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"In Afghanistan helfen wir dabei unsere Bürger zu schützen"

Der NATO-Gipfel verabschiedete eine Erklärung zu Afghanistan und sprach sich Mut zu: "Wir machen nach wie vor Fortschritte". Im Wortlaut

Am 4. April tagte - begleitet von Demonstrationen der Friedensbewegung - der NATO-Rat in Strasbourg. Anlass war der 60. Geburtstag des größten Militärbündnisses in der Geschichte der Menschheit. Eine große Rolle spielte bei den Verhandlungen die Afghanistan-Frage. Wir dokumentieren im Folgenden die Afghanistan-Erklärung des NATO-Gipfels in einer deutschen Übersetzung.



GIPFELERKLÄRUNG ZU AFGHANISTAN

Herausgegeben von den Staats- und Regierungschefs, die am Treffen des Nordatlantikrats am 4. April 2009 in Straßburg/Kehl teilgenommen haben

In Afghanistan helfen wir dabei, Sicherheit für das afghanische Volk zu schaffen, unsere Bürger zu schützen und die Werte, nämlich Freiheit, Demokratie und die Menschenrechte, zu verteidigen. Unsere gemeinsame Sicherheit ist eng mit der Stabilität und Sicherheit Afghanistans und der Region verknüpft: eines Gebiets in der Welt, von dem aus Extremisten Anschläge gegen Zivilbevölkerungen und demokratische Regierungen planten und auch heute noch planen. Durch unsere unter einem VN-Mandat operierende Mission, die von unseren Partnern der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) unterstützt wird, und in enger Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung sind wir unverändert entschlossen, langfristig ein demokratisches Afghanistan zu unterstützen, das nicht erneut zu einem Stützpunkt für Terroranschläge oder einem Zufluchtsort für gewalttätigen Extremismus wird, der die Region destabilisiert und die gesamte internationale Gemeinschaft bedroht. Aus diesem Grund bleibt Afghanistan die oberste Priorität des Bündnisses.

Auf dem Gipfeltreffen in Bukarest im April vergangenen Jahres haben wir unsere strategische Vision dargelegt, die auf vier Leitprinzipien beruht: langfristiges Engagement, eine verstärkte afghanische Führungsrolle, ein umfassender Ansatz und regionales Engagement. Diese Prinzipien bleiben die Grundlage unseres politisch-militärischen Planes, den wir heute aktualisiert haben. Afghanische Eigenverantwortung ist nach wie vor ein entscheidender Faktor. Für einen Erfolg sind ein stärkerer regionaler Ansatz, der alle Nachbarn Afghanistans einschließt, und, da es sich nicht um eine rein militärische Anstrengung handelt, mehr zivile Ressourcen erforderlich.

Wir begrüßen das Ergebnis der Internationalen Afghanistankonferenz am 31. März 2009 in den Niederlanden, die die neue Dynamik des Engagements und Schwerpunkts der internationalen Gemeinschaft verdeutlichte. Wir teilen die Meinung, dass es wichtig ist, den Akzent auf ein Gleichgewicht zwischen zivilen und militärischen Anstrengungen zu legen; dies wird weiter zu Sicherheit und Stabilität in Afghanistan beitragen.

Wir machen nach wie vor Fortschritte. Die afghanische Regierung übernimmt mehr Verantwortung und baut ihre Fähigkeiten aus. Seit Bukarest haben wir die Führungsrolle betreffend die Sicherheit in Kabul Afghanistan anvertraut. Eine immer leistungsfähigere nationale afghanische Armee nimmt jetzt an über 80 % der ISAF-Operationen teil, bei der Hälfte in führender Funktion.. Wir erkennen die Koordinierungsrolle der VN hinsichtlich der internationalen zivilen Aktivitäten und die Notwendigkeit an, die Kohärenz aller zivilen und militärischen Anstrengungen weiter zu verbessern. Die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA), die ISAF und die afghanische Regierung setzen daher einen integrierten Ansatz um, der es erlauben wird, unsere gemeinsamen Anstrengungen zu fokussieren. Wir intensivieren unsere Bemühungen, den Beitrag der Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) zur Schaffung von Stabilität zu koordinieren und ihre Arbeit noch mehr an den Prioritäten der afghanischen Regierung auszurichten. Wir haben unsere Maßnahmen in Abstimmung mit den afghanischen Behörden verbessert, um zivile Opfer zu verhindern und in angemessener Weise zu reagieren, wenn sie bedauerlicherweise doch vorkommen. Wir werden unsere diesbezüglichen Bemühungen fortsetzen. Wir verstärken die Operationen zur Unterstützung der afghanischen Tätigkeiten im Bereich Drogenbekämpfung.

