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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16. bis 30. September 2005

Freitag, 16. September, bis Sonntag, 18. September
  • Bewaffnete Männer haben am Morgen des 16. Sept. bei einem Feuerüberfall in Bagdad drei Menschen erschossen und dutzende verletzt, wie die irakische Polizei mitteilte. Die Angreifer hätten aus einem fahrenden Auto heraus auf Tagelöhner geschossen, die sich jeden Morgen auf einem Platz der Hauptstadt versammeln, sagte Polizeioberst Ahmed Abud.
  • In einer Provinz im Westen Iraks ist ein amerikanischer Marineinfanterist bei einer Explosion getötet worden. Die US-Streitkräfte erklärten am 16. Sept., der Zwischenfall habe sich am Vortag in der Nähe des Stützpunktes Camp Ramadi ereignet. Damit stieg die Zahl der getöteten US-Soldaten im Irak seit Beginn des Krieges im März 2003 nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP auf 1.899.
  • Bei einem Anschlag auf schiitische Gläubige sind am 16. Sept. im Nordirak acht Menschen getötet und 20 weitere verletzt worden. Nach Polizeiangaben sprengte ein Selbstmordattentäter sich in einem Auto in die Luft, als die Schiiten gerade eine Moschee in Tus Churmatu im Nordirak verließen. Am Mittwoch hatte ein Selbstmordattentäter in Bagdad mindestens 112 Menschen mit in den Tod gerissen. Zu den tödlichen Anschlägen der vergangenen Tage bekannte sich die irakische Splittergruppe der Terrororganisation El Kaida unter Abu Mussab el Sarkawi. Sie drohte den Schiiten mit einem "umfassenden Krieg".
  • Bei mehreren Attentaten wurden am 17. Sept. mindestens 34 Menschen getötet, darunter mindestens 30 bei einem Autobombenanschlag auf dem Marktplatz des Bagdader Vororts Nahrawan. Zudem wurden landesweit die Leichen von elf hingerichteten Menschen gefunden. Am 14. Sept. hatte der El-Kaida-Führer im Irak, Abu Mussa el Sarkawi, einen "umfassenden Krieg" gegen die Schiiten des Landes angekündigt.
    In Baakuba nördlich der Hauptstadt Bagdad explodierte ein Sprengsatz in der Nähe einer Schule, ein Zivilist wurde getötet. In Bagdad wurde eine Einheit der irakischen Polizei beschossen; dabei wurde ein Polizist getötet. Im Viertel Ghasalia erschossen Bewaffnete zwei sudanesische Fahrer, die Material für die US-Armee transportierten.
  • Den alliierten Truppen ist nach eigenen Angaben ein schwerer Schlag gegen die Terrororganisation Al Kaida im Irak gelungen. In einer Stellungnahme der US-Streitkräfte hieß es am 17. Sept., Soldaten hätten Anfang September in Mossul zwei mutmaßliche Anführer der Organisation festgenommen. Bei den Männern handele es sich um Taha Ibrahim Jassin Becher, auch Abu Fatima genannt, und Hamed Said Ismael Mustafa, bekannt als Abu Schahed. Die Streitkräfte erklärten, Abu Fatima habe die Führung der Organisation in Mossul erst im August übernommen, nachdem sein Vorgänger getötet worden war. "Die simultane Festnahme beider Anführer beschädigt die organisatorische Struktur des nördlichen Netzwerks der El Kaida im Irak", hieß es weiter.
  • Angesichts der neuen Gewaltserie im Irak hat die britische Regierung ihre Pläne aufgeben müssen, bereits ab kommenden Monat die Zahl ihrer in dem Land stationierten Soldaten schrittweise zu reduzieren. Wie die britische Zeitung "Sunday Telegraph" am 18. Sept. unter Berufung auf ungenannte Armeevertreter berichtete, sollen stattdessen 6000 Mitglieder der 7. Panzerbrigade zum zweiten Mal seit ihrem Kriegseinsatz vor zweieinhalb Jahren in den Irak zurückkehren. Laut "Sunday Times" fürchtet die britische Regierung, dass der Irak derzeit auf einen Bürgerkrieg zusteuert.
  • Irakische Rebellen haben einen kurdischen Parlamentsabgeordneten getötet. Der Abgeordnete Faris Nassir Hussein, sein Bruder und sein Fahrer seien bei einem Überfall auf ihr Auto ums Leben gekommen, teilte ein Mitarbeiter der irakischen Nationalversammlung am 18. Sept. mit. Ein weiterer Parlamentarier, der wie Hussein der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) angehörte, sei bei dem Überfall am Vorabend verletzt worden. Die Gruppe wurde in der Nähe der 80 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Ortschaft Dudschail angegriffen.
  • Eine Extremistengruppe hat im Irak eine Gruppe von 16 Grenzsoldaten entführt. Ein Soldat konnte entkommen. Er sagte am 18. Sept. den Behörden, die Kidnapper hätten die Soldaten in die Wüste verschleppt. Extremisten entführen und töten im Irak immer wieder Angehörige der Sicherheitskräfte.
  • Das irakische Parlament hat am 18. Sept. den Entwurf für die neue Verfassung den Vereinten Nationen übergeben. Die UN wollten jetzt fünf Millionen Kopien machen und diese vor dem Referendum am 15. Oktober an die Bevölkerung verteilen, sagte der stellvertretende Parlamentspräsident Hussein al Schahristani am Sonntag. Zuvor hatten die Abgeordneten letzte Änderungen an dem Entwurf zur Kenntnis genommen.
    Die Abgeordneten stimmten weder über die erste Vorlage noch über die Änderungen ab. "Die Wahl ist das Recht des Volkes, nicht das ihrer Repräsentanten", sagte Schahristani. Zu den Änderungen gehörte eine Passage, die offenbar auf Druck der Arabischen Liga eingefügt wurde. Darin wird der Irak als Gründungsmitglied der Organisation bezeichnet, das ihrer Charter verpflichtet sei. Außerdem wurde festgelegt, dass die Regierung für die Verwaltung der Wasservorkommnisse verantwortlich ist.
  • In einem Fluss nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 18. Sept. die Leichen von 20 Mordopfern gefunden worden. Offenbar handle es sich bei den Opfern um Angehörige der Sicherheitskräfte, hieß es in irakischen Sicherheitskreisen. Die Männer seien erschossen worden, ihre Hände seien gefesselt gewesen. Sie seien im Tigris nahe der Ortschaft Balad nördlich von Bagdad gefunden worden.
  • Bei einem Anschlag im nordirakischen Kirkuk wurden mehrere Soldaten getötet.
