dingen unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich appelliere deshalb an das Hohe Haus: Bitte geben Sie den Soldatinnen und Soldaten die notwendige politische Rückendeckung!

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Stinner für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Rainer Stinner (FDP):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion wird dem Mandatsantrag der Bundesregierung zustimmen. Aber diese Zustimmung ist mit vielen Fragenzeichen und vielen Forderungen unsererseits an die Bundesregierung verbunden. Das jetzige Mandat unterscheidet sich wesentlich von dem vorherigen Mandat, und zwar vor allem deshalb, weil diesmal zum ersten Mal die Unterstützung der OEF in Afghanistan nicht einbezogen ist. Das heißt, dass die 100 KSK-Kräfte nicht mehr mandatiert werden. Diese Änderung des Mandats ist eindeutig parteipolitisch motiviert. Herr Außenminister, das ist die weiße Salbe, die Sie auf die Wunden Ihrer SPD-Fraktion auftragen; denn in der SPD-Fraktion ist seit jeher die Diskussion über das "gute" ISAF-Mandat und das "schlechte" OEF-Mandat im Gange. Das möchte man abmildern, bzw. diesem möchte man ausweichen, indem man diesmal das Mandat entsprechend ändert.

Es erscheint uns allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, als ob Sie die Tatsache verbergen möchten, dass Spezialkräfte in Afghanistan noch eingesetzt werden. Deswegen wiederhole ich ganz deutlich, was wir in einem Entschließungsantrag zur Verlängerung des ISAF-Mandats vor einigen Wochen gesagt haben: Selbstverständlich ist es auch in Zukunft möglich, KSK-Kräfte in Afghanistan einzusetzen. Es obliegt allein und ausschließlich der militärischen Führung, die Kräfte einzusetzen, die sie für notwendig hält, um das Mandat zu erfüllen.

(Beifall bei der FDP)

Aufgabe des Parlamentes, unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die eingesetzten Soldaten richtig ausgebildet und vor allem richtig ausgerüstet sind.

(Beifall bei der FDP)

Dazu gibt es gerade im Hinblick auf Afghanistan eine ganze Reihe von Fragen. Unsere Soldaten in Afghanistan sind nicht nur dazu da, Sicherheit in Afghanistan herzustellen. Sie dienen auch dazu, die Sicherheit in Deutschland zu erhalten und zu fördern. Auch das ist ihr Auftrag in Afghanistan. Wir haben eine Kleine Anfrage zur Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan an die Bundesregierung gestellt. Interessanterweise - oder frevelhafterweise - sind die Antworten klassifiziert worden.

Das heißt, sie sind vertraulich gegeben worden, sodass mit ihnen politisch nicht gearbeitet werden kann.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das wirft ein schlechtes Licht auf das, was Sie in Afghanistan tun. Natürlich wird dadurch das Vertrauen der Bevölkerung und auch der Soldaten, dass wir das Richtige tun, nicht gerade gefördert. Ich bitte Sie herzlich, diese Ihre Entscheidung nachhaltig zu überdenken.

(Beifall bei der FDP)

Ich verhehle nicht, dass die völkerrechtliche Grundlage dieses Mandates auch in unserer Fraktion wieder zu umfangreichen Diskussionen geführt hat. Selbstverständlich ist es richtig, die Frage zu stellen, ob die Begründung noch Bestand hat. Wir müssen darüber diskutieren, ob das Selbstverteidigungsrecht und der Angriff nach Art. 5 des NATO-Vertrages noch heute, sieben Jahre später, Grundlage sein können. Für uns gilt: Ad infinitum kann diese Begründung nicht dafür herhalten, dieses Mandat fortzuführen. Wir müssen darüber gemeinsam nachdenken.

Kern dieses neuen Mandats ist also der Marineeinsatz am Horn von Afrika. Es ist ohne jeden Zweifel in unserem deutschen Interesse, dass die Seewege am Horn von Afrika sicherer werden. Wir als größte Exportnation dieser Welt haben ein vehementes eigenes, nationales Interesse daran, dass diese Wege sicher sind. Deshalb ist der Einsatz deutscher Soldaten dort sinnvoll und richtig.

(Beifall bei der FDP)

Was machen aber nun unsere Soldaten am Horn von Afrika? Genauso wichtig ist die Frage: Stimmen eigentlich die Regeln, unter denen sie arbeiten, mit ihrem Auftrag heute noch überein? Im Antrag zur Erteilung des Mandats steht wörtlich, es sei Aufgabe, "Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen ...". Wie können aber Soldaten das machen, wenn sie zum Beispiel ein Schiff gegen den Willen des Kapitäns nicht betreten dürfen? Ganz zu schweigen von der Anwendung militärischer Gewalt, wenn es sich nicht um eng definierte Nothilfe handelt. Wie können eigentlich deutsche Soldaten Führungs- und Ausbildungsstrukturen ausschalten, wenn sie militärisch nur im Rahmen eng begrenzter Nothilfe vorgehen können? Das sind offene Fragen,

(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])

denen wir uns stellen müssen. Das sind nicht Fragen des Mandats, meine Damen und Herren von der Regierung, das sind Fragen, die die Bundesregierung beantworten muss. Es ist Ihre Aufgabe, für unsere Soldaten eindeutige Regeln festzulegen, damit sie den Auftrag, den wir ihnen hier geben, wirklich erfüllen können; denn wenn wir unsere Soldaten nicht mit einem klaren Auftrag und klaren Einsatzregeln versehen, bringen wir sie, wie geschehen - das erfahren wir alle, wenn wir in Einsatzgebieten sind -, in eine unmögliche, in eine ungünstige Situation. Das dürfen wir unseren Soldaten nicht zumuten. Genauso schlimm ist: Wir machen uns leider häufig vor aller Welt lächerlich.

Das gilt auch für das Problem der Abgrenzung zwischen Terrorismus und Piraterie. Die Bundesregierung hat bis dato immer wieder gesagt, das könne man klar voneinander abgrenzen. Ich sage Ihnen: Die deutsche Marine ist schon etwas klüger. Das Flottenkommando der deutschen Marine schreibt nämlich in einem Bericht, dass der grenzüberschreitende internationale Terrorismus, der von Piraterie und organisierter Kriminalität häufig nicht zu trennen sei, ebenfalls den freien Seeverkehr zum illegalen Transport von Waffen und Personen nutze. Hier ist eindeutig festgehalten, was unsere Partnernationen seit Jahren betonen. Selbstverständlich ist gerade am Horn von Afrika eine eindeutige Trennung zwischen Piraterie und Terrorismus nicht möglich. Unsere Partnernationen verfahren entsprechend.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das heißt, sie gehen schon heute im Rahmen des OEFMandats gegen Piraterie vor, wo es möglich und geboten ist.

Nur unsere Bundesregierung verstrickt sich hier in eine Debatte, die mittlerweile kein Mensch mehr richtig nachvollziehen und verstehen kann. Die Regierungsparteien sind in dieser Frage heillos zerstritten. Wir bekommen auf unsere Anfragen völlig unterschiedliche Mitteilungen vom Außenministerium und vom Verteidigungsministerium. So bestätigt zum Beispiel das Auswärtige Amt auf eine schriftliche Anfrage von uns, dass die Bundeswehr selbstverständlich Polizeiaufgaben im Ausland übernehmen dürfe und es selbstverständlich weder völkerrechtlich noch verfassungsrechtlich ein Problem sei, dass die Bundeswehr gegen Piraten vorgehe. Das ist die Aussage des Auswärtigen Amts. Das Verteidigungsministerium behauptet das Gegenteil. Herr Kossendey geht sogar so weit, die Nothilfe auf einen ganz engen Bereich zu begrenzen, nämlich auf den Moment der Piraterie und der Gefangennahme. Nach Aussage des Verteidigungsministeriums besteht Nothilfe dann nicht mehr, wenn die Piraten ein Schiff gekapert haben und mit Geiseln abgedampft sind. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Nothilfe besteht so lange, wie die Not für die betroffenen Menschen anhält. Das ist, glaube ich, eine eindeutige Definition.

(Beifall bei der FDP)

Die Regierungspraxis steht im klaren Widerspruch zum Seerechtsübereinkommen, das wir, der Deutsche Bundestag, im Jahr 1994 ratifiziert haben. Darin ist das eindeutig geregelt. Ich kann auch hierzu nur sagen: Unsere Soldaten schütteln den Kopf darüber und unsere Verbündeten wundern sich ein weiteres Mal.

Dieses Problem setzt sich leider fort. Wir haben im Rahmen der NATO einen Verband - er war sowieso auf dem Wege zum Horn von Afrika -, der jetzt auf Wunsch der Vereinten Nationen die Aufgabe übernehmen soll, Schiffe des World Food Programme am Horn von Afrika zu schützen.