Wir sind uns dessen bewusst, dass Extremisten in Pakistan, insbesondere in westlichen Gebieten, und Aufständische in Afghanistan die Sicherheit und Stabilität in beiden Ländern untergraben und dass die Probleme eng miteinander verflochten sind. Seit Bukarest befürworten wir eine verstärkte militärische Koordinierung und ein verbessertes hochrangiges Engagement mit beiden Regierungen. Wir haben dem Dialog zur Behandlung von Fragen der grenzüberschreitenden Sicherheit neue Dynamik verliehen. Wir begrüßen die Fortsetzung des Ankara-Prozesses, einschließlich des jüngsten trilateralen Treffens, und die G-8-Initiative, die auf die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit und des Dialogs zwischen den beiden Ländern abzielt.

Es gibt nach wie vor ernste Herausforderungen. Trotz erheblicher Verbesserungen müssen Unsicherheit, fortbestehende Korruption und die unausgewogene Durchsetzung guter Regierungsführung im ganzen Land zusammen behandelt werden. Wir sehen uns einem skrupellosen Gegner gegenüber, der menschliches Leben rücksichtslos missachtet und direkt Zivilpersonen ins Visier nimmt. Die ISAF wird ihren Teil dazu beitragen, diese Bedrohungen der langfristigen Stabilität Afghanistans bewältigen zu helfen. Wir werden uns als vordringliche Aufgabe mit den verbleibenden ISAF-Lücken befassen und unseren Befehlshabern größtmögliche operative Flexibilität für den Einsatz unserer Streitkräfte gewähren. Zusammen mit der afghanischen Regierung müssen wir extremistische Propaganda auch zukünftig bekämpfen und unsere Ziele, Herausforderungen und Leistungen besser vermitteln. Als Ausdruck unseres Engagements für Afghanistan haben wir Folgendes vereinbart:
  • eine NATO-Ausbildungsmission – Afghanistan (NTM-A) innerhalb der ISAF einzurichten, die die Ausbildung auf höherer Ebene für die nationale afghanische Armee und die Ausbildung und Betreuung für die nationale Polizei unter Nutzung der bestehenden Strukturen und Synergieeffekte in enger Abstimmung mit dem Internationalen Polizeikoordinierungsrat überwacht.
Wir begrüßen die laufenden Initiativen zur Unterstützung des gemeinsamen Zieles der Ausbildung und Betreuung der nationalen afghanischen Polizei. Die Europäische Gendarmerietruppe (EGF) könnte hierbei eine aktive Rolle spielen;
  • mehr Ausbilder und Betreuer zur Unterstützung der nationalen afghanischen Polizei zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne unterstreichen wir, wie wichtig andere Anstrengungen in diesem Bereich sind, wie beispielsweise die Tätigkeiten der Polizeimission der Europäischen Union in Afghanistan (EUPOL);
  • den nationalen afghanischen Sicherheitskräften (ANSF) bei der Absicherung des bevorstehenden Wahlprozesses durch die zeitlich befristete Stationierung der erforderlichen Kräfte für die Wahlunterstützung zu helfen und sie zu unterstützen;
  • Berater- und Verbindungsteams im praktischen Einsatz (OMLT) zur Unterstützung der progressiven Aufstockung der nationalen afghanischen Armee auf ihre derzeitige Zielstärke von 134.000 Mann zur Verfügung zu stellen;
  • den Anwendungsbereich des Treuhandfonds für die nationale afghanische Armee zu erweitern, so dass auch die Betriebskosten abgedeckt sind. Wir begrüßen die angebotenen ersten Beiträge und werben für neue Beiträge der internationalen Gemeinschaft;
  • die sich entwickelnden langfristigen Beziehungen zwischen der NATO und Afghanistan auszubauen;
  • die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der afghanischen und der pakistanischen Regierung zu fördern und zu unterstützen sowie breiter angelegte politische und praktische Beziehungen zwischen der NATO und Pakistan aufzubauen;
  • die Regierung von Afghanistan und die VN bei der Entwicklung des Integrierten Ansatzes zur Verstärkung aufeinander abgestimmter ziviler und militärischer Bemühungen weiter zu unterstützen;
  • alle Nationen darin zu bestärken, zu dem VN-Fonds für die Unterstützung der Wahlen beizutragen;
  • unser Engagement mit allen Nachbarn Afghanistans zur Unterstützung der langfristigen regionalen Sicherheit und dauerhafter guter Beziehungen weiter zu entwickeln.

