Sofortiger Waffenstillstand, Einhaltung des Völkerrechts, UN-Resolutionen respektieren!
Erklärungen aus der Friedensbewegung zur aktuellen Lage im Nahen Osten vom "Friedensratschlag", Attac und IALANA
Im Folgenden dokumentieren wir drei Presseerklärungen, die in den letzten Tagen aus den Reihen der Friedensbewegung veröffentlicht wurden.
Im einzelnen handelt es sich (in dieser Reihenfolge) um:
Hier geht es zu weiteren Erklärungen aus der Friedensbewegung: "Keine Waffen und keine Soldaten in den Nahen Osten"
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Empörung über Massaker von Kana
- Nicht nur vorübergehende Waffenruhe, sondern Waffenstillstand ohne
Vorbedingungen
- Konfliktgegner als Verhandlungspartner akzeptieren
- Zweistaatenlösung auf der Basis der Grenzen von 1967
- Nahost-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit
- Bundesregierung muss Einseitigkeit aufgeben
- Friedensbewegung zu Aktionen aufgefordert
Kassel, 31. Juli 2006 - Am Sonntag traf sich in Kassel der Bundesausschuss Friedensratschlag und beriet u.a. über die Lage im Nahen Osten und die Aktionen der Friedensbewegung. Unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen (Massaker von Kana) gab der Sprecher des "Friedensratschlags" folgende Erklärung ab:
Wer die israelische Politik in der Öffentlichkeit kritisiert, riskiert
hier zu Lande falsch verstanden zu werden. Das hat mit der deutschen
Geschichte und der deutschen Verantwortung gegenüber dem Existenzrecht
Israels und dem Lebensrecht der Juden dort und überall in der Welt zu
tun. Die Friedensbewegung drückt sich nicht um diese Verantwortung. Sie
ist aber auch dem Lebensrecht derjenigen Menschen verpflichtet, die -
unverschuldet - Opfer des jahrzehntelangen israelisch-palästinensischen
Konflikts geworden sind. Dazu zählt die israelische Zivilbevölkerung
genauso wie die palästinensische oder libanesische Zivilbevölkerung, die
seit Wochen unter dem Krieg leiden.
Die seit fünf Wochen dauernden israelischen Kriegshandlungen im
Gazastreifen und die fast dreiwöchigen Angriffe gegen Libanon sind weder
politisch-moralisch zu akzeptieren noch völkerrechtlich zu
rechtfertigen. Israel hat seine Kriegsziele gründlich verfehlt: Weder
konnte die Freilassung der entführten drei Soldaten herbeigebombt noch
die Beendigung der Raketenangriffe auf israelische Städte und Siedlungen
unterbunden werden. Im Gegenteil: Noch nie gingen so viele Raketen auf
Israel nieder wie in den letzten drei Wochen.
Auch wenn die Opfer der Gewalt auf beiden Seiten nicht gegeneinander
aufgerechnet werden dürfen, so ist die Asymmetrie der Opfer doch
bemerkenswert. Hunderte von Toten, darunter rund 90 Prozent Zivilisten,
und Hunderttausende von Flüchtlingen auf der einen Seite (Libanon),
knapp 50 getötete Israelis (zumeist Soldaten) auf der anderen Seite. Die
verheerenden Bombenangriffe auf die Ortschaft Kana am 30. Juli mit mehr
als 50 Toten, darunter überwiegend Kinder, haben alle Beteuerungen der
israelischen Regierung, es würden keine Zivilisten und keine
Infrastruktur angegriffen, erneut Lügen gestraft. Die allseitige
Empörung über das "Massaker" von Kana (so das Rote Kreuz) wird auch vom
Bundesausschuss Friedensratschlag geteilt. Wenn der Krieg jetzt nicht
gestoppt wird, ist die Gewalt im Nahen Osten nicht mehr begrenzbar.
Die von der israelischen Regierung angekündigte 48-stündige "Aussetzung
der Luftangriffe" auf Ziele im Südlibanon ist völlig unzureichend.
Israel behält sich damit alle anderen militärischen Schritte vor.
Insbesondere die Aufforderung an die Bevölkerung des Südlibanon, das
"Kampfgebiet" zu verlassen, deutet darauf hin, dass die Luftangriffe
nach zwei Tagen wieder aufgenommen werden sollen. Nötig ist demgegenüber
ein sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand, der von Israel,
Hamas und der Hisbollah eingehalten wird.