Sehr geehrte Frau Ministerin Wieczorek-Zeul, die deutsche Bundesregierung, Ihre Bundesregierung, verhindert, dass deutsche Soldaten im Auftrag der Vereinten Nationen Lebensmittellieferungen schützen, die die Ärmsten dieser Welt erreichen sollen. Das ist deutsche Außen- und Sicherheitspolitik des Jahres 2008. Das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP)

Es geht aber weiter. Jetzt ist die Rede davon, eine ESVP-Mission zur Bekämpfung der Piraterie zu unternehmen, wahrscheinlich ab Dezember. Es ist uns - übrigens, wie ich erkannt habe, auch vielen Kolleginnen und Kollegen der SPD - beim besten Willen nicht klarzumachen, wieso der Bezug auf Art. 24 des Grundgesetzes für die ESVP-Mission gilt und möglich ist, aber für die NATO-Mission nicht. Hier sind, glaube ich, Debatten im Gange, die völlig widersprüchlich sind. Deshalb sagen wir: Wir müssen Klarheit schaffen in den Regeln und in den Abgrenzungen zwischen der OEF-Mission und der ESVP-Mission. Hier gibt es erhebliche Schnittstellen. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als wolle sie unter allen Umständen den Anschein verhindern, dass deutsche Soldaten schließlich auch einmal militärische Mittel einsetzen müssen. Deshalb agiert sie nach unserem Dafürhalten hier in einer unklaren Art und Weise. Mit diesem Verhalten lässt die deutsche Bundesregierung viele Soldaten im Stich, und wir machen uns, wie gesagt, international unglaubwürdig. Dies muss geändert werden.

Sie sehen also: Wir haben uns die Entscheidung zu diesem Mandat weiß Gott nicht leichtgemacht. Wir haben weiterhin viele Fragen. Wir stimmen trotzdem zu, weil es als politisch Verantwortliche im Deutschen Bundestag unsere Aufgabe ist, die grundsätzlichen Weichenstellungen im Hinblick auf das, was zu tun ist, hier vorzunehmen. Aber wir verlangen von der Bundesregierung, dass sie ihre Anstrengungen hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung dieses Mandates wesentlich verbessert, damit Sicherheit und Vertrauen herrschen, nicht nur bei unseren Soldaten, sondern insbesondere auch bei denen, für die wir diese Aufgabe weltweit erfüllen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Bundesminister Franz Josef Jung.

(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenn wir mit Klatschen fertig sind!)

Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 11. September 2001 markiert eine sicherheitspolitische Zäsur. Auf diesen schrecklichen Anschlag hat die internationale Gemeinschaft geschlossen und einmütig reagiert. Ich denke, es ist eine wirkungsvolle Antwort im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gewesen.

Bereits einen Tag nach den Anschlägen erklärte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 1368 die Anschläge zur Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit, und der Nordatlantikrat hat den Bündnisfall ausgerufen. Deshalb war es folgerichtig, dass der Deutsche Bundestag erstmals am 16. November 2001 dem Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom zugestimmt hat. An dieser Grundlage und auch an der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus für unser Land hat sich bis heute nichts geändert. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir diesen Auftrag zur Bekämpfung der Gefahren für unser Land an der Quelle fortsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Seit Ende 2001 erbringen wir unseren Beitrag sowohl in Afghanistan als auch im Mittelmeer sowie im Seeraum rund um das Horn von Afrika. Es liegt im deutschen Interesse, den Terrorismus und dessen Verbindungslinien, seine Kommunikation und seinen Nachschub an der Quelle zu bekämpfen. Wir sind am Horn von Afrika mit einem Marineverband gemeinsam mit Koalitionskräften aus Australien, Frankreich, Großbritannien und Pakistan im Einsatz. Die deutschen Einheiten schützen in der Taskforce 150 die Seeverbindungslinien in einem Operationsgebiet, das vom Roten Meer über das Arabische Meer und den Golf von Oman bis hin zur Straße von Hormuz reicht.

Der Auftrag beinhaltet Identifikation, Überwachung und Aufklärung. Der Seeverkehr im Einsatzgebiet wird umfassend beobachtet und dokumentiert. Ziel ist es, den Transport von Personen und Gütern, Waffen und Munition, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus dienen, zu unterbinden.

Sehr geehrter Kollege Stinner, leider geht das, was Sie in dem Zusammenhang zum Thema Pirateriebekämpfung gesagt haben, an der Realität vorbei; ich sage: an unserer Verfassung vorbei. Sie müssen sich schon dazu durchringen, einen Beitrag zur verfassungsrechtlichen Klarstellung zu leisten, wenn Sie das Ziel erreichen wollen, das Sie hier ansprechen. Ich bin nicht bereit, die Verfassung zu brechen. Wir sollten eine Klarstellung vornehmen, um die Chance zu haben, Piraterie in dem Umfang zu bekämpfen, den Sie eben eingefordert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist - ich sage es noch einmal - ein Einsatz zum Kampf gegen den Terrorismus, nicht gegen die Piraterie. Im Hinblick auf jene Bedrohung wird zurzeit die ESVPMission vorbereitet. Wir werden in dem Zusammenhang unseren Beitrag dazu leisten, dass auch dieser Gefahr wirkungsvoll entgegengetreten wird. Neben der Nothilfe kann man selbstverständlich auch prüfen, ob in Zukunft im Rahmen des OEF-Mandats eine Unterstellung unter das ESVP-Mandat möglich ist. Aber das bedarf dann auch der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Neben unseren Fregatten stellen wir mit unseren Seefernaufklärungsflugzeugen Orion fallweise auch Fähigkeiten zur Aufklärung aus der Luft zur Verfügung. Die Bundeswehr hält zudem Kräfte für luftgestützte medizinische Notfallversorgung durchgehend in Bereitschaft.

Im Januar werden wir, wenn der Deutsche Bundestag diesem Mandat zustimmt, zum wiederholten Male für drei Monate die Führung dieser Taskforce übernehmen.

Neben dem Einsatz am Horn von Afrika gehört die NATO-Operation Active Endeavour im Mittelmeer zu diesem Mandat. In wechselnder Stärke und Formation leisten wir hier ebenfalls unseren Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Kollege Stinner, ich finde, die Bilanz unseres Einsatzes kann sich sehen lassen. Wir haben mit unseren Kräften über 14 500 Abfragen von Schiffen, über 340 Stopps, detaillierte Befragungen von Schiffsbesatzungen, 70 Durchsuchungen, also Boardings, und über 70 Geleitaufträge für besonders schützenswerte Schiffe durchgeführt sowie zusätzlich diverse Hilfeleistungen für Schiffe in Not erbracht. Ich bin unseren Soldatinnen und Soldaten sehr dankbar, die einen wirkungsvollen Einsatz leisten - im Interesse der Sicherheit unseres Landes und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir wollen die Diskussion über dieses Mandat aus der Zeit heraushalten, in der dieser Bundestag noch amtiert, ein neuer aber schon gewählt ist, und schlagen deshalb vor, das Mandat bis in den Dezember 2009 hinein zu verlängern. Des Weiteren wollen wir die derzeitige Obergrenze von 1 400 auf 800 Soldatinnen und Soldaten zurückführen, weil dies im Hinblick auf unseren Einsatz sachgerecht ist. Außerdem haben wir die 100 Spezialkräfte bei OEF für das Einsatzgebiet Afghanistan herausgenommen. Diese Kräfte waren in den vergangenen Jahren eine wichtige Rückversicherung. Jedoch hat sich der Charakter von OEF in Afghanistan mit der schrittweisen Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan durch ISAF spürbar gewandelt. Natürlich kann die knappe Ressource der Spezialkräfte weiterhin im Rahmen von ISAF eingesetzt werden, falls dies in Afghanistan erforderlich ist.

Wir wollen in unseren Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus nicht nachlassen, auch und gerade im Interesse unserer Sicherheit. Wir stellen uns mit unseren alliierten Partnern, mit der Weltgemeinschaft nachdrücklich und entschlossen gegen diese Geißel der Menschheit. Das ist ein wichtiger Teil unseres Beitrages, die Welt ein Stück friedlicher und sicherer zu machen. Deutschland wird und darf sich hier seiner Verantwortung nicht entziehen.

Ich denke, wir können insgesamt stolz und dankbar hinsichtlich des Engagements unserer Soldatinnen und Soldaten sein, die gut ausgebildet und gut ausgerüstet sind und diesen Auftrag gut motiviert erfüllen. Er dient unseren Sicherheitsinteressen, den Sicherheitsinteressen unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich bitte Sie deshalb um möglichst breite Zustimmung zur Fortsetzung unseres Engagements im Rahmen der Mandate zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, Operation Enduring Freedom und Operation Active Endeavour, in dem einen Fall am Horn von Afrika - in diesem Mandat haben wir im Übrigen das Seegebiet klar konkretisiert, in dem die Kräfte im Einsatz sind -, in dem anderen Fall im Mittelmeer; denn so können wir unseren Beitrag auch in Zukunft wirkungsvoll leisten. Ich denke, für diesen Einsatz im Interesse unserer Sicherheit haben unsere Soldatinnen und Soldaten eine breite Unterstützung dieses Parlamentes verdient.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Stinner noch einmal das Wort.

Dr. Rainer Stinner (FDP):

Sehr geehrter Herr Minister! Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass Sie mich direkt angesprochen haben. Das gibt mir die Möglichkeit, die Dinge noch einmal sehr deutlich darzustellen.

Erstens. Dieses Parlament hat im Jahr 1994 das Seerechtsübereinkommen ratifiziert. In diesem Seerechtsübereinkommen steht ausdrücklich, dass die Vertragsstaaten gegen Piraterie auf hoher See auf der ganzen Welt vorgehen können -- nicht müssen, aber können. Auf unsere Anfrage, ob denn Art. 25 des Grundgesetzes, der besagt, dass völkerrechtlich verbindliche Verträge auch für deutsches Recht bindend sind, auch für dieses Seerechtsübereinkommen gilt, hat die Bundesregierung eindeutig mit Ja geantwortet.

