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"In einer solchen Situation ist es unverantwortlich, den Krieg fortzusetzen"

Im Wortlaut: Eine Erklärung aus der Friedensbewegung - Chronologie der Anschläge und Gefechte, bei denen deutsche Soldaten getötet wurden

Am 23. Juni 2009 starben drei weitere Bundeswehrsoldaten bei einem Gefecht in Nordafghanistan. Wir berichteten darüber:

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag sowie eine Chronologie der bisherigen Gefechte mit Todesfolge für deutsche Soldaten.



Friedensbewegung:Krieg beenden!

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, 24. Juni 2009 - Zur jüngsten Eskalation im Afghanistankrieg, dem gestern weitere drei Bundeswehrsoldaten zum Opfer gefallen sind, erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel:

Die Durchhalteparolen von Verteidigungsminister Franz Josef Jung angesichts der neuerlichen Toten in Afghanistan sind ebenso scham- wie bedenkenlos. Wer im Angesicht des Todes von drei Bundeswehrsoldaten in einem sinnlosen Krieg davon redet, man sei es den Toten "schuldig", dass der "Stabilisierungseinsatz" in Afghanistan fortgesetzt werde, hat den Ernst der Lage nicht verstanden und nimmt gedankenlos weitere Todesopfer in Kauf. Das ist das Gegenteil von Fürsorge, wozu der oberste Dienstherr der Bundeswehr seinen Untergebenen gegenüber verpflichtet wäre. Die Soldaten sind auch nicht "im Einsatz für den Frieden gefallen", wie es aus dem Ministerium tönt, sondern im Einsatz für die NATO. Die NATO hat auf ihrem Gipfel in Straßburg nicht den Frieden, sondern den Erfolg in Afghanistan zur "obersten Priorität des Bündnisses" erklärt. Dafür werden zusätzliche Truppen stationiert, dafür werden nun auch AWACS-Flugzeuge eingesetzt (die den Krieg aus der Luft effektivieren sollen) und dafür soll auch die Bundeswehr einen immer größeren Beitrag leisten.

Mit jeder Truppenaufstockung hat sich im Land am Hindukusch aber nicht etwa die Sicherheitslage verbessert, sondern wurden die Gegenkräfte stärker. Die "Sicherheitsvorfälle" - ein beschönigender Ausdruck für Anschläge und Gefechte - häufen sich. Ende Mai/Anfang Juni 2007 gab es pro Woche noch 130 solcher "Vorfälle", ein Jahr später waren es 200 und in diesem Jahr stieg die Zahl auf 313 (Ende Mai) bzw. 400 (Anfang Juni). Der Oberbefehlshabers der US-Truppen in der Region, General David Petraeus, gab unumwunden zu: "Ohne Frage, die Situation hat sich verschlechtert."

Alle echten oder vorgeblichen politischen Ziele des Afghanistaneinsatzes (Terrorismus bekämpfen, Demokratie schaffen, Schulbildung für alle, freie Wahlen etc.) sind bisher verfehlt worden und werden auch künftig verfehlt. Die Expertise aller Afghanistan-Kenner lautet: Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, die Besatzungskräfte werden über kurz oder lang das Land verlassen müssen - so wie es einst den Briten und vor 20 Jahren den Sowjets erging.

Kanada hat schon vor geraumer Zeit beschlossen, seine im Süden Afghanistans stationierten 2.500 Soldaten (immerhin das viertgrößte Kontingent in Afghanistan), abzuziehen. Der konservative Präsident Harper sagte im März 2009 gegenüber CNN: "Um ehrlich zu sein, wir werden den Aufstand niemals niederschlagen". Kanada hat bisher 100 tote Soldaten zu beklagen. Müssen erst ebenso viele Bundeswehrsoldaten ihr Leben in Afghanistan lassen, bis es in den Parteiführungen von CDU/CSU, SPD und FDP dämmert, das man komplett auf dem Holzweg ist? Wir sagen: In einer solchen Situation ist es unverantwortlich, den Krieg fortzusetzen und das Leben zahlloser Afghanen ("Kämpfer" und Zivilpersonen) und deutscher Soldaten aufs Spiel zu setzen.

Die Friedensbewegung appelliert aus diesen Gründen an den Bundestag, in der nächsten Woche auf keinen Fall für den von der Bundesregierung beantragten Einsatz von AWACS-Flugzeugen zu stimmen. Dieser Einsatz - wir haben das bereits anlässlich der Ersten Lesung in der vergangenen Woche ausführlich begründet - trägt zur weiteren Eskalation des Luftkrieges bei und wird noch mehr Gegenattacken auf dem Boden provozieren. Die Bundeswehr versinkt immer mehr im Sumpf eines "normalen" schmutzigen Krieges. Statt dessen fordert der Bundesausschuss Friedensratschlag den Bundestag auf, darüber zu debattieren, wie die Soldaten auf dem schnellsten Weg aus Afghanistan abgezogen werden können.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Hamburg,
Peter Strutynski, Kassel


Anschläge auf die Bundeswehr in Afghanistan

Mit dem jüngsten Vorfall in der nordafghanischen Region Kundus sind beim Einsatz am Hindukusch bislang 35 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. 16 von ihnen fielen nach Angaben der Bundeswehr Anschlägen und Gefechten zum Opfer.
Wir dokumentieren im Folgenden die Vorfälle:
  • 23. Juni 2009: Nach einem Feuergefecht in der Region Kundus sterben drei Bundeswehrsoldaten. Sie sollen bei einem Ausweichmanöver mit ihrem Transportpanzer vom Typ "Fuchs" umgekippt und in einem Graben liegengeblieben sein.
  • 29. April 2009: In der Nähe der Stadt Kundus gerät eine Patrouille der Bundeswehr in einen Hinterhalt. Ein deutscher Soldat stirbt, vier weitere werden verletzt. Wenige Stunde zuvor waren bei einem Attentat in der Nähe des deutschen Feldlagers Kundus fünf deutsche Soldaten leicht verletzt worden.
  • 20. Oktober 2008: Zwei deutsche Soldaten sterben bei einem Selbstmordanschlag nahe der Stadt Kundus. Die Taliban bekennen sich zu dem Anschlag.
  • 27. August 2008: Eine Patrouille der Bundeswehr gerät in der Nähe von Kundus in eine Sprengfalle. Ein Soldat erliegt seinen Verletzungen, drei weitere werden verletzt.
  • 19. Mai 2007: Bei einem Selbstmordanschlag eines Taliban-Terroristen auf einem Markt in Kundus werden drei Soldaten einer Fußpatrouille getötet, zwei weitere verletzt.
  • 14. November 2005: In Kabul reißt ein Selbstmordattentäter einen Bundeswehrsoldaten mit in den Tod, zwei weitere werden verletzt. Zu dem Anschlag bekennen sich die radikal-islamischen Taliban.
  • 7. Juni 2003: In Kabul werden bei einem Selbstmordattentat vier Bundeswehrsoldaten getötet und 29 verletzt. Ein mit 150 Kilogramm Sprengstoff beladenes Taxi explodierte neben einem Bundeswehrbus.
  • 29. Mai 2003: Ein Geländewagen fährt in der Nähe des deutschen Isaf- Camps in Kabul auf eine Mine. Ein deutscher Soldat stirbt.
Quelle, dpa, Süddeutsche Zeitung (online), 23. Juni 2009




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