Es wird ernst: Koalition zu Bundeswehreinsatz in Makedonien entschlossen
Fischer plaudert aus dem Nähkästchen - Vorschläge für die Friedensbewegung
Zwei Meldungen vom 5. Juli 2001 brachten gute Laune ins Kanzleramt: Einmal war aus Makedonien zu vernehmen, dass dort eine Waffenruhe (die wievielte in den letzten drei Monaten?) ausgehandelt wurde, und zum anderen hatten sich Sparkommissar Eichel und Verteidigungsminister Scharping darauf geeinigt, dass der neu gegründeten Beschaffungsgesellschaft GEBB ein beträchtlicher Spielraum bei der Vermarktung frei werdender Bundeswehrliegenschaften eingeräumt wird.
Was die beiden Meldungen mit dem Kanzler zu tun haben? Nun, am gleichen Tag bemühte sich der für einen Militäreinsatz in Makedonien werbende Kanzler in einer Gesprächsrunde mit allen Fraktionsvorsitzenden (ohne die PDS, vesteht sich) um einen Konsens für einen Bundeswehreinsatz. Die CDU/CSU-Opposition hat zwar nichts gegen das Kriegsabenteuer, will aber gern die Lage nutzen, um ihre Zustimmung für einen Einsatz an eine bessere finanzielle Ausstattung der angeblich Hunger leidenden Bundeswehr zu knüpfen. Die fünfte Kolonne Scharpings könnte nun mit zwei Angeboten geködert werden:
-
Der Makedonien-Einsatz soll nicht aus dem Verteidigungsetat, sondern aus dem Etat des Finanzministers bezahlt werden (also ein weiterer Schattenhaushalt für's Militär!). Die Kosten für einen 40 Tage dauernden Aufenthalt von rund 350 Soldaten im Rahmen einer 3.000 Soldaten umfassenden NATO-Streitmacht sind noch unbekannt; Eichel weiß also gar nicht, auf was er sich einlässt. Die CDU kann dieses Zugeständnis immerhin als Einstieg in eine künftige Höherbewertung der Militärausgaben ausgeben.
-
Der Modernisierungsgesellschaft GEBB wird gestattet, Beteiligungsgesellschaften
in vier Geschäftsfeldern (Fahrzeugflotten, Bekleidung, Informationstechnik,
Liegenschaftsmanagement) zu bilden. Dort erzielte Erlöse können für Investitionen
der Beteiligungsgesellschaften oder für Investitionen im Verteidigungsetat
verwendet werden. In der Ressortvereinbarung zwischen Scharping und Eichel heißt es: "Die Übertragung von
Eigentum der bisher von der Bundeswehr genutzten Liegenschaften an eine
Gebb-Gesellschaft ist gewollt und möglich." (Frankfurter Rundschau, 06.07.2001)
Die Nachricht vom Waffenstillstand in Makedeonien, der in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli in Kraft treten soll (in den Abendstunden des 5. Juli wird aber noch kräftig geschossen, siehe Einschub), soll die Gemüter in der SPD und bei den Grünen beruhigen. Ein Kriegseinsatz etwa nach dem Muster des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien vor zwei Jahren käme den Koalitionären doch etwas ungelegen. Hatte doch in der Zwischenzeit das Versprechen des Außenministers, der Kosovoeinsatz sei kein Präzedenzfall, sondern müsse die Ausnahme bleiben, seine Wirkung nicht ganz verfehlt. Also bitte nicht schon wieder! Vor allem dann nicht, wenn die Gefahr bestehe, dass die NATO-Truppe zwischen die Bürgerkriegsparteien geraten könne und zur richtigen kämpfenden Truppe mutieren müsste. So wirkte es wie Balsam auf die emfindsamen Seelen der Fraktionsvorstände, als sie vom Kanzler auf die angeblich entspannte Lage in Makedonien hingewiesen wurden, sodass ein Militäreinsatz zu einem Spaziergang würde, bei dem lediglich ein paar Waffen einzusammeln wären. Nur: Dazu braucht man keine NATO-Streitmacht, sondern das gehört viel eher in das Arsenal der Vereinten Nationen oder der OSZE. Der einzige Opponent aus der hohen Kanzlerrunde, Christian Ströbele, meinte immerhin davor warnen zu müssen, dass ein Makedonien-Einsatz die "letzten Pazifisten" in die Hände der PDS treiben würde. (Süddeutsche Zeitung, 06.07.2001) SZ-Redakteur Christoph Schwennicke hat uns leider nicht mitgeteilt, ob das alle Sorgen Ströbeles waren.
Wenige Stunden vor dem
geplanten Inkrafttreten
einer von westlichen
Diplomaten vermittelten
Waffenruhe sind am
Donnerstag in
Mazedonien wieder
Kämpfe ausgebrochen.
Bei einem Mörserangriff albanischer Rebellen auf das
Zentrum der Stadt Tetovo seien am Nachmittag 7
Zivilisten verletzt worden, berichtete der Fernsehkanal
A 1 in Skopje. Eine Granate sei in ein Wohnhaus
eingeschlagen. Die Regierung in Skopje und die
Rebellen gaben sich gegenseitig die Schuld für die
Eskalation der Gewalt.
Ein Sprecher der albanischen «Nationalen
Befreiungsarmee» (UCK) äußerte die Befürchtung,
dass die Kämpfe die wenige Stunden zuvor
ausgehandelte Waffenruhe gefährden könnten. «Wenn
die Kämpfe wie jetzt bis nach Mitternacht weiter
gehen, werden wir zurückschlagen», sagte Dren
Korabi vom Generalstab der UCK am Telefon.
