Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Februar 2003

Irak: Chronik eines angekündigten Krieges

  • Der amtierende EU-Ratspräsident Georgios Papandreou hat am 2. Februar in Damaskus Gespräche über den Irak-Konflikt aufgenommen. Gesprächspartner auf seiner ersten Station sind der syrische Außenminister Faruk el Schara und Staatschef Baschar el Assad. Die nächsten Stationen werden Jordanien und Saudi-Arabien sein.
    In einem vorab veröffentlichten SPIEGEL-Gespräch drohte der irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan mit Selbstmordanschlägen für den Fall, dass die USA den Irak angreifen würden. Nagdad werde "Tausende von Selbstmordattentätern einsetzen", sagte er. Ein Krieg würde die arabische Welt zu einem "Meer aus Widerstand und Gefahr" machen.
    Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon dementierte am 2. Februar britische Zeitungsbereichte, wonach bei dem Treffen zwischen Blair und Bush (am 31. Januar 2003) als Zeitpunkt für einen Angriff auf Irak Anfang bis Mitte März ins Auge gefasst hätten. Die Londoner "Times" hatte auch geschrieben, dass Bush mit einer zweiten Resolution des UN-Sicherheitsrats nur dann einverstanden sei, wenn die UN-Inspektionen nicht über "vier bis sechs Wochen" hinaus gingen. Hoon sagte im BBC, es gäbe keinen "festen Zeitplan" für den Beginn des Krieges.
    In demselben BBC-Interview schloss Hoon auch den Einsatz britischer Atomwaffen nicht aus, und zwar für den Fall der "extremen nationalen Selbstverteidigung". Hoon sagte wörtlich: "Es ist außerordentlich schwierig, sich die Situation einer extremen nationalen Selbstverteidigung vorzustellen. Aber wir müssen uns das Recht auf den Einsatz von Atomwaffen vorbehalten, weil sie sonst den Charakter der Abschreckung verlieren würden."
  • In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung", das am 3. Februar erschien, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhahn, die Bundeswehr werde im Fall eines Irak-Krieges die in Kuwait stationierte ABC-Einheit (derzeit 59 Soldaten) verstärken. "Ich kann die 59 Soldaten nicht alleine da lassen", sagte er. Die Süddeutsche Zeitung spricht in dem Zusammenhang von einem "Dilemma" für Berlin: Wenn die Soldaten sich für biologische oder chemische Angriffe von Seiten des Irak bereithalten, wäre dies eine direkte Beteiligung am Krieg. Dies widerspräche dem von der Bundesregierung verfolgten strikten Kurs der Nicht-Beteiligung." (SZ, 03.02.2003)
    Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 3. Februar eine weitere UN-Resolution als Zwischenschritt vor einem Militärschlag vorgeschlagen. Dies sagte er nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi. Die Resolution könnte die Forderungen der Waffeninspekteure formulieren.
    Am 3. Februar enthüllte der Daily Telegraph einen Plan der britischen Regierung, wonach die Zahl der an den Golf entsandten Kampfflugzeuge verdreifacht und die Gesamtzahl der Soldaten von 35.000 auf 40.000 erhöht werden solle. Damit beordert London fast ein Drittel seiner gesamten Streitkräfte an die Front.
    Der Irak wird am 17. März den Vorsitz der Genfer Abrüstungskonferenz übernehmen, einem Gremium, das seit 1959 besteht und in dem 66 Staaten zusammenarbeiten. Zu diesem für die Sprecherin des US-Außenministeriums, Lynn Cassel, "unannehmbaren" Vorgang kam es, weil der Iran, der turnusmäßig an der Reihe wäre, den Platz für den Nachbarstaat frei gemacht hat.
  • Ein Treffen zwischen Blair und Chirac in Le Touquet am 4. Februar brachte keine Annäherung zwischen Paris und London. Beide Seiten seien sich zwar einig darin, dass Irak entwaffnet werden müsse. Chirac sei aber weiterhin dagegen einen Krieg zu beginnen, ohne den Waffeninspekteuren genügend Zeit zu geben.
    Die Staats- und Regierungschefs Afrikas haben am Ende eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopien eine friedliche Lösung des Irak-Konfilkts gefordert. Von Nelson Mandela werden harsche Bemerkungen über Bush und Blair gemeldet. Mandela nannte den US-Präsidenten "etwas beschränkt" und den britischen Premier dessen "Außenminister". Weiter fragte er: "Warum legen die Vereinigten Staaten so ein arrogantes Verhalten an den Tag?" und gab auch gleich die Antwort: Bush sei vor allem am irakischen Öl interessiert und wolle "die Welt in einen Holocaust" verwickeln.
    Der Vositzende der türkischen Regierungspartei AKP, Recep Tayyip Erdogan, hat die Abgeordneten seiner Partei auf einen Krieg in Irak eingstimmt. Am 4. Februar sagte er, die Türkei könne es sich nicht erlauben, "außen vor" zu bleiben. Die Türkei müsse im Fall eines Krieges "wirksam" beteiligt werden. Türkische Zeitungen berichteten, die Türkei wolle den USA die Stationierung von 10.000 Soldaten und 350 Kampfjets erlauben.
    Nach Angaben kurdischer Parteien halten sich bereits rund 1.000 Soldate und eine Spezialeinheit der US-Armee im Nordirak auf, berichtete die arabische Zeitung Al Hayat.
    Am 4. Februar veranstalteten US-Truppen und israelische Truppen ein gemeinsames Manöver, in dem u.a. Patriots auf Scud-Attrappen abgefeuert wurden.
  • Am 5. Februar präsentierte US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat einen Bericht, der dem Irak schwere Vergehen gegen die UN-Resolution 1441 vorwirft. Irak verberge chemische Kampfstoffe und betreibe weiter ein Atiomwaffenprogramm. Außerdem unterstütze das Regime in Bagdad die Terrororganisation Al Qaida. Powell sehe keinen Sinn in weiteren Inspektionen, da der Irak nicht kooperiere. (Die Rede von Powell haben wir im Wortlaut vollständig dokumentiert.)
    Führende Vertreter protestantischer und orthodoxer Kirchen haben am 5. Februar in Berlin eine Resolutiuon ggen den drohenden Irak-Krieg verabschiedet. Ein Präventivkrieg sei "unmoralisch" und verstoße gegen das Völkerrecht. (Siehe die Erklärung im Wortlaut.)