Montag, 19. September, bis Sonntag, 25. September
  • Im irakischen Verteidigungsministerium ist nach Informationen der Londoner Tageszeitung "Independent" ein Milliardenbetrug aufgedeckt worden. Statt moderner Waffen, die für eine Milliarde Dollar (820 Millionen Euro) aus Polen und Pakistan bestellt worden seien, hätten die irakischen Streitkräfte in großem Umfang "Museumsstücke" geliefert bekommen, berichtete die Zeitung am 19. Sept. unter Berufung auf den irakischen Verteidigungsminister Ali Allawi. "Es ist vielleicht einer der größten Diebstahlsfälle der Geschichte", sagte Allawi dem Blatt. Durch die Betrügereien sei die Einsatzfähigkeit der irakischen Streitkräfte in Kampf gegen die Aufständischen beeinträchtigt.
  • In Basra ist ein irakischer Journalist entführt und getötet worden, der für mehrere ausländische Medien aus der südirakischen Stadt berichtete. Wie die Witwe der Nachrichtenagentur AFP am 19. Sept. sagte, wurde der Reporter Faker Haidar el Tamimi in der Nacht von vier bewaffneten und vermummten Männern aus seiner Wohnung im Zentrum Basras entführt. Die Täter hätten sich als Polizisten ausgegeben und gesagt, sie wollten Tamimi verhören. Später wurde die Leiche des Reporters drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt gefunden. Der Reporter wurde nach Angaben seiner Frau erschossen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte Ende August erklärt, seit dem Beginn der Irak-Kriegs im März 2003 seien 66 Medienvertreter getötet worden.
  • Bei der Fahndung nach einem Schleuserring für islamische Irak-Kämpfer haben Polizei und Terrorermittler bei Paris sechs Männer festgenommen. Sie stammten aus dem nördlich der französischen Hauptstadt gelegenen Département Seine-Saint-Denis und seien zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt, hieß es am 19. Sept. aus Kreisen der Ermittler. Ziel der vom Inlandsgeheimdienst DST geleiteten Aktion sei es herauszufinden, über welche Länder islamistische Kämpfer von Frankreich aus in den Irak gebracht würden.
  • Ungeachtet von Anschlagsdrohungen der El Kaida haben sich am 19. Sept. in der irakischen Stadt Kerbela hunderttausende Schiiten zu einem religiösen Feiertag eingefunden. Mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften versuchten die Behörden, neue Anschläge auf die Religionsgemeinschaft zu verhindern. Um die Stadt sei eine Division der irakischen Armee stationiert worden, die Anschläge mit Raketen- oder Granatenwerfern unterbinden solle, sagte Kerbelas Gouverneur Akil el Chadali.
  • Am Rande eines schiitischen Pilgerfestes mit hunderttausenden Teilnehmern sind im Irak am 19. Sept. mindestens zehn Menschen getötet worden. Die beiden Selbstmordanschläge richteten sich nach offiziellen Angaben gegen zwei Kontrollpunkte auf einer Straße zwischen Bagdad und der heiligen Schiitenstadt Kerbela, in der bis zu drei Millionen Pilger erwartet wurden.
  • Wegen "terroristischer Aktivitäten" und illegaler Einwanderung sind im Irak 54 Ausländer zu meist langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das zentrale Strafgericht habe 15 von ihnen mit je 20 Jahren Gefängnis belegt, 15 weitere mit 15 Jahren, teilte die irakische Regierung am 19. Sept. in Bagdad mit. Die übrigen wurden zu Haftstrafen zwischen ein und zwölf Jahren verurteilt. Die Verurteilten stammten den Angaben zufolge überwiegend aus arabischen Ländern - aus Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien, Ägypten und dem Jemen. Drei weitere stammten aus Bangladesch, zwei aus dem Iran und ein Verurteilter aus Russland. Wann sie festgenommen wurden, teilte die Regierung nicht mit.
  • Das US-Verteidigungsministerium erwägt eine Aufstockung seiner Truppen im Irak vor der dort anstehenden Parlamentswahl. Es sei "durchaus möglich", dass hierfür die Rotationsphasen bestimmter Einheiten verlängert würden, sagte Pentagonsprecher Lawrence DiRita am 19. Sept. in Washington. Mit den jüngsten Anschlagsserien hätten diese Überlegungen nichts zu tun. Derzeit sind rund 140.000 US-Soldaten im Irak stationiert.
  • Britische Soldaten haben am Abend des 19. Sept. die Mauern des zentralen Gefängnisses in der irakischen Stadt Basra mit Panzern eingerissen und dort festgehaltene zwei Kameraden befreit. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums erklärte in London, die beiden Soldaten seien nach Verhandlungen mit den irakischen Behörden freigelassen worden. Den Berichten über der den Einsatz der Panzer widersprach er aber nicht. Der Gouverneur von Basra sprach von einer barbarischen Aktion. Die irakischen Behörden hatten die beiden Briten am Montag festgenommen, weil sie auf zwei irakische Polizisten geschossen haben sollen, von denen einer später starb. Berichten zufolge handelt es sich bei ihnen um Soldaten, die verdeckt eingesetzt waren. Gouverneur Mohammed al Waili sagte, die Briten hätten zehn gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber bei dem Angriff auf das Gefängnis eingesetzt. Er sprach von einem "barbarischen, primitiven und unverantwortlichen" Akt. Ein Augenzeuge der Vorfälle in Basra, der irakische Kameramann Akuil Dschabbar, berichtete, als die Briten das Gefängnis gestürmt hätten, seien auch rund 150 irakische Häftlinge aus dem Gefängnis geflüchtet. Bereits zuvor hatten Demonstranten Steine und Molotow-Cocktails auf die britischen Panzer geschleudert, nachdem die Soldaten das Gefängnis umstellt hatten. Mindestens vier Menschen kamen bei den Unruhen ums Leben. Ein brennender britischer Schützenpanzer war zu sehen. Ein britischer Soldat flüchtete vor der aufgebrachten Menschenmenge. Laut britischen Presseberichten wurden drei Soldaten verletzt.
  • Bei einem Autobombenanschlag auf einen diplomatischen US-Fahrzeugkonvoi sind in der nordirakischen Stadt Mossul vier Amerikaner ums Leben gekommen. Der Anschlag habe sich gegen einen Konvoi aus drei Fahrzeugen gerichtet, die am 19. Sept. in der Ölstadt unterwegs gewesen seien, sagte ein Sprecher der US-Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad am Dienstag. Die vier Insassen des zweiten Fahrzeuges seien getötet worden, unter ihnen ein Mitarbeiter des Konsulatssicherheitsdienstes. Die drei weiteren Insassen hätten für ein privates "Wachunternehmen" gearbeitet. (AFP, 20. Sept.)