Zweitens. Die zweite Ausrede, die Sie, Herr Minister, und Ihr Ministerium verwenden, ist, die Bundeswehr dürfe angeblich im Ausland keine Polizeiaufgaben wahrnehmen. Das ist falsch, Herr Minister. Die Bundeswehr nimmt schon gegenwärtig im Ausland in umfangreichem Maße Polizeiaufgaben wahr. Ich erinnere an den Kosovo, wo wir nach den Umständen des Jahres 2004 die Bundeswehr extra mit Polizeiausrüstung wie Schilden, Schlagstöcken und Reizgas versehen haben, damit sie polizeiähnliche Aufgaben wahrnehmen kann. Auch dieses Argument hilft also nicht.

Drittens verweise ich auf meine eben schon gemachte Beschreibung der, wie ich finde, völlig unzuträglichen Eingrenzung des Begriffes "Nothilfe" durch Ihr Ministerium. Das halte ich, Herr Minister, wirklich für völlig abwegig. Diese Eingrenzung muss aufgehoben werden.

Nein, Herr Minister - ich komme zum Schluss, Herr Präsident -, Sie und Ihre Partei wollen - das hat auch die Ausschussberatung gezeigt - über eine Änderung des Art. 87 unseres Grundgesetzes etwas völlig anderes, und dafür haben Sie von Ihren Kollegen von der SPD in der Öffentlichkeit und in den Ausschüssen die Rote Karte bekommen. Deshalb gibt es weiterhin einen Konflikt in der Bundesregierung, auf den ich hingewiesen haben wollte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Minister, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.

Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:

Herr Kollege Stinner! Wir haben die Diskussion schon im Ausschuss geführt. Ich will meinen Standpunkt aber gerne noch einmal vor dem Parlament deutlich machen. Erstens. Völkerrecht bricht nicht Verfassungsrecht. Für mich gilt die verfassungsrechtliche Grundlage unseres Grundgesetzes; daran werde ich mich halten. Zweitens. Wir bereiten zurzeit eine ESVP-Mission vor, die uns im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz - da geht es um gegenseitige kollektive Sicherheit - die Rechtsgrundlage gibt, Piraterie wirkungsvoll zu bekämpfen. Das halte ich für richtig und notwendig. Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag einem derartigen Mandat zustimmt, sodass wir einerseits im Rahmen unseres OEF-Mandates, über das wir jetzt beraten, den Terrorismus bekämpfen können und andererseits im Rahmen des zukünftigen Mandats, der ESVP-Mission, Piraterie bekämpfen können. Das dient unserer Seesicherheit und dem freien Seehandel. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ja mehr Absurdistan als Afghanistan!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Norman Paech, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geschieht ja nicht sehr oft, dass wir die Regierung loben. Aber in diesem Fall ist es angebracht, da Sie aus der Kritik die Konsequenz gezogen haben, den Antiterroreinsatz - zumindest in Afghanistan - einzustellen. Ich will nicht darüber reden, ob Sie sich vielleicht dadurch die Zustimmung zu einem Einsatz im Rahmen der ISAF erkaufen wollen, der sich ohnehin nicht mehr von dem Kampfeinsatz der OEF unterscheidet. Leider sind Sie auf halbem Wege stehen geblieben. Sie hätten die Bundeswehr vollständig aus diesem vollkommen falschen und auch völkerrechtswidrigen Einsatz zurückziehen müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Sie wollen uns erneut weismachen, dass alles völkerrechtlich in Ordnung ist, und verweisen dann auf das Selbstverteidigungsrecht in Art. 51 der UN-Charta.

Das mag ja unmittelbar nach den Anschlägen am 11. September zugetroffen haben. Aber ein Krieg von sieben Jahren gegen einen Feind, der kein Staat und keine Regierung ist, sondern der sich über ein Netzwerk von über 60 Staaten verteilt, hat mit dem Selbstverteidigungsrecht nach der UN-Charta nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie noch daran festhalten? Glauben Sie, dass Sie das, was Sie in sieben Jahren nicht geschafft haben, nämlich al-Qaida militärisch zu besiegen, im nächsten Jahr schaffen werden? Ich sage Ihnen: niemals.

Sie benutzen OEF als Generalermächtigung für militärische Abenteuer, die nun ihren Schwerpunkt auf See haben sollten. Sie verweisen auf die unsichere Situation am Horn von Afrika und die Gefahren für Handelswege, auf denen Gas, Öl und andere lebenswichtige Rohstoffe zu uns kommen. Natürlich ist sind diese Handelswege für die Industrieländer von eminenter Bedeutung. Aber die Frage ist: Rechtfertigt das eine Antiterrormission wie die OEF?

Die Bundeswehr - Herr Jung, wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie das zugeben - dümpelt seit Jahren im Rahmen von OEF dort herum. Sie hat bisher noch keinen einzigen Terroristen aufgespürt. Konsequenterweise müsste sich die Bundeswehr von dort endlich zurückziehen. Stattdessen instrumentalisieren Sie das Piraterieproblem, um weiterhin am Horn von Afrika militärisch präsent zu sein. Dabei verfolgen Sie eine ganz gefährliche militärische Doppelstrategie: zum einen Maßnahmen gegen die Piraten im Rahmen der EU - es gibt dazu Vorbereitungen - und zum anderen Maßnahmen gegen Terroristen im Rahmen der OEF. Ich sage Ihnen aber: Wie bei ISAF und OEF wird auch hier wieder eine Vermischung stattfinden. Herr Stinner, ich gebe Ihnen in diesem Punkt vollkommen recht; ich brauche Ihre Äußerung dazu nicht zu wiederholen. Denn wer kann schon im Ernstfall Piraten von Terroristen unterscheiden? Wir sind gegen eine solche Mission. Sie lösen damit weder das Problem des Terrorismus noch das Problem der Piraterie. Sie schicken vielmehr die Soldaten immer wieder an neue Kriegsschauplätze. Dagegen sind wir.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Die Sicherheit am Horn von Afrika und die Bekämpfung von Piraten und Terroristen sind nur mit einer Stabilisierung der staatlichen Ordnung und mit Bekämpfung der Armut zu erreichen. Das ist nur mit politischen Mitteln und mit ökonomischer Unterstützung möglich, niemals militärisch. Dabei ist es gleichgültig, ob die Truppen aus der Afrikanischen Union, der EU, der UNO oder der NATO kommen. Selbst die Briten - das kann man nachlesen - haben jüngst den militärischen Ansatz und die Militarisierung des Antiterrorkampfes durch die USA als vollkommen falsches Konzept kritisiert.

Sie machen uns immer den Vorwurf, dass wir zwar gegen den Einsatz des Militärs seien, aber keine Alternativen hätten. Diese liegen aber auf der Hand. Schauen Sie sich einmal die umfassenden Aktivitäten der UNO an, die sie nach dem 11. September gegen den internationalen Terrorismus unternommen hat. Es gibt zahlreiche Resolutionen und insgesamt zwölf Antiterrorkonventionen, in denen die Staaten zu ganz konkreten Maßnahmen aufgerufen werden. An keiner Stelle ist vom Einsatz des Militärs die Rede. Gestehen Sie sich endlich ein, dass die Kriege im Irak und in Afghanistan für das Erstarken des internationalen Terrorismus ganz wesentlich verantwortlich sind.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Um die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen, um gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, die den Menschen ein Leben ohne Armut und Gewalt, einen Weg aus Krieg und Perspektivlosigkeit bieten, was der Nährboden des Terrorismus ist, braucht es ziviler Instrumente und nicht des Militärs. Die Bundeswehr ist dafür ganz und gar ungeeignet. Deswegen fordern wir Sie auf: Beenden Sie die deutsche Beteiligung an OEF! Wir werden diesem Mandat nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Winfried Nachtwei, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum siebten Mal haben wir im Bundestag über die Verlängerung der deutschen Beteiligung an der Operation Enduring Freedom zu diskutieren und zu entscheiden.

Ich erinnere mich noch sehr genau: Im November 2001 war diese Entscheidung in den beiden Koalitionsfraktionen der SPD und der Grünen äußerst umstritten. Man kann sagen, dass sich in den Jahren danach die Befürchtungen, die wir damals im November hatten, nicht bestätigt haben. Im Gegenteil: Die Dinge sind in Afghanistan zunächst viel besser gelaufen. Bis 2005 - da waren wir wieder in der Opposition - waren wir nach Abwägung verschiedener Aspekte der Meinung, dass Enduring Freedom weiterhin notwendig sei, um die zu diesem Zeitpunkt schwache ISAF in Afghanistan stärken zu können. Das war damals die Haltung.

Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Der internationale Terrorismus stellt weiterhin eine Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens dar und muss weiterhin bekämpft werden.

(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU])

Überwiegender Konsens ist sicher auch, dass er auf der einen Seite nicht primär militärisch bekämpft werden kann, dass dabei auf der anderen Seite aber auch der Einsatz militärischer Mittel notwendig sein kann.

Allerdings reicht es bei Mandatsentscheidungen ganz und gar nicht, nur zu diesen Grundsätzen etwas zu sagen. Entscheidungen über solche Mandate und solche Einsätze sind ja schließlich keine Bekenntnisfragen. Vielmehr muss konkret beantwortet werden, ob dieser Einsatz weiterhin zur Gewalt- und Terroreindämmung sicherheitspolitisch dringlich ist, ob er weiterhin legitim und legal ist und ob er überhaupt geeignet, wirksam und verantwortbar ist.

