Paech: "Um die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen, braucht es ziviler Instrumente und nicht des Militärs / Steinmeier: "Wir schulden unseren Soldaten unsere volle Unterstützung"
Dokumentation der Bundestagsdebatte (1. Lesung) zur Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes im "Antiterrorkrieg"
Am 4. November 2008 kam der Bundestag zu einer außerordentlichen Sitzung
zusammen, u.a. um über die Verlängerung der deutschen Beteiligung am
internationalen Kampf gegen den Terror im Rahmen der Militäroperation
"Enduring Freedom" zu beraten. Der Bundestag wird am 13. November 2008 in namentlicher Abstimmung über den Antrag befinden.
Wir dokumentieren die Debatte vom 4. November (1. Lesung) im Folgenden an Hand des vorläufigen stenografischen Protokolls.
Das Wort ergriffen (in dieser Reihenfolge):
185. Sitzung, Dienstag, 04.11.2008,14.45 -ca. 18.05 Uhr
Beratung Antrag Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der
Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen
die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen
1368 (2001) und 1373(2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
-
Drs 16/10720 -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
(...) Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst
dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter
Steinmeier, das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nach den Anschlägen vom 11. September 2001
haben alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag gesagt
- wir erinnern uns -: Der Kampf gegen den Terror,
der Kampf gegen al-Qaida wird wohl einen langen
Atem brauchen. Auch wenn es in Europa und den USA
von heute aus gesehen seit mehreren Jahren keinen Anschlag
der al-Qaida mehr gegeben hat und Afghanistan
heute nicht mehr die Brutstätte und das Trainingszentrum
für die al-Qaida-Terroristen ist, bleibt es dennoch
dabei: Die Gefahr ist in der Tat nicht gebannt. Sie hat
sich aber verändert.
Darum müssen wir diese Mandate, durch die der Rahmen
für unser militärisches Engagement in Afghanistan
gegeben wird, auch an veränderte Situationen und neue
Herausforderungen anpassen. Das entspricht dem, was
viele von Ihnen gefordert haben, nämlich kein simples
"Weiter so!". Das gilt auch für das ISAF-Mandat und
auch für das OEF-Mandat, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg.
Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU])
Es hat sich in Afghanistan in der Tat die Erkenntnis
durchgesetzt - das haben wir alle hier in vielen Debatten
miteinander ausgesprochen -, dass der Kampf gegen den
Terror nicht allein mit militärischen Mitteln zu gewinnen
ist und dass wir mehr für den Wiederaufbau von Institutionen
und für den Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur
tun müssen. Darum ist die Zahl der Soldaten für
die ISAF-Mission, die neben der Gewährleistung von
Sicherheit eben auch den zivil-militärischen Aufbau des
Landes sicherstellt, in den letzten Jahren von 10 000 auf
50 000 angewachsen, während sich in der gleichen Zeit
die Zahl der bei OEF eingesetzten Soldaten von 20 000
auf etwa 10 000 halbiert hat.
Auch im Norden Afghanistans spiegelt der Einsatz
unserer Bundeswehr durchaus diese Entwicklung wider.
Auch wir haben in der Tat die Zahl der Soldaten unter
ISAF erhöht, auch, um den militärischen Wiederaufbau
abzusichern, auch, um mit den zusätzlich eingesetzten
Soldatinnen und Soldaten Polizeiausbildung und vor allen
Dingen Armeeausbildung zu betreiben, damit die
Regierung dieses Landes nach und nach mehr in die
Lage versetzt wird, für Sicherheit und Ordnung im eigenen
Land zu arbeiten. Dafür sind unsere Soldatinnen und
Soldaten in Afghanistan. Das ist - der Überzeugung bin
ich - ein weiterhin sinnvoller und notwendiger Einsatz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Gleichwohl - auch das gehört dazu - müssen wir uns
mit der Veränderung der Lage in der Region auch stärker
um Pakistan kümmern. Sie wissen, dass ein Teil der al-
Qaida, die früher in Afghanistan tätig und präsent war,
nach Pakistan ausgewichen ist und dort teilweise unkontrolliert
agieren kann. Deshalb muss es uns gelingen, Pakistan
zu stabilisieren. Das kann uns nur gelingen, wenn
wir mit der Regierung in Islamabad und dem neu gewählten
Präsidenten zusammenarbeiten. Ich füge auch
hinzu: Keine Hilfe sind die grenzüberschreitenden Luftschläge.
Das trägt nicht zur Stabilisierung dieser Regierung
bei, wie ich jüngst bei meinem Besuch in Pakistan
erfahren konnte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)
Konkrete Politik hilft da sehr viel mehr. Darum bemühen
wir uns durch Gespräche mit der Regierung in Pakistan
oder wie zuletzt auf der Reise nach Pakistan und in die
Golfstaaten.
Worum geht es nämlich? Neben der Bekämpfung von
Terrorismus geht es darum, Pakistan insgesamt zu stabilisieren
und dieses Land und seine Regierung fähig zu
halten, Terrorismus im eigenen Land zu bekämpfen. Darum beteiligen wir uns mit anderen an einer internationalen
Pakistan-Freundesgruppe. Wir treffen uns bereits
am 17. November in Abu Dhabi. Daran mögen Sie erkennen,
warum es sinnvoll ist, das Rettungsseil, das wir
Pakistan jetzt mit der möglichen Bereitstellung von
IWF-Krediten hingehalten haben, an möglichst vielen
Stellen auf der Erde zu verankern. Dafür brauchen wir
die Golfstaaten. Ich bin jedenfalls froh, festzustellen,
dass in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen
Emiraten offensichtlich Bereitschaft besteht, Pakistan
im Konzert mit anderen zu unterstützen.
Was bedeuten die Veränderungen, von denen ich spreche,
insgesamt für die deutsche Beteiligung am OEF-Mandat?
Wir ziehen jetzt die Konsequenzen daraus,
dass es seit mehreren Jahren keine deutschen OEF-Einsätze
mehr in Afghanistan gegeben hat. Wir haben deshalb
die für den Afghanistan-Einsatz vorgesehenen Spezialkräfte
aus dem OEF-Mandat herausgenommen. In
Zukunft werden wir uns in Afghanistan militärisch nur
noch im Rahmen von ISAF engagieren.
Das ist gleichzeitig der Grund, weshalb wir die Personalobergrenze
von 1 400 auf zukünftig 800 Soldaten
reduzieren. Wir werden damit weiterhin an der Mission
teilnehmen können, die im Mittelmeer bzw. am Horn
von Afrika operiert, und da die Bewegungsfreiheit von
Terroristen und ihren Unterstützern auch weiterhin nachhaltig
einschränken können. Das beinhaltet noch nicht
- um auch das vorweg zu sagen - den Kampf gegen
Piraterie in der Region. Dazu wird die Bundesregierung
ein gesondertes Mandat vorlegen, das die Beteiligung
Deutschlands an einer geplanten EU-Mission regeln
wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, das OEF-Mandat
ist nur ein Faktor in unserer vielfältigen Arbeit
für Sicherheit und Stabilität in Afghanistan. Ich weiß,
dass nach der Rechtsgrundlage gefragt wird. Debattiert
worden ist darüber auch in den Fraktionen. Ich will deshalb
noch einmal darauf hinweisen: Dieser Einsatz ist
nach wie vor durch das Recht auf Selbstverteidigung
durch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das
mehrfach bekräftigt und diesen Einsatz, wie Sie wissen,
auch mehrfach positiv gewürdigt.
Alles in allem ist das Grund genug, um Sie als Mitglieder
des Deutschen Bundestages um eine breite Zustimmung
zu einer Verlängerung des OEF-Mandates zu
bitten. Das wäre nicht nur ein politisches Signal, dass
wir uns aus der Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft
nicht verabschieden; es wäre vor allen Dingen
auch ein starkes Zeichen für unsere Soldatinnen und
Soldaten, die bei ihrem Einsatz für unsere Sicherheit
Leib und Leben riskieren. Wir schulden unseren Soldaten
dafür nicht nur Dank; wir schulden ihnen dafür vor
allen Dingen unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten der FDP)
Ich appelliere deshalb an das Hohe Haus: Bitte geben Sie
den Soldatinnen und Soldaten die notwendige politische
Rückendeckung!
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Stinner für die
FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Die FDP-Fraktion wird dem Mandatsantrag der
Bundesregierung zustimmen. Aber diese Zustimmung
ist mit vielen Fragenzeichen und vielen Forderungen unsererseits
an die Bundesregierung verbunden. Das jetzige
Mandat unterscheidet sich wesentlich von dem vorherigen
Mandat, und zwar vor allem deshalb, weil
diesmal zum ersten Mal die Unterstützung der OEF in
Afghanistan nicht einbezogen ist. Das heißt, dass die
100 KSK-Kräfte nicht mehr mandatiert werden. Diese
Änderung des Mandats ist eindeutig parteipolitisch motiviert.
Herr Außenminister, das ist die weiße Salbe, die
Sie auf die Wunden Ihrer SPD-Fraktion auftragen; denn
in der SPD-Fraktion ist seit jeher die Diskussion über
das "gute" ISAF-Mandat und das "schlechte" OEF-Mandat
im Gange. Das möchte man abmildern, bzw. diesem
möchte man ausweichen, indem man diesmal das Mandat
entsprechend ändert.
Es erscheint uns allerdings, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD-Fraktion, als ob Sie die Tatsache
verbergen möchten, dass Spezialkräfte in Afghanistan
noch eingesetzt werden. Deswegen wiederhole ich ganz
deutlich, was wir in einem Entschließungsantrag zur
Verlängerung des ISAF-Mandats vor einigen Wochen
gesagt haben: Selbstverständlich ist es auch in Zukunft
möglich, KSK-Kräfte in Afghanistan einzusetzen. Es obliegt
allein und ausschließlich der militärischen Führung,
die Kräfte einzusetzen, die sie für notwendig hält, um
das Mandat zu erfüllen.
(Beifall bei der FDP)
Aufgabe des Parlamentes, unsere Aufgabe ist, dafür
zu sorgen, dass die eingesetzten Soldaten richtig ausgebildet
und vor allem richtig ausgerüstet sind.
(Beifall bei der FDP)
Dazu gibt es gerade im Hinblick auf Afghanistan eine
ganze Reihe von Fragen. Unsere Soldaten in Afghanistan
sind nicht nur dazu da, Sicherheit in Afghanistan herzustellen.
Sie dienen auch dazu, die Sicherheit in
Deutschland zu erhalten und zu fördern. Auch das ist ihr
Auftrag in Afghanistan. Wir haben eine Kleine Anfrage
zur Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan an die
Bundesregierung gestellt. Interessanterweise - oder frevelhafterweise
- sind die Antworten klassifiziert worden.
Das heißt, sie sind vertraulich gegeben worden, sodass
mit ihnen politisch nicht gearbeitet werden kann.
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das
wirft ein schlechtes Licht auf das, was Sie in Afghanistan
tun. Natürlich wird dadurch das Vertrauen der Bevölkerung
und auch der Soldaten, dass wir das Richtige tun,
nicht gerade gefördert. Ich bitte Sie herzlich, diese Ihre
Entscheidung nachhaltig zu überdenken.