Erst wenn die Waffen schweigen, können die Konfliktparteien verhandeln.
Dabei darf keine Seite ausgeschlossen werden. Die von Hamas gestellte
Regierung der Palästinenserbehörde ist als Verhandlungspartner genauso
zu akzeptieren wie die Hisbollah als Teil der libanesischen Vertretung.
Verhandlungen selbst müssen auf der Grundlage der von den Vereinten
Nationen bestätigten Grenzen von 1967 (UN-Resolution 242) geführt
werden. Einseitige Grenzziehungen, Festlegungen von "Sicherheitszonen"
oder andere faits accomplis dürfen als Vorbedingungen nicht verlangt
werden.
Die internationale Gemeinschaft (das sog. Nahost-Quartett bis zum
UN-Sicherheitsrat) sollte den Druck auf die Konfliktparteien,
insbesondere auf Israel erhöhen, um solche Verhandlungen zu ermöglichen.
Wünschenswert wäre mittelfristig die Einrichtung einer Konferenz für
Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten, unter Einschluss Syriens
und Irans. Die völkerrechtlich verbindliche Anerkennung einer
Zweistaatenlösung durch alle Staaten der Region ist eine wesentliche
Grundlage für die Lösung des Nahostkonflikts.
Die Bundesregierung hat sich in der Nahostfrage meist einseitig hinter
die Aktionen Israels gestellt. Solche Einseitigkeit schadet Israel und
lähmt die deutsche Außenpolitik. Sie schadet Israel, weil sie deren
unverhältnismäßige Gewaltpolitik und illegale Besatzungspolitik
unterstützt, die ihrerseits immer wieder neue Gewalt gegen Israel
gebiert. Und sie lähmt den politischen Handlungsradius Berlins, weil
echte Vermittlungstätigkeit auf dieser Basis schwer möglich ist. Dazu
müsste Deutschland (via EU) als Mitglied des Nahost-Quartetts aber in
der Lage sein.
Die Friedensbewegung hat mit zahlreichen, meist kleineren Aktionen gegen
den israelischen Krieg im Gazastreifen und im Libanon protestiert. Sie
wird in den nächsten Tagen und Wochen weiter auf die Straße gehen,
sich in der Öffentlichkeit zeigen und - stellvertretend für viele andere
Menschen - zum Ausdruck bringen, dass es für diesen Krieg keinerlei
Rechtfertigung gibt. Jeder Tag, den dieser Krieg länger dauert,
vergrößert nicht nur das Leid der Zivilbevölkerung (auf allen Seiten!),
er vertieft auch den Hass der arabischen Welt gegen Israel - und gegen
die USA, die den Feldzug der Israelis decken.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag rechnet damit, dass die Friedensbewegung in der Nahost-Frage mehr Mut zur Aktion zeigen wird.
Es werden verstärkt Mahnwachen sein (in einigen Städten wurden sie bereits eingerichtet), es werden Demonstrationen und Kundgebungen sein, und vor allem werden es Informations- und Aufklärungsveranstaltungen sein, die überall im Land durchzuführen sind.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Erklärung von Attac zum Krieg im Nahen Osten
Die Eskalation stoppen - die eigene Verantwortung erkennen!
Mit dem Krieg im Libanon verschärft sich der israelisch-arabische Konflikt
dramatisch. Die Menschen in der Region sind unerträglichem Leiden
ausgesetzt. Angst, Verzweiflung, Zynismus und Hass werden zunehmen. Die
ganze Region wird weiter destabilisiert. Das Pulverfass des "Krisenbogens"
von Afghanistan über den Iran, den Irak bis zum Mittelmeer kann jederzeit
explodieren.
Die politischen Lösungsansätze der vergangenen Jahre - Camp David, Roadmap,
das sog. Nahostquartett - liegen unter den Trümmern von Beirut. Für die
PalästinenserInnen scheint die Lage hoffnungslos. Die Perspektivlosigkeit
und das Elend der besetzten Gebiete sind sichtbarer Ausdruck für das völlige
Versagen der sog. "internationalen Gemeinschaft." Mehr noch: nach dem
Scheitern der Konferenz von Rom und den jüngsten Auseinandersetzungen im
UN-Sicherheitsrat liegt auf der Hand, dass die dafür Verantwortlichen zur
Eskalation der Gewalt beitragen.
