Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Für Frieden auf die Straße

Bundesweite Mobilisierung zu traditionellen Ostermärschen

Von Markus Bernhardt *

Die alljährlichen Ostermärsche stehen rund um das kommende Wochenende an: Auf bundesweit über 100 Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen wird gegen Aufrüstung, Waffenexporte und Krieg protestiert. Der Auftakt der traditionellen Veranstaltungen findet am Freitag im sächsischen Chemnitz statt. Die dortige Kundgebung steht unter dem Motto »Gegen Krieg und Fremdenfeindlichkeit – Für internationale Solidarität«. Mit der Wahl des Mottos soll vor allem ein Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus und Hass gesetzt werden. Bei anderen Märschen steht vor allem die Stimmungsmache und die damit einhergehende Neuauflage des »Kalten Krieges« gegen Russland im Vordergrund. In diesem Zusammenhang soll vielerorts der gewalttätige Konflikt in der Ukraine thematisiert werden.

Auch der Befreiung vom Faschismus, der 70. Jahrestag ist am 8. Mai dieses Jahres, wird im Rahmen der bevorstehenden Märsche gedacht. In der westdeutschen Neonazihochburg Dortmund sollen rund um den Ostermarsch verschiedene antifaschistische Gedenkveranstaltungen stattfinden. So gedenken die Stadt Dortmund und das Internationale Rombergpark-Komitee am Freitag der Opfer der Karfreitags-Erschießung politischer Gefangener und Widerstandskämpfer im April 1945 in der Bittermark durch die Nazis (jW berichtete). Die Dortmunder Ostermarsch-Veranstalter bereiten sich hierbei auch auf Störversuche von Anhängern der neofaschistischen Partei »Die Rechte« vor, die in den vergangenen Jahren mehrfach die Teilnehmer an der traditionellen Zwischenkundgebung des Marsches – am Ostermontag auf dem Dorstfelder Wilhelmplatz – zu provozieren versucht hatten. Bisher hatte sich die Polizei geweigert, die Neofaschisten abzudrängen. Mit der Begründung, dass es sich beim Ostermarsch um eine Kundgebung unter freiem Himmel handele, die von jedermann besucht werden könne.

55 Jahre nach dem ersten Ostermarsch, bei dem die atomare Bewaffnung der Bundeswehr thematisiert wurde, seien Kernwaffen immer noch ein wichtiges Thema für die Friedensbewegung, heißt es in einer aktuellen Erklärung des »Bundesausschusses Friedensratschlag«. Ein Beispiel dafür sind die andauernden Aktionen rund um den Fliegerhorst Büchel, wo rund 20 US-amerikanische Atomwaffen lagern, die derzeit sogar modernisiert werden. »Atomwaffen werden gerne als alter Hut oder als Relikt des Kalten Krieges bezeichnet. Doch die Atomwaffenproblematik ist hoch aktuell. Besonders durch die wachsenden Spannungen zwischen Russland und den USA, die mehr als 90 Prozent der Atomwaffen besitzen, steigt die Gefahr eines Einsatzes oder auch eines Unfalls«, warnte am Dienstag auch Philipp Ingenleuf vom Netzwerk Friedenskooperative. »70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki wird es endlich Zeit, dass die Menschheit diesen Wahnsinn beendet«, betonte er.

Vor allem die NATO-Stützpunkte im nordrhein-westfälischen Kalkar und Uedem werden beim Ostermarsch Rhein-Ruhr Thema sein. »Die Informationspolitik zu den Lagezentren am Niederrhein ist gelinde gesagt restriktiv, manchmal widersprechen sich sogar die offiziellen Angaben«, kritisierte die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen gegenüber jW. »Wir werden im Parlament unsere Rechte nutzen, um Licht ins Dunkel der Bunker am Niederrhein zu bringen«, kündigte die Bundestagsabgeordnete an, die am kommenden Wochenende bei den Ostermärschen in Kassel und Wattenscheid als Hauptrednerin auftreten wird. Im Gegensatz zu manchen ihrer Genossen aus den Reihen des sogenannten Reformerflügels der Linkspartei, sprach sich Dagdelen mit Blick auf die Ostermärsche erneut für einen Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO sowie deren Auflösung aus. Schließlich stelle das Kriegsführungsbündnis NATO eine »Bedrohung des Friedens und der Menschheit« dar.