(Beifall bei der FDP)
Ich verhehle nicht, dass die völkerrechtliche Grundlage
dieses Mandates auch in unserer Fraktion wieder zu
umfangreichen Diskussionen geführt hat. Selbstverständlich
ist es richtig, die Frage zu stellen, ob die Begründung
noch Bestand hat. Wir müssen darüber diskutieren,
ob das Selbstverteidigungsrecht und der Angriff
nach Art. 5 des NATO-Vertrages noch heute, sieben
Jahre später, Grundlage sein können. Für uns gilt: Ad infinitum
kann diese Begründung nicht dafür herhalten,
dieses Mandat fortzuführen. Wir müssen darüber gemeinsam
nachdenken.
Kern dieses neuen Mandats ist also der Marineeinsatz
am Horn von Afrika. Es ist ohne jeden Zweifel in unserem
deutschen Interesse, dass die Seewege am Horn von
Afrika sicherer werden. Wir als größte Exportnation dieser
Welt haben ein vehementes eigenes, nationales Interesse
daran, dass diese Wege sicher sind. Deshalb ist der
Einsatz deutscher Soldaten dort sinnvoll und richtig.
(Beifall bei der FDP)
Was machen aber nun unsere Soldaten am Horn von
Afrika? Genauso wichtig ist die Frage: Stimmen eigentlich
die Regeln, unter denen sie arbeiten, mit ihrem Auftrag
heute noch überein? Im Antrag zur Erteilung des
Mandats steht wörtlich, es sei Aufgabe, "Führungs- und
Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten,
Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und
vor Gericht zu stellen ...". Wie können aber Soldaten
das machen, wenn sie zum Beispiel ein Schiff gegen den
Willen des Kapitäns nicht betreten dürfen? Ganz zu
schweigen von der Anwendung militärischer Gewalt,
wenn es sich nicht um eng definierte Nothilfe handelt.
Wie können eigentlich deutsche Soldaten Führungs- und
Ausbildungsstrukturen ausschalten, wenn sie militärisch
nur im Rahmen eng begrenzter Nothilfe vorgehen können?
Das sind offene Fragen,
(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])
denen wir uns stellen müssen. Das sind nicht Fragen des
Mandats, meine Damen und Herren von der Regierung,
das sind Fragen, die die Bundesregierung beantworten
muss. Es ist Ihre Aufgabe, für unsere Soldaten eindeutige
Regeln festzulegen, damit sie den Auftrag, den wir
ihnen hier geben, wirklich erfüllen können; denn wenn
wir unsere Soldaten nicht mit einem klaren Auftrag und
klaren Einsatzregeln versehen, bringen wir sie, wie geschehen
- das erfahren wir alle, wenn wir in Einsatzgebieten
sind -, in eine unmögliche, in eine ungünstige
Situation. Das dürfen wir unseren Soldaten nicht zumuten.
Genauso schlimm ist: Wir machen uns leider häufig
vor aller Welt lächerlich.
Das gilt auch für das Problem der Abgrenzung zwischen
Terrorismus und Piraterie. Die Bundesregierung
hat bis dato immer wieder gesagt, das könne man
klar voneinander abgrenzen. Ich sage Ihnen: Die deutsche
Marine ist schon etwas klüger. Das Flottenkommando
der deutschen Marine schreibt nämlich in einem
Bericht, dass der grenzüberschreitende internationale
Terrorismus, der von Piraterie und organisierter Kriminalität
häufig nicht zu trennen sei, ebenfalls den freien
Seeverkehr zum illegalen Transport von Waffen und Personen
nutze. Hier ist eindeutig festgehalten, was unsere
Partnernationen seit Jahren betonen. Selbstverständlich
ist gerade am Horn von Afrika eine eindeutige Trennung
zwischen Piraterie und Terrorismus nicht möglich. Unsere
Partnernationen verfahren entsprechend.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Das heißt, sie gehen schon heute im Rahmen des OEFMandats
gegen Piraterie vor, wo es möglich und geboten
ist.
Nur unsere Bundesregierung verstrickt sich hier in eine
Debatte, die mittlerweile kein Mensch mehr richtig nachvollziehen
und verstehen kann. Die Regierungsparteien
sind in dieser Frage heillos zerstritten. Wir bekommen auf
unsere Anfragen völlig unterschiedliche Mitteilungen
vom Außenministerium und vom Verteidigungsministerium.
So bestätigt zum Beispiel das Auswärtige Amt auf
eine schriftliche Anfrage von uns, dass die Bundeswehr
selbstverständlich Polizeiaufgaben im Ausland übernehmen
dürfe und es selbstverständlich weder völkerrechtlich
noch verfassungsrechtlich ein Problem sei, dass die
Bundeswehr gegen Piraten vorgehe. Das ist die Aussage
des Auswärtigen Amts. Das Verteidigungsministerium
behauptet das Gegenteil. Herr Kossendey geht sogar so
weit, die Nothilfe auf einen ganz engen Bereich zu begrenzen,
nämlich auf den Moment der Piraterie und der
Gefangennahme. Nach Aussage des Verteidigungsministeriums
besteht Nothilfe dann nicht mehr, wenn die Piraten
ein Schiff gekapert haben und mit Geiseln abgedampft
sind. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Nothilfe besteht so lange, wie die Not für die betroffenen
Menschen anhält. Das ist, glaube ich, eine eindeutige
Definition.
(Beifall bei der FDP)
Die Regierungspraxis steht im klaren Widerspruch zum
Seerechtsübereinkommen, das wir, der Deutsche Bundestag,
im Jahr 1994 ratifiziert haben. Darin ist das eindeutig
geregelt. Ich kann auch hierzu nur sagen: Unsere
Soldaten schütteln den Kopf darüber und unsere Verbündeten
wundern sich ein weiteres Mal.
Dieses Problem setzt sich leider fort. Wir haben im
Rahmen der NATO einen Verband - er war sowieso auf
dem Wege zum Horn von Afrika -, der jetzt auf Wunsch
der Vereinten Nationen die Aufgabe übernehmen soll,
Schiffe des World Food Programme am Horn von Afrika
zu schützen.
Sehr geehrte Frau Ministerin Wieczorek-Zeul, die
deutsche Bundesregierung, Ihre Bundesregierung, verhindert,
dass deutsche Soldaten im Auftrag der Vereinten
Nationen Lebensmittellieferungen schützen, die die
Ärmsten dieser Welt erreichen sollen. Das ist deutsche
Außen- und Sicherheitspolitik des Jahres 2008. Das
kann so nicht weitergehen.
(Beifall bei der FDP)
Es geht aber weiter. Jetzt ist die Rede davon, eine
ESVP-Mission zur Bekämpfung der Piraterie zu unternehmen,
wahrscheinlich ab Dezember. Es ist uns - übrigens,
wie ich erkannt habe, auch vielen Kolleginnen und
Kollegen der SPD - beim besten Willen nicht klarzumachen,
wieso der Bezug auf Art. 24 des Grundgesetzes für
die ESVP-Mission gilt und möglich ist, aber für die
NATO-Mission nicht. Hier sind, glaube ich, Debatten im
Gange, die völlig widersprüchlich sind. Deshalb sagen
wir: Wir müssen Klarheit schaffen in den Regeln und in
den Abgrenzungen zwischen der OEF-Mission und der
ESVP-Mission. Hier gibt es erhebliche Schnittstellen.
Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als wolle
sie unter allen Umständen den Anschein verhindern,
dass deutsche Soldaten schließlich auch einmal militärische
Mittel einsetzen müssen. Deshalb agiert sie nach
unserem Dafürhalten hier in einer unklaren Art und
Weise. Mit diesem Verhalten lässt die deutsche Bundesregierung
viele Soldaten im Stich, und wir machen uns,
wie gesagt, international unglaubwürdig. Dies muss geändert
werden.
Sie sehen also: Wir haben uns die Entscheidung zu
diesem Mandat weiß Gott nicht leichtgemacht. Wir haben
weiterhin viele Fragen. Wir stimmen trotzdem zu,
weil es als politisch Verantwortliche im Deutschen Bundestag
unsere Aufgabe ist, die grundsätzlichen Weichenstellungen
im Hinblick auf das, was zu tun ist, hier
vorzunehmen. Aber wir verlangen von der Bundesregierung,
dass sie ihre Anstrengungen hinsichtlich der Art
und Weise der Ausführung dieses Mandates wesentlich
verbessert, damit Sicherheit und Vertrauen herrschen,
nicht nur bei unseren Soldaten, sondern insbesondere
auch bei denen, für die wir diese Aufgabe weltweit erfüllen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Bundesminister Franz Josef Jung.
(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenn wir mit
Klatschen fertig sind!)
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der 11. September 2001 markiert eine sicherheitspolitische
Zäsur. Auf diesen schrecklichen Anschlag
hat die internationale Gemeinschaft geschlossen
und einmütig reagiert. Ich denke, es ist eine wirkungsvolle
Antwort im Kampf gegen den internationalen Terrorismus
gewesen.
Bereits einen Tag nach den Anschlägen erklärte der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen mit
Resolution 1368
die Anschläge zur Bedrohung für den internationalen
Frieden und die internationale Sicherheit, und der Nordatlantikrat
hat den Bündnisfall ausgerufen. Deshalb war
es folgerichtig, dass der Deutsche Bundestag erstmals
am 16. November 2001 dem Einsatz deutscher Streitkräfte
im Rahmen der Operation Enduring Freedom zugestimmt
hat. An dieser Grundlage und auch an der Bedrohung
durch den internationalen Terrorismus für unser
Land hat sich bis heute nichts geändert. Deshalb ist es
sinnvoll, dass wir diesen Auftrag zur Bekämpfung der
Gefahren für unser Land an der Quelle fortsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Seit Ende 2001 erbringen wir unseren Beitrag sowohl
in Afghanistan als auch im Mittelmeer sowie im Seeraum
rund um das Horn von Afrika. Es liegt im deutschen Interesse,
den Terrorismus und dessen Verbindungslinien,
seine Kommunikation und seinen Nachschub an der
Quelle zu bekämpfen. Wir sind am Horn von Afrika mit
einem Marineverband gemeinsam mit Koalitionskräften
aus Australien, Frankreich, Großbritannien und Pakistan
im Einsatz. Die deutschen Einheiten schützen in der
Taskforce 150 die Seeverbindungslinien in einem Operationsgebiet,
das vom Roten Meer über das Arabische
Meer und den Golf von Oman bis hin zur Straße von
Hormuz reicht.
Der Auftrag beinhaltet Identifikation, Überwachung
und Aufklärung. Der Seeverkehr im Einsatzgebiet wird
umfassend beobachtet und dokumentiert. Ziel ist es, den
Transport von Personen und Gütern, Waffen und Munition,
die der Unterstützung des internationalen Terrorismus
dienen, zu unterbinden.
