Friedensbewegung startet Unterschriftenkampagne gegen Krieg in Afghanistan
P.E.N. Präsident: "Die Strategie der Bundesregierung in Afghanistan ist gescheitert." / Pressekonferenz, Medienecho
Am 15. Juni 2010 stellte die Friedensbewegung auf einer Pressekonferenz in Berlin einen Unterschriften-Appell zur Beendigung des Krieges in Afghanistan vor. Im Folgenden dokumentieren wir zu dieser wichtigen Initiative die Pressemitteilung der Kampagne sowie ergänzende Mitteilungen und das erste Medienecho.
Mitteilung an die Medien
Friedensbewegung startet Unterschriftenkampagne gegen Krieg in Afghanistan
P.E.N. Präsident: "Die Strategie der Bundesregierung in Afghanistan ist gescheitert."
Berlin, 16. Juni 2010 - Gestern haben die großen Friedensorganisationen
in Berlin den gemeinsamen
Appell "Den Krieg in Afghanistan beenden - zivil helfen" vorgestellt. Der Appell fordert den sofortige Beginn des
Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Friedensbewegung erhofft sich
mit diesem Appell, dass die Diskussion in alle gesellschaftlichen
Bereiche getragen und der Protest breite Unterstützung finden wird.
Der Appell enthält drei klare Forderungen: Die Bundeswehr müsse "alle
Kampfhandlungen" beenden, "sofort" mit dem Abzug der Bundeswehr aus
Afghanistan beginnen und die dadurch frei werdenden Gelder zur
Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung
einsetzen. Nach Auffassung der Friedensbewegung sind das die
unverzichtbaren Voraussetzungen für einen "selbstbestimmten
Friedensprozess" in Afghanistan.
Unterstützung erhält die Friedensbewegung vom P.E.N. Zentrum
Deutschland. Dessen Präsident Johano Strasser verwies bei der
Vorstellung auf eine
Resolution, die der Schriftstellerverband auf
seiner jüngsten Jahrestagung einstimmig verabschiedet hat und worin das
Scheitern des Kriegseinsatzes konstatiert und der Wunsch nach einem
"raschen Abzug" der Bundeswehr geäußert wird. Johano Strasser wörtlich:
"Das Ergebnis des Krieges ist verheerend." Der P.E.N. Präsident
unterschrieb als erster demonstrativ den Appell der Friedensbewegung.
Für die Friedensbewegung ist das Engagement des Schriftstellerverbands
Ausdruck des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung über den "verheerenden
Krieg". Christine Hoffmann von der katholischen Friedensbewegung pax
christi erinnerte in der Pressekonferenz an die
Erklärung des Fuldaer
Bischofs und pax-christi-Präsidenten Algermissen: "Mut zur Wahrheit: Der
Militäreinsatz ist gescheitert". Sie fordert ein Ende der
Kampfhandlungen, weil nur dann ziviler Aufbau und Versöhnung möglich
sind. Für Monty Schädel, Vertreter der "Kooperation für den Frieden" und
Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) war der Afghanistan-Krieg von Anfang an
falsch. "Krieg machen kann jeder; jetzt braucht es den Willen zum
Frieden." Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag, wies auf die steigenden Kosten des Krieges hin. Nach
einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung belastet der Einsatz am Hindukusch, wenn man alle
Folgekosten hinzu rechnet, den Bundeshaushalt mit dem Dreifachen dessen,
was der Verteidigungsetat offiziell angibt: Statt 1,059 Mrd EURO müsse
mit drei Milliarden pro Jahr gerechnet werden. Eine Beendigung des
Krieges wäre also ein echter und zudem "sozialverträglicher" Beitrag zum
Schuldenabbau des Bundes - selbst wenn eine Mrd. davon für die
Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung eingesetzt würde.
Der Unterschriftenappell soll nun über die bundesweiten Organisationen
und die vielen lokalen und regionalen Initiativen der Friedensbewegung
in der Bevölkerung verbreitet werden. Er wird in die Kirchen und
Gewerkschaften, in andere soziale Bewegungen, Parteien und Verbände, in
Schulen und Hochschulen, in Betriebe und Verwaltungen hinein getragen.