  • Nach der gewaltsamen Befreiung zweier britischen Soldaten durch die britische Armee in Basra hat die irakische Regierung sich bemüht, die Wogen zu glätten. Trotz des Vorfalls gebe es "keine Krise" zwischen Bagdad und London, erklärte ein Regierungssprecher am 20. Sept. Entgegen den Berichten "einiger Medien" über Spannungen seien die Regierungen beider Staaten in "engem Kontakt". Das irakische Innenministerium werde den Vorfall in Basra aufklären. Die britische Armee hatte am 19. Sept. zwei bei einem Geheimdiensteinsatz von der irakischen Polizei festgenommene und später in die Hände von Schiitenmilizen geratene britische Soldaten gewaltsam befreit. Der Vorfall hatte zu Spannungen mit der irakischen Polizei und der Zivilbevölkerung in Basra geführt.
  • Bush "im Keller"
    Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von George W. Bush im Januar 2001 kritisiert mehr als die Hälfte der US-Bürger die Amtsführung ihres Präsidenten. In einer Umfrage im Auftrag der Zeitung "USA Today" und dem Fernsehsender CNN missbilligten 58 Prozent der Befragten die Art und Weise, wie Bush die Geschicke des Lands in die Hand nimmt. Vor allem die Reaktion auf den Hurrikan "Katrina" und das Thema Irak bringen viele US-Bürger gegen ihren Präsidenten auf. Nur sechs Prozent der Befragten hielten es für richtig, zur Bewältigung der Hurrikanfolgen die Ausgaben im Inneren zu kürzen, so wie Bush es fordert. 54 Prozent gaben an, die Regierung solle das Geld durch Mittelkürzungen beim Einsatz im Irak beschaffen. Fast zwei Drittel der Befragten sprachen sich für einen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak aus. 59 Prozent gaben an, der Einmarsch in den Irak sei ein Fehler gewesen. Zudem glaubten 56 Prozent, dass sich Bush eher aus politischen Gründen als aus wirklichem Mitgefühl für das von ihm angekündigte große Wiederaufbauprogramm für das verwüstete New Orleans entschieden habe. (AFP, 20. Sept.)
  • Nach jahrelanger Weigerung hat die britische Regierung erstmals offiziell den Begriff "Golfkrieg-Syndrom" zur Beschreibung von Krankheiten bei Soldaten anerkannt. Ärzte hätten den Begriff in der Vergangenheit ausgiebig gebraucht, sagte der Anwalt Steven Kovats am 20. Sept. in einem Prozess, in dem er den britischen Verteidigungsminster John Reid vertrat. Die britische Regierung streite die Existenz des Phänomens nicht ab. In dem Prozess wird über die Klage eines ehemaligen Soldaten verhandelt, der an Asthma, Angstzuständen und an Gedächtnisschwäche leidet. Das Gericht entschied bereits, dass die Beschwerden vom Einsatz im Golfkrieg von 1991 herrühren.
  • Die Sicherheitskräfte im Irak sind nach Einschätzung des Sicherheitsberaters, Muwaffak el Rubaje, von Aufständischen unterwandert. "Aufständische und Terroristen haben sich in unsere irakischen Sicherheitskräfte im Allgemeinen, und in die Polizei im Besonderen, in zahlreichen Teilen des Landes eingeschleust", sagte Rubaje am 20. Sept. dem britischen Fernsehsender BBC. "Das kann ich nicht abstreiten." In welchem Ausmaß Rebellen in die Sicherheitsdienste eingedrungen seien, könne er selbst nicht sagen, "aber ich muss zugeben, dass sie unterwandert sind".
  • In der Neuverhandlung der Anklagen gegen die US-Soldatin Lynndie England wegen der Misshandlungen im Gefängnis von Abu Ghraib darf die Anklage eine frühere Erklärung der Soldatin als Beweismittel nutzen. In dieser hatte sich England selbst belastet. Der zuständige Militärrichter Oberst James Pohl widerrief damit eine eigene frühere Entscheidung. Die Neuverhandlung des Falls begann am 21. Sept. mit der Auswahl der Geschworenen. Gegen England liegen sieben Anklagepunkte vor. Die 22-jährige Reservistin war auf einigen der Bilder zu sehen, mit denen der Folterskandal von Abu Ghraib in der ganzen Welt für Schlagzeilen sorgte. Das Verfahren gegen sie musste noch einmal komplett neu aufgerollt werden, weil der zuständige Militärrichter im ersten Verfahren das strafmildernde Schuldeingeständnis Englands zu Beginn des Monats zurückgewiesen hatte. Er hatte Zweifel, ob sie zur Tatzeitpunkt wusste, dass sie etwas Illegales tat. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu elf Jahre Haft.
  • Die irakische Regierung sieht die Beziehungen zu Großbritannien nach dem Kommandoeinsatz in Basra nicht in der Krise, wie aus einer vom britischen Außenministerium verbreiteten Erklärung des irakischen Ministerpräsidenten Ibrahim al Dschaafari hervorgeht. Entgegen den Berichten einiger Medien gebe es eine solche Krise nicht, betonte al Dschaafari in der Erklärung. Das irakische Innenministerium werde den Vorfall untersuchen. Diese Ergebnisse gelte es abzuwarten und in der Zwischenzeit Ruhe zu bewahren. (AP, 21. Sept.)
    Nach der Festnahme zweier britischer Soldaten im Süden des Irak und ihrer gewaltsamen Befreiung aus der Hand von Milizen will der britische Verteidigungsminister John Reid den irakischen Regierungschef Ibrahim Dschaafari zu einem Gespräch empfangen. Reid und Dschaafari sollten sich gegen Mittag treffen, teilte das Londoner Ministerium der Nachrichtenagentur AFP am 21. Sept. mit. Der Vorfall im südirakischen Basra führte in Großbritannien zu Unmut - die britische Tageszeitung "Guardian" sprach von einem "Wendepunkt" für den Militäreinsatz der Briten im Irak.
    In Basra gingen am 21. Sept. rund 300 Menschen auf die Straße, um gegen die Befreiung der beiden britischen Soldaten zu protestieren, wie ein AFP-Reporter berichtete. "Wir fordern, dass die beiden Soldaten der irakischen Justiz übergeben werden" und "Rücktritt des Polizeichefs" hieß es auf Spruchbändern der Demonstranten.
