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"Wir bereiten uns selbst eine Niederlage, wenn wir uns weiterhin an diesem Krieg beteiligen"

Das P.E.N. Zentrum Deutschland fordert den Abzug der Truppen aus Afghanistan - Die Afghanistan-Resolution der Schriftstellervereinigung im Wortlaut

Ende Mai fand in der traditionsreichen "Friedensstadt" Osnabrück die Jahrestagung 2010 der deutschen Schriftstellervereinigung P.E.N. statt. Von den Medien (bisher) leider so gut wie unbeachtet, verabschiedeten die Schriftsteller/innen eine Resolution, die sich mit dem Afghanistan-krieg befasste und die wir im Folgenden dokumentieren.
In der Presseerklärung von P.E.N. heißt es begleitend:
Die Schriftstellervereinigung P.E.N. fordert einstimmig den raschen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan. Der P.E.N. griff damit das historische Thema des Tagungsortes auf, wo am Samstag (29. Mai) die Jahresversammlung seiner Mitglieder zu Ende ging. Im Rathaus der Friedenstadt Osnabrück drangen die Schriftsteller auf ein Ende der Kampfhandlungen, weil der Krieg gegen die Taliban militärisch nicht zu gewinnen sei und dem Land am Hindukusch keinen Frieden bringen könne. "Der jetzt geführte Krieg erzeugt nichts anderes als Krieg." Die Errichtung einer Zivilgesellschaft kann nur im Frieden gelingen.

Jahrestagung Osnabrück 2010

Resolution zu Afghanistan

Wir, Schriftsteller des P.E.N., die gegenwärtig in Osnabrück zu ihrem Jahreskongreß versammelt sind, haben intensiv über die Situation in Afghanistan und über die jüngsten Äußerungen des Bundespräsidenten diskutiert. Wir wissen uns einig mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung: wir fordern die Beendigung des Krieges in Afghanistan. Die militärischen Auseinandersetzungen führen zu immer mehr zivilen und militärischen Opfern; dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, und es droht nichts anderes als ein Vietnam am Hindukusch.

Dieser Krieg zerstört die Aussicht zu einem afghanischen Staat, der sich seiner kulturellen Vielfalt, dessen Vermögen zum diplomatischen Ausgleich in der Stammesgesellschaft, der gerade wir Deutschen oft erfahrenen Gastfreundschaft gewiß ist.

Dieser asymmetrische Krieg der NATO gegen die Taliban und gegen viele nur vermutete Gegner zerstört die Mittel, ihn zu beenden. Er ruiniert die Vorstellung von Zielen, die nicht militärischen und ökonomischen Interessen folgen. Dieser Krieg erzeugt nichts anderes als Krieg.

Wir fordern von der Bundesregierung ein rasches Ende des militärischen Einsatzes deutscher Truppen, einem überzeugenden Plan für den Aufbau einer afghanischen Gesellschaft, eine Verständigung über die Werte und Moralvorstellungen, die bei Gesprächen mit den Taliban und bei ihrer zu fordernden Beteiligung am gesellschaftlichen Prozeß unabdingbar sind.

Wir bereiten uns selbst eine Niederlage, wenn wir uns weiterhin an diesem Krieg beteiligen; angegriffen werden damit unsere demokratischen Errungenschaften und die Notwendigkeit zur nicht militärischen Konfliktregelung.

Der Friede in Afghanistan ist nach so vielen misslungenen Feldzügen von Okkupanten und nach den Exzessen des religiös verbrämten Fanatismus nicht nur ein fernes Wunschbild. Er ist die wichtigste Vorbedingung für die geographische Erweiterung der Zivilgesellschaft.

Die Friedensstadt Osnabrück souffliert uns eine Lehre: der Friede, der keinen faulen Kompromiss mit der Gewalt darstellt, ist möglich. Hier wurde ein ausweglos erscheinender dreißigjähriger Krieg beendet und Europa eine gemeinsame Perspektive eröffnet. Hier ist die Heimat des Schriftstellers Erich Maria Remarque, der das Grauen des Krieges in -- noch immer gültige -- Bilder gefasst hat. Gefordert sind Mut und Phantasie auch von Bundestag und Bundesregierung, nachdem militärische Logik so unbezweifelbar in die Irre geführt hat.

Einstimmig verabschiedet auf der P.E.N. Jahrestagung am 29. Mai 2010.
Quelle: Website des P.E.N. Zentrums Deutschland; www.pen-deutschland.de



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