"In der afghanischen Kriegswirklichkeit lassen sich die drei Mandate nicht trennen"
Friedensbewegung erinnert Grüne an ihre Vergangenheit - Pressemitteilung im Wortlaut
Am 15. September 2007 tagt in Göttingen ein Sonderparteitag der Grünen, um sich über eine politische Linie in der Frage des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan klar zu werden. Am selben Tag demonstriert die Friedensbewegung in Berlin gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes. Die Organisatoren der Demo schrieben einen Brief an den Grünen-Parteitag (siehe: "Jede/r kann heute wissen, worum es geht und worüber er/sie entscheidet"). Im Folgenden dokumentieren wir die dazu gehörige Presseerklärung des Demo-Bündnisses.
Friedensbewegung erinnert Grüne an ihre Vergangenheit
Pressemitteilung des Friedensbündnisses "Bundeswehr raus aus Afghanistan"
Berlin, Kassel, 14. September - An den Sonderparteitag der Bündnisgrünen
am Samstag in Göttingen, verfasste die Friedensbewegung einen Offenen
Brief. Er soll an alle Delegierte verteilt werden. Die Grünen werden
darin aufgefordert, zu ihren friedenspolitischen Wurzeln zurückzukehren
und den Bundeswehreinsatz in Afghanistan vollständig abzulehnen.
Im Mittelpunkt des vierseitigen Schreibens der Friedensbewegung stehen
vier wichtige Gründe, warum der Militäreinsatz in Afghanistan zu beenden sei:
Einmal lehne die afghanische Bevölkerung mehrheitlich die ausländische
Militärpräsenz ab. Dieser Wille der Menschen müsse respektiert werden.
Respektiert werden müsse auch die Mehrheitsmeinung in Deutschland
selbst. Zahlreiche Umfragen haben gezeigt, dass bis zu zwei Dritteln der
Bevölkerung den weiteren Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan ablehnen.
Zweitens funktioniere genau das nicht, was den Grünen besonders am
Herzen liege: die zivil-militärische Zusammenarbeit. Dieses NATO-Konzept
sei ein "von Grund auf falscher Ansatz", weil die zivile Komponente sich
jederzeit der militärischen unterzuordnen habe. Darüber hinaus bestehe
eine "eklatante Schieflage zuungunsten der zivilen Hilfe" und zugunsten
des Militärs.
Drittens würden die meisten humanitären Organisationen für ihre Arbeit
"strikte Neutralität und Militärferne" fordern. "Nur dort, wo kein
ausländisches Militär sichtbar ist, könne auch zivile Aufbauarbeit
gedeihen", heißt es in dem Schreiben.
Und viertens mache die enge zivil-militärische Kooperation die zivilen
Helfer in den Augen des afghanischen "Widerstands" zu Kombattanten und
damit zu Gegnern. Immer häufiger geraten sie ins Visier krimineller
Banden oder terroristischer Gruppierungen. Es steht zu befürchten, dass
immer mehr Zivilorganisationen ihre Zelt in Afghanistan abbrechen.
Ein anderer Punkt, der in der Öffentlichkeit vielfach übersehen werde,
betrifft die Polizeiausbildung in Afghanistan, wofür die Bundesrepublik
federführend ist. 60 Prozent der vom Westen ausgebildeten Polizisten
laufe nach Aussage eines deutschen Generals zu den Taliban über. Damit
rüstet Deutschland ungewollt die Kräfte aus, zu deren Bekämpfung die
Bundeswehr angetreten ist.
Schließlich werden die Grünen daran erinnert, dass die Unterscheidung
zwischen den drei Mandaten OEF, ISAF und Tornado nur in der grauen
Theorie vorkomme. In der afghanischen Kriegswirklichkeit lassen sich die
Mandate und deren Aufgaben nicht voneinander trennen. Mit dem vom
Grünen-Vorstand vorgeschlagenen Abstimmungsverhalten: Nein zu OEF, Ja zu
ISAF, Enthaltung beim Tornado-Einsatz lüge man sich in die eigene
Tasche. Die Friedensbewegung setze dem ein klares dreifaches Nein entgegen.
Die Organisatoren der bundesweiten Kundgebung am Samstag in Berlin gehen
davon aus, dass es nicht wenige Parteimitglieder oder Wähler der Grünen
gibt, die unter den Demonstranten sein werden. Aber auch für den
Sonderparteitag in Göttingen hat die Friedensbewegung einen Wunsch
parat: "Wir hoffen, dass Sie auf dem Sonderparteitag in Göttingen zur
selben Zeit eine Entscheidung treffen, mit der Sie an alte Traditionen
der Grünen anknüpfen und sich hier in Einklang bringen mit der großen
Mehrheit der Bevölkerung."
Für die Organisatoren der Demonstration und Kundgebung "Frieden für
Afghanistan - Bundeswehr raus" am Samstag, 15. September, in Berlin:
Rainer Braun, Berlin, IALANA
Peter Strutynski, Kassel, Bundesausschuss Friedensratschlag
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