Sehr geehrter Kollege Stinner, leider geht das, was
Sie in dem Zusammenhang zum Thema Pirateriebekämpfung
gesagt haben, an der Realität vorbei; ich sage:
an unserer Verfassung vorbei. Sie müssen sich schon
dazu durchringen, einen Beitrag zur verfassungsrechtlichen
Klarstellung zu leisten, wenn Sie das Ziel erreichen
wollen, das Sie hier ansprechen. Ich bin nicht bereit, die
Verfassung zu brechen. Wir sollten eine Klarstellung
vornehmen, um die Chance zu haben, Piraterie in dem
Umfang zu bekämpfen, den Sie eben eingefordert haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Es ist - ich sage es noch einmal - ein Einsatz zum
Kampf gegen den Terrorismus, nicht gegen die Piraterie.
Im Hinblick auf jene Bedrohung wird zurzeit die ESVPMission
vorbereitet. Wir werden in dem Zusammenhang
unseren Beitrag dazu leisten, dass auch dieser Gefahr
wirkungsvoll entgegengetreten wird. Neben der Nothilfe
kann man selbstverständlich auch prüfen, ob in Zukunft
im Rahmen des OEF-Mandats eine Unterstellung unter
das ESVP-Mandat möglich ist. Aber das bedarf dann
auch der Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Neben unseren Fregatten stellen wir mit unseren Seefernaufklärungsflugzeugen
Orion fallweise auch Fähigkeiten
zur Aufklärung aus der Luft zur Verfügung. Die
Bundeswehr hält zudem Kräfte für luftgestützte medizinische
Notfallversorgung durchgehend in Bereitschaft.
Im Januar werden wir, wenn der Deutsche Bundestag
diesem Mandat zustimmt, zum wiederholten Male für
drei Monate die Führung dieser Taskforce übernehmen.
Neben dem Einsatz am Horn von Afrika gehört die
NATO-Operation Active Endeavour im Mittelmeer zu
diesem Mandat. In wechselnder Stärke und Formation
leisten wir hier ebenfalls unseren Beitrag im Kampf gegen
den internationalen Terrorismus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Kollege
Stinner, ich finde, die Bilanz unseres Einsatzes kann
sich sehen lassen. Wir haben mit unseren Kräften über
14 500 Abfragen von Schiffen, über 340 Stopps, detaillierte
Befragungen von Schiffsbesatzungen, 70 Durchsuchungen,
also Boardings, und über 70 Geleitaufträge für
besonders schützenswerte Schiffe durchgeführt sowie
zusätzlich diverse Hilfeleistungen für Schiffe in Not erbracht.
Ich bin unseren Soldatinnen und Soldaten sehr
dankbar, die einen wirkungsvollen Einsatz leisten - im
Interesse der Sicherheit unseres Landes und im Kampf
gegen den internationalen Terrorismus.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir wollen die Diskussion über dieses Mandat aus
der Zeit heraushalten, in der dieser Bundestag noch amtiert,
ein neuer aber schon gewählt ist, und schlagen deshalb
vor, das Mandat bis in den Dezember 2009 hinein
zu verlängern. Des Weiteren wollen wir die derzeitige
Obergrenze von 1 400 auf 800 Soldatinnen und Soldaten
zurückführen, weil dies im Hinblick auf unseren Einsatz
sachgerecht ist. Außerdem haben wir die 100 Spezialkräfte
bei OEF für das Einsatzgebiet Afghanistan herausgenommen.
Diese Kräfte waren in den vergangenen Jahren eine wichtige Rückversicherung. Jedoch hat sich der Charakter von OEF in Afghanistan mit der schrittweisen
Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan durch ISAF spürbar gewandelt. Natürlich kann die knappe Ressource der Spezialkräfte weiterhin im Rahmen von ISAF eingesetzt werden, falls
dies in Afghanistan erforderlich ist.
Wir wollen in unseren Anstrengungen im Kampf gegen
den Terrorismus nicht nachlassen, auch und gerade
im Interesse unserer Sicherheit. Wir stellen uns mit unseren
alliierten Partnern, mit der Weltgemeinschaft nachdrücklich
und entschlossen gegen diese Geißel der
Menschheit. Das ist ein wichtiger Teil unseres Beitrages,
die Welt ein Stück friedlicher und sicherer zu machen.
Deutschland wird und darf sich hier seiner Verantwortung
nicht entziehen.
Ich denke, wir können insgesamt stolz und dankbar
hinsichtlich des Engagements unserer Soldatinnen und
Soldaten sein, die gut ausgebildet und gut ausgerüstet
sind und diesen Auftrag gut motiviert erfüllen. Er dient
unseren Sicherheitsinteressen, den Sicherheitsinteressen
unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich bitte Sie deshalb
um möglichst breite Zustimmung zur Fortsetzung unseres
Engagements im Rahmen der Mandate zur Bekämpfung
des internationalen Terrorismus, Operation Enduring
Freedom und Operation Active Endeavour, in dem
einen Fall am Horn von Afrika - in diesem Mandat haben
wir im Übrigen das Seegebiet klar konkretisiert, in
dem die Kräfte im Einsatz sind -, in dem anderen Fall im
Mittelmeer; denn so können wir unseren Beitrag auch in
Zukunft wirkungsvoll leisten. Ich denke, für diesen Einsatz
im Interesse unserer Sicherheit haben unsere Soldatinnen
und Soldaten eine breite Unterstützung dieses
Parlamentes verdient.
Recht herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Stinner
noch einmal das Wort.
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Sehr geehrter Herr Minister! Ich bedanke mich ausdrücklich
dafür, dass Sie mich direkt angesprochen haben.
Das gibt mir die Möglichkeit, die Dinge noch einmal
sehr deutlich darzustellen.
Erstens. Dieses Parlament hat im Jahr 1994 das Seerechtsübereinkommen
ratifiziert. In diesem Seerechtsübereinkommen
steht ausdrücklich, dass die Vertragsstaaten
gegen Piraterie auf hoher See auf der ganzen Welt
vorgehen können -- nicht müssen, aber können. Auf unsere
Anfrage, ob denn Art. 25 des Grundgesetzes, der
besagt, dass völkerrechtlich verbindliche Verträge auch
für deutsches Recht bindend sind, auch für dieses Seerechtsübereinkommen
gilt, hat die Bundesregierung eindeutig
mit Ja geantwortet.
Zweitens. Die zweite Ausrede, die Sie, Herr Minister,
und Ihr Ministerium verwenden, ist, die Bundeswehr
dürfe angeblich im Ausland keine Polizeiaufgaben wahrnehmen.
Das ist falsch, Herr Minister. Die Bundeswehr
nimmt schon gegenwärtig im Ausland in umfangreichem
Maße Polizeiaufgaben wahr. Ich erinnere an den Kosovo,
wo wir nach den Umständen des Jahres 2004 die
Bundeswehr extra mit Polizeiausrüstung wie Schilden,
Schlagstöcken und Reizgas versehen haben, damit sie
polizeiähnliche Aufgaben wahrnehmen kann. Auch dieses
Argument hilft also nicht.
Drittens verweise ich auf meine eben schon gemachte
Beschreibung der, wie ich finde, völlig unzuträglichen
Eingrenzung des Begriffes "Nothilfe" durch Ihr Ministerium.
Das halte ich, Herr Minister, wirklich für völlig abwegig.
Diese Eingrenzung muss aufgehoben werden.
Nein, Herr Minister - ich komme zum Schluss, Herr
Präsident -, Sie und Ihre Partei wollen - das hat auch die
Ausschussberatung gezeigt - über eine Änderung des
Art. 87 unseres Grundgesetzes etwas völlig anderes, und
dafür haben Sie von Ihren Kollegen von der SPD in der
Öffentlichkeit und in den Ausschüssen die Rote Karte
bekommen. Deshalb gibt es weiterhin einen Konflikt in
der Bundesregierung, auf den ich hingewiesen haben
wollte.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Minister, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:
Herr Kollege Stinner! Wir haben die Diskussion
schon im Ausschuss geführt. Ich will meinen Standpunkt
aber gerne noch einmal vor dem Parlament deutlich machen.
Erstens. Völkerrecht bricht nicht Verfassungsrecht.
Für mich gilt die verfassungsrechtliche Grundlage unseres
Grundgesetzes; daran werde ich mich halten.
Zweitens. Wir bereiten zurzeit eine ESVP-Mission
vor, die uns im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz
- da geht es um gegenseitige kollektive Sicherheit - die
Rechtsgrundlage gibt, Piraterie wirkungsvoll zu bekämpfen.
Das halte ich für richtig und notwendig. Ich
hoffe, dass der Deutsche Bundestag einem derartigen
Mandat zustimmt, sodass wir einerseits im Rahmen unseres
OEF-Mandates, über das wir jetzt beraten, den Terrorismus
bekämpfen können und andererseits im Rahmen
des zukünftigen Mandats, der ESVP-Mission,
Piraterie bekämpfen können. Das dient unserer Seesicherheit
und dem freien Seehandel. Dazu wollen wir unseren
Beitrag leisten.
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ja mehr Absurdistan
als Afghanistan!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Norman Paech, Fraktion
Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es geschieht ja nicht sehr oft, dass wir die Regierung loben.
Aber in diesem Fall ist es angebracht, da Sie aus der
Kritik die Konsequenz gezogen haben, den Antiterroreinsatz
- zumindest in Afghanistan - einzustellen. Ich
will nicht darüber reden, ob Sie sich vielleicht dadurch
die Zustimmung zu einem Einsatz im Rahmen der ISAF
erkaufen wollen, der sich ohnehin nicht mehr von dem
Kampfeinsatz der OEF unterscheidet. Leider sind Sie
auf halbem Wege stehen geblieben. Sie hätten die Bundeswehr
vollständig aus diesem vollkommen falschen
und auch völkerrechtswidrigen Einsatz zurückziehen
müssen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Sie wollen uns erneut weismachen, dass alles völkerrechtlich
in Ordnung ist, und verweisen dann auf das
Selbstverteidigungsrecht in Art. 51 der
UN-Charta.
Das mag ja unmittelbar nach den Anschlägen am
11. September zugetroffen haben. Aber ein Krieg von
sieben Jahren gegen einen Feind, der kein Staat und
keine Regierung ist, sondern der sich über ein Netzwerk
von über 60 Staaten verteilt, hat mit dem Selbstverteidigungsrecht
nach der UN-Charta nichts mehr zu tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie noch daran festhalten?
Glauben Sie, dass Sie das, was Sie in sieben Jahren
nicht geschafft haben, nämlich al-Qaida militärisch zu
besiegen, im nächsten Jahr schaffen werden? Ich sage
Ihnen: niemals.
Sie benutzen OEF als Generalermächtigung für militärische
Abenteuer, die nun ihren Schwerpunkt auf See
haben sollten. Sie verweisen auf die unsichere Situation
am Horn von Afrika und die Gefahren für Handelswege,
auf denen Gas, Öl und andere lebenswichtige Rohstoffe
zu uns kommen. Natürlich ist sind diese Handelswege
für die Industrieländer von eminenter Bedeutung. Aber
die Frage ist: Rechtfertigt das eine Antiterrormission wie
die OEF?