Wenn attac als Netzwerk für globale Demokratie und die globalen sozialen
Rechte aller sich für ein sofortiges Ende der Gewalt im Nahen Ost
ausspricht, dann nicht, weil der israelisch-arabische Konflikt der einzige
dieser Welt wäre. Religiös, nationalistisch oder rassistisch motivierte
Gewalt gibt es überall, und die sog. "internationale Gemeinschaft" versagt
nicht nur im Nahen Osten. Doch verdichten sich diese Tendenzen hier in
ebenso beispielhafter wie furchtbarer Weise. Dies gilt besonders für den
Versuch, die Politik dem Kalkül eines "Kampfs der Kulturen" zu unterwerfen.
Dessen Verwirklichung würde jede Hoffnung auf einen allen Menschen geltenden
Frieden, auf weltweite Gerechtigkeit und Demokratie auslöschen.
Uns ist bewusst, dass die Geschichte dieses Konflikts im Terror des
deutschen Faschismus eine ihrer wirkungsmächtigsten Ursachen hat.
Die Eskalation stoppen
Gewalt, Terror und Faustrecht bringen keine Lösung, sondern schaffen immer
neue Probleme. Es ist höchste Zeit, aus der Logik von Rache und Vergeltung
auszusteigen. Wer in dem Konflikt, der tagtäglich das Überleben der Menschen
im Nahen Osten bedroht, auf Sieg statt auf Verständigung, auf einseitige
Parteinahme statt auf Vermittlung setzt, bleibt in der Spirale der Gewalt
gefangen. Es geht uns nicht um wohlfeile Neutralität und schon gar nicht um
ein feiges "Sowohl-als-Auch". Im Gegenteil. Doch wir sind überzeugt, dass
die sofortige Unterbrechung der Gewalt die erste und unumgängliche
Voraussetzung einer Lösung ist. Das erfordert den größten Mut. Mehr als ein
Luftangriff oder ein Selbstmordattentat.
Die israelische Regierung missachtet das Völkerrecht und das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit
Mit ihrem Krieg gegen den Libanon bricht die israelische Regierung
Völkerrecht. Mit der Bombardierung der Zivilbevölkerung, der gezielten
Vertreibung der Menschen schiitischen Glaubens und der systematischen
Zerstörung der Infrastruktur im Libanon und Gaza missachtet sie auf
eklatante Weise das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Kaum deutlicher könnte
gezeigt werden, wie asymmetrisch der Konflikt im Nahen Osten ist. Diese
Asymmetrie ist selbst eine wesentliche Triebkraft dafür, dass die Gewalt
sich immer aufs Neue reproduziert.
Chancen für eine politische Lösung und eine Verständigung mit den arabischen
Nachbarn werden damit völlig zunichte gemacht. Ein Leben in Sicherheit, das
allein der Waffengewalt vertraut, ist auf Dauer ebenso unerträglich wie
illusorisch - in Israel so wie überall.
Die Gewalt der Hisbollah kann nicht hingenommen werden
Aber auch die Gewalt der Hisbollah kann nicht hingenommen werden. Auch sie
trifft gezielt ZivilistInnen, übrigens nicht nur in Israel. Sie ist Ausdruck
eines religiösen Fundamentalismus, der zutiefst antiemanzipatorisch ist. Er
richtet sich gegen alle, denen an einem friedlichen Zusammenleben und an
gleichen Rechten für alle Menschen gelegen ist. Doch auch hier gilt: Ein
Ende der Gewalt kann nicht durch einseitige Parteinahmen und schon gar nicht
durch Dämonisierungen erreicht werden. Es gilt, jedem religiös aufgeladenen
Rassismus entgegenzutreten - und denen, die dessen Gewalt direkt oder
indirekt für sich funktionalisieren. Unter den gegebenen Umständen schließt
das Verhandlungen allerdings nicht aus, sondern ausdrücklich und zwingend
ein. Ohne solche Verhandlungen wird auch die eventuelle Entsendung einer
UN-Friedenstruppe ihr Ziel nicht erreichen können. Die unumgängliche
Einbeziehung der Hisbollah wie der sie deckenden Regime in solche
Verhandlungen setzt allerdings voraus, dass die Gewalt auch von ihrer Seite
eingestellt wird.