Dass die Bundesregierung nun für Afghanistan die Landkomponente im Rahmen des Kommandos Spezialkräfte abgemeldet hat, ist ein richtiger Schritt. Allerdings muss man nüchternerweise hinzufügen: Dies ist seit einigen Jahren überfällig. Im Untersuchungsausschuss, der aus dem Verteidigungsausschuss hervorging, haben wir herausfinden müssen, dass das KSK im Rahmen von Enduring Freedom in Afghanistan seit 2002 militärisch gar nicht mehr gebraucht wurde. Danach ist es dort nur aus symbolpolitischen Gründen gehalten worden, im Grunde als Solidaritätsbeweis gegenüber den USA. Gerade als Verteidigungspolitiker möchte ich feststellen: Es ist vor allem gegenüber den Soldaten falsch und verantwortungslos, sie aus symbolpolitischen Gründen einzusetzen und zu missbrauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt im Klartext, Herr Minister Jung und Herr Minister Steinmeier: Da dieser Teileinsatz jetzt zu Ende ist, muss auch endlich ein Abschlussbericht vorgelegt werden. Das ist bisher nicht geschehen. Bisher hat dazu der Verteidigungsausschuss den bei weitem besten Bericht vorgelegt.

Zur anderen Komponente, zum Horn von Afrika.

Seit Jahren stellen wir fest, dass der reale Einsatz mit dem Auftrag, terroristische Kräfte an ihren Bewegungsmöglichkeiten zu hindern, nichts mehr zu tun hat. Wenn man die Admirale fragt, was sie erkunden, dann erhält man die Antwort, dass sie alles mögliche andere erkunden, aber nicht terroristische Bewegungen. Deshalb ist das Mandat in diesem Bereich schlichtweg nicht ehrlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt andere Sicherheitsrisiken, die man klar mit einem UN-Mandat angehen muss.

Die Mandatsentscheidung, die ansteht, ist nicht nur eine Entscheidung darüber, was die Bundesrepublik dabei macht, sondern sie ist schlichtweg auch eine politische Stellungnahme zu Enduring Freedom überhaupt. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die UN-Sicherheitsratsresolution vom 12. September 2001 der völkerrechtliche Ausgangspunkt ist, in der das Recht auf Selbstverteidigung betont wurde. Das wurde damals vom größten Teil des Parlaments mitgetragen. Allerdings beziehen Sie sich sieben Jahre danach weiterhin ganz allgemein auf das Selbstverteidigungsrecht. Dünner könnte die rechtliche Grundlage nicht sein; sie ist nach unserer Auffassung eindeutig fragwürdig und nicht mehr zu halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Sie ist sogar falsch!)

Man muss dabei immer die Konsequenzen bedenken: Es läuft auf eine völlige Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs und de facto auf eine Enthemmung hinaus. Im Klartext: Operation Enduring Freedom setzt sich in der Realität immer wieder über den völkerrechtlichen Grundsatz territorialer Integrität hinweg. Das, was Enduring- Freedom-Kräfte in Pakistan inzwischen fast jeden Tag machen, nämlich Verdächtige abschießen, liegt in der Logik von Enduring Freedom; da soll man gar nicht so überrascht sein. Das aber ist eindeutig verwerflich und völkerrechtswidrig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie sieht heute die Realität von Enduring Freedom aus? Was sind die Wirkungen? Kollege Stinner, ich möchte einen Punkt schnell beiseiteräumen: Sie haben wieder das Bild vom vorigen Jahr gebracht, das Bild von der angeblich bösen OEF und der guten ISAF. Heutzutage kann man feststellen, dass die Ausbildungskomponente bei Enduring Freedom in Afghanistan nicht mehr enthalten ist. Das heißt, in Afghanistan ist Enduring Freedom wieder auf den ursprünglichen Auftrag der militärischen Terrorbekämpfung reduziert worden. Seit Jahren frage ich die Bundesregierung, wie wirksam diese Operation insgesamt ist. Ich erhalte dazu notorisch null Aussagen.

Die Bundesregierung ist aber nicht die einzige Auskunftsquelle; wir bemühen uns selber um entsprechende Hinweise. Was besagen die hierbei gewonnenen Erkenntnisse?

Erstens. Zur Zielgruppe von Enduring Freedom in Afghanistan gehören nicht nur al-Qaida als Drahtzieher und Unterstützer, sondern ziemlich unterschiedslos alle Aufständischen. Der Effekt davon ist eine Solidarisierung: Es werden diejenigen zusammengebracht, die man bei einer vernünftigen Antiterrorpolitik eigentlich auseinanderbringen müsste.

Zweitens. Entsprechende Personen werden auf Verdacht liquidiert. Noch vor kurzem habe ich im ISAF-Headquarter gehört, dass der Unterschied zwischen ISAF und OEF wesentlich ist; OEF tötet auf groben Verdacht.

Drittens. Bei OEF-Einsätzen sind überproportional oft Zivilopfer zu beklagen. Zudem kommen OEF-Operationen immer wieder ISAF-Operationen in die Quere; das habe ich kürzlich von Kommandeuren in Uruzgan, Südafghanistan, gehört.

Was die Wirksamkeit angeht, fasse ich zusammen:

OEF soll zur Eindämmung von Terrorismus beitragen. Alle Hinweise, die wir haben, deuten auf das Gegenteil hin, nämlich darauf, dass islamistische Militanz, Gewalt und Terror dadurch angefacht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Norman Paech [DIE LINKE])

OEF steht - das sollte man nicht außer Acht lassen - für den Global War on Terrorism, für den Irrglauben, nicht nur mit Militär, sondern ausdrücklich mit Krieg Terrorismus besiegen zu können. Aufschlussreich sind jüngste Veröffentlichungen aus den USA, insbesondere eine RAND-Studie mit dem Titel "How terrorist groups end - lessons for countering Al Qa'ida". Das Ergebnis ist äußerst interessant. Es wurden zwischen 1968 und 2006 über 600 Terrorgruppen untersucht. Die allermeisten davon wurden aufgelöst, weil sie in den politischen Prozess einbezogen wurden. Das zweitbeste Mittel zur Auflösung waren polizeiliche und geheimdienstliche Maßnahmen. Am allerwenigsten haben militärische Maßnahmen gewirkt. Die Schlussfolgerung dieser Studie ist - gerichtet an die alte und an die neue Regierung -: Hört auf mit dem War on Terrorism! - Die Alternativen liegen eindeutig auf der Hand.

Ich komme zum Schluss. Ich habe alle Mandatsentscheidungen, die im Bundestag seit 1994 getroffen wurden, mitbekommen. Als alter Oppositioneller war ich immer wieder überrascht, wie sorgfältig diese Diskussionen geführt wurden. Allerdings muss ich sagen: Die Diskussionen der letzten Jahre über Enduring Freedom waren Tiefpunkte der parlamentarischen Beratungen und in Sachen Parlamentsbeteiligung. Herr Minister Steinmeier, ich habe heute von Staatsminister Erler Antworten auf von mir gestellte Fragen zur Wirksamkeit von Enduring Freedom usw. erhalten. Ich kann sie Ihnen gleich einmal geben. Diese Antworten sind eine Frechheit. Ich glaube, Sie werden sich für diese Antworten schämen. So geht das nicht weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Heute findet die Wahl eines neuen US-Präsidenten statt, die wir wohl alle mit großen Hoffnungen begleiten. Der Deutsche Bundestag steht gegenüber der US-Administration meiner Meinung nach in der Pflicht, ein klares und aktives Zeichen gegen den "Krieg gegen den Terror", für einen kooperativen Multilateralismus, für die Rückkehr zum Völkerrecht und zur Achtung der Menschenrechte zu setzen, und zwar auch bei der Bekämpfung des Terrorismus.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Niels Annen, SPD-Fraktion.

Niels Annen (SPD):

Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Winni Nachtwei hat eben gesagt, dass der Ursprung des Mandats für den Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen von OEF - das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir über dieses Mandat beraten - die Anschläge vom 11. September sind. Vielleicht ist es in der Tat bezeichnend, dass wir heute hier darüber debattieren, während in den USA ein neuer Präsident gewählt wird. Der amtierende US-Präsident ist mit dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus verbunden und wird damit verbunden bleiben. Ich glaube, es ist nicht besonders mutig, wenn man voraussagt, dass er nicht aufgrund weiser Entscheidungen im Kampf gegen den Terror in Erinnerung bleiben wird.

So deutlich ich sage, dass es richtig gewesen ist, dass dieses Haus damals zugestimmt hat, so klar muss man auch sagen, dass sich das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Missionen nicht ausgezahlt hat. Die Vereinten Nationen haben, nachdem der eigentliche Auftrag in Afghanistan relativ schnell erfüllt war - Zerschlagung der al-Qaida-Camps und Absetzung der Taliban-Regie rung -, eine Grundlage für die Wiederaufbauarbeit geschaffen, die wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten, den Entwicklungshelfern und den anderen nach Afghanistan entsandten Menschen, mit allen, die dort arbeiten, leisten. Wir mussten feststellen - darüber haben wir im Deutschen Bundestag häufig diskutiert -, dass das Nebeneinander von OEF und ISAF letztlich dazu geführt hat, dass die Legitimität unserer gemeinsamen internationalen Anstrengungen in den letzten Jahren Stück für Stück dadurch untergraben worden ist, dass es immer wieder, auch in den letzten Tagen und Wochen, zu unabgestimmten, unverhältnismäßigen und unkoordinierten Aktivitäten kam, und zwar in der Regel bei Beteiligung - das muss ich leider sagen - der amerikanischen Soldaten unter dem Mandat von Enduring Freedom.

