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Friedenskongress im Zeichen des Irakkriegs

Schwerpunkte, Höhepunkte und Vielfalt des Friedenspolitischen Ratschlags - Pressemitteilung

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung, die der Bundesausschuss Friedensratschlag zur Ankündigung des 10. "Friedenspolitischen Ratschlags" in Kassel herausgegeben hat.


Bundesausschuss Friedensratschlag

Pressemitteilung

10. Friedenspolitischer Ratschlag tagt in Kassel, 6./7. Dezember 2003
  • Kongress im Zeichen des Irakkriegs
  • Worum es geht: Inhaltliche Schwerpunkte
  • Höhepunkte des Kongresses
  • Vielfalt der Angebote
Am 6. und 7. Dezember trifft sich auf Einladung des AG Friedensforschung an der Universität Kassel und des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel zum zehnten Mal der "Friedenspolitische Ratschlag". Dieses jährliche große Treffen von Friedenswissenschaftlern, Friedensbewegung und Politik steht diesmal im Zeichen der bedrohlichen weltpolitischen Entwicklung, die der anglo-amerikanische Krieg gegen Irak heraufbeschworen hat. Gleichzeitig hat dieser Krieg enorme Gegenkräfte auf den Plan gerufen und zu den bisher größten weltweit synchronisierten Friedensdemonstrationen am 15. Februar 2003 geführt. Der Kongress steht unter dem Motto "Perspektiven einer friedlichen Welt".

Hunderte von Menschen aus der ganzen Bundesrepublik und aus verschiedenen europäischen Ländern werden an den beiden Tagen in der Kasseler Universität über die Folgen des Irakkriegs diskutieren. Der Kampf gegen den Terrorismus hat in den vergangenen zwei Jahren nach Meinung der Veranstalter eine fatale Richtung eingeschlagen: Anstatt mit rechtsstaatlichen Mitteln und im Rahmen des Völkerrechts Terroristen zu verfolgen und zu bestrafen sind die USA und andere Staaten der Versuchung erlegen, die Probleme mit militärischer Gewalt "lösen" zu wollen. Afghanistan war die erste Station eines Krieges, den US-Präsident Bush unmittelbar nach dem 11. September 2001 zu einem "permanenten Krieg gegen den Terror" deklariert hatte.

Die zweite Station, der Irak, war nicht mit dem Vorwand des "Terrorismus" zu bekriegen (ausländische Terroristen haben sich bekanntlich erst nach dem offiziellen Ende des Irakkriegs im Irak eingefunden). Jetzt bediente man sich eines anderen Vorwands: dem des unerlaubten und den Weltfrieden bedrohenden Besitzes von Massenvernichtungswaffen. Der Irakkrieg wird in die Geschichte eingehen als ein Krieg, der gegen den erklärten Willen des UN-Sicherheitsrats, gegen den Mehrheitswillen der Menschen in fast allen Staaten der Welt und gegen den bis dahin beispiellosen politischen Protest von Millionen und Abermillionen Menschen angezettelt wurde. Es ist gleichzeitig der erste Krieg, der nach dem Drehbuch der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA (September 2002) geführt wurde: als vom Völkerrecht verbotener Präventivkrieg

Auf dem Friedensratschlag wird es darum gehen,
  • die weltpolitischen Rahmenbedingungen und politischen, völkerrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Irakkriegs zu analysieren,
  • die Veränderungen zu begreifen, die mit der militärischen Ausnahmestellung und geostrategischen Orientierung der USA auf Regionen wie den Nahen Osten oder Zentralasien zukommen,
  • die Entwicklung des Konfliktgeschehens in den Krisenzonen der Welt zu beschreiben,
  • die Spaltungstendenzen, die der Krieg auch in der Europäischen Union freigelegt hat, zu analysieren,
  • zivile Handlungsalternativen zu Krieg und Militär, auch in der Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus, zu erarbeiten.
Ein großer Teil der Friedenswissenschaft geht wie die Friedensbewegung davon aus, dass in einer Zivilisierung und Verrechtlichung der Weltpolitik und in der Entwicklung einer langfristigen Strategie gegen Hunger, Armut und Unterentwicklung der Schlüssel zu einer Verminderung terroristischer Aktivitäten und von inner- und zwischenstaatlichen Gewaltkonflikten liegt. Die Industrieländer mit ihrem riesigen Wirtschafts-, aber auch Militärpotenzial haben hierbei eine besondere Verantwortung. Am Beginn jeder Deeskalationstrategie und jeglicher Entwicklungspolitik muss ein Prozess der Entmilitarisierung stehen. "Abrüstung statt Sozialabbau" - so der Name einer laufenden Kampagne der Friedensbewegung - gilt daher für alle Gesellschaften und Staaten.

Zu den Höhepunkten des ersten Kongresstages gehören die Eröffnungsvorträge des Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Arno Klönne (Paderborn) über die weltpolitischen Konkurrenzbeziehungen zwischen USA und Europa, von Francis Würtz, GRUEL-Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament, über die Diskussion über die Europäische Verfassung und Militarisierung, und von Eva-Maria-Stange, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, über die aktuellen Auseinandersetzungen um den Abbau der Sozialstaatlichkeit. Am späteren Samstagnachmittag wird außerdem Heinz Loquai, ehemaliger OSZE-Beobachter für den Kosovo und prominenter Gegner des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien, einen Gastvortrag halten über die "Medien als Wegbereiter von Kriegen".

Am Samstagabend lädt der Kongress zum Feiern ein: Anlässlich des kleinen Jubiläums (der 10. "Ratschlag") werden die beliebten Schauspieler/innen und Musiker Sabine Wackernagel, Valentin Jeker und Hartmut Schmidt ein musikalisch-satirisches Programm aufführen: "Geben Sie acht, bevor`s kein anderer tut".

Am Sonntagvormittag wird zunächst Dr. Conrad Schuler (München) über die Bedeutung der jährlich in München stattfindenden "Sicherheitskonferenz" berichten, zu der jedes Jahr führende NATO-Politiker "Sicherheitspolitik" aus ihrer Sicht diskutieren, zu der jedes Jahr aber auch - zunehmender - Protest von Seiten der Friedensbewegung artikuliert wird.
Ein weiterer Gastredner wird Hans von Sponeck (Genf) sein, der früher das UN-Programm "Öl für Lebensmittel" geleitet hat und sowohl gegen das unmenschliche Embargo als auch gegen den Irakkrieg seine warnende Stimme erhoben hat. Der Chefdiplomat "außer Dienst" spricht über den "Irakkrieg und die Rolle der UNO".
Ein Podiumsdiskussion wird sich darüber hinaus mit den Perspektiven aus dem Irakkrieg befassen. Hieran werden teilnehmen Dr. Corinna Hauswedell (Mitherausgeberin des "Friedensgutachtens der führenden Friedensforschungsinstitute), Prof. Dr. Werner Ruf (emeritierter Hochschullehrer der Kasseler Uni und Mitveranstalter des "Friedensratschlags"), Thomas Roithner, Wien, vom Österreichischen Studienzentrum für Friedens- und Konfliktlösung (ÖSFK) und die Bielefelder Ärztin Dr. Angelika Claußen (stellvertretende Vorsitzende der IPPNW).

Ein großer Teil des Kongresses wird sich daneben in zahlreichen Foren und Arbeitsgruppen zu den unterschiedlichsten Themen und Problemstellungen abspielen, die Sie bitte dem vollständigen Tagungsprogramm entnehmen möchten. (Programm und Einladung.)

F.d. Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 27. November 2003


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