Imperiale Interessen der USA
Die Bush-Administration gibt der Regierung Israels Flankenschutz. Allerdings
nicht so sehr aus Verantwortung für die Menschen in Israel, sondern aus
imperialem Eigeninteresse. Strategische Dominanz und der Zugriff auf die
Ölressourcen in der Region sind zwar nicht die einzigen, wohl aber die
leitenden Handlungsmotive der Supermacht.
Washington nimmt die Gewalt der Hisbollah zum Anlass, ihren "Krieg gegen den
Terror" auszudehnen und den "Kampf der Kulturen" erst zu schaffen, gegen den
er sich vorgeblich richtet. Mehr noch: das Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien
von Gut und Böse verbindet diese Regierung gerade mit der
religiös-fundamentalistischen Gewalt überall auf der Welt.
Die Bundesregierung hat einseitig Partei ergriffen
Die Bundesregierung äußert "Verständnis" für das israelische Vorgehen.
Obwohl klar war, dass mit solcher "Terrorbekämpfung" die Menschen im Libanon
wie in Israel zu Geiseln der Gewaltakteure auf beiden Seiten gemacht werden,
wurde die humanitäre Katastrophe in Kauf genommen. Diese Haltung ist Teil
der gesamtwestlichen Nahost-Politik, die - mit graduellen Unterschieden -
einseitig zugunsten der israelischen Regierung Partei ergreift. Gleichzeitig
ist sie Ausdruck für eine stärkere Ausrichtung der deutschen Außenpolitik an
der imperialen Strategie der USA.
Der Schulterschluss erfolgt nicht unter Zwang, sondern aus dem, was diese
Regierung "wohlverstandenes deutsches Eigeninteresse" nennt. Der
entschiedene Widerspruch gegen diese Politik ist eines unserer Hauptziele.
Nicht, weil wir das "deutsche Interesse" besser verstünden, sondern weil wir
als globalisierungskritisches Netzwerk in Deutschland den inneren
Zusammenhang von Globalisierung und Krieg zugleich lokal und global und
deshalb zuerst hier aufdecken und ihm entgegentreten wollen.
Das schließt auch ein, sich für die bedingungslose Aufnahme von Flüchtlingen
aus dem Libanon einzusetzen, denen nicht nur der sich christlich nennende
bayerische Staatsminister Beckstein die Einreise in Deutschland verweigern
will. Der religiös verbrämte Rassismus ist keine Spezialität des Nahen
Ostens, und kein Rassismus ist schlimmer als der, den man im eigenen Alltag
bekämpfen muss.
Die Gewalt der Globalisierung
Die religiös-fundamentalistische Gewalt hat ihre Wurzeln in der langen und
komplexen Geschichte des Konflikts. Der fünfzigjährige Krieg hat die
säkularen Strukturen und ihre Glaubwürdigkeit fast vollständig zerstört.
Doch ist solche Gewalt kein bloß nahöstliches Problem, sondern eine der
Folgen des weltweiten Rollback gegen säkulare emanzipatorische Bewegungen
und Perspektiven. Sie ist zugleich eine Konsequenz der neoliberalen
Globalisierung selbst, des von ihr hervorgerufenen massenhaften Elends und
der wachsenden Ausgrenzung von Millionen und Abermillionen. Immer mehr
Menschen werden um jede soziale Perspektive, um ihre Rechte und sogar -
gerade im Nahen Osten - um die Mittel eines Überlebens in Armut gebracht.
Unter dem Druck der neoliberalen Verelendung und Entrechtung scheint vielen
die Flucht in religiös aufgeladenen Nationalismus und Rassismus die letzte
Möglichkeit politischer Selbstbehauptung zu sein. Diesem Irrtum verfallen
übrigens nicht nur die "Verlierer" der Globalisierung und nicht nur Menschen
islamischer Traditionen, sondern auch deren "Gewinner", die mehrheitlich
christlichen Traditionen entstammen.
Existenzrechte
Die Anerkennung des Existenzrechts Israels, die Anerkennung des Rechts der
PalästinenserInnen auf Selbstbestimmung und die gegenseitige Anerkennung des
gleichen Rechts aller auf Sicherheit durch alle Konfliktparteien ist die
politische Grundbedingung eines Friedensprozesses.