Die Bundeswehr - Herr Jung, wenn Sie ehrlich sind,
müssen Sie das zugeben - dümpelt seit Jahren im Rahmen
von OEF dort herum. Sie hat bisher noch keinen
einzigen Terroristen aufgespürt. Konsequenterweise
müsste sich die Bundeswehr von dort endlich zurückziehen.
Stattdessen instrumentalisieren Sie das Piraterieproblem,
um weiterhin am Horn von Afrika militärisch präsent
zu sein. Dabei verfolgen Sie eine ganz gefährliche
militärische Doppelstrategie: zum einen Maßnahmen gegen
die Piraten im Rahmen der EU - es gibt dazu Vorbereitungen
- und zum anderen Maßnahmen gegen Terroristen
im Rahmen der OEF. Ich sage Ihnen aber: Wie bei
ISAF und OEF wird auch hier wieder eine Vermischung
stattfinden. Herr Stinner, ich gebe Ihnen in diesem Punkt
vollkommen recht; ich brauche Ihre Äußerung dazu
nicht zu wiederholen. Denn wer kann schon im Ernstfall
Piraten von Terroristen unterscheiden? Wir sind gegen
eine solche Mission. Sie lösen damit weder das Problem
des Terrorismus noch das Problem der Piraterie. Sie
schicken vielmehr die Soldaten immer wieder an neue
Kriegsschauplätze. Dagegen sind wir.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Die Sicherheit am Horn von Afrika und die Bekämpfung
von Piraten und Terroristen sind nur mit einer Stabilisierung
der staatlichen Ordnung und mit Bekämpfung
der Armut zu erreichen. Das ist nur mit politischen
Mitteln und mit ökonomischer Unterstützung möglich,
niemals militärisch. Dabei ist es gleichgültig, ob die
Truppen aus der Afrikanischen Union, der EU, der UNO
oder der NATO kommen. Selbst die Briten - das kann
man nachlesen - haben jüngst den militärischen Ansatz
und die Militarisierung des Antiterrorkampfes durch die
USA als vollkommen falsches Konzept kritisiert.
Sie machen uns immer den Vorwurf, dass wir zwar
gegen den Einsatz des Militärs seien, aber keine Alternativen
hätten. Diese liegen aber auf der Hand. Schauen
Sie sich einmal die umfassenden Aktivitäten der UNO
an, die sie nach dem 11. September gegen den internationalen
Terrorismus unternommen hat. Es gibt zahlreiche
Resolutionen und insgesamt zwölf Antiterrorkonventionen,
in denen die Staaten zu ganz konkreten Maßnahmen
aufgerufen werden. An keiner Stelle ist vom Einsatz des
Militärs die Rede. Gestehen Sie sich endlich ein, dass die
Kriege im Irak und in Afghanistan für das Erstarken des
internationalen Terrorismus ganz wesentlich verantwortlich
sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Um die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen, um
gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, die den Menschen
ein Leben ohne Armut und Gewalt, einen Weg aus
Krieg und Perspektivlosigkeit bieten, was der Nährboden
des Terrorismus ist, braucht es ziviler Instrumente
und nicht des Militärs. Die Bundeswehr ist dafür ganz
und gar ungeeignet. Deswegen fordern wir Sie auf: Beenden
Sie die deutsche Beteiligung an OEF! Wir werden
diesem Mandat nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Winfried Nachtwei, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum siebten Mal haben wir im Bundestag über die Verlängerung
der deutschen Beteiligung an der Operation
Enduring Freedom zu diskutieren und zu entscheiden.
Ich erinnere mich noch sehr genau: Im November 2001
war diese Entscheidung in den beiden Koalitionsfraktionen
der SPD und der Grünen äußerst umstritten. Man
kann sagen, dass sich in den Jahren danach die Befürchtungen,
die wir damals im November hatten, nicht bestätigt
haben. Im Gegenteil: Die Dinge sind in Afghanistan
zunächst viel besser gelaufen. Bis 2005 - da waren wir
wieder in der Opposition - waren wir nach Abwägung
verschiedener Aspekte der Meinung, dass Enduring
Freedom weiterhin notwendig sei, um die zu diesem
Zeitpunkt schwache ISAF in Afghanistan stärken zu
können. Das war damals die Haltung.
Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Der internationale
Terrorismus stellt weiterhin eine Bedrohung
der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens dar
und muss weiterhin bekämpft werden.
(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/
CSU])
Überwiegender Konsens ist sicher auch, dass er auf der
einen Seite nicht primär militärisch bekämpft werden
kann, dass dabei auf der anderen Seite aber auch der Einsatz
militärischer Mittel notwendig sein kann.
Allerdings reicht es bei Mandatsentscheidungen ganz
und gar nicht, nur zu diesen Grundsätzen etwas zu sagen.
Entscheidungen über solche Mandate und solche Einsätze
sind ja schließlich keine Bekenntnisfragen. Vielmehr
muss konkret beantwortet werden, ob dieser
Einsatz weiterhin zur Gewalt- und Terroreindämmung
sicherheitspolitisch dringlich ist, ob er weiterhin legitim
und legal ist und ob er überhaupt geeignet, wirksam und
verantwortbar ist.
Dass die Bundesregierung nun für Afghanistan die
Landkomponente im Rahmen des Kommandos Spezialkräfte
abgemeldet hat, ist ein richtiger Schritt. Allerdings
muss man nüchternerweise hinzufügen: Dies ist
seit einigen Jahren überfällig. Im Untersuchungsausschuss,
der aus dem Verteidigungsausschuss hervorging,
haben wir herausfinden müssen, dass das KSK im Rahmen
von Enduring Freedom in Afghanistan seit 2002
militärisch gar nicht mehr gebraucht wurde. Danach ist
es dort nur aus symbolpolitischen Gründen gehalten
worden, im Grunde als Solidaritätsbeweis gegenüber
den USA. Gerade als Verteidigungspolitiker möchte ich
feststellen: Es ist vor allem gegenüber den Soldaten
falsch und verantwortungslos, sie aus symbolpolitischen
Gründen einzusetzen und zu missbrauchen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das heißt im Klartext, Herr Minister Jung und Herr
Minister Steinmeier: Da dieser Teileinsatz jetzt zu Ende
ist, muss auch endlich ein Abschlussbericht vorgelegt
werden. Das ist bisher nicht geschehen. Bisher hat dazu
der Verteidigungsausschuss den bei weitem besten Bericht
vorgelegt.
Zur anderen Komponente, zum Horn von Afrika.
Seit Jahren stellen wir fest, dass der reale Einsatz mit
dem Auftrag, terroristische Kräfte an ihren Bewegungsmöglichkeiten
zu hindern, nichts mehr zu tun hat. Wenn
man die Admirale fragt, was sie erkunden, dann erhält
man die Antwort, dass sie alles mögliche andere erkunden,
aber nicht terroristische Bewegungen. Deshalb ist
das Mandat in diesem Bereich schlichtweg nicht ehrlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt andere Sicherheitsrisiken, die man klar mit einem
UN-Mandat angehen muss.
Die Mandatsentscheidung, die ansteht, ist nicht nur
eine Entscheidung darüber, was die Bundesrepublik dabei
macht, sondern sie ist schlichtweg auch eine politische
Stellungnahme zu Enduring Freedom überhaupt. Es
wurde schon darauf hingewiesen, dass die
UN-Sicherheitsratsresolution
vom 12. September 2001 der völkerrechtliche
Ausgangspunkt ist, in der das Recht auf
Selbstverteidigung betont wurde. Das wurde damals
vom größten Teil des Parlaments mitgetragen. Allerdings
beziehen Sie sich sieben Jahre danach weiterhin
ganz allgemein auf das Selbstverteidigungsrecht. Dünner
könnte die rechtliche Grundlage nicht sein; sie ist
nach unserer Auffassung eindeutig fragwürdig und nicht
mehr zu halten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des
Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] -
Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Sie ist sogar
falsch!)
Man muss dabei immer die Konsequenzen bedenken: Es
läuft auf eine völlige Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs
und de facto auf eine Enthemmung hinaus. Im
Klartext: Operation Enduring Freedom setzt sich in der
Realität immer wieder über den völkerrechtlichen
Grundsatz territorialer Integrität hinweg. Das, was Enduring-
Freedom-Kräfte in Pakistan inzwischen fast jeden
Tag machen, nämlich Verdächtige abschießen, liegt in
der Logik von Enduring Freedom; da soll man gar nicht
so überrascht sein. Das aber ist eindeutig verwerflich
und völkerrechtswidrig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wie sieht heute die Realität von Enduring Freedom
aus? Was sind die Wirkungen? Kollege Stinner, ich
möchte einen Punkt schnell beiseiteräumen: Sie haben
wieder das Bild vom vorigen Jahr gebracht, das Bild von
der angeblich bösen OEF und der guten ISAF. Heutzutage
kann man feststellen, dass die Ausbildungskomponente
bei Enduring Freedom in Afghanistan nicht mehr
enthalten ist. Das heißt, in Afghanistan ist Enduring
Freedom wieder auf den ursprünglichen Auftrag der militärischen
Terrorbekämpfung reduziert worden. Seit
Jahren frage ich die Bundesregierung, wie wirksam
diese Operation insgesamt ist. Ich erhalte dazu notorisch
null Aussagen.
Die Bundesregierung ist aber nicht die einzige Auskunftsquelle;
wir bemühen uns selber um entsprechende
Hinweise. Was besagen die hierbei gewonnenen Erkenntnisse?
Erstens. Zur Zielgruppe von Enduring Freedom in
Afghanistan gehören nicht nur al-Qaida als Drahtzieher
und Unterstützer, sondern ziemlich unterschiedslos alle
Aufständischen. Der Effekt davon ist eine Solidarisierung:
Es werden diejenigen zusammengebracht, die man
bei einer vernünftigen Antiterrorpolitik eigentlich auseinanderbringen
müsste.
Zweitens. Entsprechende Personen werden auf Verdacht
liquidiert. Noch vor kurzem habe ich im ISAF-Headquarter
gehört, dass der Unterschied zwischen
ISAF und OEF wesentlich ist; OEF tötet auf groben Verdacht.
Drittens. Bei OEF-Einsätzen sind überproportional
oft Zivilopfer zu beklagen. Zudem kommen OEF-Operationen
immer wieder ISAF-Operationen in die Quere;
das habe ich kürzlich von Kommandeuren in Uruzgan,
Südafghanistan, gehört.
Was die Wirksamkeit angeht, fasse ich zusammen:
OEF soll zur Eindämmung von Terrorismus beitragen.