    Australiens Oberhaus, der Senat, hat am 5. Februar dem Premier John Howard wegen seiner Irak-Politik das Misstrauen ausgesprochen. Das hat es in der 102-jährigen Geschichte noch nie gegeben. Die Entscheidung fiel nach einer elfstündigen Debatte mit 34 gegen 31 Stimmen relativ knapp aus.
  • US-Verteidigungsminister Rumsfeld hat in einer Rede im Kongress am 6. FebruarDeutschland in eine Reihe mit Libyen und Kuba gestellt. Er denke, sagte Rumsfeld wörtlich, "Libyen, Kuba und Deutschland sind diejenigen, die angedeutet haben, sie würden in keiner Beziehung helfen."
    Erstmals befragten am 6. Februar die UN-Waffeninspekteure einen irakischen Wissenschaftler unbeaufsichtigt, hieß es aus irakischen Quellen. Die beiden Chefinspekteure Hans Blix und Mohamed ElBaradei forderten von Bagdad eine "100-prozentige Kooperation".
    US-Präsident Bush sagte am 6. Februar im Weißen Haus an die Adresse Iraks: "Das Spiel ist aus." Er befürwortete eine zweite UN-Resolution. Die USA seien bereit, mit einer "wachsenden Zahl" von Verbündeten jede Aktion zu ergreifen, die für eine Entwaffnung Iraks notwendig sei.
    Der NATO-Rat beauftragte am 6. Februar die militärische Führung mit der Erarbeitung von Plänen für den Fall, dass ein Krieg auf die Türkei übergreifen könnte.
    Das türkische Parlament stimmte am 6. Februar dem Ausbau von Militärstützpunkten und Häfen für einen Irak-Krieg zu und billigte die Einreise von US-Militärexperten. Über die Stationierung von US-Soldaten werde aber erst später entschieden.
    Am 6. Februar erklärte der französische Außenminister de Villepin in New York, er würde einen krieg gegen Irak als äußerstes Mittel nicht ausschließen. Falls die Waffeninspektionen scheitern, schließe Frankreich nach seinen Worten "keine Option, im äußersten Fall auch nicht einen Krieg", aus.
    Unterdessen setzen die USA und Großbritannien ihren Aufmarsch in der Golfregion fort. Bis Mitte Februar sollen 150.000 US-Soldaten am Golf stationiert sein. Bis zum März könnte die Zahl auf 200.000 steigen. In den nächsten Tagen werden zwei bis drei weitere Flugzeugträger an den Golf entsandt. - Auch Großbritannien will weitere 100 Flugzeuge und 7.000 Soldaten an den Golf entsenden.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte am 7. Februar nach einem Treffen mit Roms Staatschef Silvio Berlusconi in Rom: "Die diplomatischen Bemühungen sind gescheitert." Ein Krieg gegen Irak würde "sechs Tage oder sechs Wochen, aber nicht sechs Monate dauern". Frankreich tadelte er in einem US-Fernsehinterviewmit den Worten: "Bei ziemlich vielen Dingen sind sie oft widerspenstig".
    "Die Bundesregierung vertritt, wie auch die Mehrheit im Sicherheitsrat, die Auffassung, dass die Inspektoren ihre Arbeit weiter tun sollen, um eine friedliche Lösung des Konflikts im Sinne der Resolution 1441 zu gewährleisten", sagte am 7. Februr der stellv. Regierungssprecher Hans Langguth in Berlin. Zuvor hatten sich schon Russland und Frankreich gegen die von Bush geforderte zweite UN-Resolution ausgesprochen.
    Ein von der britischen Regierung herausgegebenes Geheimdienst-Dossier zu Irak, auf das sich auch US-Außenminister Powell bei seiner Präsentation im UN-Sicherheitsrat am 5. Februar stützte (das "feine Dokument, "das in exquisitem Detail irakische Täuschungsmanöver beschreibt"), erwies sich in großen Teilen als Kopie eines studentischen Forschungsberichts - mit Informationen, die zudem teilweise über zwölf Jahre alt sind. Diese Enthüllung ging am 8. Februar durch die Presse. - Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat am 7. Februar den Bericht von US-Außenminister Powell als unzureichend kritisiert. Die Experten sehen auch keine Verbindung zwischen Irak und Al Qaida.
  • UN-Chefinspekteur Hans Blix hat der irakischen Regierung bescheinigt, sich um eine bessere Zusammenarbeit mit den Waffenkontrolleuren zu bemühen. "Es scheint, dass sie sich anstrengen", sagte Blix am 7. Februar in Wien. Zuvor hatten die Vereinten Nationen bestätigt, dass sich ein irakischer Biowissenschaftler erstmals ohne Beaufsichtigung durch einen Regierungsmitarbeiter mit den Inspektoren getroffen habe. Blix und der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed El Baradei, wollten bei ihrem Besuch in Bagdad am Wochenende jedoch "viel mehr davon sehen". Das Gespräch zwischen dem Wissenschaftler und den Inspektoren dauerte drei Stunden.
    Am 7. Februar sind drei weitere irakische Wissenschaftler ohne staatliches Überwachungspersonal von den Waffenkontrolleuren befragt worden. Die Uno bestätigte am Abend entsprechende Angaben des irakischen Außenministeriums. Zwei Forscher seien am Freitag von Vertretern der UN-Abrüstungskommission (UNMOVIC) vernommen worden. Ein weiterer habe sich mit Mitarbeitern der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterhalten, teilte das Außenministerium mit. Die Gespräche hätten zwischen zwei und drei Stunden gedauert. Unter den Befragten hätten sich ein Chemiker und ein Raketentechniker befunden. Die Befragung von Wissenschaftlern ohne die Anwesenheit von irakischen Aufpassern gehört zu den zentralen Forderungen der Uno.
  • Die UN-Chefinspektoren Hans Blix und Mohamed El Baradei sind am Samstag, den 8. Februar zu einem 36-stündigen Kontrollbesuch in Irak eingetroffen. Bei dem Besuch in Bagdad wollten sich die beiden davon überzeugen, ob die irakische Regierung, wie zuletzt angekündigt, tatsächlich besser mit den Inspektoren kooperiert. Blix sagte nach einem etwa vierstündigen Treffen mit der irakischen Regierung, die Gespräche seien substanziell und nützlich gewesen. Sie würden am Sonntag fortgesetzt. El Baradei sagte, die irakische Regierung habe "Erklärungen geliefert" über bislang unklare Rüstungsfragen.