Die gesamte internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung müssen auch ihre Rolle spielen, wenn es darum geht, die Herausforderungen als Teil eines echten umfassenden Ansatzes zu bewältigen. In diesem Sinne begrüßen wir die Verlängerung des UNAMA-Mandats. Im Hinblick auf die Zukunft gilt es zu gewährleisten, dass die Prozesse für die Präsidentenwahl und die Wahl der Provinzräte sicherstellen, dass jede Stimme zählt und dass die Bevölkerung durch die Wahlen die Führung erhält, für die sie sich entschieden hat. Um der Regierung dabei zu helfen, ihren Einflussbereich und ihre Effizienz auszuweiten, ist größere Unterstützung im zivilen Bereich erforderlich. Mehr und koordinierte Anstrengungen, auch auf Provinz- und Distriktebene, sind für eine beschleunigte Entwicklung der afghanischen Fähigkeit vonnöten, Gerechtigkeit, grundlegende Dienstleistungen und Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere im Agrarsektor, für alle afghanischen Bürger zu gewährleisten. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung muss intensiviert werden. Wir unterstreichen, wie wichtig der Schutz der Rechte von Frauen ist. Die gesamte internationale Gemeinschaft sollte weiterhin mit der Regierung von Afghanistan zusammenarbeiten, um die afghanischen nationalen Entwicklungsprioritäten und die von Afghanistan getragenen Bemühungen um Aussöhnung mit denjenigen zu unterstützen, die auf Gewalt verzichten, die Verfassung akzeptieren und keine Verbindungen zu Al-Quaida haben.

Wir zollen denjenigen unseren Tribut, die im Dienst für Afghanistan und für unsere eigene Sicherheit ihr Leben gelassen haben oder verwundet wurden. Wir würdigen den Mut und das Engagement des afghanischen Volkes und der Zehntausende von Männern und Frauen, Soldaten und Zivilpersonen aus NATO- und ISAF-Partnerländern und der internationalen Gemeinschaft, die dieses wichtige Projekt unterstützen. Unsere Mission wird durch den wichtigen Beitrag aller ISAF-Nationen gestärkt. Um unsere Ziele zu erreichen, werden wir mit Afghanistan und seinem Volk in einer echten langfristigen Partnerschaft zusammenarbeiten. In dem Maße, wie sich die afghanischen Fähigkeiten weiterentwickeln, wird sich unser Beitrag im Bereich der Sicherheit immer mehr auf Begleitung und Ausbildung konzentrieren. Wir halten entschlossen an unserer Bereitschaft fest, dem afghanischen Volk beim Aufbau einer besseren Zukunft zu helfen.

Quelle: Website der deutschen Vertretung bei der NATO; www.nato.diplo.de


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