Alle Hinweise, die wir haben, deuten auf das Gegenteil
hin, nämlich darauf, dass islamistische Militanz, Gewalt
und Terror dadurch angefacht werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie des Abg. Dr. Norman Paech [DIE
LINKE])
OEF steht - das sollte man nicht außer Acht lassen -
für den Global War on Terrorism, für den Irrglauben,
nicht nur mit Militär, sondern ausdrücklich mit Krieg
Terrorismus besiegen zu können. Aufschlussreich sind
jüngste Veröffentlichungen aus den USA, insbesondere
eine RAND-Studie mit dem Titel
"How terrorist groups
end - lessons for countering Al Qa'ida". Das Ergebnis
ist äußerst interessant. Es wurden zwischen 1968 und
2006 über 600 Terrorgruppen untersucht. Die allermeisten
davon wurden aufgelöst, weil sie in den politischen
Prozess einbezogen wurden. Das zweitbeste Mittel zur
Auflösung waren polizeiliche und geheimdienstliche
Maßnahmen. Am allerwenigsten haben militärische
Maßnahmen gewirkt. Die Schlussfolgerung dieser Studie
ist - gerichtet an die alte und an die neue Regierung -:
Hört auf mit dem War on Terrorism! - Die Alternativen
liegen eindeutig auf der Hand.
Ich komme zum Schluss. Ich habe alle Mandatsentscheidungen,
die im Bundestag seit 1994 getroffen wurden,
mitbekommen. Als alter Oppositioneller war ich
immer wieder überrascht, wie sorgfältig diese Diskussionen
geführt wurden. Allerdings muss ich sagen: Die
Diskussionen der letzten Jahre über Enduring Freedom
waren Tiefpunkte der parlamentarischen Beratungen und
in Sachen Parlamentsbeteiligung. Herr Minister
Steinmeier, ich habe heute von Staatsminister Erler Antworten
auf von mir gestellte Fragen zur Wirksamkeit
von Enduring Freedom usw. erhalten. Ich kann sie Ihnen
gleich einmal geben. Diese Antworten sind eine Frechheit.
Ich glaube, Sie werden sich für diese Antworten
schämen. So geht das nicht weiter.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Heute findet die Wahl eines neuen US-Präsidenten
statt, die wir wohl alle mit großen Hoffnungen begleiten.
Der Deutsche Bundestag steht gegenüber der US-Administration
meiner Meinung nach in der Pflicht, ein klares
und aktives Zeichen gegen den "Krieg gegen den Terror",
für einen kooperativen Multilateralismus, für die
Rückkehr zum Völkerrecht und zur Achtung der Menschenrechte
zu setzen, und zwar auch bei der Bekämpfung
des Terrorismus.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Niels Annen, SPD-Fraktion.
Niels Annen (SPD):
Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen und
Herren! Winni Nachtwei hat eben gesagt, dass der
Ursprung des Mandats für den Einsatz deutscher Streitkräfte
im Rahmen von OEF - das dürfen wir nicht vergessen,
wenn wir über dieses Mandat beraten - die Anschläge
vom 11. September sind. Vielleicht ist es in der
Tat bezeichnend, dass wir heute hier darüber debattieren,
während in den USA ein neuer Präsident gewählt wird.
Der amtierende US-Präsident ist mit dem internationalen
Kampf gegen den Terrorismus verbunden und wird damit
verbunden bleiben. Ich glaube, es ist nicht besonders
mutig, wenn man voraussagt, dass er nicht aufgrund weiser
Entscheidungen im Kampf gegen den Terror in Erinnerung
bleiben wird.
So deutlich ich sage, dass es richtig gewesen ist, dass
dieses Haus damals zugestimmt hat, so klar muss man
auch sagen, dass sich das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen
Missionen nicht ausgezahlt hat. Die Vereinten
Nationen haben, nachdem der eigentliche Auftrag
in Afghanistan relativ schnell erfüllt war - Zerschlagung
der al-Qaida-Camps und Absetzung der Taliban-Regie
rung -, eine Grundlage für die Wiederaufbauarbeit geschaffen,
die wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten,
den Entwicklungshelfern und den anderen nach Afghanistan
entsandten Menschen, mit allen, die dort arbeiten,
leisten. Wir mussten feststellen - darüber haben wir im
Deutschen Bundestag häufig diskutiert -, dass das
Nebeneinander von OEF und ISAF letztlich dazu geführt
hat, dass die Legitimität unserer gemeinsamen internationalen
Anstrengungen in den letzten Jahren Stück
für Stück dadurch untergraben worden ist, dass es immer
wieder, auch in den letzten Tagen und Wochen, zu unabgestimmten,
unverhältnismäßigen und unkoordinierten
Aktivitäten kam, und zwar in der Regel bei Beteiligung
- das muss ich leider sagen - der amerikanischen Soldaten
unter dem Mandat von Enduring Freedom.
Vor wenigen Wochen wurde uns eine Studie von
Human Rights Watch vorgelegt, die eindrucksvoll für
die einzelnen Provinzen darlegt, dass der Strategiewechsel,
den wir in diesem Haus immer wieder eingefordert
haben, der allerdings schwer zu erklären ist, insofern erfolgreich
war, als es so gut wie keine Todesopfer bei geplanten
Luftoperationen der ISAF-Truppen gegeben hat.
Wir müssen allerdings feststellen, dass es bei Luftunterstützungsoperationen
zunehmend, auch in den letzten
Tagen, zu zivilen Opfern gekommen ist, wenn amerikanische
Streitkräfte in sogenannte Antiterroroperationen
verwickelt waren.
An dieser Stelle möchte ich eines deutlich sagen: Wir
haben häufig gehört, dass all das völkerrechtswidrig sei
und unsere ganze Diskussion nur für die Galerie stattfinde.
Auch der Kollege Paech von der Linksfraktion hat
darauf hingewiesen. Er hat gesagt, die Regierung und die
Regierungsparteien müssten endlich begreifen, dass dieses
Problem nicht mit militärischen Mitteln zu lösen ist.
Ich sage Ihnen: Das ist die tägliche Praxis dieser Koalition
und dieser Regierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich empfehle Ihnen, Herr Paech, sich einmal den Antrag
anzusehen. Ich kann Ihnen gerne daraus vorlesen;
ich habe ihn mitgebracht. Die Bundesregierung schreibt:
Der Kampf gegen den Terrorismus ist in erster Linie
keine militärische, sondern eine umfassende politische
Aufgabe. - Dem ist nichts hinzuzufügen.
(Beifall bei der SPD)
Dass die Diskussion in diesem Hause, aber auch in der
Zivilgesellschaft und die Arbeit der vielen Nichtregierungsorganisationen,
die sich vor Ort, aber auch in
Deutschland mit der Lage in Afghanistan und mit dem
Stand des Antiterrorkampfes auseinandersetzen, hier
ernst genommen werden und dass wir Konsequenzen
auch aus dem Nebeneinanderher und dem Mangel an
strategischer Abstimmung im Bündnis gezogen haben,
zeigt die Vorlage, über die der Deutsche Bundestag in
dieser Beratung zu entscheiden hat.
Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, zu sagen: Wir
ziehen die 100 KSK-Kräfte aus dem OEF-Mandat zurück.
Das ist, wenn ich das einmal sagen darf, keine
virtuelle Entscheidung. Diese Entscheidung hat einen
politischen Wert und wird von unseren Verbündeten verstanden;
denn wir sind nicht die Einzigen, die sich über
diese Mängel im Alltag bei der Arbeit in Afghanistan im
Rahmen dieser Operation beklagen. Kollege Nachtwei
hat darauf hingewiesen. Wir waren gemeinsam in
Uruzgan und haben uns beispielsweise mit unseren niederländischen
Kollegen unterhalten. Sie führen dort dieselbe
Debatte. Deswegen bitte ich darum, dass wir auf
Folgendes hinweisen: Wir machen hier keine innenpolitischen
Spielchen. Wir machen auch keine Geschäfte
- das haben Sie angedeutet, Herr Paech -, um die Zustimmung
zu erleichtern. Wir arbeiten hier seit Jahren
und suchen nach Wegen, in der richtigen Art und Weise
mit dieser Verantwortung umzugehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die Beteiligung an einer internationalen Koalition ist
nichts, aus dem man eben einmal aussteigt wie bei einer
Aktie, die im Wert abstürzt. Das hat mit Abstimmungsprozessen
und Diskussionsprozessen zu tun. Das kann
man nicht von heute auf morgen entscheiden. Deswegen
will ich ganz klar sagen: Die völkerrechtliche Grundlage
steht nicht infrage. Der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen - auf den berufen Sie sich ja immer, Herr
Paech - hat das am 12. September 2001 festgestellt; er
hat den Angriff auf die Vereinigten Staaten mit einem
Angriffskrieg gleichgesetzt. Das ist die Lage, in der wir
uns befinden.
Etwas ganz anderes ist die Frage, ob wir es uns als internationale
Staatengemeinschaft dauerhaft erlauben
wollen, uns auf dieser Rechtsgrundlage zu bewegen. Es
gibt Diskussionen - auch in unserer Fraktion und im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - über die Frage,
ob wir die Bekämpfung der Piraterie, die hier schon angesprochen
worden ist, möglicherweise als Anlass nutzen
sollten, um miteinander eine klarere politische
Grundlage zu finden. Aber lassen Sie uns hier keine
haarspalterischen Diskussionen führen. Auch in der erneuten
UN-Resolution wird die Operation Enduring
Freedom erwähnt. Deswegen sollten wir uns hier nicht
auf Nebenkriegsschauplätze konzentrieren, sondern wir
sollten die politische Diskussion führen. Wir stehen zu
unserer Verantwortung und erkennen die Bedrohung, die
hier genannt worden ist und auch am Horn von Afrika
sichtbar wird.
Ich plädiere dafür, dem Antrag der Bundesregierung
zuzustimmen. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, dieses
Zeichen auch an diejenigen zu senden, die nicht nur
darüber diskutieren, sondern auch unter Einsatz ihres
Lebens dafür einzustehen haben. Das sind unsere Soldatinnen
und Soldaten. Ich bitte um Zustimmung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Norman Paech.
Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Lieber Kollege Annen, ich kann durchaus lesen. Ich
lese zum Beispiel immer wieder, dass der Kampf gegen
den Terrorismus nicht militärisch zu gewinnen ist. Das
sagen die US-Amerikaner sowieso; das sagen die Generäle
immer wieder. Eines aber müssen wir sehen: Wir
führen hier zum wiederholten Mal eine Debatte, in der es
ausschließlich um die Verteilung von Geldern für militärische
Maßnahmen geht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Haben wir jemals eine Diskussion von der gleichen Güte
und Länge geführt, in der es um die Finanzierung ökonomischer
und ziviler Instrumente zur Bekämpfung des
Terrorismus ging? So eine Diskussion haben wir bisher
nicht geführt. Wenn wir sie führen werden, dann werden
wir auch anders zu dem Thema reden.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kollege Annen, bitte.
Niels Annen (SPD):
Herr Kollege Paech, es freut mich natürlich sehr, dass
Sie des Lesens mächtig sind. Ich möchte Ihnen deswegen
die Lektüre des Protokolls der Plenarsitzung, in der
es um die Ergebnisse der Paris-Konferenz ging, empfehlen.
Darüber haben wir hier in diesem Hause diskutiert.
Ich würde Sie gerne daran erinnern, dass die Bundesregierung
die finanziellen Aufwendungen für den Wiederaufbau
in Afghanistan verdoppelt hat; da kann ich auch
aus der Rede, die Sie gerade vorgetragen haben, zitieren.