In eigener Sache
Als BürgerInnen eines der mächtigsten Länder des Westens sind wir nicht von
Bomben und Raketen bedroht. Die Eskalation der Gewalt aber lässt uns in
gleicher Weise ohnmächtig zurück wie die Menschen in Israel, im Libanon und
in Palästina, die dort für Frieden, Demokratie und die Gleichheit der Rechte
aller streiten.
Wenn wir im folgenden einige nach unserer Wahrnehmung und Auffassung
unverzichtbare Forderungen zur Lösung des Nahost-Konflikts nennen, müssen
wir auch von dieser Ohnmacht sprechen.
Wenn die zunehmende Gewalt und die wachsende Verelendung Nationalismus,
Rassismus, Fundamentalismus und einen angeblichen "Kampf der Kulturen"
scheinbar plausibel werden lassen, dann werden die Chancen für eine andere
Welt umso geringer. Je auswegloser das Politische in ethnische, nationale,
rassistische Kategorien gezwungen wird, in desto weitere Ferne rückt die
Befreiung von Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung.
Eine andere Welt aber kann nicht von Regierungen eingefordert, sie muss
erstritten werden. Hier, in Israel, im Libanon und in Palästina, nicht von
oben, sondern von unten, von uns. Deshalb machen Forderungen an die
kriegführenden Mächte und ihre Verbündeten nur Sinn, wenn unsere Solidarität
mit den Opfern praktisch wird. Das führt über Erklärungen wie diese, über
Appelle an Minister und Generäle hinaus
Wir selbst sind es, die zur solidarischen Zusammenarbeit und zum offenen
Austausch mit denen aufgefordert sind, die sich vor Ort gegen den Krieg und
die Ursachen des Krieges wehren, in Israel, im Libanon, in Gaza und der
Westbank. Wir sind es, die unmittelbar auch zur materiellen Unterstützung
derer aufgeordert sind, die im Augenblick zunächst einmal die humanitäre
Katastrophe abzuwehren suchen. Dabei spielt die Zeit so lange gegen uns, als
Bomben und Raketen auf den Libanon, auf Israel und auf Gaza niedergehen.
Deshalb kommt dem Ende der Gewalt höchste Dringlichkeit zu: auch wenn ein
Ende der Gewalt noch lange keinen Frieden bedeuten wird.
Von den Kriegsparteien fordern wir:
-
einen sofortigen Waffenstillstand,
-
die Respektierung von Völkerrecht und Menschenrechten,
-
den sofortigen Beginn von Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch.
Von der Bundesregierung:
-
sich eindeutig und unmissverständlich zur Unverletzlichkeit der
libanesischen Grenzen zu bekennen,
-
jegliche Rüstungslieferungen incl. atomwaffenfähiger U-Boote in die Region
sofort zu stoppen,
-
Unterstützung einer "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Nahost"
(KSZNO) bei der alle Konfliktparteien vertreten sein müssen, einschließlich
der palästinensischen Autonomiebehörde, der Hisbollah, der libanesischen
Regierung, Syrien und Iran. Ziel ist eine systematische Abrüstung und eine
atomwaffenfreie Zone in Nahost,
-
ein humanitäres Sofortprogramm für die Verletzten, Obdachlosen und
Flüchtlinge im Libanon.
Attac Deutschland, 28. Juli 2006
Pressemitteilung der IALANA zum Krieg Israels gegen Libanon
Zurück zur Vernunft!
Der Angriff der Israelischen Armee auf Libanon ist völkerrechtswidrig. Dazu darf - auch vor dem Hintergrund der Verbrechen des Holocaust und der leidvollen Geschichte Israels - niemand schweigen, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme der Deutschen Sektion der Juristenorganisation IALANA (Präsident der internationalen Vereinigung ist der frühere Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag Judge Christopher Weeramantry.)
Eine Israel den Einsatz militärischer Mittel gestattende Resolution des Sicherheitsrates (Art. 42 UN-Charta) gebe es nicht. Insbesondere könne sich die Israelische Regierung nicht auf die Resolution 1559 aus dem Jahr 2004 berufen, mit der die libanesische Regierung aufgefordert wurde, die auf ihrem Gebiet agierenden Hisbollah-Milizen aufzulösen und zu entwaffnen. Diese Resolution ermächtige gerade nicht zum militärischen Eingreifen. Zudem verwundere die Berufung Israels auf diese UN-Resolution. Denn Israel selbst missachte seit Jahren alle UN-Resolutionen, die die israelische Armee zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufforderten.