    Die Regierung in London hält trotz der Angriffe auf britische Soldaten in Basra an ihrem Einsatz im Irak fest. Großbritannien werde nicht "Reißaus nehmen", sagte der britische Verteidigungsminister John Reid am 21. Sept. nach einem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Ibrahim Dschaafari in London. Großbritannien sei kein "Schönwetterfreund", sondern wolle "dem Irak in rauen Zeiten zur Seite stehen und ein engagierter Freund sein". Ziel sei es, die Sicherheit im Land durch irakische Truppen zu gewährleisten. Dieser Prozess dauere noch an. Die britischen Truppen sollten nicht länger als nötig im Irak bleiben, sagte Reid. Der Abzug werde aber erst nach einer entsprechenden Aufforderung durch die irakische Regierung erfolgen.
  • Unbekannte haben in Mossul zwei Journalisten der irakischen Tageszeitung "El Safir" erschossen. Der Büroleiter der Zeitung in der nordirakischen Stadt, Firas el Baadhidi, sei am 21. Sept. vor seinem Haus getötet worden, sagte Chefredakteur Hussein Dschuburi. Am Vortag hätten bewaffnete Männer in Polizeiuniform eine Reporterin des Blattes in der Innenstadt von Mossul erschossen.
  • Die zur Symbolfigur der Antikriegsbewegung in den USA aufgestiegene Soldatenmutter Cindy Sheehan ist am 21. Sept. in Washington eingetroffen, um dort ihren Protest gegen den Irak-Einsatz fortzusetzen. Sie wolle der Regierung von Präsident George W. Bush sowie dem Kongress zeigen, dass sie es ernst meine, wenn sie den Frieden fordere, sagte Sheehan bei ihrer Ankunft.
  • Der arabische Fernsehsender El Arabija hat die sofortige Freilassung eines seiner Reporter aus US-Haft verlangt. Der Iraker Madsched Hamid sei am 15. September "ohne Grund" in der sunnitischen Unruheprovinz El Anbar festgenommen worden, sagte der Sprecher des Senders, Dschihad Ballut, am 21. Sept. der Nachrichtenagentur AFP in Dubai. Erst zwei Tage später habe die US-Armee die Festnahme offiziell bekannt gegeben, die gegen internationales Recht zum Schutz der Freiheit von Journalisten verstoße.
  • Bei der Detonation einer am Straßenrand versteckten Bombe ist im Süden von Bagdad ein US-Soldat getötet worden. Sechs seiner Kameraden wurden bei dem Anschlag am späten Abend des 21. Sept. verletzt, wie die US-Streitkräfte am Donnerstag mitteilten. Der Zwischenfall ereignete sich im Stadtteil Dora, der als Hochburg der Aufständischen gegen die US-geführten Besatzungstruppen und ihre irakischen Verbündeten gilt.
  • Nach zwölf Tagen haben die US-Armee und die irakischen Streitkräfte ihren Militäreinsatz gegen Aufständische in der Stadt Tall Afar im Norden des Landes am Donnerstag für beendet erklärt. 157 Aufständische und zwölf irakische Soldaten seien bei den Gefechten getötet worden, sagte der irakische General Abdelasis Mohammed Jassim am 22. Sept. in Bagdad. 683 "mutmaßliche Terroristen" seien bei dem Einsatz festgenommen worden. Über Todesopfer verlautbarte nichts.
  • Nach dem britischen Militäreinsatz zur Befreiung zweier Soldaten aus einem Gefängnis in Basra dauern die Spannungen zwischen den irakischen Behörden und der britischen Besatzungsmacht an. Aus Protest gegen die umstrittene Aktion brachen die örtlichen Behörden jede Zusammenarbeit mit den Briten ab. Britischen Soldaten sei es ab sofort verboten, irakische Verwaltungsgebäude in Basra zu betreten, sagte ein Sprecher des Gouverneurs von Basra am 22. Sept. Alle regelmäßigen Beratungen zwischen der Provinzregierung und der britischen Armee seien abgesagt worden. Der 41-köpfige Provinzrat von Basra beschloss nach Angaben seines Vorsitzenden Mohammed Saadun el Abidi einen "Boykott der britischen Truppen". Er forderte die Briten auf, die beiden Soldaten an die Iraker zu überstellen, die bei dem Militäreinsatz am Montag von den Briten aus der Gewalt der Schiiten-Miliz von Moktada Sadr befreit wurden.
  • US-Präsident George W. Bush rechnet mit einer Zunahme der Gewalt im Irak. In der Zeit vor dem geplanten Verfassungsreferendum am 15. Oktober und den Wahlen Mitte Dezember "müssen wir auf mehr Gewalt gefasst sein", sagte Bush am 22. Sept. im US-Verteidigungsministerium in Washington. Im Irak gebe es Kräfte, die "einen Bürgerkrieg entfachen" wollten. Sie würden ihre Attacken vor den Wahlgängen verstärken.
  • Der Internationale Währungsfonds ist unter bestimmten Bedingungen bereit, dem Irak noch vor Ablauf dieses Jahres einen Kredit einzuräumen. Wichtig sei vor allem, dass das Land seine Ölsubventionen zurückfahre, sagte IWF-Chef Rodrigo Rato am 22. Sept. in Washington. Weiter müsse die Qualität der irakischen Finanzstatistiken verbessert werden, und es müsse deutlicher erkennbar sein, auf welche Weise Mittel an die irakische Zentralbank flössen. Bei dem möglichen Kredit handelt es sich um ein so genanntes "Stand-by"-Abkommen des IWF, das Ländern Kredite nach zuvor vereinbarten Wirtschaftsreformen zugesteht.
  • Bei der Detonation einer am Straßenrand versteckten Bombe westlich von Bagdad ist ein weiterer US-Soldat getötet worden. Ein zweiter wurde verletzt, wie die Militärbehörden am 23. Sept. mitteilten. Der Anschlag ereignete sich den Angaben zufolge auf der Straße zwischen Falludscha und Ramadi im so genannten sunnitischen Dreieck, einer Hochburg der Aufständischen. Die Zahl der seit Kriegsbeginn im Irak getöteten Amerikaner erhöhte sich damit auf 1.911.
  • Bei einem Bombenanschlag auf einen Kleinbus in Bagdad sind am 23. Sept. mindestens fünf Zivilisten getötet worden. Sieben weitere Menschen seien bei der Explosion in der Innenstadt verletzt worden, teilte die Polizei mit. Der Bus fing Feuer. Offenbar habe ein Fahrgast die Bombe in dem Bus deponiert und sei dann ausgestiegen, sagte ein Polizeisprecher.
  • Drei Wochen vor dem Verfassungsreferendum im Irak hat einer der einflussreichsten schiitischen Geistlichen seine Unterstützung für das Vertragswerk erklärt. Großayatollah Ali al Sistani rief alle Gläubigen auf, am 15. Oktober für den Verfassungsentwurf zu stimmen, wie ein Berater am 23. Sept. in der Heiligen Stadt Nadschaf mitteilte.