Wir haben Konsequenzen gezogen, auch aus den Diskussionen
im Deutschen Bundestag und in der interessierten
Öffentlichkeit, in denen man sich mit der Frage
auseinandergesetzt hat: Ist die Beteiligung von über
100 KSK-Kräften am OEF-Mandat eigentlich ein Weg,
der in die richtige Richtung geht? Wenn ich es richtig in
Erinnerung habe, haben Sie selbst, als Sie vor wenigen
Minuten an diesem Pult standen, diese Entscheidung gelobt.
- Das sollten Sie sich noch einmal durchlesen.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
sind auf einem guten Weg. Wir führen hier keine Debatten
für die Galerie.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Thomas Silberhorn, CDU/
CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wie schon bei der Verlängerung des ISAF-Mandates
wird auch in Bezug auf das OEF-Mandat hin und
wieder gemutmaßt, wir würden die Mandatsdauer deshalb
auf 13 Monate festlegen, um eine öffentliche Debatte
darüber aus dem nächsten Bundestagswahlkampf
herauszuhalten.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wie bitte? Das kann ja gar nicht
sein! Das ist doch völlig undenkbar!)
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem ausdrücklich
entgegenzutreten. Niemand gibt sich der Illusion hin,
man könne eine Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr
aus der Öffentlichkeit heraushalten.
(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/
CSU])
Wir wissen, dass im nächsten Jahr in Afghanistan Präsidentschaftswahlen
stattfinden. Bei jedem Anschlag, was
Gott verhüten möge, ist eine breite öffentliche Debatte
zu erwarten. Es wäre geradezu naiv, anzunehmen, man
könne eine solche Diskussion verhindern. Wir sollten sie
vielmehr offensiv führen.
Wir müssen bei der Verlängerung dieses Mandats
aber auch deutlich machen, dass wir aus Respekt vor
dem nächsten Deutschen Bundestag
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!
Ganz genau!)
den Kolleginnen und Kollegen, die am 27. September
nächsten Jahres gewählt werden, die Gelegenheit geben
müssen, darüber zu entscheiden, ob das Mandat, das wir
heute verlängern, im nächsten Jahr nochmals verlängert
werden sollte. Es wäre für den nächsten Deutschen Bundestag
eine Zumutung, wenn dieses Haus nach der
nächsten Bundestagswahl, aber vor der Konstituierung
des dann bereits gewählten Bundestages noch einmal
eine Mandatsverlängerung beschließen würde. Es gehört
zur Selbstbescheidung der Mandatsträger, die auf Zeit
gewählt sind, diese Aufgabe dem nächsten neu zu wählenden
Bundestag zu überlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Meine Damen und Herren, die Reduzierung im Hinblick
auf den Bundeswehreinsatz im Rahmen von OEF,
sowohl was den Personalumfang als auch was das Einsatzgebiet
angeht, ist im Ergebnis eine Anpassung an die
Einsatzrealität, die nicht mit operativen Einschränkungen
verbunden ist. Wir bringen damit zum Ausdruck,
dass das OEF-Mandat teilweise dadurch ersetzt worden
ist, dass durch das ISAF-Mandat die Sicherheit in ganz
Afghanistan gewährleistet werden soll. Wir haben das
ISAF-Mandat erweitert und das Kontingent um
1 000 Soldaten aufgestockt.
Ich füge aber hinzu: Wir können uns der Gesamtverantwortung
für Afghanistan, die wir im Rahmen des
ISAF-Mandats wahrnehmen, nicht dadurch entziehen,
dass wir uns aus dem OEF-Mandat in Bezug auf Afghanistan
zurücknehmen; denn die Soldaten, die in Afghanistan
im Einsatz sind, werden als Bestandteil der internationalen
Gemeinschaft wahrgenommen. In der
Bevölkerung Afghanistans fragt niemand danach, ob ein
Soldat unter dem OEF-Mandat oder dem ISAF-Mandat
handelt. Deswegen ist es notwendig, dass wir deutlich
machen: Deutschland trägt weiterhin einen Teil der Gesamtverantwortung
der internationalen Gemeinschaft in
Afghanistan, auch wenn wir mit den 100 Spezialkräften
nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandates in Afghanistan
im Einsatz sein werden. Wie schon angeklungen ist,
können sie im Rahmen des ISAF-Mandates auch weiterhin
zum Einsatz kommen.
Ich halte es für wichtig, dass wir zum Ausdruck bringen:
Auch wenn keine deutschen Soldaten mehr im Rahmen
des OEF-Mandates in Afghanistan eingesetzt werden,
müssen wir uns dennoch weiterhin um eine
gemeinsame Zielsetzung der internationalen Gemeinschaft
in Bezug auf Afghanistan, aber auch um eine abgestimmte
und gemeinsame Durchführung militärischer
Aktionen bemühen. Das betrifft auch die Herangehensweise,
die hier von manchen meiner Vorredner sehr kritisch
beleuchtet worden ist.
Ich stimme dem ehemaligen US-Botschafter John
Kornblum zu, der heute in der Frankfurter Rundschau
erklärt hat - ich zitiere -:
Verantwortung übernehmen heißt aber auch: Ein
Ziel zu definieren und es mit unterschiedlichen, abgestimmten
Mitteln zu verfolgen.
Vernetzte Sicherheit aus zivilen und militärischen Mitteln
- das ist genau der Ansatz, den wir in der NATO mit
Erfolg propagiert haben, den wir aber auch in der Einsatzrealität
einlösen müssen.
Ich stelle mir allerdings schon Fragen, wenn ich
gleichzeitig lese, was der Präsidentschaftskandidat
Barack Obama am vergangenen Sonntag in der Welt am
Sonntag in einem Interview erklärt hat. Ich zitiere auch
hier:
Meine generelle Haltung ist, dass wir al-Qaida
auslöschen, Bin Laden festnehmen und töten müssen,
...
Wenige Sätze weiter führt er aus - ich zitiere wieder -:
Wir werden ihn töten oder festnehmen,
- gemeint ist Bin Laden -
ihn anklagen, zum Tode verurteilen.
Für den Fall, dass dieser Präsidentschaftskandidat der
nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
werden sollte, bitte ich Sie, Herr Bundesaußenminister,
uns eine Erläuterung dieser Aussagen des möglicherweise
künftigen Präsidenten zu geben und uns zu erklären,
(Zurufe von der SPD)
in welchem Umfang Sie eine deutsche Beteiligung am
Einsatz in Afghanistan mit dieser Zielsetzung weiterhin
für möglich und überhaupt für zulässig erachten.
Meine Damen und Herren, das Ziel unseres Einsatzes
ist nicht Rache, sondern die Stabilisierung Afghanistans
im Interesse der internationalen Sicherheit vor terroristischen
Bedrohungen, im Interesse der Sicherheit Afghanistans
vor Aufständen und Terroranschlägen und nicht
zuletzt auch im Interesse der eigenen Sicherheit. Wir
wollen den Bedrohungen dort begegnen, wo sie entstehen,
und nicht warten, bis sie bei uns sind.
Ich stimme allen Vorrednern zu, die hier erklärt haben,
dass wir eigenständige staatliche Strukturen aufbauen
müssen. Wir tun das in Afghanistan und mit zunehmendem
Einsatz auch in Pakistan. Gerade zu diesem
Zweck haben wir das zivile Engagement in Afghanistan
und jetzt auch in Pakistan deutlich ausgeweitet. Ich
glaube, das ist die beste Voraussetzung dafür, dass uns
ein Übergang von der militärischen Stabilisierung hin zu
zivilem Wiederaufbau gelingen kann. Der Militäreinsatz
ist also kein Abenteuer, sondern notwendig, um die Voraussetzung
dafür zu schaffen, dass der zivile Wiederaufbau
gelingen kann. Durch das OEF-Mandat soll sichergestellt
werden, dass das Einrichten von Rückzugsund
Aktionsräumen für Terroristen auf den Seewegen erschwert
wird und dass auch die für den Welthandel strategisch
wichtigen Seepassagen am Horn von Afrika gesichert
werden.
Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten, die sich an
dieser Aufgabe bisher mit Erfolg beteiligt haben. Wir
wollen sie weiter darin unterstützen und mit der Zustimmung
für dieses OEF-Mandat die Voraussetzung dafür
schaffen, dass die Bundeswehr weiterhin am Horn von
Afrika und im Mittelmeer erfolgreich im Einsatz sein
kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die
Linke.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es
hier darum geht, deutsche Soldatinnen und Soldaten ins
Ausland zu schicken, dann brauchen wir eine größtmögliche
Klarheit und Wahrhaftigkeit. Das ist bei dem vorliegenden
OEF-Mandat aber nicht der Fall. Im Gegenteil:
Es handelt sich im Grunde genommen um zwei
Lügen. Die Unwahrheit Nummer eins ist, dass es bei
dem Einsatz am Horn von Afrika darum gehe - 2002
wie auch heute -, Terroristen zu bekämpfen. Die Unwahrheit
Nummer zwei ist, dass die Bundesrepublik mit
dem Verzicht darauf, die Spezialkräfte der Bundeswehr,
KSK, unter dem OEF-Mandat einzusetzen, nichts mehr
mit dem Antiterrorkrieg in Afghanistan zu tun habe.
Ich bleibe bei Afghanistan. Es ist klar und folgerichtig,
das KSK nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandats
einzusetzen. Unter ISAF wird es aber schon noch eingesetzt.
Der entscheidende Punkt ist aber der: Sie weichen
dem grundsätzlichen Streit über OEF und über die Wirkung
von OEF aus. Damit billigen Sie diesen Einsatz im
Grundsatz.
Hier hieß es, es sei doch alles halb so schlimm, OEF
bedeute doch im Wesentlichen Ausbildung für die afghanische
Armee. Das wird jetzt ISAF zugeschlagen. Was
verbleibt bei OEF? Die Frage, wozu OEF in Afghanistan
überhaupt nötig ist, müssen Sie hier beantworten.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Die Auskunft der NATO-Militärs ist eindeutig. Sie sagen,
dass die bösen Buben - the bad guys - aus dem
Spiel genommen werden müssen. Dafür brauche man
eben besondere Regeln, genauer gesagt, möglichst wenig
Regeln. OEF-Angehörige dürfen auch ohne begründeten
Verdacht festnehmen. Sie müssen sich nicht unbedingt
an Landesgrenzen halten, und sie können - auch
das ist hier schon gesagt worden - auf Verdacht töten.
Das macht den Unterschied aus.
Der springende Punkt ist: Die alte Arbeitsteilung
bleibt bestehen. Bei OEF geht es um den schmutzigeren
Teil der Kriegsführung, aber dies ebenfalls im Zusammenwirken
mit ISAF. Auch das lesen wir weder im
ISAF-Mandat noch im OEF-Mandat. Es geht dabei nicht
um die allgemeine Abstimmung zwischen ISAF und
OEF, und es geht dabei auch nicht um die unmittelbare
Nothilfe. Es geht durchaus auch um gemeinsame Operationen.