Der »Bundesausschuss Friedensratschlag« kündigte an, bei den bevorstehenden Märschen auch die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates im Nahen Osten anzuprangern, dessen Aufbau maßgeblich von westlichen Geheimdiensten und »befreundeten« Staaten wie Saudi-Arabien betrieben worden sei. Weitere Themen seien der Kampf gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr, deren Aufrüstung zu einer Interventionsarmee sowie die inflationäre Überwachung von Bürgern durch private oder staatliche Stellen.

Die Organisatoren hoffen, erneut mehrere tausend Menschen zu den Ostermärschen zu mobilisieren. Der Kasseler »Friedensratschlag« erwartet zwar »keine signifikanten Steigerungen der Teilnehmerzahlen an den Ostermärschen«. Man rechne aber mit »einer Stabilisierung der bisherigen Bewegung«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. April 2015


»Für weltweite Einsätze zuständig«

jW dokumentiert Auszüge aus der kürzlich von der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) verfassten Broschüre »Kriegstreiber am Niederrhein. Die Luftwaffenstützpunkte von Bundeswehr und NATO in Kalkar/Uedem (NRW)«:

An den NATO- und Bundeswehrstandorten in Kalkar und Uedem finden alle gegenwärtigen Tendenzen der westlichen Kriegsführung ihren Ausdruck: Von der zunehmend offensiven Ausrichtung der NATO gen Russland und dem Umbau der Bundeswehr zur Armee im Einsatz über die wachsende Bedeutung und Militarisierung des Weltraums und des Cyberspace bis hin zur wachsenden Vernetzung der Streitkräfte mit zivilen Institutionen. Vom Niederrhein aus wird die Luftwaffe aktiviert, wenn ein unbekanntes Flugobjekt sich dem »NATO-Luftraum« nähert, hier wird das Luftlagebild erstellt, das gegebenenfalls eine Luftschutzwarnung an die Bevölkerung auslöst oder in die Entscheidung einfließt, die in Büchel stationierten Atomwaffen scharfzumachen. Spätestens mit der Eskalation um die Ukraine scheint die Sorge alles andere als unbegründet, dass ein neuer großer Krieg zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung jener Strategen wird, die in den Bunkern am Niederrhein zugange sind. Vieles zeigt sich bereits in der Geographie: Im Kalten Krieg hatte die NATO zwei Oberkommandos. Eines war für Operationen im Atlantik und eines für Europa zuständig. Das Oberkommando für den Atlantik in den USA ist heute nur noch mit der langfristigen Planung und Strategie befasst. Das Oberkommando für Europa ist nun für die weltweiten Einsätze zuständig. Das Bündnisgebiet hat sich bis an die Grenzen Russlands nach Osten ausgedehnt und wird von Uedem/Kalkar aus »verteidigt« – von deutschen Eurofightern, die im Baltikum stationiert sind. Formal üben nach wie vor die Einzelstaaten die Souveränität über ihren Luftraum aus, effektiv und im Ernstfall werden diese jedoch auf die Entscheidungen der NATO im deutschen Uedem deutlich weniger Einfluss haben als in der vorangegangenen Struktur mit zehn über Westeuropa verteilten NATO-Lagezentren.

Unter www.sevimdagdelen.de steht die Broschüre zum Download bereit.




Zurück zur Seite "Ostermarsch 2015"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Seite "Friedensbewegung" (Beiträge vor 2014)

Zur Presse-Seite

Zurück zur Homepage