Vor wenigen Wochen wurde uns eine Studie von Human Rights Watch vorgelegt, die eindrucksvoll für die einzelnen Provinzen darlegt, dass der Strategiewechsel, den wir in diesem Haus immer wieder eingefordert haben, der allerdings schwer zu erklären ist, insofern erfolgreich war, als es so gut wie keine Todesopfer bei geplanten Luftoperationen der ISAF-Truppen gegeben hat. Wir müssen allerdings feststellen, dass es bei Luftunterstützungsoperationen zunehmend, auch in den letzten Tagen, zu zivilen Opfern gekommen ist, wenn amerikanische Streitkräfte in sogenannte Antiterroroperationen verwickelt waren.

An dieser Stelle möchte ich eines deutlich sagen: Wir haben häufig gehört, dass all das völkerrechtswidrig sei und unsere ganze Diskussion nur für die Galerie stattfinde. Auch der Kollege Paech von der Linksfraktion hat darauf hingewiesen. Er hat gesagt, die Regierung und die Regierungsparteien müssten endlich begreifen, dass dieses Problem nicht mit militärischen Mitteln zu lösen ist. Ich sage Ihnen: Das ist die tägliche Praxis dieser Koalition und dieser Regierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich empfehle Ihnen, Herr Paech, sich einmal den Antrag anzusehen. Ich kann Ihnen gerne daraus vorlesen; ich habe ihn mitgebracht. Die Bundesregierung schreibt: Der Kampf gegen den Terrorismus ist in erster Linie keine militärische, sondern eine umfassende politische Aufgabe. - Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Dass die Diskussion in diesem Hause, aber auch in der Zivilgesellschaft und die Arbeit der vielen Nichtregierungsorganisationen, die sich vor Ort, aber auch in Deutschland mit der Lage in Afghanistan und mit dem Stand des Antiterrorkampfes auseinandersetzen, hier ernst genommen werden und dass wir Konsequenzen auch aus dem Nebeneinanderher und dem Mangel an strategischer Abstimmung im Bündnis gezogen haben, zeigt die Vorlage, über die der Deutsche Bundestag in dieser Beratung zu entscheiden hat.

Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, zu sagen: Wir ziehen die 100 KSK-Kräfte aus dem OEF-Mandat zurück. Das ist, wenn ich das einmal sagen darf, keine virtuelle Entscheidung. Diese Entscheidung hat einen politischen Wert und wird von unseren Verbündeten verstanden; denn wir sind nicht die Einzigen, die sich über diese Mängel im Alltag bei der Arbeit in Afghanistan im Rahmen dieser Operation beklagen. Kollege Nachtwei hat darauf hingewiesen. Wir waren gemeinsam in Uruzgan und haben uns beispielsweise mit unseren niederländischen Kollegen unterhalten. Sie führen dort dieselbe Debatte. Deswegen bitte ich darum, dass wir auf Folgendes hinweisen: Wir machen hier keine innenpolitischen Spielchen. Wir machen auch keine Geschäfte - das haben Sie angedeutet, Herr Paech -, um die Zustimmung zu erleichtern. Wir arbeiten hier seit Jahren und suchen nach Wegen, in der richtigen Art und Weise mit dieser Verantwortung umzugehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Beteiligung an einer internationalen Koalition ist nichts, aus dem man eben einmal aussteigt wie bei einer Aktie, die im Wert abstürzt. Das hat mit Abstimmungsprozessen und Diskussionsprozessen zu tun. Das kann man nicht von heute auf morgen entscheiden. Deswegen will ich ganz klar sagen: Die völkerrechtliche Grundlage steht nicht infrage. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - auf den berufen Sie sich ja immer, Herr Paech - hat das am 12. September 2001 festgestellt; er hat den Angriff auf die Vereinigten Staaten mit einem Angriffskrieg gleichgesetzt. Das ist die Lage, in der wir uns befinden.

Etwas ganz anderes ist die Frage, ob wir es uns als internationale Staatengemeinschaft dauerhaft erlauben wollen, uns auf dieser Rechtsgrundlage zu bewegen. Es gibt Diskussionen - auch in unserer Fraktion und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - über die Frage, ob wir die Bekämpfung der Piraterie, die hier schon angesprochen worden ist, möglicherweise als Anlass nutzen sollten, um miteinander eine klarere politische Grundlage zu finden. Aber lassen Sie uns hier keine haarspalterischen Diskussionen führen. Auch in der erneuten UN-Resolution wird die Operation Enduring Freedom erwähnt. Deswegen sollten wir uns hier nicht auf Nebenkriegsschauplätze konzentrieren, sondern wir sollten die politische Diskussion führen. Wir stehen zu unserer Verantwortung und erkennen die Bedrohung, die hier genannt worden ist und auch am Horn von Afrika sichtbar wird.

Ich plädiere dafür, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, dieses Zeichen auch an diejenigen zu senden, die nicht nur darüber diskutieren, sondern auch unter Einsatz ihres Lebens dafür einzustehen haben. Das sind unsere Soldatinnen und Soldaten. Ich bitte um Zustimmung. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Norman Paech.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Lieber Kollege Annen, ich kann durchaus lesen. Ich lese zum Beispiel immer wieder, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht militärisch zu gewinnen ist. Das sagen die US-Amerikaner sowieso; das sagen die Generäle immer wieder. Eines aber müssen wir sehen: Wir führen hier zum wiederholten Mal eine Debatte, in der es ausschließlich um die Verteilung von Geldern für militärische Maßnahmen geht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Haben wir jemals eine Diskussion von der gleichen Güte und Länge geführt, in der es um die Finanzierung ökonomischer und ziviler Instrumente zur Bekämpfung des Terrorismus ging? So eine Diskussion haben wir bisher nicht geführt. Wenn wir sie führen werden, dann werden wir auch anders zu dem Thema reden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Kollege Annen, bitte.

Niels Annen (SPD):

Herr Kollege Paech, es freut mich natürlich sehr, dass Sie des Lesens mächtig sind. Ich möchte Ihnen deswegen die Lektüre des Protokolls der Plenarsitzung, in der es um die Ergebnisse der Paris-Konferenz ging, empfehlen. Darüber haben wir hier in diesem Hause diskutiert. Ich würde Sie gerne daran erinnern, dass die Bundesregierung die finanziellen Aufwendungen für den Wiederaufbau in Afghanistan verdoppelt hat; da kann ich auch aus der Rede, die Sie gerade vorgetragen haben, zitieren. Wir haben Konsequenzen gezogen, auch aus den Diskussionen im Deutschen Bundestag und in der interessierten Öffentlichkeit, in denen man sich mit der Frage auseinandergesetzt hat: Ist die Beteiligung von über 100 KSK-Kräften am OEF-Mandat eigentlich ein Weg, der in die richtige Richtung geht? Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, haben Sie selbst, als Sie vor wenigen Minuten an diesem Pult standen, diese Entscheidung gelobt. - Das sollten Sie sich noch einmal durchlesen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind auf einem guten Weg. Wir führen hier keine Debatten für die Galerie.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Thomas Silberhorn, CDU/ CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schon bei der Verlängerung des ISAF-Mandates wird auch in Bezug auf das OEF-Mandat hin und wieder gemutmaßt, wir würden die Mandatsdauer deshalb auf 13 Monate festlegen, um eine öffentliche Debatte darüber aus dem nächsten Bundestagswahlkampf herauszuhalten.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? Das kann ja gar nicht sein! Das ist doch völlig undenkbar!)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem ausdrücklich entgegenzutreten. Niemand gibt sich der Illusion hin, man könne eine Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr aus der Öffentlichkeit heraushalten.

(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])

Wir wissen, dass im nächsten Jahr in Afghanistan Präsidentschaftswahlen stattfinden. Bei jedem Anschlag, was Gott verhüten möge, ist eine breite öffentliche Debatte zu erwarten. Es wäre geradezu naiv, anzunehmen, man könne eine solche Diskussion verhindern. Wir sollten sie vielmehr offensiv führen.

Wir müssen bei der Verlängerung dieses Mandats aber auch deutlich machen, dass wir aus Respekt vor dem nächsten Deutschen Bundestag

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig! Ganz genau!)

den Kolleginnen und Kollegen, die am 27. September nächsten Jahres gewählt werden, die Gelegenheit geben müssen, darüber zu entscheiden, ob das Mandat, das wir heute verlängern, im nächsten Jahr nochmals verlängert werden sollte. Es wäre für den nächsten Deutschen Bundestag eine Zumutung, wenn dieses Haus nach der nächsten Bundestagswahl, aber vor der Konstituierung des dann bereits gewählten Bundestages noch einmal eine Mandatsverlängerung beschließen würde. Es gehört zur Selbstbescheidung der Mandatsträger, die auf Zeit gewählt sind, diese Aufgabe dem nächsten neu zu wählenden Bundestag zu überlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die Reduzierung im Hinblick auf den Bundeswehreinsatz im Rahmen von OEF, sowohl was den Personalumfang als auch was das Einsatzgebiet angeht, ist im Ergebnis eine Anpassung an die Einsatzrealität, die nicht mit operativen Einschränkungen verbunden ist. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass das OEF-Mandat teilweise dadurch ersetzt worden ist, dass durch das ISAF-Mandat die Sicherheit in ganz Afghanistan gewährleistet werden soll. Wir haben das ISAF-Mandat erweitert und das Kontingent um 1 000 Soldaten aufgestockt.