  • Ein explodierender Sprengsatz am Rande einer Straße in Bagdad hat abermals einen US-Soldaten in den Tod gerissen. Der Anschlag vom späten Abend des 23. Sept. galt einer Militärpatrouille, wie die amerikanischen Streitkräfte mitteilten. Die Zahl der seit Kriegsbeginn im Irak getöteten Amerikaner erhöhte sich damit auf 1.913.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der Innenstadt von Bagdad sind am 24. Sept. zwei Soldaten getötet worden. Der Attentäter sprengte sich in der Nähe eines Kontrollpunkts mit seinem Auto in die Luft, wie die Polizei mitteilte. Ein weiterer Soldat sowie eine Zivilperson wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich im Einkaufsviertel Karada, das überwiegend von Schiiten bewohnt wird. Unter der Wucht der Explosion gingen an umliegenden Gebäude Fensterscheiben zu Bruch, und Mauern sowie sechs Autos wurden beschädigt. US-Soldaten und irakische Polizisten sperrten das Gebiet ab.
  • Ein Richter in der südirakischen Stadt Basra hat nach Informationen der BBC einen Haftbefehl zur Festnahme der beiden britischen Soldaten erlassen, die in vor wenigen Tagen gewaltsam aus irakischem Gewahrsam befreit worden waren. Ihnen werde zur Last gelegt, dass sie einen Zivilisten erschossen und einen Polizisten verwundet hätten, berichtete der britische Sender am 24. Sept. unter Berufung auf den Richter. Er sei nicht davon überzeugt, dass es sich bei den beiden Männern in Zivilkleidung um britische Soldaten gehandelt habe, die Immunität genießen. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums betonte, dass britische Soldaten im Irak britischer Gesetzgebung unterliegen. Ein Haftbefehl irakischer Behörden entbehre jeder juristischen Grundlage. Sein Ministerium arbeite aber weiter mit irakischen Behörden bei der Untersuchung des Vorfalls vom 19. Sept. zusammen, der zu Zusammenstößen zwischen irakischen Demonstranten und britischen Streitkräften geführt hatte.
  • Auch Angehörige von Eliteeinheiten der US-Armee haben einem Bericht zufolge irakische Gefangene gedemütigt, misshandelt und gequält. Soldaten der angesehenen 82. US-Fallschirmdivision hätten mehreren Gefangenen mit roher Gewalt Arme und Beine gebrochen, berichtete am 24. Sept. die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) unter Berufung auf ranghohe Mitglieder der Division. Truppenmitglieder hätten Häftlinge extremer Hitze oder Kälte ausgesetzt, ihnen nichts zu essen und zu trinken gegeben, sie nicht schlafen lassen oder sie brutal verletzt. Um Häftlinge zu demütigen, hätten Soldaten der Fallschirmdivision sie in dem Lager in der Nähe von Falludscha bisweilen zu menschlichen Pyramiden aufgeschichtet, hieß es in dem HRW-Bericht. Der Missbrauch von "PUCs" ("persons under control"), wie die Soldaten die Gefangenen nennen, habe teilweise einfach dazu gedient, bei den Soldaten "Stress abzubauen". "Jeder im Lager hat gewusst, dass man nur in ein PUC-Zelt gehen musste, wenn man seinen Frust loswerden wollte", sagte ein Unteroffizier der Organisation. "Es war eine Art Sport." Einer seiner Kameraden habe sich von einem Häftling einen Baseballschläger aus Metall geben lassen; dann habe er ihm befohlen, sich vorneüber zu beugen und ihm das Bein mit dem Schläger gebrochen. Die von HRW zitierten Misshandlungsfälle bezogen sich auf den Zeitraum von September 2003 bis April vergangenen Jahres; die betroffenen Soldaten gehörten dem I. Bataillon des 504. Regiments der 82. Fallschirmdivision an. Vielfach habe der Militärgeheimdienst die Misshandlungen sogar vor Befragungen angeordnet. hiße es in dem HRW-Bericht. Vorgesetzte Offiziere - auch außerhalb des Geheimdienstes - hätten davon gewusst. "Die Schilderungen legen nahe, dass die Misshandlung von Gefangenen durch das US-Militär sogar noch weiter verbreitet ist als bislang zugegeben wurde, selbst unter Soldaten, die zu den bestausgebildeten, meistausgezeichneten und hochgeachteteen Einheiten der Armee gehören", stellte HRW fest. Zumindest ein in dem Bericht zitierter Hauptmann habe wiederholt versucht, die Misshandlungen an höhere Stellen zu melden. Er sei dort aber nicht zur Kenntnis genommen, sondern vielmehr ermahnt worden, an seine Karriere zu denken. - Ein Armeesprecher sagte, die zuständige Stelle beim Militär habe Ermittlungen eingeleitet, als ein Angehöriger der Fallschirmdivision die Ausschreitungen vor zwei Wochen gemeldet habe.
  • Bei einer Großdemonstration in London haben am 24. Sept. tausende Menschen den Abzug der britischen Truppen aus dem Irak gefordert. Auf Bannern der vor dem Parlamentsgebäude versammelten Demonstranten waren Sprüche zu lesen wie "Blair muss gehen" oder "Blair ist ein Lügner". Die Menge wollte im Anschluss in Richtung Hyde-Park ziehen. Die Veranstalter rechneten mit mindestens 100.000 Teilnehmern, die Polizei stellte sich auf bis zu 20.000 Demonstranten ein. Die Veranstaltung richtete sich auch gegen die von der Regierung vorgelegten Anti-Terror-Maßnahmen nach den Londoner Terroranschlägen vom Juli.
  • Tausende Menschen haben am 24. Sept. in Washington einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert. Demonstranten aus allen Teilen der Vereinigten Staaten versammelten sich vor dem Weißen Haus und trugen Plakate mit Aufschriften wie "Bringt die Truppen jetzt nach Hause". Zu den Sprechern der Kundgebung gehörte auch die Soldatenmutter Cindy Sheehan, die zur Leitfigur der Friedensbewegung in den USA geworden ist. Sie äußerte sich zuversichtlich, dass die Demonstrationen Erfolg haben würden. (Zu den Demonstrationen siehe: "End the War on Iraq" - Druck auf Bush erhöht.)
  • Die im Irak stationierten britischen Truppen werden nach einem britischen Zeitungsbericht ab Mai schrittweise abgezogen. Wie der "Observer" in seiner Sonntagausgabe (25. Sept.) unter Berufung auf hochrangige Militärs berichtete, werde dem irakischen Parlament im kommenden Monat ein von London und Washington ausgearbeiteter detaillierter Plan zum Truppenabzug vorgelegt. Der Entwurf beinhalte einen genauen "'Fahrplan'", der "Punkt für Punkt" die Abwicklung des Engagaments der multinationalen Truppen im Irak beschreibe.