    Ein Biologe widersetzte sich am 8 Februar einem Interview mit den UN-Inspektoren. Der Wissenschaftler sei zwar grundsätzlich bereit gewesen, sich ohne Aufsicht der irakischen Behörden befragen zu lassen, teilte UN-Sprecher Hiro Ueki einen Tag später in Bagdad mit. Da er aber nicht mit dem Ablauf der Befragung einverstanden gewesen sei, habe das Interview schließlich doch nicht stattgefunden.
  • Mit Gesprächen im irakischen Außenministerium hat am 9. Februar in Bagdad der letzte Tag eines Besuchs der UN-Waffeninspekteure Hans Blix und Mohamed El Baradei begonnen. Gesprächspartner waren der irakische Verbindungsmann für die Inspektoren, General Hossam Mohamed Amin und Präsidentenberater General Amer el Saadi. Für den Nachmittag war eine weitere Runde geplant. Nach Angaben aus UN-Kreisen übergab Irak den beiden Inspekteuren am Sonntag weitere Dokumente über verbotene Waffen. Dabei habe es sich um Material über "nukleare und biochemische" Waffen gehandelt.
    Zehntausende indonesischer Moslems sind am 9. Februar in Jakarta auf die Straße gegtangen, um gegen einen Krieg in Irak und gegen den amerikanischen "Staatsterrorismus" zu protestieren.
  • Irak hat am 10. Februar die von der UNO geforderten Überflüge mit US-Spionageflugzeugen vom Typ U2 genehmigt. Die Überflüge seien ab sofort "ohne Bedingungen" erlaubt, erklärte der irakische UN-Botschafter Mohamed Al-Douri. Kurz vorher hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärt, sie rechne damit, dass in den nächsten Tagen U-2-Spionageflugzeuge über dem Irak eingesetzt werden könnten. Bislang waren die Inspektoren mit dem Wunsch, bei den Waffenkontrollen in Aufklärungsflugzeuge einzusetzen, auf harten Widerstand bei der irakischen Regierung gestoßen. Irak hatte Sicherheitsgarantien für die Maschinen abgelehnt und damit indirekt gedroht, sie im Zweifel abzuschießen. Der irakische UN-Botschafter sagte nun, "alles ist geklärt". Bagdad versuche "einen Krieg mit allen Mitteln zu verhindern".
    Gleichzeitig kündigte der irakische Botschafter die Verabschiedung von Gesetzen zum Verbot aller Massenvernichtungswaffen an. Damit kommt Irak zwei zentralen Forderungen des UN-Sicherheitsrats nach. - Der Chef der IAEA, Mohamed el Baradei, erklärte, es sei nun eine Bereitschaft der irakischen Regierung zu erkennen, besser mit den Waffeninspektoren der UN zusammenzuarbeiten. Auf allen Gebieten der Zusammenarbeit seien inzwischen Fortschritte erzielt worden, sagte el Baradei. Er war am Wochenende (8./9. Februar) noch einmal gemeinsam mit Hans Blix, dem Leiter der UN-Abrüstungskommission, zu Gesprächen nach Bagdad gefahren.
    In der Irak-Krise wollen Deutschland, Frankreich und Russland gemeinsam eine Ausweitung der Waffeninspektionen erreichen. Eine entsprechende trilaterale Erklärung verlas der französische Präsident Jacques Chirac am 10. Februar nach einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in Paris. Die Möglichkeiten der UN-Resolution 1441 seien "offensichtlich" noch nicht ausgeschöpft. In der Erklärung heißt es, "es gibt noch eine Alternative zum Krieg". Die drei Länder fordern deshalb eine "weitere internationale Abstimmung" für eine friedliche Lösung der Krise. Die Arbeit der UN-Inspektoren in Irak solle durch eine "bedeutende Aufstockung" des Personals und der technischen Ausstattung erleichtert werden. Der Erklärung zufolge soll die Debatte im "Geiste der Freundschaft und des Respekts" fortgesetzt werden. Die in "enger Abstimmung" zwischen Deutschland, Frankreich und Russland erreichte Haltung entspreche der vieler Länder im UN-Sicherheitsrat.
  • Das Abgeordnetenhaus des US-Bundesstaats Maine hat am Abend des 11. Februar (Ortszeit) eine Resolution verabschiedet, in der Präsident Bush zur Entwaffnung des Irak ohne Militärintervention und mit Hilfe der Vereinten Nationen aufgefordert wird. Für den Antrag hatten 77 Abgeordnete gestimmt, 66 waren dagegen. Eine Woche zuvor hatte der Bundesstaat Hawaii eine ähnliche Resolution verabschiedet.
  • Die USA wollen dem UN-Sicherheitsrat am 15. Februar offenbar einen neuen Resolutionsentwurf vorlegen. An diesem Tag werden die Waffenkontrolleure der Vereinten Nationen dem Sicherheitsrat erneut Bericht erstatten. Gleich anschließend könnten die USA ihren Entwurf ihren Entwurf einer zweiten UN-Resolution gegen Irak vorlegen. Die Vorlage sei "im Gespräch", sagte am 12. Februar ein hochrangiger Mitarbeiter des amerikanischen Außenministeriums. "Es wurde aber noch nicht entschieden." Mit einer solchen Resolution würde der Streit um einen Irak-Krieg wieder im Sicherheitsrat geführt, nicht mehr, wie zurzeit, in der Nato.
    Die Nato hat am 12. Februarerneut keine Entscheidung darüber getroffen, die Vorbereitungen zur Unterstützung der Türkei im Falle eines Irak-Kriegs anlaufen zu lassen. Unverändert seien drei Staaten der Ansicht, dass die Zeit für eine solche Entscheidung nicht reif sei, sagte NATO-Sprecher Yves Brodeur in Brüssel. Diplomaten bestätigten, dass es sich bei den genannten Staaten um Deutschland, Frankreich und Belgien handelte. Brodeur betonte, das Bündnis stelle den militärischen Schutz der Türkei nicht in Frage. Lediglich der Zeitpunkt für den Beginn der Planung sei strittig.