Vielleicht fragen Sie die Bundesregierung in den
nächsten Tagen einmal danach.
All das steht nicht in den Mandaten. Das nenne ich
eine Täuschung des Parlaments.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Was die Armada, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor der somalischen Küste betrifft, so wissen wir aus den
Unterrichtungen der Bundesregierung, dass keine Terroristen
gefangen genommen wurden. Stattdessen lesen
wir dort, dass der Terrorismus seinen Aktionsraum von
Algerien über den Maghreb bis in die Sahelzone ausgeweitet
hat. Jemen ist weiter Aktions- und Rückzugsraum
für islamistische Terroristen. In Somalia galoppiert die
Gewalt weiter.
Das ist eine ernüchternde Bilanz. Die Marinesoldaten,
die am Horn von Afrika ihren Dienst tun, können am
allerwenigsten etwas dafür. Es zeigt sich nur, dass der
Militäreinsatz das völlig falsche Mittel ist, um diese Probleme
in den Griff zu bekommen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Der Aufwand dafür ist beträchtlich. Ich habe es nachgerechnet:
Allein der deutsche Kostenanteil am OEF-Einsatz
am Horn von Afrika beträgt von 2001 bis 2008 circa
1 Milliarde Euro. Mit diesem Betrag hätte man eine
Menge für die Stabilisierung der Region machen können.
Das ist der entscheidende Punkt.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:
Was ist denn die Alternative?)
Wenigstens in einem Punkt sind Sie ehrlicher geworden.
Sie sagen jetzt, beim OEF-Einsatz am Horn von
Afrika gehe es auch darum, Handelsschiffe zu begleiten
und Marineeinheiten verbündeter Nationen im Einsatzgebiet
zu eskortieren. Das erinnert mich fatal an die Eskortierung
der US-Truppen beim Aufmarsch in den Irak.
An dieser Stelle und an diesem Tag sei es gesagt: Good
bye and see you again in Den Haag, Mr. Bush.
Sie sind zumindest in einem Punkt deutlicher: Der
Auftrag der Marine in Dschibuti ist die umfassende Kontrolle
der Seewege im Interesse mächtiger Industrienationen.
Aber im Mandat steht das so nicht.
Es kann auch nicht angehen, dass sich eine Handvoll
Staaten selbst den Auftrag gibt, Teile der Weltmeere systematisch
zu überwachen und zu kontrollieren. OEF ist
und bleibt in diesem Zusammenhang eine Amtsanmaßung
außerhalb des Völkerrechts. Deshalb sagt die Fraktion
Die Linke dazu entschieden Nein.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier [fraktionslos])
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Hans-Peter Bartels hat das Wort für die
SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende
Antrag der Bundesregierung stellt eine gewisse
Mandatsbereinigung dar. Das heißt, wir beschließen
das, was tatsächlich geplant ist und stattfindet, und wir
beschließen unseren Beitrag jetzt exakt für die Region,
in der dieser Beitrag tatsächlich gebraucht wird. Das ist
gut so. Denn wie beim Bundeshaushalt sollte auch bei
den Bundeswehreinsätzen gelten: Wahrheit und Klarheit.
Unser Prinzip der Parlamentsarmee bedeutet, dass der
Regierung gerade keine Blankoschecks ausgestellt werden.
Der Bundestag kann nur dann die Verantwortung
für den Einsatz militärischer Gewaltmittel übernehmen,
wenn er weiß, was wann wo von wem zu tun ist.
Ich sage ausdrücklich: Das war in der Vergangenheit
insbesondere bei der Mission OEF nicht immer so. Der
Sachverhalt, dass KSK-Spezialkräfte unter OEF in
Afghanistan eingesetzt wurden bzw. nicht eingesetzt
wurden, galt als geheim. Ob also Bundeswehrsoldaten in
diesem Mandatsrahmen seit 2001 tatsächlich im Einsatz
waren, wurde gegenüber dem Parlament - auch gegenüber
dem Verteidigungsausschuss - geheim gehalten.
Erst einer wohl unbeabsichtigten Indiskretion des Verteidigungsministers
war zu entnehmen, dass seit 2005 unsere
Beteiligung an OEF in Afghanistan praktisch erloschen
ist. In der Sache ist das absolut in Ordnung. Aber
die Geheimniskrämerei darum herum war nicht besonders
parlamentsfreundlich.
Es darf nicht - dies sage ich ganz klar - zweierlei
Bundeswehren geben: eine normale und eine geheime.
Wir müssen wissen, wofür wir als Abgeordnete die Verantwortung
übernehmen, wenn wir hier in namentlicher
Abstimmung Entsendebeschlüsse fassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des
Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Uns interessiert nicht das operative Detail oder die
taktische Planung, sondern die Frage, ob überhaupt deutsche
OEF-Soldaten ein Jahr lang im Einsatzgebiet eingesetzt
werden. Diese Frage kann und darf vor dem Parlament
und vor der deutschen Öffentlichkeit nicht
unbeantwortet bleiben. Wir haben dazu auch in dem
Untersuchungsausschuss -- das wurde bereits angesprochen
--, zu dem sich der Verteidigungsausschuss in der
Sache Kurnaz erklärt hat, diskutiert und Verabredungen
getroffen, die dieses Problem der, ich sage einmal: blinden
Flecken im Parlamentsvorbehalt hoffentlich ein für
allemal ausräumen.
Wir sind Außenminister Steinmeier und Verteidigungsminister
Jung dankbar, dass sie nun die Konsequenz
aus der Schwerpunktverlagerung in Afghanistan
gezogen haben und zu OEF dort nichts mehr beitragen.
ISAF ist inzwischen im ganzen Land präsent. Unser
Schwerpunkt liegt auf ISAF, insbesondere auf dem Regionalkommando
Nord. Die Doppelstruktur von NATO
und US-geführter Antiterroroperation OEF ist historisch
gewachsen. Aber sie ist mehr und mehr ein Hindernis für
eine einheitliche Sicherheitsstrategie der internationalen
Gemeinschaft in Afghanistan. Das wird mittlerweile
auch auf amerikanischer Seite gesehen. Egal wie die
Präsidentenwahl heute Nacht ausgeht, es wird Anstrengungen
zu mehr Kohärenz geben müssen. Auch der neue
CENTCOM-Befehlshaber Petraeus hat sich schon in
diese Richtung geäußert.
Meine Damen und Herren, die Fortsetzung unserer
Beteiligung an der Seeraumüberwachung am Horn von
Afrika sollte unstrittig sein. Die deutsche Marine mit ihren
Fregatten, Versorgern, Hubschraubern und Aufklärungsflugzeugen
leistet hier einen kontinuierlichen, guten,
hoch anerkannten Beitrag fern der Heimat. Wären
die Verbündeten nicht da, wären die Verbindungswege
der Terroristen schnell wiederhergestellt. Deshalb sind
wir da.
Daneben wird wohl noch in diesem Jahr eine ESVPMission
zur Pirateriebekämpfung vor der somalischen
Küste starten. Daran sollten wir uns ebenfalls beteiligen.
Die Zahl der Piraterieattacken hat in den vergangenen
Monaten dramatisch zugenommen. Das Schifffahrtsbüro
der Internationalen Handelskammern in Kuala Lumpur
teilt mit, dass es seit Anfang dieses Jahres 200 Pirateriefälle
weltweit gegeben hat, davon ein Drittel im Seeraum
vor Somalia. Über 500 Seeleute sind dort als Geiseln genommen
worden. Auch Schiffe deutscher Reedereien
sind immer wieder betroffen. Dagegen müssen wir uns
zur Wehr setzen. Das sollten wir wirksam unterbinden
können. Dies mit einem eigenen Bundestagsbeschluss zu
tun, entspricht den Grundsätzen von Mandatswahrheit
und Mandatsklarheit.
(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht
doch gar nicht drin!)
Gut, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken, die es
bei den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses wohl gab,
mittlerweile ausgeräumt sind! Wir sind uns in der Koalition
einig, wenn ich das richtig sehe.
Ob man auf Dauer immer eine deutsche Doppelpräsenz
am Horn von Afrika braucht - eine Fregatte für
OEF und eine Fregatte für die Antipiraterie -, wird die
Zukunft zeigen. Man könnte sich auch vorstellen, dass
beide Mandate je nach Bedarf auf die gleichen Mittel zurückgreifen.
Ein Schiff kann ja in Sekundenschnelle einem
anderen Kommando unterstellt werden. Das wäre
eine Frage pragmatischen Ressourcenmanagements,
dem der Bundestag gewiss nicht im Wege stehen würde,
wenn die Beschlüsse klar sind und kontinuierlich informiert
wird.
Ich empfehle das von der Regierung bereinigte OEFMandat
der Zustimmung des ganzen Hauses.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht der Kollege Gert Winkelmeier.
Gert Winkelmeier (fraktionslos):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Eigentlich könnte ich heute meine Rede vom vorigen
Jahr zum gleichen Anlass halten;
(Ulrike Merten [SPD]: Zu Protokoll! --
Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie
stehlen uns die Zeit! Das ist das Wertvollste,
was es gibt!)
denn faktisch hat sich nichts geändert, außer dass nun
auch offiziell auf den KSK-Einsatz in Afghanistan verzichtet
wird. Aber sonst? Wie ein Mantra wiederholen
die Juristen der Bundesregierung seit sieben Jahren eine
falsche Behauptung, die Behauptung, dass die Resolutionen
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
1368 und
1373 die Bundesregierung und die NATO angeblich ermächtigten,
bei der Bekämpfung des Terrorismus militärische
Gewalt anzuwenden. Das wird auch durch noch
so viele Wiederholungen nicht wahrer. Mit einer solchen
Begründung würden die Hausjuristen der Bundesregierung
mit Pauken und Trompeten durch jede Staatsprüfung
fallen.
Sie berufen sich immer wieder darauf, dass in den
Präambeln der beiden Resolutionen das Recht auf
Selbstverteidigung bekräftigt wird. An dieser Stelle der
Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates hat das dieselbe
Relevanz für das Handeln der UNO-Mitglieder, als wenn
dort die Formulierung stünde, dass das schöne Wetter
begrüßt werden würde. Entscheidend ist einzig und allein,
was der Sicherheitsrat in den Beschlussteilen anordnet,
und das ist eindeutig und glasklar. Um ein Zitat
von Herrn Fischer aus dem Jahre 1994 abzuwandeln: Ich
wundere mich nicht zum ersten Mal, wie sich die Mehrheit
hier im Parlament seit Jahren an der Nase des Rechtes
auf militärische Selbstverteidigung in den globalen
Krieg gegen den Terrorismus hineinführen lässt.
Nicht ein einziges Wort ist dort zu finden, das sich
auch nur im Entferntesten als Militäreinsatz interpretieren ließe. Dort steht vielmehr die Aufforderung zur Zusammenarbeit,
um Verantwortliche und Hintermänner
der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Gericht
zu bringen und den Terrorismus mit politischen,
polizeilichen, gesetzgeberischen, rechtlichen und wirtschaftlichen
Mitteln auszutrocknen.