Bei einigen Organisationen (z.B. bei der IPPNW unter www.ippnw.de und
unter www.frieden-mitmachen.de) kann der Appell auch online
unterzeichnet werden.
Für die Friedensbewegung:
Susanne Grabenhorst, Kooperation für den Frieden
Peter Strutynski, Bundesausschuss Friedensratschlag
*****
Friedensratschlag: "Endlich ist es soweit"
In einem Rundmail des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 16. Juni heißt es ergänzend zur Pressemitteilung:
Endlich ist es soweit: Die Friedensbewegung hat einen gemeinsamen Appell
erarbeitet und gestern der Öffentlichkeit vorgestellt, unter den nun
landauf landab Unterschriften gesammelt werden können.
Dieser Appell wird dann gut sein und politische Wirkung zeigen, wenn er von vielen vielen Friedensinitiativen und Einzelpersonen zu ihrer Sache gemacht wird. Wenn er genutzt wird, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Und wenn er von anderen sozialen Bewegungen und demokratischen Organisationen, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Hochschulen "angenommen" wird. Ein
wichtiger Adressat unsererseits werden die Gewerkschaften sein, die zum
Teil zwar gute "Bschlusslagen" in Sachen Afghanistan haben, sich aber
mit dieser Frage häufig nur am Rande beschäftigen. Der Afghanistan-Krieg
muss auch dort wieder zum Thema werden. Gleiches gilt selbstverständlich
für die Kirchen und für die politischen Parteien.
Der Appell kann hier in seiner Originalfassung als pdf-Datei
heruntergeladen und vervielfältigt werden:
Appell
Jede Friedens-Initiative kann diese Vorlage für eigene Flugblätter
benutzen - die Rückseite kann dann individuell bedruckt werden.
Medienecho
Friedensaktivisten bündeln Protest gegen Afghanistan-Krieg
Berlin (apn) Mit einer Unterschriftenaktion will ein breites Bündnis aus der Friedenbewegung den Protest gegen den Krieg in Afghanistan bündeln. Die Initiativen forderten am Dienstag in Berlin den sofortigen Stopp aller Kampfhandlungen und Abzug der Bundeswehr aus dem Land. Zudem solle dadurch verfügbar gewordenes Geld in die Entwicklungszusammenarbeit gesteckt werden. Zu den Organisatoren gehören unter anderem Pax Christi, die Kooperation für den Frieden und die Schriftstellervereinigung PEN.
«Uns geht es darum, wirklich zivil zu helfen», sagte Pax-Christi-Geschäftsführerin Christine Hoffmann. Lokale Wiederaufbauteams in Afghanistan bestünden zu 95 Prozent aus Soldaten. Der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Johano Strasser, erklärte: «Bei jeder Konfrontation werden mehr zivile Opfer als Gegner umgebracht.»
Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, kritisierte, die Bundeswehr sei nicht für den Wiederaufbau, sondern für den Krieg ausgebildet. «Es geht nicht, dass man ein Land wiederaufbaut, und gleichzeitig Krieg führt,» sagte er. Eine öffentliche Übergabe der Unterschriften ist bislang nicht geplant.
AP, 15. Juni 2010
Friedensbewegung mobilisiert
Neue Unterschriftenaktion gegen Afghanistankrieg
Von Claudia Wangerin
Organisationen der Friedensbewegung haben am Dienstag (15. Juni) eine bundesweite Unterschriftenkampagne für die Beendigung des Afghanistan-Krieges begonnen. Das Bündnis aus linken und christlichen Friedensgruppen sowie Juristen- und Ärzteorganisationen fordert den Stopp aller Kampfhandlungen, den sofortigen Beginn des Abzugs der Bundeswehr und den Einsatz dadurch frei werdender Ressourcen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung.
