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Kolumbien: Chronik wichtiger Ereignisse

November/Dezember 2008


Samstag, 1. November, bis Sonntag, 16. November
  • Der seit dem 15. September andauernde Streik der Zuckerrohrschneider war nach 56 Tagen (am 10. November) zumindest teilweise von Erfolg gekrönt. Es sollen 11,5 % mehr Lohn gezahlt werden, sowie ein Fond für den Wohnungsbau eingerichtet und Stipendien für die Familien der Zuckerrohrschneider angeboten werden. Außerdem wird der 8-Stunden-Tag eingeführt (mit maximal zwei Überstunden). Eine Zerschlagung der Arbeitskooperativen und direkte Arbeitsverträge konnten jedoch nicht erreicht werden. Somit sind die gewerkschaftliche Organisierung und reguläre Tarifabschlüsse weiterhin unmöglich.
  • Am 10. November setzte sich ein großer Protestzug von Indigenen, Bauern, Afroamerikanern, Zuckerrohrarbeitern und Mitgliedern aus anderen sozialen Bewegungen vom Cauca aus Richtung Bogotá in Bewegung, um auf ihre Benachteiligung und gesellschaftliche Ausgrenzung aufmerksam zu machen. Auf der Strecke schlossen sich immer mehr Menschen an, sodass am 20.11. in Bogotá ca. 15 000 ankamen. Mit einer Großdemonstration mit 30 000 bis 40 000 TeilnehmerInnen wurde der Protest am 22.11. vorläufig beendet, jedoch wurde vereinbart, am 12. Oktober 2009 einen „Kongress der MINGA der Völker“ zu veranstalten und bis dahin den Aufbau einer breiten sozialen Bewegung heranzutreiben.
  • Die bisher geduldeten Pyramiden-Systeme sind seit dem Zusammenbruch mehrerer Institute im Südwesten des Landes verboten. Bei Krawallen geprellter Anleger in der zweiten Novemberwoche kamen 3 Personen ums Leben, die Regierung rief daraufhin den sozialen Notstand aus. Etwa 240 Pyramiden sind in Kolumbien aktiv, die insgesamt über bis zu 750 Millionen Euro verfügten. (siehe hierzu den Beitrag: „Eingestürzte Pyramiden“.)
  • Laut Aussage des spanischen Staatsanwalts Vicente Gonzalez am 14. November sollen die baskische Untergrundorganisation ETA und die FARC zusammenarbeiten, vor allem in Techniken zum Bombenbau. Dies belegten bei beiden Gruppen gefundene Dokumente.
Montag, 17. November, bis Sonntag, 30. November
  • Ein Vulkanausbruch hat im Südwesten Kolumbiens mehrere Schlammlawinen ausgelöst, die mindestens vier Menschen töteten. Die Toten wurden am 22.11. von Rettungskräften entdeckt, als sie das rund 300 Kilometer südwestlich von Bogotá gelegene Gebiet erreichten. Mehrere Orte waren durch weggerissene Brücken von der Außenwelt abgeschnitten.
  • In Bogotá, Manizales, Medellín und Cali sind am 28.11. Tausende auf die Straße gegangen, um die Freilassung der rund 2800 Entführten im Land (etwa ein Viertel durch die FARC) zu fordern. Ingrid Betancourt nahm zeitgleich in der spanischen Hauptstadt Madrid an einer Kundgebung teil.
Montag, 1. Dezember, bis Sonntag, 14. Dezember
  • Am 1. Dezember hat Kolumbien einen ranghohen Diplomaten aus Venezuela abberufen und ist damit seiner Ausweisung zuvorgekommen. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez warf Carlos Galvis, dem kolumbianischen Konsul in Maracaibo, Parteinahme für die Opposition vor.
  • Wie die junge Welt am 4.12.08 berichtete, konnten in dem Notebook von Raúl Reyes, das die kolumbianische Regierung bei der Militäroffensive gegen die FARC in Ecuador am 1. März 2008 beschlagnahmt hatte, keine Emails gefunden werden. Alle Texte wurden im Word-Format gespeichert, sodass nicht nachzuweisen ist, ob sie jemals versendet wurden.
  • Der Geschäftsführer der nationalen Vereinigung der Kaffeeproduzenten, Gabriel Silva, möchte Star Bucks aufkaufen, wie die Tagesschau am 5.12. schreibt. Die Starbucks-Aktie fiel von 45 auf ca. 8 Dollar, sodass der Moment laut Silva günstig wäre, um Kontrolle über das Unternehmen zu übernehmen und somit kolumbianische Kaffeebauern zu schützen.
  • 75 % der Vertriebenen in Kolumbien sind laut UNFPA, dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, Frauen, wie die kolumbianische Zeitschrift „El Espectador“ am 5.12. berichtet. 18 % der Frauen geben an, aus Angst vor sexuellem Missbrauch und Schlägen geflohen zu sein.
  • Am 10.12.08, dem 60. Jahrestag der Deklaration der Menschenrechte, steht Kolumbien in einem schlechten Licht da. Seit dem Amtsantritt Álvaro Uribes sind 14000 Kolumbianer verschwunden oder gewaltsam ums Leben gekommen, 75 Prozent der Fälle mit staatlicher Beteiligung. (siehe hierzu den Beitrag: „Tausende Morde unter Uribe“.)
Montag, 15. Dezember, bis Mittwoch, 31. Dezember
  • Am 15. Dez. verabschiedete der kolumbianische Senat eine Vorlage als Teil der politischen Reform, die besagt, dass Personen, denen frühere Verbindungen zu kriminellen Organisationen nachgewiesen werden können, nicht mehr für das Parlament wählbar sind. Damit dürften sich ehemalige Mitglieder der verschiedenen Guerilla-Organisationen, wie beispielsweise M-19, die maßgeblich bei der Verfassung von 1991 beteiligt waren, nicht mehr am politischen Geschehen beteiligen.
  • Edwin Legarda, der Ehemann von Aída Quilcue, der Indigenenführerin vom Cauca, wurde am 16.12. durch drei Gewehrkugeln von Soldaten getötet. Während das Militär angibt, Legarda hätte eine Straßensperre durchfahren, weshalb die Armee geschossen hätte, gehen Quilcue und die Indigenenorganisation CRIC von einem Attentat aus, das eigentlich sie treffen sollte. Dafür spricht auch, dass die Schüsse von mehreren Seiten gleichzeitig kamen und dem schwerverletzten Legarda nicht geholfen wurde. (siehe hierzu den Beitrag: „Drei Gewehrkugeln“.)
  • Am 21.12. verkündeten die FARC über den Radiosender Caracol, dass sie sechs Geiseln freilassen wollen. Drei Polizisten, ein Soldat, der ehemalige Gouverneur Alan Jara aus dem Staat Meta und der frühere Abgeordnete Sigifredo López sollen Anfang Januar der oppositionellen Senatorin Piedad Córdoba übergeben werden.


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