    Der wichtigste Berater von US-Verteidigungsminister Rumsfeld, Richard Perle, hat sich dafür ausgesprochen, Frankreich von der Entscheidungsfindung innerhalb der Nato auszuschließen. Die französische Politik laufe, "brutal ausgedrückt", darauf hinaus, den Einfluss der USA in Europa und sogar weltweit zurückzudrängen, sagte Perle am 12. Februar nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. Paris wolle offenbar aus Europa ein Gegengewicht zu den USA machen. Washington müsse deswegen seine Beziehungen zu Europa überdenken, denn ein Gegengewicht sei nicht das Gleiche wie ein Verbündeter, folgerte Perle. Deutschland, Frankreich und Belgien blockieren seit Montag einen Nato-Beschluss zur militärischen Unterstützung der Türkei für den Fall eines drohenden Irak-Kriegs. Die drei Regierungen argumentieren, bislang seien noch nicht alle diplomatischen Mittel für eine friedliche Lösung der Krise ausgeschöpft.
  • Eine Expertengruppe der UN-Waffeninspekteure bestätigten am 13. Februar Erkenntnisse der Vereinten Nationen, wonach der Irak Raketen besitze, die eine höhere Reichweite haben als die erlaubten 150 km. In einem Fall sei eine Rakete des Typs Al Samod 2 sigar 182 km geflogen. Tony Blair reagierte auf die Meldung mit der Mitteilung, dass dies eine "bedeutende Verletzung" der UN-Resolution 1441 (2002) sei. Es sei nutzlos, den Inspekteuren noch mehr Zeit zu geben.
    Nach einem Bericht der Zeitung USA Today vom 13. Februar erwäge die US-Regierung, den Irak nach einem Krieg rund zwei Jahre lang von einer Militärverwaltung regieren zu lassen. Dem Militärmachthaber könne ein irakischer "Rat" zur Seite gestellt werden
  • Bei der Vorlage eines neuen Berichts im UN-Sicherheitsrat über den Fortgang der Waffeninspektionen am 14. Februar sagte Chefinspekteur Hans Blix, bisher seien keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden. Allerdings habe Bagdad über zahlreiche verbotene Materialien noch keine zufriedenstellende Auskunft gegeben. Der Irak könnte nach Aussage von Blix in kurzer Zeit friedlich entwaffnet werden, wenn er voll mit den Inspekteuren zusammenarbeite. Kurz zuvor hatte Iraks Präsident Saddam Hussein mit einem Dekret die Herstellung von und den Handel mit Massenvernichtungsmitteln verboten. Auch der Chef der Atomenergiebehörde Mohammed el-Baradei sprach von "Fortschritten". Er sehe "keinen Anlass, die Inspektionen jetzt zu beenden", sagte er. Es seien noch etliche Fragen bezüglich des irakischen Nuklearwaffenprogramms zu klären. - Vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats hatte US-Präsident Bush bei einem Truppenbesuch in Florida dazu aufgerufen Mut und Rückgrad zu zeigen und gegen Irak vorzugehen. Freie Staaten dürften nicht zulassen, dass die Vereinten Nationen als wirkungsloser Debattierclub in die Geschichte eingingen.
  • Laut einem Bericht des belgisches Fernsehsenders RTBF hielt NATO-Generalsekretär George Robertson Deutschland, Frankreich und Belgien in einem vertraulichen Schreiben vor, "mit der Sicherheit eines Alliierten zu spielen". Berlin, Paris und Brüssel schadeten zudem der Einigkeit des Bündnisses, heiße es in dem Brief vom 14. Februar.
    Bei einer Privataudienz des Papstes Johannes Paul II im Vatikan am 14. Februar versprach der irakische Vize-Premier Tarik Asis, dass sein Land auf dem Gebiet der Abrüstung mit den internationalen Gremien zusammenarbeiten werde. Nach dem 20-minütigen Gespräch gab der Papst seinem Gast eine Botschaft an Saddam Hussein mit auf den Weg.
    Am 14. Februar beklagte sich US-Verteidigungsminister Rumsfeld darüber, dass Österreich "Schwierigkeiten" bei der Verlegung von Truppen und Ausrüstung aus Deutschland nach Italien verursache. Nun seien große Umwege nötig.
  • Millionen Menschen gingen am 15. Februar weltweit auf die Straße, um gegen den drohenden Krieg gegen Irak zu demonstrieren. Die größten Demonstrationen fanden in London (bis zu zwei Millionen), Rom (2 Mio.), Madrid und Barcelona (Jeweils über 1 Mio.) sowie in Berlin (über 500.000) statt. Es war die größte Friedensdemonstration, in der Geschichte, die je stattgefunden hat. Insgesamt sollen in über 700 Städten auf allen Kontinenten rund 15 Millionen unterwegs gewesen sein.
    Die Nato hat sich am 15. Februar auf Hilfeleistungen an die Türkei geeinigt, sollte es zu einem Irak-Krieg kommen. Nach mehr als zwölfstündigen Verhandlungen verabschiedeten die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Erklärung, nach der die Planungen für einen Bündnisfall beginnen können. Nato-Generalsekretär George Robertson zeigte sich anschließend erleichtert. Er sagte, "das ist ein bemerkenswerter Tag mit einer wichtigen Entscheidung, die Solidarität der Allianz hat sich durchgesetzt." Auf Dringen Belgiens unterstützt die Nato in der Erklärung die UN in dem Konflikt: "Wir unterstützen weiterhin die Bemühungen der Vereinten Nationen, eine friedliche Lösung der Krise zu finden", heißt es darin. "Diese Entscheidung bezieht sich nur auf die Verteidigung der Türkei und greift keiner anderen Operation der Nato vor." Der deutsche General Harald Kujat sagte, die Planungen würden nun einige Tage dauern. Danach müsse die Nato dem eigentlichen Einsatz erneut zustimmen. Die Regierungen Frankreichs, Belgiens und Frankreichs versicherten, dass sie dem Schutz der Türkei im Ernstfall nachkommen würden. Vorgesehen sind Patriot-Abwehrraketen, Awacs-Aufklärungsflugzeuge und Gerät zum Schutz vor einem Angriff mit biologischen oder chemischen Waffen.
  • Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush hat sich am 16. Februar dagegen ausgesprochen, den Waffenkontrolleuren der Vereinten Nationen in Irak mehr Zeit zu geben. Mit dem Gerede über mehr Zeit würde nur der Druck auf Irak vermindert, erklärte Condoleezza Rice dem amerikanischen Fernsehsender NBC. "Es ist Zeit, die Sache zu beenden, genug ist genug", sagte Rice. In einem anderen Interview mit dem Fernsehsender Fox sagte die Leiterin des Nationalen Sicherheitsrates, die US-Regierung erwäge eine neue UN-Resolution über das weitere Vorgehen gegen Irak. Über den Wortlaut sei jedoch noch nicht entschieden. Rice gab aber auch zu bedenken, dass nach Auffassung der US-Regierung für einen Militärschlag gegen Irak eine neue Resolution des Weltsicherheitsrates nicht unbedingt erforderlich sei. Sie wiederholte ferner, dass Iraks Diktator Saddam Hussein zur Erfüllung der UN-Resolutionen nur noch Wochen und nicht Monate Zeit habe.
    Die Arabische Liga will einen Irak-Krieg verhindern, über die Lösung der Krise gibt es allerdings Meinungsverschiedenheiten. "Wir bringen deutlich unsere Ablehnung eines Krieges gegen Irak zum Ausdruck", sagte der libanesische Außenminister Mahmud Hammud am 16. Februar zu Beginn von Beratungen in Kairo. Er versicherte, dass die Liga-Staaten eine Militäraktion gegen Bagdad keinesfalls unterstützen würden. Erstmals waren bei einem Treffen der Arabischen Liga auch EU-Vertreter anwesend. Der griechische EU-Ratspräsident Giorgos Papandreou und Außenkommissar Chris Patten waren in die ägyptische Hauptstadt gekommen. Einige arabische Länder plädieren für einen gemeinsamen Vorstoß, um den irakischen Diktator Saddam Hussein zur Kooperation mit der Uno zu bewegen. Andere Mitglieder wollen dagegen einen Rücktritt Husseins oder seinen Gang ins Exil erreichen. Der ägyptische Staatschef Husni Mubarak plant einen neuen Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga. Nach Berichten der amtlichen Zeitung "Al Ahram" soll das Treffen am 27. Februar in Scharm el Scheich beginnen.
  • Die 15 Staats- und Regierungschefs der EU haben am 17. Februar ihre Differenzen in der Irak-Frage beigelegt. Sie verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich für eine friedliche Lösung des Konflikts aussprechen. Gewalt dürfe "nur als letztes Mittel" eingesetzt werden.
  • Am 18. Februar haben die UN-Inspekteure bei ihren Kontrollen im Irak erstmals ein U-2-Aufklärungsflugzeug eingesetzt. Die UN-Waffeninspekteure hatten den Irak darum gebeten, und die Regierung in Bagdad hat den Flug erlaubt.
    Britische und US-Kampfflugzeuge griffen am 18. Februar in der sog. Flugverbotszone im Süden des Irak eine mobile Radaranlage der irakischen Flugabwehr an.
    In Libanon und Ägypten demonstrierten am 18. Februar Tausende Menschen gegen einen Irak-Krieg.
  • Der NATO-Rat verabschiedete am 19. Februar eine Solidaritätserklärung für die Türkei. Darin bekräftigten alle 19 Mitgliedstaaten, ihre Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag zu erfüllen.
    Die Bundesregierung will alle weiteren NATO-Anfragen nach militärischem Besitand für die Türkei ablehnen, sagte Regierungssprecher Bela Anda am 19. Februar. Über die bisher schon geleistete Hilfe gebe es "keinen Handlungsbedarf".
    Die russische Regierung hat am 19. Februar die Bombardierung von Zielen in den irakischen "Flugverbotszonen" scharf kritisiert. Die Angriffe von Seiten der USA und Großbritanniens seien "durch nichts" zu rechtfertigen.
    Russlands Vize-Außenminister Juri Fedotow bekräftigten am 19. Februar die Haltung der russischen Regierung, eine neue UN-Resolution im Sicherheitsrat ablehnen zu wollen. Die Inspekteure hätten jetzt bereits "ausreichende Vollmachten".
    Das türkische Kabinett vertagte erneut eine Entscheidung darüber, ob die USA Tausende von Soldaten im Land stationieren dürfen.
    Im UN-Sicherheitsrat plädierte am 19. Februar die Mehrheit der Redner dafür, nach einer friedlichen Lösung im Irak-Konflikt zu suchen.
    Nach einem Bericht der Financial Times sollen etwa 5.000 bewaffnete Schiiten in den kurdischen Teil Iraks eingedrungen sein. Sie sollen der oppositionellen Bewegung Ad-Dawa und dem Obersten Rat der Islamischen Revolution (SCIRI) angehören. (Quelle: Frankfurter Rundschau, 20.02.2003)
    Nach Angaben des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld (20.02.2003, Ortszeit) sind die US-Truppen am Persischen Golf angriffsbereit. Jetzt warte man nur noch auf die Entscheidung des US-Präsidenten. Schätzungen gehen dahin, dass zur Zeit etwa 150.000 britische und US-Soldaten in der Region seien; bis Ende Februar könnten es mehr als 200.000 sein.
  • Britische Medien berichteten am 21. Februar, dass zwischen Washington und London Euinigkeit darüber bestehe, einen Krieg bis zum 14. März beginnen zu wollen. Bis zu diesem Datum sollte der Sicherheitsrat nach dem Willen der USA ein abschließendes Urteil über die Verletzung der Resolution 1441 durch Irak fällen.
    Nach Angaben eines Sprechers von Hans Blix wolle der UNMOVIC-Chef von Bagdad die Zerstörung der Al-Samoud-2-Raketen und der Produktionsanlagen für Raketen-Triebwerke verlangen.
    Am 21. Februar sagte der türkische Ministerpräsident Abdulla Gül, er rechne in den nächsten Tagen mit einer Eingigung zwischen der Türkeit und den USA im Tauziehen um die von der Türkei geforderten Ausgleichzahlungen für eine Stationierung US-amerikanischer Soldaten.
    Der Chef der UN-Waffeninspektion in Irak, Hans Blix, hat am 21. Februar Irak ein Ultimatum gestellt. Bis zum 1. März muss damit begonnen werden, Raketen vom Typ Al Samoud-2 zu vernichten, die gegen eine UN-Resolution verstoßen.
  • Russland verstärkt seine diplomatischen Bemühungen im Irak-Konflikt. Der ehemalige russische Ministerpräsident Jewgeni Primakow traf am Abend des 22. Februar zu einer Geheimmission in Bagdad ein. Das sagte ein Diplomat am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Nähere Einzelheiten wurden nicht bekannt.