Ich füge aber hinzu: Wir können uns der Gesamtverantwortung für Afghanistan, die wir im Rahmen des ISAF-Mandats wahrnehmen, nicht dadurch entziehen, dass wir uns aus dem OEF-Mandat in Bezug auf Afghanistan zurücknehmen; denn die Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz sind, werden als Bestandteil der internationalen Gemeinschaft wahrgenommen. In der Bevölkerung Afghanistans fragt niemand danach, ob ein Soldat unter dem OEF-Mandat oder dem ISAF-Mandat handelt. Deswegen ist es notwendig, dass wir deutlich machen: Deutschland trägt weiterhin einen Teil der Gesamtverantwortung der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan, auch wenn wir mit den 100 Spezialkräften nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandates in Afghanistan im Einsatz sein werden. Wie schon angeklungen ist, können sie im Rahmen des ISAF-Mandates auch weiterhin zum Einsatz kommen.

Ich halte es für wichtig, dass wir zum Ausdruck bringen: Auch wenn keine deutschen Soldaten mehr im Rahmen des OEF-Mandates in Afghanistan eingesetzt werden, müssen wir uns dennoch weiterhin um eine gemeinsame Zielsetzung der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf Afghanistan, aber auch um eine abgestimmte und gemeinsame Durchführung militärischer Aktionen bemühen. Das betrifft auch die Herangehensweise, die hier von manchen meiner Vorredner sehr kritisch beleuchtet worden ist.

Ich stimme dem ehemaligen US-Botschafter John Kornblum zu, der heute in der Frankfurter Rundschau erklärt hat - ich zitiere -:

Verantwortung übernehmen heißt aber auch: Ein Ziel zu definieren und es mit unterschiedlichen, abgestimmten Mitteln zu verfolgen.

Vernetzte Sicherheit aus zivilen und militärischen Mitteln - das ist genau der Ansatz, den wir in der NATO mit Erfolg propagiert haben, den wir aber auch in der Einsatzrealität einlösen müssen.

Ich stelle mir allerdings schon Fragen, wenn ich gleichzeitig lese, was der Präsidentschaftskandidat Barack Obama am vergangenen Sonntag in der Welt am Sonntag in einem Interview erklärt hat. Ich zitiere auch hier:

Meine generelle Haltung ist, dass wir al-Qaida auslöschen, Bin Laden festnehmen und töten müssen, ...

Wenige Sätze weiter führt er aus - ich zitiere wieder -:

Wir werden ihn töten oder festnehmen,

- gemeint ist Bin Laden - ihn anklagen, zum Tode verurteilen.

Für den Fall, dass dieser Präsidentschaftskandidat der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden sollte, bitte ich Sie, Herr Bundesaußenminister, uns eine Erläuterung dieser Aussagen des möglicherweise künftigen Präsidenten zu geben und uns zu erklären,

(Zurufe von der SPD) in welchem Umfang Sie eine deutsche Beteiligung am Einsatz in Afghanistan mit dieser Zielsetzung weiterhin für möglich und überhaupt für zulässig erachten.

Meine Damen und Herren, das Ziel unseres Einsatzes ist nicht Rache, sondern die Stabilisierung Afghanistans im Interesse der internationalen Sicherheit vor terroristischen Bedrohungen, im Interesse der Sicherheit Afghanistans vor Aufständen und Terroranschlägen und nicht zuletzt auch im Interesse der eigenen Sicherheit. Wir wollen den Bedrohungen dort begegnen, wo sie entstehen, und nicht warten, bis sie bei uns sind.

Ich stimme allen Vorrednern zu, die hier erklärt haben, dass wir eigenständige staatliche Strukturen aufbauen müssen. Wir tun das in Afghanistan und mit zunehmendem Einsatz auch in Pakistan. Gerade zu diesem Zweck haben wir das zivile Engagement in Afghanistan und jetzt auch in Pakistan deutlich ausgeweitet. Ich glaube, das ist die beste Voraussetzung dafür, dass uns ein Übergang von der militärischen Stabilisierung hin zu zivilem Wiederaufbau gelingen kann. Der Militäreinsatz ist also kein Abenteuer, sondern notwendig, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass der zivile Wiederaufbau gelingen kann. Durch das OEF-Mandat soll sichergestellt werden, dass das Einrichten von Rückzugsund Aktionsräumen für Terroristen auf den Seewegen erschwert wird und dass auch die für den Welthandel strategisch wichtigen Seepassagen am Horn von Afrika gesichert werden.

Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten, die sich an dieser Aufgabe bisher mit Erfolg beteiligt haben. Wir wollen sie weiter darin unterstützen und mit der Zustimmung für dieses OEF-Mandat die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Bundeswehr weiterhin am Horn von Afrika und im Mittelmeer erfolgreich im Einsatz sein kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es hier darum geht, deutsche Soldatinnen und Soldaten ins Ausland zu schicken, dann brauchen wir eine größtmögliche Klarheit und Wahrhaftigkeit. Das ist bei dem vorliegenden OEF-Mandat aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Es handelt sich im Grunde genommen um zwei Lügen. Die Unwahrheit Nummer eins ist, dass es bei dem Einsatz am Horn von Afrika darum gehe - 2002 wie auch heute -, Terroristen zu bekämpfen. Die Unwahrheit Nummer zwei ist, dass die Bundesrepublik mit dem Verzicht darauf, die Spezialkräfte der Bundeswehr, KSK, unter dem OEF-Mandat einzusetzen, nichts mehr mit dem Antiterrorkrieg in Afghanistan zu tun habe.

Ich bleibe bei Afghanistan. Es ist klar und folgerichtig, das KSK nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandats einzusetzen. Unter ISAF wird es aber schon noch eingesetzt. Der entscheidende Punkt ist aber der: Sie weichen dem grundsätzlichen Streit über OEF und über die Wirkung von OEF aus. Damit billigen Sie diesen Einsatz im Grundsatz.

Hier hieß es, es sei doch alles halb so schlimm, OEF bedeute doch im Wesentlichen Ausbildung für die afghanische Armee. Das wird jetzt ISAF zugeschlagen. Was verbleibt bei OEF? Die Frage, wozu OEF in Afghanistan überhaupt nötig ist, müssen Sie hier beantworten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Die Auskunft der NATO-Militärs ist eindeutig. Sie sagen, dass die bösen Buben - the bad guys - aus dem Spiel genommen werden müssen. Dafür brauche man eben besondere Regeln, genauer gesagt, möglichst wenig Regeln. OEF-Angehörige dürfen auch ohne begründeten Verdacht festnehmen. Sie müssen sich nicht unbedingt an Landesgrenzen halten, und sie können - auch das ist hier schon gesagt worden - auf Verdacht töten. Das macht den Unterschied aus.

Der springende Punkt ist: Die alte Arbeitsteilung bleibt bestehen. Bei OEF geht es um den schmutzigeren Teil der Kriegsführung, aber dies ebenfalls im Zusammenwirken mit ISAF. Auch das lesen wir weder im ISAF-Mandat noch im OEF-Mandat. Es geht dabei nicht um die allgemeine Abstimmung zwischen ISAF und OEF, und es geht dabei auch nicht um die unmittelbare Nothilfe. Es geht durchaus auch um gemeinsame Operationen. Vielleicht fragen Sie die Bundesregierung in den nächsten Tagen einmal danach.

All das steht nicht in den Mandaten. Das nenne ich eine Täuschung des Parlaments.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Was die Armada, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor der somalischen Küste betrifft, so wissen wir aus den Unterrichtungen der Bundesregierung, dass keine Terroristen gefangen genommen wurden. Stattdessen lesen wir dort, dass der Terrorismus seinen Aktionsraum von Algerien über den Maghreb bis in die Sahelzone ausgeweitet hat. Jemen ist weiter Aktions- und Rückzugsraum für islamistische Terroristen. In Somalia galoppiert die Gewalt weiter.

Das ist eine ernüchternde Bilanz. Die Marinesoldaten, die am Horn von Afrika ihren Dienst tun, können am allerwenigsten etwas dafür. Es zeigt sich nur, dass der Militäreinsatz das völlig falsche Mittel ist, um diese Probleme in den Griff zu bekommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Der Aufwand dafür ist beträchtlich. Ich habe es nachgerechnet: Allein der deutsche Kostenanteil am OEF-Einsatz am Horn von Afrika beträgt von 2001 bis 2008 circa 1 Milliarde Euro. Mit diesem Betrag hätte man eine Menge für die Stabilisierung der Region machen können. Das ist der entscheidende Punkt.

(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was ist denn die Alternative?)

Wenigstens in einem Punkt sind Sie ehrlicher geworden. Sie sagen jetzt, beim OEF-Einsatz am Horn von Afrika gehe es auch darum, Handelsschiffe zu begleiten und Marineeinheiten verbündeter Nationen im Einsatzgebiet zu eskortieren. Das erinnert mich fatal an die Eskortierung der US-Truppen beim Aufmarsch in den Irak.

An dieser Stelle und an diesem Tag sei es gesagt: Good bye and see you again in Den Haag, Mr. Bush. Sie sind zumindest in einem Punkt deutlicher: Der Auftrag der Marine in Dschibuti ist die umfassende Kontrolle der Seewege im Interesse mächtiger Industrienationen. Aber im Mandat steht das so nicht.