Auch ein Fall der Selbstverteidigung Israels liege in diesem Krieg nicht vor. Denn die Entführung zweier israelischer Soldaten durch Unbekannte könne - jedenfalls bislang - nicht der libanesischen Staatsführung zugerechnet werden. Gleiches gelte für die in Reaktion auf die gewaltförmigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen zwischen der Besatzungsmacht Israel und den Palästinensern erfolgten Abschüsse von Raketen durch Unbekannte vom libanesischen Staatsgebiet aus. Eine Verantwortlichkeit für diese den Hisbollah-Milizen zugeschriebenen verbrecherischen Terrorangriffe auf israelische Siedlungen könne bislang der libanesischen Regierung ebensowenig nachgewiesen werden wie den dort befindlichen UN-Truppen, die diese nicht hätten unterbinden können.
Auch ein Fall der Selbstverteidigung Israels liege in diesem Krieg nicht vor. Denn die Entführung zweier israelischer Soldaten durch Unbekannte könne - jedenfalls bislang - nicht der libanesischen Staatsführung zugerechnet werden. Gleiches gelte für die in Reaktion auf die gewaltförmigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen zwischen der Besatzungsmacht Israel und den Palästinensern erfolgten Abschüsse von Raketen durch Unbekannte vom libanesischen Staatsgebiet aus. Eine Verantwortlichkeit für diese den Hisbollah-Milizen zugeschriebenen verbrecherischen Terrorangriffe auf israelische Siedlungen könne bislang der libanesischen Regierung ebensowenig nachgewiesen werden wie den dort befindlichen UN-Truppen, die diese nicht hätten unterbinden können.
Zudem verletze die Art des militärischen Vorgehens Israels zentrale Grundsätze des humanitären Kriegsvölkerrechts ("ius in bello"). Der israelische Waffeneinsatz missachte das strikte Gebot der Unterscheidung zwischen Kämpfenden (Kombattanten) und der Zivilbevölkerung. Wer Bomben und Artilleriegeschosse gegen von der Zivilbevölkerung bewohnte Städte und Dörfer einsetze, handele verbrecherisch. Staatsterrorismus sei nicht weniger verwerflich als Anschläge nicht-staatlicher Akteure gegen die Zivilbevölkerung. Wenn beim Einsatz solcher Waffen nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterschieden werden könne, gebe es nach dem geltenden Völkerrecht nur eine legale Konsequenz: Sie dürften nicht eingesetzt werden.
In jedem Falle verletzten die Kriegshandlungen Israels zudem den völkerrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In Relation zu der Entführung zweier Soldaten durch Unbekannte handele es sich um eine maßlose Überreaktion der israelischen Armee, der nunmehr bereits mehr als 200 Zivilisten zum Opfer gefallen seien.
Die Juristenorganisation fordert
-
einen unverzüglichen Waffenstillstand, der von UN-Einheiten zu überwachen ist sowie
- die baldmöglichste Einberufung einer „Konferenz für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten" (KSZNO) durch die UNO unter Einbeziehung aller involvierten Konfliktparteien und Staaten. Die Erfahrungen mit der bedeutsamen Rolle der "Konferenz für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) bei der Überwindung des Kalten Krieges sollten dabei ermutigend wirken.
Leitprinzip für Konfliktlösung muss das von der Palme-Kommission entwickelte Prinzip der "Gemeinsamen Sicherheit" sein: Im heutigen Zeitalter der Massenvernichtungswaffen ist Sicherheit nicht mehr von dem (potentiellen) Gegner, sondern nur noch mit ihm zu erreichen. Kein Staat hat ein Recht und einen Anspruch darauf, Sicherheit auf Kosten eines anderen anzustreben.
Ziel muss sein, den gesamten Nahen Osten zu einer Region zu machen, die auf der Basis wirksamer Verifikationssysteme und entsprechender Sicherheitsgarantien frei von allen Massenvernichtungswaffen ist und die eine umfassende wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit anstrebt und praktiziert. Dazu gehören sowohl die verlässliche Sicherung der Existenzrechte des Staates Israel und eines palästinensischen Staates als auch die Lösung der wichtigsten sozialen Fragen (Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen, wirtschaftliche Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit).
Es gibt auch in dieser so hasserfüllten Region keine Alternaive zu einem Weg des Dialogs und des Ausgleiches:
Zurück zur Vernunft!
Marburg, 20. Juli 2006
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