Auch die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles vom
4. Oktober 2001 führt die Bundesregierung wieder als
Rechtsgrundlage für den OEF-Einsatz an. Das war
nichts anderes als eine Selbstermächtigung zum Kriegführen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sicherheitsrat
bereits die zivilen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus
beschlossen. Damit war das Recht auf militärische
Selbstverteidigung nach Art. 51 der
Charta der UNO für den vorliegenden Fall ein für alle Mal beendet.
Denn es gilt nur - Zitat - "bis der Sicherheitsrat ... die
erforderlichen Maßnahmen getroffen hat". Dies hatte er
mit den Resolutionen 1368 und 1373 getan. Ich stelle somit
fest, dass sich Bundesregierung und Parlamentsmehrheit
nicht an Recht, Grundgesetz und Völkerrecht
halten wollen.
Das war vor der sogenannten Normalisierung und der
Enttabuisierung des Militärischen in unserem Land einmal
anders. Da galt noch - Zitat -:
Wir Deutschen haben angesichts unserer Geschichte
im 20. Jahrhundert gute Gründe, mit eigener
Beteiligung an militärischen Interventionen zurückhaltend
zu sein.
Das Zitat ist von Helmut Schmidt und in der aktuellen
Ausgabe der Zeit nachzulesen.
Wer mitten im Glashaus sitzt, der sollte übrigens nicht
mit Steinen werfen. Mit welcher moralischen Autorität
will der Finanzminister eigentlich die Schweiz in die
Nähe von Schurkenstaaten rücken, indem er das Land
auf die schwarze Liste der OECD setzen lassen will?
Das ist kein Witz. Diese Äußerung ist gemacht worden.
Etwa mit der moralischen Autorität der Bundesregierung,
die den usbekischen Geheimdienstchef in Deutschland
nach dem Motto empfängt "aber er ist unser
Schweinehund", Herrn Inojatow, der die Islamische
Dschihad-Union erfunden hat, damit der Bundesregierung
die Begründungen für den Krieg gegen den Terrorismus
nicht abhanden kommen und Herrn Schäuble
nicht die Gründe zur Verschärfung der Sicherheitsgesetze
und der Vermengung von innerer und äußerer Sicherheit?
Ich rate Ihnen: Verstecken Sie Ihre machtpolitischen
Ambitionen nicht länger hinter der fadenscheinigen Begründung,
es gehe bei OEF um Terrorismus; denn dazu
müssen Sie ständig das Recht beugen. Das wird Ihnen
eines Tages bitter aufstoßen - garantiert.
Der Einsatz der Marine am Horn von Afrika zeigt
doch exemplarisch auf, dass es um alles andere als um
Terrorbekämpfung geht. Seit Jahren ist Ihnen nicht ein
einziger Fang gelungen. Das ist auch verständlich bei
der Jagd nach Phantomen. Geben Sie einfach zu, dass es
Ihnen um die Sicherung einer der wichtigsten Seestraßen
der Welt geht und um nichts anderes. Dann könnten wir
hier im Bundestag endlich eine Debatte führen, die
schon seit Jahren überfällig ist und auf die unsere Bevölkerung
einen Anspruch hat: Welche Rolle soll und darf
die Parlamentsarmee Bundeswehr im Rahmen einer an
Recht und Verfassung ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik
spielen?
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat Henning Otte für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Henning Otte (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Erteilung eines Mandates für einen Auslandseinsatz
gehört für das Parlament des Deutschen
Bundestages nicht zum Alltagsgeschäft, sondern zu den
schwersten Entscheidungen. Es ist eine äußerst verantwortungsvolle
Entscheidung, deutsche Soldaten in den
Einsatz zu entsenden, um gemeinsam auf Basis der einschlägigen
Rechtsgrundlagen mit multinationalen Kräften
für die Schaffung und Wahrung des Friedens zu agieren.
Dieser Einsatz ist weiter notwendig, um der
asymmetrischen terroristischen Bedrohungslage entgegenzuwirken
und mit der Bekämpfung des Terrorismus
die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Daher wird
die CDU/CSU-Fraktion der OEF-Mandatsverlängerung
zustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das zu beschließende Mandat umfasst eine Reduzierung
der Einsatzstärke von 1 400 auf 800 Soldaten. Das zeigt,
dass wir lageorientiert handeln und das maximale Kontingent
entsenden.
Eine Reduzierung im OEF-Mandat und eine kürzlich
beschlossene Erhöhung des ISAF-Mandates auf
4 500 Soldaten machen deutlich, dass wir auf dem richtigen
Weg sind. Deutschland verzichtet auf einen OEF/
KSK-Einsatz in Afghanistan und verstärkt gleichzeitig,
wie beschlossen, unter dem ISAF-Mandat die Anstrengungen
zum zivilen Aufbau Afghanistans. Parallel werden
über OEF am Horn von Afrika und über Active
Endeavour im Mittelmeer der Zugang zu Rückzugs- und
Aktionsräumen und die Nutzung potenzieller Verbindungswege
zu terroristischen Gruppen verhindert sowie
der Schutz wichtiger Seepassagen für den freien Welthandel
gewährleistet. Den Terrorismus weltweit zu bekämpfen,
den zivilen Aufbau in Afghanistan zu unterstützen,
die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen, das ist
unsere Aufgabe. Dieser Aufgabe stellen wir uns, zum
Wohle und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Antiterrorkampf muss konsequent weitergeführt
werden. Die Gefahr muss weiterhin dort bekämpft werden,
wo sie entsteht. Ich danke an dieser Stelle unseren
Soldatinnen und Soldaten sowie allen zivilen Kräften,
die ihren Beitrag dazu leisten. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Meine Damen und Herren, gestern ist von Wilhelmshaven
aus die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" in
Richtung Horn von Afrika ausgelaufen, um demnächst
als Führungsschiff der OEF die Spitze der US-geführten
internationalen Überwachungsflotte zu stellen. Dies ist
auch ein sichtbares Zeichen der transatlantischen Kooperation
mit unseren verbündeten amerikanischen Freunden.
Am heutigen Wahltag wünsche ich allen US-Bürgerinnen
und -Bürgern eine gute Wahl. Wir freuen uns - unabhängig
vom Ausgang der Wahl - auf eine gute, auf eine
noch bessere Zusammenarbeit.
Aber es ist auch wichtig, dass wir in Europa unsere eigenen
Strukturen verbessern. Ich begrüße daher sehr die
Ankündigung unseres Bundesministers der Verteidigung,
eine Beteiligung der deutschen Marine am ESVPMandat
zur Bekämpfung der Piraterie zu überprüfen.
Die derzeitige Lage ist aus meiner Sicht zu verbessern.
Im Augenblick eines Überfalls gelten die allgemeinen
Grundsätze des Notwehr- und Nothilferechts. Zu diesem
Zeitpunkt könnten unsere Soldatinnen und Soldaten
noch eingreifen. Sobald der Überfall nicht mehr gegenwärtig
ist, wenn zum Beispiel die Piraten mit dem gekaperten
Schiff abziehen, ist eine Verfolgung durch deutsche
Marineeinheiten aus rechtlichen Gründen nicht
mehr möglich. Ich glaube, wir sind uns weitestgehend
einig, dass hier reagiert werden muss. Wir müssen über
eine Anpassung des Grundgesetzes nachdenken, die es
unserer Marine ermöglicht, mit eigenen Kräften gegen
Piraten vorzugehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Unseren Soldatinnen und Soldaten ist genauso wie allen
Bundesbediensteten im Auslandseinsatz ein angemessener
Rechtsschutz zu gewährleisten. Bei meinem
letzten Besuch in Afghanistan ist hier konkret Regelungsbedarf
aufgetreten. Werden Soldaten wegen einer
dienstlichen Tätigkeit im Ausland einer Straftat gegen
das Leben oder die körperliche Unversehrtheit beschuldigt,
trägt der Dienstherr nunmehr alle Kosten der
Rechtsverteidigung, sofern abschließend kein vorsätzliches
Vergehen festgestellt wird. Die jetzige Regelung
schafft Rechtssicherheit und ist ein wesentlicher Beitrag
zum Rechtsfrieden unter den Soldaten. Auch hier danke
ich unserem Verteidigungsminister dafür, dass er diese
Rechtsschutzlücke so schnell geschlossen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Neben der erfolgten Verbesserung des Rechtsschutzes
halte ich es für notwendig, auch bei den seit 1995 unveränderten
Auslandsverwendungszuschlägen eine Verbesserung
zu erzielen. Die Auslandseinsätze unserer
Soldaten erfolgen nicht allein wegen eines Auslandsverwendungszuschlages,
sondern aus Überzeugung im Einsatz
für unsere Bundesrepublik. Die finanzielle Anerkennung
dieser auch lebensgefährlichen Einsätze darf
aber nicht unterschätzt werden. Sie muss deshalb nicht
nur der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch der
Gefahrenlage angepasst werden.
Ich habe daher gefordert, dass die Zahlungen, orientiert
am Gefährdungsgrad, angepasst werden. Ich freue
mich, dass das Verteidigungsministerium hierzu einen
Vorschlag unterbreitet hat. Konkret geht es in Anbetracht
der gestiegenen Gefahr für Leib und Leben der Soldatinnen
und Soldaten zum Beispiel in der höchsten Gefahrenstufe
um eine Anhebung von derzeit 92,03 Euro auf
110 Euro. Es wäre ein richtiges Signal, wenn das Finanzministerium
diese notwendige und angemessene Erhöhung
in der aktuellen Haushaltsplanung berücksichtigen
würde.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, am 24. Oktober
fand in Zweibrücken die Trauerfeier für zwei gefallene
Soldaten statt. Die Teilnahme an der Feier hat
mir einmal mehr verdeutlicht, welche Gefahren und Risiken
die Auslandsmandate beinhalten und wie wichtig
es ist, den Sinn dieser Einsätze zu verdeutlichen. Unsere
Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen.
Ich bin mir sicher, dass wir alles unternehmen, um für
unsere Soldaten im Einsatz den größtmöglichen Schutz
zu gewährleisten. Eine absolute Sicherheit jedoch kann
gerade in einer asymmetrischen Bedrohungslage niemand
garantieren. Für uns ergibt sich daraus die Verpflichtung,
unseren Kräften die größtmögliche Unterstützung
zu bieten und klar zum Ausdruck zu bringen,
dass der Deutsche Bundestag hinter der verdienstvollen
Arbeit unserer Soldaten sowie der zivilen Kräfte steht.
Dass die Fraktion Die Linke oder der fraktionslose
Vorredner durch populistische Reden diese schwierige
Aufgabe für sich instrumentalisieren möchte, ist verantwortungslos.
Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrer Verantwortung
für eine friedliche Weltordnung und zu den
daraus resultierenden Verpflichtungen. Wir werden der
Fortsetzung der deutschen Beteiligung an OEF daher zustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Damit schließe ich die Aussprache.
Es ist zwischen den Fraktionen verabredet, die Vorlage
auf Drucksache 16/10720 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. (...)
Quelle: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, Deutscher Bundestag -- 16. Wahlperiode -- 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008, S. 19754-19768
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