  • US-Soldaten haben in der irakischen Hauptstadt Bagdad bei Kämpfen mit der Schiiten-Miliz von Moktada Sadr in der Nacht zum 25. Sept. zehn Milizionäre getötet. Wie das irakische Innenministerium weiter mitteilte, fanden die Kämpfe in Bagdads schiitischem Viertel Sadr City statt. Ein Sprecher der US-Armee bestätigte die Kämpfe im Osten der Stadt. Es seien keine US-Soldaten verletzt worden, fügte er hinzu.
  • Bei einem Bombenanschlag in der irakischen Stadt Hilla hat es am 25. Sept. laut einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP zahlreiche Opfer gegeben. Der Sprengsatz sei am Morgen in einer belebten Hauptstraße der Stadt explodiert, berichtete der Reporter aus der Stadt. Hilla liegt rund einhundert Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad.
  • Die US-Armee bestätigte am 25. Sept., dass ihre Soldaten am 23. Sept. in Duluija den Gemeinderatschef Dschubar Attija Saud und einen Polizeioffizier erschossen hatten. Die Amerikaner bezeichneten die zwei als "Terroristen". In einer früheren Stellungnahme des Militärs hatte es lediglich geheißen, die Soldaten seien von Terroristen angegriffen worden und hätten zwei Angreifer getötet sowie einen dritten festgenommen. Augenzeugen in der nördlich von Bagdad gelegenen Ortschaft hatten am 23. Sept. berichtet, US-Truppen hätten den Gemeinderatsvorsitzenden Saud und zwei Polizeioffiziere auf offener Straße hingerichtet.
  • Bei einem Autobombenanschlag in Bagdad sind nach Angaben von Sicherheitskräften am 25. Sept. neun Iraker getötet worden. Bei den Opfern handelte es sich demnach um fünf Polizisten und vier Zivilisten. Weitere zwölf Menschen, größtenteils Polizisten, seien verletzt worden, hieß es. Ein Selbstmordattentäter sei mit einem mit Sprengstoff präparierten Fahrzeug auf eine Polizeipatrouille im Viertel Ghadir im Südwesten der Hauptstadt zugefahren und habe sich in die Luft gesprengt. Die Polizisten gehörten zu einem Kommando namens "Brigade der Wölfe".
  • Der britische Premierminister Tony Blair hat am 25. Sept. zum Auftakt des Labour-Parteitags die Anwesenheit britischer Soldaten im Irak verteidigt. Sie kämpften dort auch für die Sicherheit in Großbritannien, sagte Blair im Seebad Brighton. Der Regierungschef wies Forderungen von Kriegsgegnern nach einem schnellen Truppenabzug zurück. Er versicherte vielmehr, dass mit der irakischen Regierung kein Termin für ihren Rückzug vereinbart worden sei. Die Truppen würden gehen, sobald ihr Auftrag erfüllt sei.
  • Bei einem Autobombenanschlag südlich von Bagdad sind am 25. Sept. mindestens sechs irakische Zivilisten getötet worden. 19 weitere wurden verletzt, als eine Autobombe in der Ortschaft Musajib explodierte, wie die Polizei in Hilla mitteilte.
Montag, 26. September, bis Freitag, 30. September
  • Eine Mehrheit der Briten erwartet eine Verschlechterung der Lage im Irak. Nach einer am 26. Sept. in der Zeitung "Guardian" veröffentlichten Umfrage des Instituts ICM gehen 64 Prozent davon aus, dass trotz der britischen Truppenpräsenz im Irak die Gewalt dort zunimmt. Nur zwölf Prozent glauben demnach, dass die Soldaten zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beitragen können. Eine Mehrheit der Briten will, dass die Regierung ein Datum für einen Rückzug der Truppen aus dem Irak festlegen soll. Nur noch 39 Prozent sind der Umfrage zufolge mit der Arbeit von Premierminister Tony Blair zufrieden. Im August waren es dagegen noch 47 Prozent.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 26. Sept. laut AFP mindestens sechs Menschen getötet und 14 weitere verwundet worden (AP: 10 Tote, 18 Verletzte). Der Attentäter sei in seinem mit Sprengstoff gefüllten Auto in einen Bus gerast, der Mitarbeiter des Ölministeriums zur Arbeit brachte, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Zwei der Getöteten seien Polizisten. Das Attentat ereignete sich vor dem Ölministerium.
  • Bei zwei Anschlägen im Irak sind am 26. Sept. drei US-Soldaten ums Leben gekommen. Zwei von ihnen wurden nach Angaben der Streitkräfte am frühen Morgen im Westen Bagdads getötet, als eine am Straßenrand versteckte Bombe explodierte. Der dritte Soldat starb bei einem Angriff rund 80 Kilometer südlich der Hauptstadt. Damit sind nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP seit März 2003 insgesamt 1.917 amerikanische Soldaten im Irak getötet worden.
  • Schuldig in sechs von sieben Anklagepunkten: So lautet am 26. Sept. das Urteil gegen Lynndie England. Die 22-jährige US-Soldatin musste sich in einem Militärprozess wegen Misshandlungen im Gefängnis von Abu Ghoreib im Irak verantworten. Ihr drohen nun bis zu zehn Jahre Haft. Das Strafmaß könnte bereits am 27. Sept. verkündet werden. Die Verteidigung hatte England als leicht beeinflussbare Frau mit psychischen Problemen dargestellt. Sie habe unter dem Einfluss ihres Geliebten Charles Graner gestanden. Dem folgte die Jury nicht. Die fünf Offiziere des Militärgerichts befanden England nun in vier Anklagepunkten der grausamen Misshandlung von Häftlingen für schuldig. Verurteilt wurde sie auch wegen unzüchtigen Verhaltens und der Verabredung zu einer Straftat. Frei gesprochen wurde sie dagegen in einem Anklagepunkt, der ebenfalls auf Verschwörung zu einem Verbrechen lautete.
  • Ein bewaffnetes Kommando hat am 26. Sept. in einer irakischen Schule fünf schiitische Lehrer und einen Chauffeur getötet. Wie die Polizei in Hilla mitteilte, erschossen die zehn maskierten und als Polizisten verkleideten Männer ihre Opfer vor den Schulkindern. Der Überfall ereignete sich in Iskandarija, 60 Kilometer südlich von Bagdad. Unklar war zunächst, wer hinter der Tat steht. Der Extremistenführer Abu Mussab el Sarkawi hatte den irakischen Schiiten Mitte September den Krieg erklärt.
  • Zum bevorstehenden islamischen Fastenmonat Ramadan hat die US-Armee rund 500 Gefangene aus dem berüchtigten Militärgefängnis Abu Ghoreib bei Bagdad entlassen. Weitere 500 Häftlinge sollen bis nächste Woche folgen. Die Entscheidung sei von einem Komitee unter Vorsitz irakischer Regierungsvertreter getroffen worden, teilte das amerikanische Militär am 26. Sept. mit. Unbekannte entführten in Bagdad einen ägyptischen Ingenieur.
  • Mehrere hundert Gegner des Irak-Kriegs sind am 26. Sept. zum Weißen Haus in Washington gezogen und haben dort den Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert. Unter den Demonstranten war auch wieder Cindy Sheehan, die im vergangenen Monat 26 Tage vor der Ranch von US-Präsident George W. Bush ausharrte, um gegen den Irak-Krieg zu demonstrieren. Ihr 24-jähriger Sohn Casey wurde im vergangenen Jahr in einem Hinterhalt in Bagdad getötet. Die Polizei nahm Sheehan später zusammen mit weiteren Demonstranten fest, die sich auf den Gehweg gesetzt hatten. Die Polizei forderte sie drei Mal auf, aufzustehen und weiterzugehen und nahm sie dann fest.
  • Die Bundeswehr setzt die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte fort. Am 3. Okt. werde ein 16 Mann starkes Vorauskommando in die Vereinigten Arabischen Emirate fliegen, um nach der erfolgreichen Ausbildung eines Transportbataillons im Vorjahr auch die Aufstellung eines Pionierbataillons abzuschließen, teilte das Heer am 26. Sept. mit. Die 60 Soldaten der Hauptkräfte, die überwiegend aus dem schweren Pionierbataillon 12 aus Volkach stammten, würden am 8. Oktober folgen. Die Ausbildung soll wieder in der Nähe von Abu Dhabi stattfinden und zwar in zwei Phasen im Zeitraum vom 15. Oktober bis 14. Dezember. Damit setze die Bundeswehr ihre "erfolgreiche Unterstützung zum Aufbau irakischer Sicherheitskräfe zur weiteren Stabilisierung des Landes im Rahmen des NATO-Bündnisses fort", hieß es in der Erklärung.
  • Die Nummer zwei des Terror-Netzwerks El Kaida im Irak, Abu Assam, ist getötet worden. Das gab der nationale irakische Sicherheitsberater Muwaffak el Rubaje, am 27. Sept. in Bagdad bekannt. Assam sei bei einem gemeinsamen Einsatz der irakischen Sicherheitskräfte und der US-Armee in der Hauptstadt getötet worden. Nähere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Rekrutierungsbüro der irakischen Polizei sind am 27. Sept. in der Stadt Baakuba nördlich von Bagdad laut AFP mindestens acht Menschen getötet (dpa: 10 Tote) und 24 weitere verletzt worden. Nach Polizeiangaben waren Polizeianwärter, Polizisten und Passanten unter den Opfern. Demnach mischte sich der Selbstmordattentäter unter die Menschenmenge, die vor dem Rekrutierungsbüro im Stadtzentrum versammelt war, und zündete einen Sprengstoffgürtel.
  • Die Nummer Zwei der Terrororganisation El Kaida im Zweistromland, Abu Assam, ist nach Angaben des US- Verteidigungsministeriums im Irak getötet worden. Abu Assam sei am 26. Sept. ums Leben gekommen. Das berichtete der US-Nachrichtensender CNN am 27. Sept. unter Berufung auf einen Vertreter der Ministeriums weiter. Nähere Angaben über die Umstände seines Todes machte er nicht. Anführer der El-Kaida-Terroristen im Irak ist der Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi.
  • Im irakischen Grenzgebiet zum Iran sind nach Angaben des Innenministeriums in Bagdad am 27. Sept. 22 Leichen gefunden worden. Die Menschen seien bereits vor mehreren Tagen erschossen worden, teilten Sicherheitskräfte mit. Ihre Augen seien verbunden und ihre Hände gefesselt gewesen. Entdeckt wurden die Leichen in einem Wüstengebiet in der Nähe der Ortschaft Dschassan, etwa 70 Kilometer östlich der Hauptstadt Bagdad.
  • Die durch den Folter-Skandal im Bagdader Gefängnis Abu Ghoreib bekannt gewordene US-Soldatin Lynndie England ist am 27. Sept. wegen der Misshandlung von Gefangenen zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Mit ihrem Strafmaß blieb die Militärjury im texanischen Fort Hood jedoch deutlich hinter den von der Staatsanwaltschaft geforderten vier bis sechs Jahren zurück. Die Misshandlungen der irakischen Gefangenen waren im Frühjahr 2004 durch Fotos öffentlich geworden und hatten weltweit Abscheu und Empörung ausgelöst. England ist auf vielen dieser Bilder zu sehen - unter anderem mit einem am Boden kriechenden Gefangenen an einer Hundeleine.
  • Die Gefangenen-Hilfsorganisation amnesty international (ai) hat das Urteil gegen die US-Soldatin Lynndie England als zu milde kritisiert. Die Haftstrafe von drei Jahren sei zu niedrig, sagte die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Barbara Lochbihler, am 28. Sept. im Inforadio vom rbb. Zwar sei es gut, dass es überhaupt zum Prozess gekommen sei. Es gehe aber nicht an, dass das Militär sich selber untersuche, kritisierte Lochbihler. "Wir fordern eine unabhängige und umfassende Untersuchung, dass eben nicht nur einfache Soldaten angeklagt werden, dass die ganze Befehlskette und deren Verantwortlichkeit deutlich gemacht wird." US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der mehrfach Folterpraktiken als Verhörmethoden genehmigt habe, sei nach wie vor im Amt.
  • Ein Selbstmordattentäter hat in der nordirakischen Stadt Tel Afar am 28. Sept. sechs Menschen mit in den Tod gerissen. 34 weitere Iraker wurden verletzt, sagte der Bürgermeister der Stadt. Der Attentäter sprengte sich in einer Gruppe von wartenden Armeebewerbern in die Luft. US-Truppen und irakische Sicherheitskräfte hatten in der zweiten Septemberwoche in der Stadt eine Offensive gegen mutmaßliche Terroristen gestartet. Dabei sollen innerhalb einer Woche mehr als 150 Extremisten getötet worden sein.