    Der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed El Baradei, erwägt zurückzutreten, sollte ein Krieg gegen Irak ohne Zustimmung der Uno begonnen werden. Er wolle "nichts ausschließen", sagte Baradei in einem Interview mit dem "Spiegel" (Spiegel-online, 22.02.2003). Er glaube aber, dass es "noch eine Chance für den Frieden" gebe, betonte er. Noch arbeite Bagdad zwar nicht umfassend mit den UN-Inspektoren zusammen. Die Kooperation werde aber "zunehmend besser". Die irakische Führung "scheint den Ernst der Lage begriffen zu haben."
  • Irak antwortete am 23. Februar auf diesen Brief mit der Versicherung, dass man alles tue, um mit den Inspektoren der Vereinten Nationen (Unmovic) zu kooperieren. Eine Ankündigung, wann mit der Zerstörung begonnen werde, gab es nicht. Diese Anweisung "werde geprüft". Der Brief von Blix, der immerhin vier oder fünf Seiten habe, werde zurzeit noch überprüft. Man habe den Inspektoren aber angeboten, jede der Raketen zu testen und man sei sicher, dass keine davon die maximal erlaubte Reichweite von 150 Kilometern überschreite, sagte General Hossam Mohammed Amin, der Beauftragte der irakischen Regierung für die Zusammenarbeit mit den UN-Inspektoren. Wenn die Raketen mit ihrem Steuerungs-System und mit ihrem Sprengkopf bestückt seien, würde keine davon die Reichweite überschreiten. Die Frage solle "in technischen Treffen, durch Meinungsaustausch" mit den Inspektoren geklärt werden. "Wir hoffen, dass das Problem ohne die Einmischung der USA und Großbritanniens gelöst werden kann", sagte Amin bei einer Pressekonferenz in Bagdad. - Kurz vorher hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan gesagt, er sei zuversichtlich, dass Bagdad der Forderung nachkommen werde. Sollte Irak sich jedoch weigern, werde der Sicherheitsrat "eine Resolution verabschieden" müssen.
    Welche Anforderungen auch immer an Irak gestellt worden sind, man habe sie erfüllt, sagte General Hossam Mohammed Amin weiter. Auch wenn die UN-Resolution 1441 "schlecht" sei, sei man zur Zusammenarbeit bereit. Amin betonte mehrmals, dass Irak voll kooperiere. Als Beispiel nannte er die Zustimmung zur von Unmovic geforderten Luftüberwachung. So sei das Aufklärungsflugzeug U-2 bereits dreimal geflogen und habe insgesamt 17 Stunden lag Aufnahmen gemacht. Außerdem würden Drohnen und acht Helikopter eingesetzt, die in geringerer Höhe Filme und Fotos aufnehmen. In den kommenden Tagen würden die französischen Mirage-Aufklärer zum Einsatz kommen.
  • Am 24. Februar legten die USA, Großbritannien und Spanien dem UN-Sicherheitsrat eine gemeinsame Resolution vor, in der festgestellt wird, dass es der Irak versäumt habe, "die letzte Gelegenheit, die ihm in Resolution 1441 gegeben wurde, zu nutzen".
    Am selben Tag legten Frankreich, Deutschland und Russland ein "Memorandum" vor, in dem auf eine "friedliche Lösung" des Konflikts und mehr Zeit für die Inspektionen orientiert wird. Die militärische Option dürfe nur ein "letztes Mittel" sein, heißt es in dem Papier. In dem Memorandum solle festlegt werden, bis wann Irak welche Forderungen zu erfüllen habe, sagte der französische Außenminister Dominique de Villepin der französischen Zeitung "Le Figaro". Eine neue UN-Resolution lehnt Frankreich dagegen nach wie vor ab. Ein solcher Schritt sei weder nützlich noch sinnvoll, sagte die Sprecherin des französischen Präsidenten Jacques Chirac, Catherine Colonna, am 24. Februar. Solange die Arbeit der UN-Waffeninspekteure erfolgreich sei, solle sie fortgesetzt werden.
    Die türkische Regierung stimmte der Stationierung von US-Truppen im Land zu. Eine Parlamentsentscheidung steht aber nach wie vor aus.
    Am 24. Februar begann in Kuala Lumpur (Malaysia) der Gipfel der Bewegung der Blockfreien Länder, der sich zur Zeit 116 Entwicklungs- und Schwellenländer zugehörig fühlen. Scharfe Worte gegen den Westen, insbesondere die Hegemonialbestrebungen der USA, richteten der malaysische Ministerpräsident Mahathir Mohamad, Irans Präsident Mohammad Khatami, der irakische Außenminister Nadschi Sabri und der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki an die Versammlung. In einer Resolution wird der Krieg verurteilt, gleichzeitig wird aber auch der Irak aufgefordert, aktiv an der Umsetzung der UN-Resolution mitzuarbeiten.