«Unsere Soldaten werden sich verteidigen». Eine
derartige Intensität der Kämpfe könne ernsthaft die
Waffenruhe gefährden, fügte Korabi hinzu. Die
Waffenruhe sollte am Donnerstag nach Mitternacht in
Kraft treten.
Aus: Netzeitung, 05.07.2001, 21.56 Uhr
Jede Wette können wir aber schon eingehen, dass der Konsens der "Demokraten" im Bundestag schon zustande kommen wird. Die CDU wird einlenken, so wie der jetzige Außenminister Fischer vor einigen Jahren, damals noch aus der Oppositionsrolle heraus, schon für einen breiten Konsens gesorgt hatte, wie er gerade eben wieder erzählte:
"Der Appell von Joschka Fischer war deutlich. Der Außenminister
schlüpfte als Redner bei einer Berliner Sicherheitskonferenz für
einen Augenblick aus der Rolle des Chefdiplomaten der
Bundesrepublik und sprach Klartext. In scharfen Worten
verurteilte er – ohne Namensnennung aber unmissverständlich –
den einstigen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) für
dessen Versuch, ein Junktim zwischen Erhöhung des Wehretats
und Zustimmung der Unionsfraktion zum Mazedonien-Einsatz der
Bundeswehr herzustellen. Ausgerechnet Rühe, der zu seinen
Amtszeiten alles daran setzte, eine breite Mehrheit im Bundestag
für den SFOR-Einsatz der Bundeswehr zu bekommen, und in
Fischer jemanden hatte, der dies bei den Grünen
bewerkstelligte." (SZ, 06.07.2001)
Friedensbewegung: Aufruf zu Aktionen
Kanzler Schröder kündigte an, den Bundestag in der zweiten Juli-Hälfte aus den Ferien nach Berlin zu holen um über den Kriegs-, Pardon: "Friedenseinsatz" (so die Tagesthemensprecherin am Abend des 5. Juli) abzustimmen. Für die Friedensbewegung, die sich überallhin lieber treiben lassen würde als in einen Krieg, Herr Ströbele, ergeben sich daraus zwingende Konsequenzen:
-
Die nächsten Tage sollten intensiv genutzt werden, um den Wahlkreisabgeordneten vor Ort auf die Bude zu rücken - nötigenfalls auch in deren Urlaubsdomicilen. Musterbriefe oder -stellungnahmen hierzu liegen zahlreich vor, z.B.:
Nicht noch einmal! Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag
oder
Stellungnahmen von Caritas, Pax Christi und IALANA, Musterbrief an Abgeordnete
oder das weiter unten dokumentierte Briefbeispiel der DFG-VK
-
Des Weiteren schlagen wir vor, am Vorabend der Sondersitzung des Bundestags, in der über den Makedonien-Einsatz beschlossen werden soll, im ganzen Land Mahn- und Protestaktionen durchzuführen. Über die Aktionen sollten noch am selben Abend die Abgeordneten per e-mail, Fax oder Telefon informiert werden. Motto könnte sein: "Keinen neuen Balkankrieg! Keine Bundeswehr nach Makedonien!"
-
Nach Möglichkeit sollten die Aktionen gegen den drohenden Militäreinsatz verbunden werden mit der Unterschriftensammlung unter den Appell "Kriege verhindern - 'Einsatzkräfte' auflösen". Listen sind bei der Friedens- und Zukunfstwerkstatt Frankfurt anzufordern
(Frieden-und-Zukunft@t-online.de.
Die Listen können auch von unserer Homepage heruntergeladen werden:
Appell mit Unterschriftenliste
Pst
Von Achim Schmitz, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg, erhielten wir folgenden Briefentwurf, den wir an dieser Stelle gern dokumentieren:
An Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Vorgänge in Mazedonien in letzter Zeit sind besorgniserregend. Es ist
sicher wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um einen drohenden Bürgerkrieg zu
verhindern und um eine friedliche Lösung des Konflikts zu suchen. Allerdings
ist die NATO kein geeigneter Konfliktschlichter. Sie ist nicht
vertrauenswürdig, da sie die UCK unterstützte anstatt sie wirksam zu
entwaffnen und trotz KFOR-Präsenz deren grenzüberschreitende Aktionen nach
Serbien und Mazedonien nicht verhinderte. Sie ist auch deshalb nicht
vertrauenswürdig, da sie Jugoslawien mit dem Krieg enorm belastete und das
Land niemals angemessen entschädigte. Die schlimme Situation in Mazedonien
ist damit eng verbunden.
Vor kurzem wurde bekannt, dass sich unter den aus Aracinovo abziehenden
UCK-Rebellen 17 frühere US-Offiziere als Instrukteure befanden und die
Ausrüstung zu einem großen Teil aus amerikanischen Beständen stammen. Sollen
diejenigen, die zu einer Eskalation beigetragen haben, nun als
Friedensstifter wirken? Das ist doch nicht glaubwürdig.
Sind die UN und die OSZE für die Bearbeitung dieses Konflikts da nicht
besser geeignet? Das hätte zumindest den Vorteil, daß auch Russland in die
Verantwortung für eine friedliche Lösung dieses Konflikts eingebunden werden
kann.
Wir befürchten, dass der Konflikt gewaltsam eskaliert und dass aus dem
Einsammeln von Waffen ein Kampf mit Waffen wird, der zu einem weiteren
NATO-Protektorat auf dem Balkan mit unabsehbaren Folgen und Kosten führen
kann.
Ich fordere Sie auf, im Bundestag gegen eine deutsche militärische
Beteiligung in Mazedonien zu stimmen und sich für eine friedliche Lösung des
Konflikts unter Einbeziehung besser geeigneter Vermittler als der NATO
einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Zurück zur Seite "Friedensbewegung"
Weitere Berichte über Makedonien
Zurück zur Homepage