  • Bei einem Anschlag auf eine Polizeisperre in der irakischen Stadt Baakuba hat ein Selbstmordattentäter einen Zivilisten mit in den Tod gerissen. Nach Polizeiangaben wurden 13 weitere Menschen verletzt, als der Attentäter am 28. Sept. mit seinem Wagen in die Polizeisperre im Stadtteil Mafrak fuhr. Unter den Verletzten waren acht Polizisten.
  • Die Nachrichtenagentur Reuters hat den US-Streitkräften im Irak die Behinderung der Arbeit von Journalisten im Irak vorgeworfen. In einem am 28. Sept. veröffentlichten Brief an US-Senator John Warner beklagt Reuters eine "lange Abfolge beunruhigender Vorfälle", bei denen Journalisten von US-Soldaten getötet, ungerechtfertigt festgehalten oder misshandelt worden seien. Zugleich forderte die Agentur den Senator auf, er solle bei US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld dafür sorgen, dass die Rechte der Journalisten beachtet werden. Seit dem Beginn des Irak-Krieges im März 2003 wurden laut Reuters 66 Journalisten und Medien-Mitarbeiter getötet. Die US-Armee habe eingestanden, drei Reuters-Journalisten getötet zu haben.
  • Japan erwägt einem Zeitungsbericht zufolge einen baldigen Abzug seiner Truppen aus dem Irak. Die Regierung prüfe, die rund 600 in der relativ friedlichen Schiiten-Stadt Samawa stationierten Soldaten in der ersten Hälfte des kommenden Jahres in die Heimat zurückzuholen, berichtete die Tageszeitung "Yomiuri Shimbun" am 29. Sept. Grund sei der für Mai 2006 geplante Abzug der australischen und britischen Truppen aus der südirakischen Stadt, die zurzeit für die Sicherheit der mit einer Wiederaufbaumission betrauten Japaner zuständig sind.
  • Das arabische Programm der Deutschen Welle hat sich am 29. Sept. zum ersten Mal mit einem Radiomagazin an junge Hörer im Irak gerichtet. Das speziell auf die Interessen eines jüngeren Publikums zugeschnitte Magazin "Irak heute" war erstmals eine Stunde lang in Bagdad zu hören, wie der Rundfunksender DW-Radio mitteilte. Die Deutsche Welle arbeite mit Radio Dijla zusammen, einem der meistgehörten Sender des Landes.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Morgen des 29. Sept. sechs Menschen getötet und 14 weitere verletzt worden. Der Attentäter sei in seinem mit Sprengstoff gefüllten Auto in einen Bus gerast, der Mitarbeiter des Ölministeriums zur Arbeit brachte, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Zwei der Getöteten seien Polizisten. Das Attentat ereignete sich vor dem Ölministerium.
  • Bei drei nahezu zeitgleichen Autobombenanschlägen starben laut Polizei mindestens 85 Menschen, 110 wurden verletzt. Wie ein Vertreter des irakischen Innenministeriums mitteilte, ereigneten sich die ersten beiden Anschläge am 29. Sept. innerhalb von zehn Minuten in einer Einkaufsstraße im Zentrum der Stadt Balad nördlich von Bagdad. Weitere zehn Minuten später explodierte demnach eine dritte Autobombe im Viertel Bab el Sur. Die drei Anschläge in Balad wurden den Angaben zufolge mit offenen Pritschenwagen verübt.
    Eine Stunde später explodierte in der etwa 70 Kilometer südlich gelegenen Hauptstadt Bagdad eine vierte Autobombe, bisher liegen keine Berichte über Opfer vor. Die Autobombe in Bagdad explodierte, als ein Konvoi der irakischen Armee vorbeifuhr.
    Ebenfalls in der Hauptstadt wurden zwei Angestellte einer schiitischen Bäckerei getötet. Zwei Polizisten kamen ums Leben, als Aufständische ihre Patrouille beschossen.
  • Die USA halten trotz der Gewalt im Irak an der Reduzierung ihrer Truppen im kommenden Jahr fest. Das bestätigte der Befehlshaber der Koalitionstruppen, General George Casey, am 29. Sept. Der genaue Zeitplan hängt danach von der Verfassungsabstimmung im Oktober und den Wahlen im Dezember ab. Im Irak sind gut 130.000 US-Soldaten stationiert.
  • US-Botschafter William Timken hat das Engagement Deutschlands beim Aufbau in Afghanistan und im Irak gewürdigt. Das Land spiele bei der Stabilisierung eine ausschlaggebende Rolle, sagte Timken am 29. Sept. in Berlin. Es war seine erste öffentlichen Ansprache hier zu Lande. Timken unterstrich das Interesse der USA an einem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Die Volkswirtschaften seien zunehmend miteinander verflochten. So seien die USA Hauptziel deutscher Direktinvestitionen im Ausland. (Hier geht es zu seiner Rede im Wortlaut.)
  • Einen Tag nach den drei verheerenden Autobombenanschlägen in Balad nördlich von Bagdad hat sich die Zahl der Toten auf mindestens 99 erhöht. Die Anzahl der Verletzten wurde von den Behörden am 30. Sept. mit 124 angegeben.
  • Einen Tag nach drei Anschlägen in Balad riss eine Autobombe in Hilla mindestens zehn Menschen in den Tod. In beiden Städten leben vorwiegend Schiiten. Bei dem Autobombenanschlag in Hilla am 30. Sept. wurden laut Polizei zwölf Menschen verletzt. Die Bombe explodierte auf einem belebten Obst- und Gemüsemarkt. Das Auto mit dem Sprengsatz wurde durch die Wucht der Explosion aufs Dach geschleudert und brannte aus. Hilla liegt rund hundert Kilometer südlich von Bagdad.
  • Die US-Image-Beauftragte Karen Hughes hat sich bei der Rückkehr von ihrer ersten Nahost-Rundreise optimistisch gezeigt, neue diplomatische Kanäle erschließen zu können. "Ich öffne Türen für das Gespräch", sagte Hughes am 30. Sept. bei ihrer Rückkehr nach Washington. Die Vertraute von US-Präsident George W. Bush hatte sich in dieser Woche in Ägypten, Saudi-Arabien und der Türkei aufgehalten.
  • US-Außenministerin Condoleezza Rice hat Gewaltanwendung für Demokratie und Freiheit gerechtfertigt. Die Bereitschaft zur Anwendung militärischer Gewalt sei "die einzige Garantie für wirkliche Stabilität und dauerhafte Sicherheit", sagte Rice am 30. Sept. in einem Vortrag an der Universität Princeton im US-Bundesstaat New Jersey. Demokratische Prinzipien müssten mit Macht in allen ihren Erscheinungsformen verteidigt werden, fügte Rice hinzu. Dazu zählte sie politische und wirtschaftliche, kulturelle, moralische und "manchmal" militärische Macht.


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