  • Im äußersten Südosten der Türkei rollen seit einigen Tagen türkische Panzer auf schweren Tiefladern zur irakischen Grenze. Die türkische Armee, die zweitgrößte der Nato, bereitet sich auf einen Krieg vor. Die Generäle warten nur noch auf die Entscheidung des Parlaments in Ankara, etwa 60000 US-Soldaten für einen Irak-Krieg in der Türkei zu stationieren, dann sollen auch türkische Panzer die Grenze in den Nordirak überqueren dürfen. Dies hat die Türkei zur Bedingung für ihre Billigung der US-Pläne gemacht. Hoshyar Zebari, der Sprecher von Kurdenchef Massoud Barzani, sagte am 25. Februar, "eine türkische Intervention im Nordirak wird zu Zusammenstößen führen." Barzanis Demokratische Partei Kurdistans (KDP) ist in ihrem Hauptquartier in Salaheddin, 20 Kilometer von der Stadt Erbil entfernt, derzeit Gastgeber eines Treffens irakischer Oppositionsgruppen, an der auch eine US-Delegation teilnimmt. Bei dem massiven türkischen Truppenaufmarsch - die Rede ist von mehr als 60.000 Mann - im Nordirak drohen erhebliche Konflikte. Am 24. Februar trat in Erbil das Parlament der von Bagdad quasi autonomen Region zusammen. Seine 105 Mitglieder verurteilten den bevorstehenden Einmarsch. Washington wurde gebeten, die Türkei dazu zu bringen, "mit ihren "Nachbarn in Frieden zu leben". Das Regionalparlament hatte sich jüngst wieder konstituiert, nachdem es lange durch innerkurdische Rivalitäten blockiert war. Washington hatte die Kurdenchefs Massoud Barzani und Dschalal Talabani zur Versöhnung gedrängt. (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 26.02.2003)


In den USA hat sich ein Lysistrate-Projekt gebildet, das im ganzen Land Lesungen veranstalten will mit dem 2.400 Jahre alten, aber immer noch aktuellen griechischen Anti-Kriegs-Stück von Aristophanes. Nach Angaben von THAW-Theater Against War sind bis jetzt schon 782 Lesungen in allen 50 US-Bundesstaaten sowie in 43 weiteren Ländern außerhalb der USA geplant. Informationen gibt es bei http://www.thawaction.org


  • Nach Berichten über eine private Äußerung von US-Präsident George W. Bush zur Ermordung des irakischen Staatschefs Saddam Hussein hat sich das Weiße Haus um Schadensbegrenzung bemüht. Der Präsident könne sich "nicht daran erinnern, dies gesagt zu haben", sagte sein Sprecher Ari Fleischer in Washington. Im übrigen sei nach wie vor ein Gesetz gültig, das der US-Regierung den Auftrag zur Ermordung ausländischer Staatsoberhäupter verbietet. Der Senator von Illinois und Bush-Parteifreund Peter Fitzgerald hatte gegenüber der Chicagoer Zeitung "Daily Herald" am 25. Februar bestätigt, Bush habe sich in einem vertraulichen Gespräch an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One vor einem Monat für eine Ermordung Saddam Husseins ausgesprochen: "Wenn wir Geheimdienstinformationen hätten, wo er (Saddam Hussein) sich aufhält, und wenn wir freie Schussbahn hätten, ihn umzubringen, dann würden wir das wahrscheinlich tun", fasste der Senator das Gespräch zusammen.
  • Der engste Verbündete Bushs in der Irak-Frage, der britische Premierminister Tony Blair, sah sich am Abend des 26. Februar wegen seines harten Irak-Kurses im Parlament mit einer regelrechten Revolte seiner Labour-Partei konfrontiert. Die breite Opposition im Land gegen einen Krieg könnte schwinden, wenn ein Militärschlag von der UNO unterstützt wird. Blairs Gegner in der eigenen Fraktion argumentierten heftig gegen das anglo-amerikanische Drängen auf einen Krieg: "Der Fahrplan scheint derzeit eher von den Entscheidungen des Präsidenten der USA bestimmt zu sein als von der Logik der Ereignisse", sagte Chris Smith, ein ehemaliges Kabinettsmitglied Blairs. Allein aus Blairs Fraktion stimmten schließlich 122 Abgeordnete (von 411) und damit ein Viertel der Mitglieder gegen einen Antrag, der Blairs Position bekräftigte. Mit Hilfe der Opposition wurde der Antrag dennoch mit 393 zu 199 Stimmen angenommen.
    US-Präsident George W. Bush hat einen durch Krieg erzwungenen Machtwechsel in Irak als Chance zur Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens bezeichnet. "Ein befreiter Irak kann zeigen, wie die Kraft der Freiheit diese Schlüsselregion umformen kann, indem sie Hoffnung und Fortschritt in das Leben von Millionen (Menschen) bringt", sagte Bush am 26. Februar in einer im Fernsehen übertragenen Rede beim American Enterprise Institute. Auch von Israel werde dann erwartet, dass es die Bildung eines Palästinenser-Staates unterstütze. Bush versicherte in seiner Rede vor Politikwissenschaftlern, er werde die US-Truppenpräsenz im Fall eines Krieges zeitlich auf das nötige Maß beschränken und die Ölquellen zum Wohle des irakischen Volkes gegen Sabotage sichern. Bush warnte den UNO-Sicherheitsrat davor, seine Funktion als Stabilitäts- und Ordnungsfaktor dadurch zu schwächen, dass er auf die Verweigerungshaltung Iraks in der Abrüstungsfrage weiter mit Verzögerungen und Entschuldigungen reagiere. dafür entschieden abzurüsten. Im Nahen Osten gebe es hoffnungsvolle Anzeichen dafür, dass sich die Menschen nach Freiheit sehnten, fuhr Bush fort und sagte zum Konflikt um einen Palästinenser-Staat: Von Israel werde erwartet, dass es so schnell wie möglich auf eine endgültige Vereinbarung hinarbeite und den Ausbau seiner Siedlungen in den Palästinenser-Gebieten stoppe, "wenn Fortschritte auf dem Weg zum Frieden erzielt werden."
  • China und Russland stimmen in der Forderung überein, dass ein Krieg gegen Irak vermieden werden müssen. Alle Kräfte müssten für eine politische Lösung eingesetzt werden, hieß es am 27. Februar in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Außenminister der Staaten nach einem Treffen in Peking. Am Vorabend hatte Russlands Präsident Wladimir Putin nach Gesprächen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Moskau die von den USA und Großbritannien vorgelegte Resolution abgelehnt: "Wir glauben, dass es unannehmbar ist, eine Resolution zu verabschieden, die automatisch das Recht gewähren würde, einen Krieg zu beginnen", sagte Putin.
    Das Parlament in Ankara hat die für den 27. Februar geplante Abstimmung über die mögliche Stationierung von US- Soldaten in der Türkei vertagt. Die Verhandlungen mit der Opposition und dem Parlamentspräsidenten dauerten noch an, sagte ein Fraktionsmitglied der Regierungspartei AKP nach Angaben des türkischen Fernsehsenders NTV. Möglicherweise finde die Debatte nun am 1. März statt. Zuvor war bekannt geworden, dass sich Ankara und Washington über den militärischen Teil des Abkommens bereits einig seien.
    Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat den USA vorgeworfen, die UN für ihre Zwecke ausnutzen zu wollen. "Die USA unterwerfen sich nicht der Kompetenz der Vereinten Nationen, sondern wollen diese sich unterwerfen", sagte Thierse in einem Interview der "Berliner Zeitung" (27.02.2003). Er bezeichnete einen Präventivkrieg gegen Irak als völkerrechtswidrig. Die Charta der Vereinten Nationen schreibe fest, dass Kriege nur dann gerechtfertigt seien, wenn es um Selbstverteidigung gehe oder wenn eine Gefahr für den Weltfrieden bestehe. "Ich kann nicht sehen, dass das eine oder das andere für den Irak zutrifft", kritisierte Thierse. Den Amerikanern gehe es in der Irak-Frage neben dem Kampf gegen den Terror und den eigenen Sicherheitsinteressen auch um wirtschaftliche Fragen. "Dass auch das Öl ein Motiv ist, das ist doch nicht zu bestreiten." Der SPD-Politiker betonte aber die hohe Bedeutung des transatlantischen Bündnisses für Deutschland. "Die NATO und die Freundschaft mit den USA sind von hohem Wert für uns, und sie bleiben es, selbst wenn wir in dieser wichtigen Frage einen fundamentalen Dissens haben." Deshalb müssten den Amerikanern im Kriegsfall auch die Überflug- und Transitrechte gewährt werden. "Wenn wir den Amerikanern die Überflug- und Landerechte verweigerten, würden wir das Verhältnis zu den USA vollständig zerrütten und die NATO in eine schwere Krise stürzen. Diesen Preis wollen wir dem Hussein-Regime nicht zahlen."
    Knapp 200.000 Ägypter haben sich am 27. Februar im Fußballstadion von Kairo zu einer Protestkundgebung gegen einen von den USA angeführten Irak-Krieg versammelt. Die vom Innenministerium genehmigte Kundgebung war von Politikern aller ägyptischen Parteien, Religionsgelehrten, Gewerkschaftern und Intellektuellen organisiert worden. Sie ist die größte politische Kundgebung in Ägypten seit Jahrzehnten.
    Zwei Tage früher als vorgesehen gab Hans Blix am 27. Februar seinen nächsten Bericht über den Stand der Waffeninspektionen an den UN-Sicherheitsrat ab. Dort ist immer noch von einigen Problemen die Rede, es werden aber auch beträchtliche Fortschritte ausgemacht.
    Der Athener US-Botschaftsrat J. Brady Kiesling hat aus Protest gegen den Irak-Krieg gekündigt. Er wirft der US-Regierung vor, sich von gewinnsüchtigen Interessen leiten zu lassen und die mächtigste Offensiv- und Defensivwaffe der USA zu entwerten, die internationale Rechtmäßigkeit. Die gegenwärtige Politik sei weder mit amerikanischen Werten noch Interessen vereinbar, ließ er am 27. Februar in der New York Times verlauten. Sie bringe mit ihrem jetzigen Kurs Instabilität und Gefahren mit sich. Auch den Afghanistan-Krieg und die Nachkriegsregierung dort hält Kiesling keineswegs für ein gelungenes Vorbild. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, bestätigte die Demission Kieslings und bedauerte den Schritt.
    In der Irak-Krise sind sich Europa und die USA in der Zielrichtung einig: Der Irak muss abrüsten. Das betonten US-Außenminister Colin Powell und die außenpolitische Führungsspitze der Europäischen Union am 27. Februar in Washington. Unterschiedliche Auffassungen bestünden darüber, was der nächste Schritt sein müsse, sagte Powell nach dem Halbjahrestreffen mit der EU-Spitze. An dem Gespräch nahmen unter anderem der griechische Außenminister Giorgos Papandreou und der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, teil.
    Der Irak stimmt der Zerstörung seiner Raketen vom Typ El-Samoud-2 "im Prinzip" zu. Die UN-Waffeninspekteure in Bagdad stehen mit den irakischen Behörden bereits in Verhandlungen über Einzelheiten der Vernichtung aller Raketen mit einer höheren Reichweite als der erlaubten von 150 Kilometern. Das bestätigte die Irak-Inspektionskommission UNMOVIC am Abend des 27. Februar (Ortszeit) in New York.
    Am 27. Februar beendete der Rat des größten US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO seine viertägige Sitzung mit einer Resolution gegen den Irak-Krieg. Darin wird ein Krieg ohne breite Unterstützung durch die Verbündeten zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt. Gleichzeitig plädiert der AFL-CIO, dem 65 Gewerkschaften angehören, für die Entwaffnung Saddams, mit "multilateraler Entschlossenheit, nicht mit unilateraler Aktion", wie es heißt.
  • Großbritannien und Spanien haben den Irak davor gewarnt, die Weltgemeinschaft an der Nase herum zu führen. "Dies ist nicht die Zeit für Spiele", sagte der britische Premierminister Tony Blair am 28. Februar in Madrid nach einem Treffen mit seinem spanischen Amtskollegen José María Aznar. Die Zustimmung Bagdads zur Zerstörung von Al-Samoud-2-Raketen werteten beide Regierungschefs als taktisches Manöver angesichts des Ablaufs der von den UN-Waffeninspekteuren gesetzten Frist am 1. März. Frankreich begrüßte dagegen diesen Schritt und rief London und Madrid auf, zu einer einheitlichen EU-Linie zurückzufinden. - George W. Bush sagte, die Raketen seien nur "die Spitze des Eisbergs". Am Verhaltensmuster der irakischen Regierung habe sich nichts geändert, sagte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Bagdad sei immer erst dann zum Einlenken bereit, wenn der Druck zunehme. - In Berlin und Paris wurde Iraks Ankündigung dagegen begrüßt. Der französische Außenminister Dominique de Villepin bezeichnete das Einlenken als "wichtige Etappe", die das "von Frankreich und der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft" eingeschlagene Verfahren stütze. Ein Sprecher der Bundesregierung rief Irak auf, "den Worten jetzt rasch Taten folgen" zu lassen. - UN-Chefwaffeninspekteur Hans Blix hat das Einlenken Iraks im Raketenstreit "sehr bedeutsam" genannt. Es gebe sehr viele Raketen und dazu gehörige Teile, die Bagdad gemäß den Auflagen des UN-Sicherheitsrats zerstören müsse, sagte Blix am 28. Februar am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Deshalb sei die irakische Ankündigung, die El-Samoud-2-Raketen zu zerstören, ein Beitrag zu einer "wirklichen Abrüstung".
    Russland werde nötigenfalls von seinem Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat Gebrauch machen, um "den Weltfrieden zu wahren", sagte Außenminister Iwanow in Peking. Das Veto-Recht der ständigen Mitglieder müsse "mit großer Verantwortlichkeit" zum Einsatz kommen "und in Fällen, bei denen der Weltfriede auf dem Spiel steht".
    Mit der Verlegung der Division 101 setzten die USA ihren Truppenaufmarsch fort. Die 20.000 Mann starke Luftlandeeinheit soll nach Militärangaben bis kommende Woche fast vollständig am Golf sein.



Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage