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Kiew und die Krim auf getrennten Wegen

EU und USA verschärfen Sanktionen gegen Russland / Moskau strich Ukraine Preisnachlass für Erdgas

Von Klaus Joachim Herrmann *

Mit einem Abkommen band sich die Ukraine enger an die EU. Die Krim trat auch vertraglich der Russischen Föderation bei.

Die Unterzeichnung der Gesetze über den Beitritt der Krim und Sewastopols zu Russland war Präsident Wladimir Putin am Freitag die Kulisse des Jekaterinensaals im Kreml wert. Nach vorheriger Zustimmung beider Kammern des Parlaments war der Beitritt vollzogen. Eine Übergangsperiode bis 1. Januar 2015 dient der »Lösung verschiedener Fragen«.

Etwa zeitgleich unterzeichneten in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs sowie der ukrainische Übergangspremier Arseni Jazenjuk ein Abkommen zur engeren politischen Zusammenarbeit. »Die Europäische Union steht an der Seite der neuen Ukraine«, versicherte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

Die Sanktionsliste der EU gegen Russland wurde um zwölf auf 33 Personen mit Einreiseverboten in die EU und Kontensperrungen verlängert. Betroffen sind mit Vizepremier Dmitri Rogosin, der Präsidentin des Föderationsrats Walentina Matwijenko und Duma-Präsident Sergej Naryschkin Personen aus Putins unmittelbarer Umgebung. Auch US-Präsident Barack Obama weitete Sanktionen gegen Personen aus. Zudem wären ab sofort auch Strafmaßnahmen gegen ganze russische Wirtschaftszweige möglich.

Als Reaktion verhängte Moskau erst einmal Einreisesperren gegen neun USA-Vertreter, darunter den republikanischen Senator John McCain und den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, John Boehner. Auf eine Ausweitung wurde nach der Verschärfung vorerst verzichtet.

Gute Nachricht kam vom Pentagon. Die russische Führung habe dem US-Verteidigungsministerium militärische Zurückhaltung in der Ukraine zugesagt, hieß es. Die Truppen an der ukrainischen Grenze hätten nicht die Absicht, sie zu überschreiten, habe der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu seinem Kollegen Chuck Hagel versichert.

Großzügig und in Feierlaune verzichtete Moskau erst einmal auf eine Visapflicht für Bürger der Ukraine. Ganz unbeachtet lassen mochte Wladimir Putin westliche Strafmaßnahmen jedoch nicht. So wird ihn die von westlichen Sanktionen betroffene Bank »Rossija« künftig mit seinem Gehaltskonto zu ihren Kunden zählen. Auf Visa- und Mastercard muss er verzichten, die haben ihre Dienste für die Kunden der Bank eingestellt.

Auch Russland machte Rechnungen auf. So bezifferte Moskau die Schulden der Ukraine auf 16 Milliarden Dollar. Gestrichen wurde ein Nachlass für Erdgas in Höhe von 100 Dollar je 1000 Kubikmeter. Der sei für die Nutzung eines Marinestützpunkts auf der Krim gewährt worden, jetzt aber sei die Schwarzmeerflotte ja in Russland, meinte der Kreml.

Kiew, das auf 145 Milliarden Dollar Auslandschulden sitzt, hofft nun auf schnellen Abschluss der Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die Bundesregierung setze sich intensiv für eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine ein, verlautete aus Berlin.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 22. März 2014


Hoffen auf die OSZE

Berlin drängt auf Mission

Von Olaf Standke **


Angela Merkel setzt in der Krim-Krise weiter auf eine OSZE-Mission. Daran werde intensiv gearbeitet, sagte die Kanzlerin am Freitag nach Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton beauftragt, Unterstützungspläne auszuarbeiten. Russland schließt eine Mission für die Krim aus, hält sie in der Ukraine aber für möglich, wie Außenminister Sergej Lawrow gestern im Föderationsrat wiederholte. Sie könne etwa aufklären, wie rechtsextreme Nationalisten gegen die russischsprachige Bevölkerung vorgehen. Schon vor einigen Tagen hatte Moskau die OSZE ins Spiel gebracht, um die Todesschützen auf dem Kiewer Maidan zu ermitteln. Als jedoch Angehörige einer von der Ukraine noch vor dem Krim-Referendum angeforderten Mission die Halbinsel betreten wollten, wurde das von prorussischen Bewaffneten verhindert.

Gleich nach Beginn der Krim-Krise hatte der turnusmäßige OSZE-Vorsitzende und Schweizer Außenminister Didier Burkhalter den Berner Diplomaten Tim Guldimann, amtierender Botschafter in Berlin, als Sonderbeauftragten in die Ukraine entsandt. Das Projektbüro der Organisation in Kiew wurde personell verstärkt, wobei die meisten der 60 Mitarbeiter Ukrainer sind. Burkhalter nannte das Referendum einen Bruch des internationalen Rechts. Doch dürfe die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nicht das Ende der Krisendiplomatie bedeuten. Ein offener, ehrlicher Dialog und entschlossene Bemühungen zum Brückenschlag seien »jetzt wichtiger denn je«.

Die OSZE scheint dazu besonders geeignet, sind doch alle Akteure, auf die es jetzt ankommt, Mitglieder – ob Russland und die Ukraine oder die USA und die EU-Staaten. Der Organisation mit 2100 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 145 Millionen Euro gehören inzwischen 57 Staaten an. Die Nachfolgerin der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) versteht sich als stabilisierender Faktor auf dem Kontinent. Basierend auf Kapitel VIII der UN-Charta soll sie als erster internationaler Ansprechpartner bei Konflikten in ihrem Wirkungsbereiches agieren. Die Aktivitäten gehen auf die drei Körbe der KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) zurück. Die OSZE spricht von der politisch-militärischen, der Wirtschafts- und Umwelt- sowie der humanitären bzw. Menschenrechtsdimension. Doch verhindert die Konsenspflicht immer wieder Entscheidungen; auch der letzte Gipfel 2010 blieb ergebnislos.

Neben dem Generalsekretariat und einem wöchentlich tagenden Ständigen Rat in Wien gibt es u.a. den jährlichen Ministerrat, die Parlamentarische Versammlung, das Forum für Sicherheitskooperation, ein Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte, den Hohen Kommissar für nationale Minderheiten und einen Beauftragten für die Freiheit der Medien. OSZE-Mitarbeiter sind in Absprache mit den jeweiligen Regierungen zur Zeit in mehreren Ländern aktiv, mit Missionen wie in Bosnien-Herzegowina und Mazedonien oder mit Büros bzw. Zentren zur Konfliktvermeidung und -bewältigung wie in Armenien und Aserbaidshan. Insgesamt gibt es 15 sogenannte Feldoperationen; die größte Mission in Kosovo zählt knapp 170 internationale Mitarbeiter. Zudem entsendet die OSZE Wahlbeobachter. Die Einladung zum Referendum auf die Krim hatte die Organisation aber abgelehnt.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 22. März 2014


Bratislava und Prag sorgen sich um Folgen der Krimkrise

Fico nennt Sanktionen gegen Russland "unsinnig", Sobotka beugt sich nur mit Skepsis und Zurückhaltung

Von Jindra Kolar, Prag ***


Ernsthafte Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat die EU beim Gipfel in Brüssel noch nicht beschlossen. Nicht zuletzt, weil manche ihrer Mitglieder ernsthafte Bedenken haben.

»Die Slowakei kann keine unsinnigen wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland unterstützen, weil uns das selbst unglaublich schaden würde«, zitierte die Nachrichtenagentur TASR den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Die Ukraine, die bisher ihre Schulden bei Russland nicht bezahlt habe, wolle nun der EU auf der Tasche liegen. Er betrachte es als »schweren Fehler, wenn jetzt die EU der Verantwortung für die Ukraine übernimmt«, sagte Fico, der sich am 29. März einer Stichwahl ums Präsidentenamt stellen muss. Die Slowakei ist ebenso wie die benachbarte Tschechische Republik und andere EU-Staaten, die einst dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) angehörten, wirtschaftlich eng an Russland gebunden. Ernsthaften Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland, denen sich Tschechien und die Slowakei als Mitgliedstaaten wohl oder übel anschließen müssten, sieht man daher sorgenvoll entgegen.

Nicht nur, dass beide Länder ihre Energieressourcen aus dem Osten beziehen, Russland ist auch sonst einer ihrer wichtigsten Handelspartner. Nach Russland gehen beispielsweise 5 Prozent der in der Tschechischen Republik produzierten Waren. Vor allem die Automobilindustrie ist daran beteiligt. Experten befürchten schon jetzt einen Verlust von 30- bis 40 000 Arbeitsplätzen, sollte der große Nachbar im Osten mit Sanktionen belegt werden.

Der Wirtschaftsexperte der UniCredit Bank Prag, Pavel Sobisek, befürchtet einen Rückfall in die Rezession der vergangenen Jahre. »Die Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden bei uns zu einem Wachstumsverlust von 0,5 Prozent führen«, erklärte Sobisek, damit wären alle Bemühungen der vergangenen zwei Jahre, die Wirtschaft zu konsolidieren, vergebens.

Auch tschechische Investoren, die sich in Russland engagiert haben, fürchten um ihre Gewinne wie überhaupt um ihr Eigentum. Otto Danek, Präsident der Vereinigung der Exporteure, sieht vor allem die Gefahr, dass im Falle ernsthafter Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU einerseits und Russland andererseits Moskau eine Verstaatlichung ausländischer Firmen anordnen könnte. »Wir haben 70 Milliarden Kronen (2,6 Milliarden Euro) in Russland investiert und könnten einen solchen Verlust nicht kompensieren«, erklärte Danek.

Grund genug, dass auch die Prager Politik skeptisch ist. Noch zu Monatsbeginn erklärte der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka, seine Regierung werde unabhängig davon, wie die Entscheidung über die Krim und die Auseinandersetzungen in der Ukraine ausfallen, von sich aus keinen Boykott und keine Sanktionen gegen Moskau verhängen. Nur mit Skepsis und Zurückhaltung beuge man sich der EU-Solidarität. Tschechien, sagte Premier Sobotka, werde sich weiterhin für eine diplomatische Lösung des Konflikts um die Ukraine einsetzen.

Präsident Milos Zeman sprach sich zwar gegenüber dem Internetportal aktualne.cz für die schnellstmögliche Aufnahme der Ukraine in die EU aus, denn »das wäre die einzige Möglichkeit, die Ukraine zum gleichberechtigten Partner Russlands werden zu lassen«, doch forderte er die Führung in Kiew auf, sich von »faschistischen Extremisten« zu trennen und das Land zu föderalisieren. Was die Krim betrifft, sei sie nie ukrainisch gewesen.

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 22. März 2014


Putschisten als Partner

EU unterzeichnet ersten Teil von Assoziierungsabkommen mit ukrainischen Machthabern. Russische Föderation ratifiziert Beitritt der Krim. Sanktionsspirale dreht sich

Von André Scheer ****


EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und der ukrainische Regimechef Arseni Jazenjuk haben am Freitag den politischen Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine unterschrieben. »Das ist ein Zeichen unserer Solidarität mit dem Volk der Ukraine, unserer Unterstützung für seine Hoffnungen und für seinen Durst nach Veränderungen«, erklärte Van Rompuy anschließend in Brüssel. Er vertraue darauf, daß Jazenjuk mit seiner Regierung auf dem Weg »ökonomischer und demokratischer Reformen« weitergehe. In dem Papier verpflichtet sich die Ukraine unter anderem zur Respektierung der Menschenrechte. Trotzdem verzichtete der ebenfalls nicht gewählte Ratspräsident auf jeden Hinweis darauf, daß sein Vertragspartner Jazenjuk durch einen verfassungswidrigen Regierungswechsel an die Macht gekommen und bis heute nicht durch Wahlen legitimiert ist. Auch die Präsenz von Faschisten in dessen Kabinett war Van Rompuy keine Erwähnung wert, ebenso wenig wie die anhaltenden Übergriffe auf Journalisten und Gegner des neuen Regimes in der Ukraine.

Noch vor wenigen Wochen hatte die EU auf die Bremse getreten. Die Gespräche über das Abkommen sollten nicht mit der aktuellen »Übergangsregierung«, sondern erst mit einer neu gewählten und von der Bevölkerung legitimierten Führung aufgenommen werden, zitierte die Nachrichtenagentur AFP am 24. Februar einen Sprecher der EU-Kommission. Im November 2013 hatte die damalige ukrainische Regierung die Verhandlungen um das Assoziierungsabkommen gestoppt, weil dieses nach Ansicht von Staatschef Wiktor Janukowitsch für das Land wirtschaftliche Nachteile bedeutet hätte. Die Opposition nahm das zum Anlaß für ihren wochenlangen Protest auf dem Maidan in Kiew, der schließlich zum gewaltsamen Sturz des gewählten Präsidenten führte und auch Vertreter der faschistischen »Swoboda«-Partei in die Regierung brachte.

In Moskau ist unterdessen am Freitag die Ratifizierung des Beitritts der Krim und der Stadt Sewastopol zur Russischen Föderation abgeschlossen worden. Die mehrheitlich von russischstämmigen Bürgern bewohnte Region hatte dies nach dem Putsch in Kiew und dem Beginn antirussischer Übergriffe beschlossen. Am Freitag morgen ratifizierte nun der Föderationsrat einstimmig den am Montag unterzeichneten Vertrag über die Aufnahme des Gebiets. Anschließend unterschrieb Präsident Wladimir Putin das entsprechende Gesetz. Rußland hat somit nun 85 statt 83 »Föderationssubjekte«.

Für die als Reaktion darauf von der EU und den USA verabschiedeten Strafmaßnahmen hat Putin öffentlich nur ein müdes Lächeln übrig. Er habe bislang kein Konto bei der Bank Rossija gehabt, die auf der Sanktionsliste der USA steht, sagte er am Freitag, »aber ich werde am Montag eines eröffnen«. Er wolle sein Gehalt dorthin überweisen lassen.

Weniger humorvoll reagierte das Außenministerium in Moskau auf die Sanktionen und kündigte an, diese mit gleicher Münze heimzuzahlen. »Wir bleiben natürlich nichts schuldig und antworten mit aller Härte«, kündigte der Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch an. Wie die Agentur dpa meldete, hat Rußland aus den USA unter anderem den republikanischen Senator John McCain und den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, John Boehner, auf die eigene Sanktionsliste gesetzt.

**** Aus: junge Welt, Samstag, 22. März 2014


Schwarzer Pjotr

Klaus Joachim Herrmann über die Strafmaßnahmen der EU *****

Mit Sanktionen will der Westen nicht zuerst Russland und schon gar nicht sich selbst schaden. Dazu sind sie auch zu lau. Russen, die auf sich halten, möchten ja sogar auf die Liste. Was hatte da im Kalten Krieg um die Mitte der 1960er Jahre das Röhrenembargo für ein Format – wenn es auch in großen Geschäften der Bundesrepublik mit der Sowjetunion endete.

Brüssel und Washington geht es um öffentliche Zurschaustellung des Schuldigen und damit Verlierers. Das Muster ist dem Spiel entlehnt, das hier Schwarzer Pjotr heißen sollte. Denn selbstgefällig straft der Westen Russland in Stufe eins, zwei, drei – und scheint zu siegen. Doch an der ukrainischen Krise haben auch EU und USA größten schuldhaften Anteil. In mancher Einfalt, doch absichtsvoll und rücksichtslos destabilisierten sie inmitten Europas drauf los, bestimmten fremde Machtorgane nach eigenem Gefallen. Der Hinweis »selbst ernannt« galt nach demokratisch höchst zweifelhaften Vorgängen zuerst in Kiew, dann auf der Krim.

Die ukrainische Tragödie hat nicht nur einen Mitspieler. Sie lässt sich nicht nach Gut und Böse besetzen. Mit der EU, Russland und den USA zerren drei Mächte an einem Land. Das ist so ungefestigt und brüchig, dass es jederzeit zerfallen kann. Statt zweifelhafte Strafen als Persilschein zu ersinnen, sollten lieber alle den gemeinsamen Ausweg suchen.

***** Aus: neues deutschland, Samstag, 22. März 2014 (Kommentar)


Militarisiert

EU-Abkommen mit Ukraine unterzeichnet

Von Arnold Schölzel ******


Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat nannte die am Freitag vollzogene Unterzeichnung von Teilen des Assoziierungsabkommens zwischen EU und der Ukraine vorab »einen deutlichen Schritt der Eskalation«. Ex-US-Außenminister Henry Kissinger warnte bereits vor Wochen davor, die Ukraine zum Zankapfel zwischen Ost und West zu machen, und schrieb: »Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Strategie; es ist ein Alibi für die Abwesenheit einer Strategie.« Der ehemalige Kanzlerberater Horst Teltschik monierte jüngst mit Blick auf Angela Merkel, telefonieren ersetze nicht die Nutzung vorhandener gemeinsamer Beratungsgremien. Er und andere wiesen darauf hin: Die Dame im Kanzleramt brachte es fertig, in Moskau Ende 2012 vor allem über die Band Pussy Riot und im Sommer 2013 in St. Petersburg über »Beutekunst« zu reden. Zur von ihr mit ins Gespräch gebrachten NATO-Mitgliedschaft der Ukraine schreibt der Sicherheitsexperte Walther Stützle : »Geschichtsloser hätte dieses Stück Außenpolitik nicht angelegt werden können.« (Siehe »abgeschrieben« auf dieser Seite)

Nicht nur in der deutschen Exportwirtschaft grummelt es, Teile der deutschen Militär- und Sicherheitsfraktion schwanken zwischen Entsetzen und Kopfschütteln. Es handelt sich dabei nicht um Nachfolger Otto von Bismarcks, dessen »Rückversicherung« gegenüber Rußland allerdings für sie offenbar ein Maßstab bleibt. Die Abkehr von dieser Politik unter Wilhelm II. 1890, verbunden mit dem Schüren von Russenhaß, gehörte zu den imperialistischen Abenteuern, die in den Ersten Weltkrieg führten.

Das EU-Assoziationsabkommen steht in der Reihe solcher Unternehmungen. Es ist fast nebensächlich, daß es mit einer illegitimen Regierung, in der Faschisten sitzen, geschlossen wurde. Charakteristisch ist eher, daß der ukrainische Unterzeichner Arseni Jazenjuk eine von US-Milliardär George Soros und dem US-Außenministerium gepäppelte Figur ist, die allen kleptokratischen Kiewer Regimes der letzten 15 Jahre gedient hat. Entscheidend ist, daß der Vertrag Resultat einer Außenpolitik ist, die seit 1990 konsequent militarisiert wurde – für »unsere« Handelswege und »unsere« Rohstoffversorgung. Die Kopplung von militärischem und außenpolitischem Handeln ist nicht erst durch das jüngste Gerede über mehr deutsche Kriegsbeteiligung Maxime. Das Abkommen mit der Ukraine ist aber für jene in den östlichen NATO-Staaten und in Kiew, die auf militärische Konfrontation setzen, ein Blankoscheck. Es ist – das sehen die zitierten Experten nicht – Ergebnis eines Systemfehlers, resultiert aus der Weltordnungsmission des nach dem Sieg im Kalten Krieg außer Rand und Band geratenen Westens. Die Lunte wurde damals im Zeichen des Triumphs gelegt. Angela Merkel zündelt weiter. Ihre Politik ist so unberechenbar, daß westliche Militärs Angst bekommen – mit Recht.

****** Aus: junge Welt, Samstag, 22. März 2014


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