Es kann auch nicht angehen, dass sich eine Handvoll Staaten selbst den Auftrag gibt, Teile der Weltmeere systematisch zu überwachen und zu kontrollieren. OEF ist und bleibt in diesem Zusammenhang eine Amtsanmaßung außerhalb des Völkerrechts. Deshalb sagt die Fraktion Die Linke dazu entschieden Nein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Hans-Peter Bartels hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Bundesregierung stellt eine gewisse Mandatsbereinigung dar. Das heißt, wir beschließen das, was tatsächlich geplant ist und stattfindet, und wir beschließen unseren Beitrag jetzt exakt für die Region, in der dieser Beitrag tatsächlich gebraucht wird. Das ist gut so. Denn wie beim Bundeshaushalt sollte auch bei den Bundeswehreinsätzen gelten: Wahrheit und Klarheit. Unser Prinzip der Parlamentsarmee bedeutet, dass der Regierung gerade keine Blankoschecks ausgestellt werden. Der Bundestag kann nur dann die Verantwortung für den Einsatz militärischer Gewaltmittel übernehmen, wenn er weiß, was wann wo von wem zu tun ist.

Ich sage ausdrücklich: Das war in der Vergangenheit insbesondere bei der Mission OEF nicht immer so. Der Sachverhalt, dass KSK-Spezialkräfte unter OEF in Afghanistan eingesetzt wurden bzw. nicht eingesetzt wurden, galt als geheim. Ob also Bundeswehrsoldaten in diesem Mandatsrahmen seit 2001 tatsächlich im Einsatz waren, wurde gegenüber dem Parlament - auch gegenüber dem Verteidigungsausschuss - geheim gehalten.

Erst einer wohl unbeabsichtigten Indiskretion des Verteidigungsministers war zu entnehmen, dass seit 2005 unsere Beteiligung an OEF in Afghanistan praktisch erloschen ist. In der Sache ist das absolut in Ordnung. Aber die Geheimniskrämerei darum herum war nicht besonders parlamentsfreundlich.

Es darf nicht - dies sage ich ganz klar - zweierlei Bundeswehren geben: eine normale und eine geheime. Wir müssen wissen, wofür wir als Abgeordnete die Verantwortung übernehmen, wenn wir hier in namentlicher Abstimmung Entsendebeschlüsse fassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Uns interessiert nicht das operative Detail oder die taktische Planung, sondern die Frage, ob überhaupt deutsche OEF-Soldaten ein Jahr lang im Einsatzgebiet eingesetzt werden. Diese Frage kann und darf vor dem Parlament und vor der deutschen Öffentlichkeit nicht unbeantwortet bleiben. Wir haben dazu auch in dem Untersuchungsausschuss -- das wurde bereits angesprochen --, zu dem sich der Verteidigungsausschuss in der Sache Kurnaz erklärt hat, diskutiert und Verabredungen getroffen, die dieses Problem der, ich sage einmal: blinden Flecken im Parlamentsvorbehalt hoffentlich ein für allemal ausräumen.

Wir sind Außenminister Steinmeier und Verteidigungsminister Jung dankbar, dass sie nun die Konsequenz aus der Schwerpunktverlagerung in Afghanistan gezogen haben und zu OEF dort nichts mehr beitragen. ISAF ist inzwischen im ganzen Land präsent. Unser Schwerpunkt liegt auf ISAF, insbesondere auf dem Regionalkommando Nord. Die Doppelstruktur von NATO und US-geführter Antiterroroperation OEF ist historisch gewachsen. Aber sie ist mehr und mehr ein Hindernis für eine einheitliche Sicherheitsstrategie der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. Das wird mittlerweile auch auf amerikanischer Seite gesehen. Egal wie die Präsidentenwahl heute Nacht ausgeht, es wird Anstrengungen zu mehr Kohärenz geben müssen. Auch der neue CENTCOM-Befehlshaber Petraeus hat sich schon in diese Richtung geäußert.

Meine Damen und Herren, die Fortsetzung unserer Beteiligung an der Seeraumüberwachung am Horn von Afrika sollte unstrittig sein. Die deutsche Marine mit ihren Fregatten, Versorgern, Hubschraubern und Aufklärungsflugzeugen leistet hier einen kontinuierlichen, guten, hoch anerkannten Beitrag fern der Heimat. Wären die Verbündeten nicht da, wären die Verbindungswege der Terroristen schnell wiederhergestellt. Deshalb sind wir da.

Daneben wird wohl noch in diesem Jahr eine ESVPMission zur Pirateriebekämpfung vor der somalischen Küste starten. Daran sollten wir uns ebenfalls beteiligen. Die Zahl der Piraterieattacken hat in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommen. Das Schifffahrtsbüro der Internationalen Handelskammern in Kuala Lumpur teilt mit, dass es seit Anfang dieses Jahres 200 Pirateriefälle weltweit gegeben hat, davon ein Drittel im Seeraum vor Somalia. Über 500 Seeleute sind dort als Geiseln genommen worden. Auch Schiffe deutscher Reedereien sind immer wieder betroffen. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Das sollten wir wirksam unterbinden können. Dies mit einem eigenen Bundestagsbeschluss zu tun, entspricht den Grundsätzen von Mandatswahrheit und Mandatsklarheit.

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht doch gar nicht drin!)

Gut, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken, die es bei den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses wohl gab, mittlerweile ausgeräumt sind! Wir sind uns in der Koalition einig, wenn ich das richtig sehe.

Ob man auf Dauer immer eine deutsche Doppelpräsenz am Horn von Afrika braucht - eine Fregatte für OEF und eine Fregatte für die Antipiraterie -, wird die Zukunft zeigen. Man könnte sich auch vorstellen, dass beide Mandate je nach Bedarf auf die gleichen Mittel zurückgreifen. Ein Schiff kann ja in Sekundenschnelle einem anderen Kommando unterstellt werden. Das wäre eine Frage pragmatischen Ressourcenmanagements, dem der Bundestag gewiss nicht im Wege stehen würde, wenn die Beschlüsse klar sind und kontinuierlich informiert wird.

Ich empfehle das von der Regierung bereinigte OEFMandat der Zustimmung des ganzen Hauses.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt spricht der Kollege Gert Winkelmeier.

Gert Winkelmeier (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich könnte ich heute meine Rede vom vorigen Jahr zum gleichen Anlass halten;

(Ulrike Merten [SPD]: Zu Protokoll! -- Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie stehlen uns die Zeit! Das ist das Wertvollste, was es gibt!)

denn faktisch hat sich nichts geändert, außer dass nun auch offiziell auf den KSK-Einsatz in Afghanistan verzichtet wird. Aber sonst? Wie ein Mantra wiederholen die Juristen der Bundesregierung seit sieben Jahren eine falsche Behauptung, die Behauptung, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 und 1373 die Bundesregierung und die NATO angeblich ermächtigten, bei der Bekämpfung des Terrorismus militärische Gewalt anzuwenden. Das wird auch durch noch so viele Wiederholungen nicht wahrer. Mit einer solchen Begründung würden die Hausjuristen der Bundesregierung mit Pauken und Trompeten durch jede Staatsprüfung fallen.

Sie berufen sich immer wieder darauf, dass in den Präambeln der beiden Resolutionen das Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt wird. An dieser Stelle der Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates hat das dieselbe Relevanz für das Handeln der UNO-Mitglieder, als wenn dort die Formulierung stünde, dass das schöne Wetter begrüßt werden würde. Entscheidend ist einzig und allein, was der Sicherheitsrat in den Beschlussteilen anordnet, und das ist eindeutig und glasklar. Um ein Zitat von Herrn Fischer aus dem Jahre 1994 abzuwandeln: Ich wundere mich nicht zum ersten Mal, wie sich die Mehrheit hier im Parlament seit Jahren an der Nase des Rechtes auf militärische Selbstverteidigung in den globalen Krieg gegen den Terrorismus hineinführen lässt.

Nicht ein einziges Wort ist dort zu finden, das sich auch nur im Entferntesten als Militäreinsatz interpretieren ließe. Dort steht vielmehr die Aufforderung zur Zusammenarbeit, um Verantwortliche und Hintermänner der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Gericht zu bringen und den Terrorismus mit politischen, polizeilichen, gesetzgeberischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Mitteln auszutrocknen.

Auch die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles vom 4. Oktober 2001 führt die Bundesregierung wieder als Rechtsgrundlage für den OEF-Einsatz an. Das war nichts anderes als eine Selbstermächtigung zum Kriegführen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sicherheitsrat bereits die zivilen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus beschlossen. Damit war das Recht auf militärische Selbstverteidigung nach Art. 51 der Charta der UNO für den vorliegenden Fall ein für alle Mal beendet.

Denn es gilt nur - Zitat - "bis der Sicherheitsrat ... die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat". Dies hatte er mit den Resolutionen 1368 und 1373 getan. Ich stelle somit fest, dass sich Bundesregierung und Parlamentsmehrheit nicht an Recht, Grundgesetz und Völkerrecht halten wollen.

Das war vor der sogenannten Normalisierung und der Enttabuisierung des Militärischen in unserem Land einmal anders. Da galt noch - Zitat -:

Wir Deutschen haben angesichts unserer Geschichte im 20. Jahrhundert gute Gründe, mit eigener Beteiligung an militärischen Interventionen zurückhaltend zu sein.