»Dieser Waffenstillstand kann auch einseitig sein, um ein deutliches Zeichen zu setzen: Wir wollen diesen Krieg nicht weiterführen«, betonte der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), Monty Schädel am Dienstag in Berlin. Als erster unterzeichnete der Präsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland, Johano Strasser vor Medienvertretern den Appell. Selbst wenn man unterstellen wolle, daß die Bundeswehr tatsächlich aus humanitären Gründen nach Afghanistan geschickt worden sei, müsse man das Scheitern des Einsatzes eingestehen, so der Schriftsteller. Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag betonte, in achteinhalb Jahren Krieg sei nicht ein einziges der offiziell formulierten Ziele erreicht worden. »Es gab nach Beginn des Krieges eine Vervielfachung terroristischer Aktivitäten«, sagte Strutynski. Analphabetismus, Hunger und Jugendarbeitslosigkeit hätten nach UNO-Angaben sogar zugenommen. Christine Hoffmann von Pax Christi erklärte, man wolle Afghanistan nicht den Rücken kehren: »Uns geht es darum, wirklich zivil zu helfen«, so Hoffmann. Bisher würden aber deutlich mehr Mittel für das Militärische zur Verfügung gestellt. Wiederaufbau könne aber nicht im Krieg stattfinden, so die Pax-Christi-Sprecherin.
Der Friedensbewegung ist einerseits bewußt, daß die Forderung nach Rückzug aus Afghanistan bei der Mehrheit der deutschen Bevölkerung Zuspruch findet. Sie macht sich aber keine Illusionen. Dies ist für die Bundesregierung nicht ausschlaggebend. Es ginge darum, größere Teile der Mehrheit, die den Afghanistan-Krieg ablehnt, auch dagegen zu aktivieren, erklärte Strutynski. Durch die öffentliche Diskussion über den Appell solle eine größere Aufmerksamkeit und Betroffenheit hergestellt werden. »Darum geht es - und nicht nur darum zu zeigen, wie fleißig wir Unterschriften gesammelt haben«, so Strutynski.
junge Welt, 16. Juni 2010
Raus! Und zwar sofort ...
Zur Sache: Afghanistan-Appell der Friedensbewegung
Es ist selten einfach, an die Vernunft seiner Mitmenschen zu appellieren und dafür sogar Unterschriften zu erbitten. Selbst wenn man gute Argumente vorweisen kann. Und die geteilt werden von den meisten Bürgern im Land. Doch es geht um Leben und Tod. In Afghanistan.
Gestern wandten sich die wichtigsten Gruppen der deutschen Friedensbewegung zum ersten Mal in dieser Breite mit einem gemeinsamen Appell an die Öffentlichkeit. Ziel ist, was drei Viertel der Bevölkerung als richtig und notwendig erkannt haben: Die Regierung soll umgehend dazu bewegt werden, die Kampfhandlungen der Bundeswehr in Afghanistan einzustellen und unverzüglich mit dem Rückzug der Truppen zu beginnen. Mit den so eingesparten Geldern müsse man versuchen, die Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung zu verbessern. Nur so hätten ein selbstbestimmter Friedensprozess und der zivile Aufbau am Hindukusch eine Chance, heißt es in dem Aufruf.
Der Appell soll in den kommenden Monaten überall im Land zur Unterschrift vorgelegt werden. In Schulen, Universitäten, vor Supermärkten, in Gewerkschafts- und Parteibüros sowie in Arztpraxen. Die Initiatoren rechnen mit einer großen Resonanz. Denn, so sagt Peter Strutynski vom Friedensratschlag: »Wir beschränken uns auf ganz einfache Forderungen, deren Sinn für jedermann einsichtig sein müsste.« Zu den ersten Unterzeichnern gehört übrigens Johano Strasser, Präsident des P.E.N. Zentrums Deutschland. René Heilig
Neues Deutschland, 16. Juni 2010
Appell gegen Afghanistan-Krieg
News vom Dienstag, 15.06.2010
Zahlreiche Friedensorganisationen haben am 15. Juni 2010 eine bundesweite Unterschriftenkampagne gegen den Krieg in Afghanistan gestartet. An der Initiative beteiligen sich weit mehr als 100 lokale und überregionale Gruppierungen, wie Monty Schädel vom Sprecherkreis vor Journalisten in Berlin angab.
Es sei das erste Mal, dass die Friedensbewegung mit einem gemeinsamen Appell an die Öffentlichkeit trete. Der Aufruf fordert von Bundestag und Bundesregierung, alle Kampfhandlungen zu stoppen und den Abzug der Bundeswehr sofort zu beginnen. Die dadurch freiwerdenden Mittel müssten eingesetzt werden, um die Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung nach deren Bedürfnissen zu verbessern. Schädel erklärte, der Appell beschränke sich auf drei Kernforderungen, damit sich möglichst viele Gruppierungen dahinter stellen könnten. Unter ihnen sind die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und die deutsche Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi.
PEN-Zentrum: Militärstrategie gescheitert
Der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Johano Strasser, unterzeichnete den Aufruf als einer der ersten. Er bezeichnete die Militärstrategie in Afghanistan als gescheitert. Sie verhindere den Aufbau einer tragfähigen Zivilgesellschaft, weil die Kampfhandlungen immer mehr die Zivilbevölkerung träfen. Die Generalsekretärin von Pax Christi in Deutschland, Christine Hoffmann, sagte, die Aktion solle ein neues Forum für eine "klare Debatte" schaffen. Die wahren Motive und Fakten des Afghanistan-Einsatzes kämen in der politischen Diskussion bislang nicht deutlich genug zur Sprache. Hoffmann verwies auch auf die Kritik des Präsidenten der deutschen Pax Christi-Sektion, Bischof Heinz Josef Algermissen. Auch dieser sehe die Afghanistan-Strategie als gescheitert.
3Sat, 15. Juni 2010
Drei Forderungen gegen den Wahnsinn
Friedensbewegung bittet um Unterschriften zum Ausstieg aus dem Afghanistan-Krieg
Von René Heilig *
Bisweilen haben wir Deutschen schon seltsame Anwandlungen. Dass die Zufriedenheit mit der Arbeit der schwarz-gelben Bundesregierung mit nur 12 Prozent tief im Keller ist, kann angesichts der ungenierten Sparattacken nicht verwundern. 86 Prozent der Deutschen sind – laut ARD-DeutschlandTrend EXTRA – unzufrieden mit der Arbeit von Union und FDP. Personell gesehen liegt Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nur noch auf Platz sieben. An der Spitze der Beliebtheitsliste liegt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Mit seiner Arbeit sind laut Umfrage 68 Prozent zufrieden.
Seltsam! Denn über drei Viertel der Bevölkerung – so sagen seit Monaten stabil bleibende Umfragewerte – wollen, dass sich die Bundeswehr umgehend aus dem Afghanistan-Krieg zurückzieht, den zu Guttenberg ob seines Amtes maßgeblich verantwortet.
Anfang der Woche haben die wichtigsten deutschen Friedensorganisationen einen gemeinsamen Appell »Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen« vorgestellt. (ND berichtete) Der Appell enthält drei Forderungen: Die Bundeswehr muss alle Kampfhandlungen stoppen, sofort mit dem Abzug ihrer Truppen beginnen und die frei werdenden Gelder zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung einsetzen.
Die Friedensbewegung erhofft sich mit diesem Appell, dass die Diskussion über den deutschen Afghanistan-Einsatz in alle gesellschaftlichen Bereiche getragen wird und der Protest breite Unterstützung findet. Bürger aller Schichten sind angesprochen. Bundesweit. Direkt und per Internet.
Unterstützung für den Appell kann vielfältigen Motiven folgen. Sie mag aus der Einsicht entstehen, dass Militär keine Lösung für soziale Fragen bietet. Man kann Entwicklungshilfe anders definieren als die Bundesregierung oder das Militär angesichts knapper Kassen kurz halten wollen. Andere wiederum mögen aus ganz privaten, familiären Gründen Soldaten schützen wollen, die in der Bundeswehr dienen und die in einen nicht gewinnbaren Krieg geschickt werden.
Die Friedensgruppen werden in den kommenden Wochen bundesweit Unterschriftenlisten auslegen. ND unterstützt die Sammlung von Unterschriften unter anderem mit dem hier (oder auf der Website) abgebildeten Formular.* Es lässt sich mühelos in einen Briefumschlag stecken und abschicken. Und natürlich werden die Listen auch beim ND-Pressefest am kommenden Wochenende in der Berliner Kulturbrauerei zur Unterschrift ausliegen.
Neues Deutschland, 17. Juni 2010
* Anmerkung: Das "Neue Deutschland" hatte die nachahmenswerte Idee, den Appell in verkleinerter Form zum Unterschreiben abzudrucken - mit Rücksendeadresse.
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