Das Zitat ist von Helmut Schmidt und in der aktuellen Ausgabe der Zeit nachzulesen.

Wer mitten im Glashaus sitzt, der sollte übrigens nicht mit Steinen werfen. Mit welcher moralischen Autorität will der Finanzminister eigentlich die Schweiz in die Nähe von Schurkenstaaten rücken, indem er das Land auf die schwarze Liste der OECD setzen lassen will? Das ist kein Witz. Diese Äußerung ist gemacht worden. Etwa mit der moralischen Autorität der Bundesregierung, die den usbekischen Geheimdienstchef in Deutschland nach dem Motto empfängt "aber er ist unser Schweinehund", Herrn Inojatow, der die Islamische Dschihad-Union erfunden hat, damit der Bundesregierung die Begründungen für den Krieg gegen den Terrorismus nicht abhanden kommen und Herrn Schäuble nicht die Gründe zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Vermengung von innerer und äußerer Sicherheit?

Ich rate Ihnen: Verstecken Sie Ihre machtpolitischen Ambitionen nicht länger hinter der fadenscheinigen Begründung, es gehe bei OEF um Terrorismus; denn dazu müssen Sie ständig das Recht beugen. Das wird Ihnen eines Tages bitter aufstoßen - garantiert.

Der Einsatz der Marine am Horn von Afrika zeigt doch exemplarisch auf, dass es um alles andere als um Terrorbekämpfung geht. Seit Jahren ist Ihnen nicht ein einziger Fang gelungen. Das ist auch verständlich bei der Jagd nach Phantomen. Geben Sie einfach zu, dass es Ihnen um die Sicherung einer der wichtigsten Seestraßen der Welt geht und um nichts anderes. Dann könnten wir hier im Bundestag endlich eine Debatte führen, die schon seit Jahren überfällig ist und auf die unsere Bevölkerung einen Anspruch hat: Welche Rolle soll und darf die Parlamentsarmee Bundeswehr im Rahmen einer an Recht und Verfassung ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik spielen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Henning Otte für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Henning Otte (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erteilung eines Mandates für einen Auslandseinsatz gehört für das Parlament des Deutschen Bundestages nicht zum Alltagsgeschäft, sondern zu den schwersten Entscheidungen. Es ist eine äußerst verantwortungsvolle Entscheidung, deutsche Soldaten in den Einsatz zu entsenden, um gemeinsam auf Basis der einschlägigen Rechtsgrundlagen mit multinationalen Kräften für die Schaffung und Wahrung des Friedens zu agieren. Dieser Einsatz ist weiter notwendig, um der asymmetrischen terroristischen Bedrohungslage entgegenzuwirken und mit der Bekämpfung des Terrorismus die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Daher wird die CDU/CSU-Fraktion der OEF-Mandatsverlängerung zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das zu beschließende Mandat umfasst eine Reduzierung der Einsatzstärke von 1 400 auf 800 Soldaten. Das zeigt, dass wir lageorientiert handeln und das maximale Kontingent entsenden.

Eine Reduzierung im OEF-Mandat und eine kürzlich beschlossene Erhöhung des ISAF-Mandates auf 4 500 Soldaten machen deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Deutschland verzichtet auf einen OEF/ KSK-Einsatz in Afghanistan und verstärkt gleichzeitig, wie beschlossen, unter dem ISAF-Mandat die Anstrengungen zum zivilen Aufbau Afghanistans. Parallel werden über OEF am Horn von Afrika und über Active Endeavour im Mittelmeer der Zugang zu Rückzugs- und Aktionsräumen und die Nutzung potenzieller Verbindungswege zu terroristischen Gruppen verhindert sowie der Schutz wichtiger Seepassagen für den freien Welthandel gewährleistet. Den Terrorismus weltweit zu bekämpfen, den zivilen Aufbau in Afghanistan zu unterstützen, die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen, das ist unsere Aufgabe. Dieser Aufgabe stellen wir uns, zum Wohle und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Antiterrorkampf muss konsequent weitergeführt werden. Die Gefahr muss weiterhin dort bekämpft werden, wo sie entsteht. Ich danke an dieser Stelle unseren Soldatinnen und Soldaten sowie allen zivilen Kräften, die ihren Beitrag dazu leisten. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, gestern ist von Wilhelmshaven aus die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" in Richtung Horn von Afrika ausgelaufen, um demnächst als Führungsschiff der OEF die Spitze der US-geführten internationalen Überwachungsflotte zu stellen. Dies ist auch ein sichtbares Zeichen der transatlantischen Kooperation mit unseren verbündeten amerikanischen Freunden. Am heutigen Wahltag wünsche ich allen US-Bürgerinnen und -Bürgern eine gute Wahl. Wir freuen uns - unabhängig vom Ausgang der Wahl - auf eine gute, auf eine noch bessere Zusammenarbeit.

Aber es ist auch wichtig, dass wir in Europa unsere eigenen Strukturen verbessern. Ich begrüße daher sehr die Ankündigung unseres Bundesministers der Verteidigung, eine Beteiligung der deutschen Marine am ESVPMandat zur Bekämpfung der Piraterie zu überprüfen.

Die derzeitige Lage ist aus meiner Sicht zu verbessern. Im Augenblick eines Überfalls gelten die allgemeinen Grundsätze des Notwehr- und Nothilferechts. Zu diesem Zeitpunkt könnten unsere Soldatinnen und Soldaten noch eingreifen. Sobald der Überfall nicht mehr gegenwärtig ist, wenn zum Beispiel die Piraten mit dem gekaperten Schiff abziehen, ist eine Verfolgung durch deutsche Marineeinheiten aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich. Ich glaube, wir sind uns weitestgehend einig, dass hier reagiert werden muss. Wir müssen über eine Anpassung des Grundgesetzes nachdenken, die es unserer Marine ermöglicht, mit eigenen Kräften gegen Piraten vorzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unseren Soldatinnen und Soldaten ist genauso wie allen Bundesbediensteten im Auslandseinsatz ein angemessener Rechtsschutz zu gewährleisten. Bei meinem letzten Besuch in Afghanistan ist hier konkret Regelungsbedarf aufgetreten. Werden Soldaten wegen einer dienstlichen Tätigkeit im Ausland einer Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit beschuldigt, trägt der Dienstherr nunmehr alle Kosten der Rechtsverteidigung, sofern abschließend kein vorsätzliches Vergehen festgestellt wird. Die jetzige Regelung schafft Rechtssicherheit und ist ein wesentlicher Beitrag zum Rechtsfrieden unter den Soldaten. Auch hier danke ich unserem Verteidigungsminister dafür, dass er diese Rechtsschutzlücke so schnell geschlossen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Neben der erfolgten Verbesserung des Rechtsschutzes halte ich es für notwendig, auch bei den seit 1995 unveränderten Auslandsverwendungszuschlägen eine Verbesserung zu erzielen. Die Auslandseinsätze unserer Soldaten erfolgen nicht allein wegen eines Auslandsverwendungszuschlages, sondern aus Überzeugung im Einsatz für unsere Bundesrepublik. Die finanzielle Anerkennung dieser auch lebensgefährlichen Einsätze darf aber nicht unterschätzt werden. Sie muss deshalb nicht nur der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch der Gefahrenlage angepasst werden.

Ich habe daher gefordert, dass die Zahlungen, orientiert am Gefährdungsgrad, angepasst werden. Ich freue mich, dass das Verteidigungsministerium hierzu einen Vorschlag unterbreitet hat. Konkret geht es in Anbetracht der gestiegenen Gefahr für Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten zum Beispiel in der höchsten Gefahrenstufe um eine Anhebung von derzeit 92,03 Euro auf 110 Euro. Es wäre ein richtiges Signal, wenn das Finanzministerium diese notwendige und angemessene Erhöhung in der aktuellen Haushaltsplanung berücksichtigen würde.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, am 24. Oktober fand in Zweibrücken die Trauerfeier für zwei gefallene Soldaten statt. Die Teilnahme an der Feier hat mir einmal mehr verdeutlicht, welche Gefahren und Risiken die Auslandsmandate beinhalten und wie wichtig es ist, den Sinn dieser Einsätze zu verdeutlichen. Unsere Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen.

Ich bin mir sicher, dass wir alles unternehmen, um für unsere Soldaten im Einsatz den größtmöglichen Schutz zu gewährleisten. Eine absolute Sicherheit jedoch kann gerade in einer asymmetrischen Bedrohungslage niemand garantieren. Für uns ergibt sich daraus die Verpflichtung, unseren Kräften die größtmögliche Unterstützung zu bieten und klar zum Ausdruck zu bringen, dass der Deutsche Bundestag hinter der verdienstvollen Arbeit unserer Soldaten sowie der zivilen Kräfte steht. Dass die Fraktion Die Linke oder der fraktionslose Vorredner durch populistische Reden diese schwierige Aufgabe für sich instrumentalisieren möchte, ist verantwortungslos. Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrer Verantwortung für eine friedliche Weltordnung und zu den daraus resultierenden Verpflichtungen. Wir werden der Fortsetzung der deutschen Beteiligung an OEF daher zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Damit schließe ich die Aussprache.
Es ist zwischen den Fraktionen verabredet, die Vorlage auf Drucksache 16/10720 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. (...)

Quelle: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, Deutscher Bundestag -- 16. Wahlperiode -- 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008, S. 19754-19768


Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Terrorismus-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zu anderen Bundestags-Debatten

Zurück zur Homepage