Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Januar/Februar 2004

Friedensbewegung in den Medien

Auch in der "Provinz" tut sich was. In Aschaffenburg haben Attac, DGB, GEW und Friedensinitiative zu einem "friedenspolitischen Aschermittwoch" eingeladen (zur Nachahmung im nächsten Jahr empfohlen!). Die lokale Zeitung MAIN-ECHO berichtete am 28. Februar relativ ausführlich darüber. Hier ein Auszug (Kürzel der Verfasserin: mel):

Europa befinde sich auf dem Pfad der "militärischen Untugend" und muss wieder zurückfinden auf den Pfad der "zivilen Tugend". Das meinte der Kasseler Politikwissenschaftler Dr. Peter Strutynski in seinem Vortrag "Krieg und Frieden und die EU" beim friedenspolitischen Aschermittwoch im DGB-Haus (...)
Für die Friedensbewegung biete das Scheitern des EU-Verfassungsentwurfs am 13. Dezember vergangenen Jahres in Brüssel eine große Chance, meinte Strutynski. Sie habe nun bis zur nächsten Abstimmung Zeit, den Bürgern zu zeigen, dass die in dem Entwurf enthaltenen Aussagen zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ein "Skandal" seien.
(...) Die gemeinsame neue Verfassung sieht vor, dass sich alle EU-Mitglieder zur Aufrüstung und Modernisierung ihrer Waffen verpflichten. Das ist laut Strutynski "einmalig". Er zitierte die Aufgaben des geplanten Europäischen Amts für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten: Das Amt wirkt mit bei der "Ermittlung der Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten und der Bewertung der Erfüllung der von den Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Fähigkeiten eingegangenen Verpflichtungen".
(...) Ebenfalls "einmalig" nannte der Referent das Festschreiben von Kampfeinsätzen - auch außerhalb der EU - in der europäischen Verfassung. Es gehe dabei ausschließlich um militärisches Eingreifen, dazu noch ohne geografische Einschränkung. Mit der einfachen Verteidigung eines Territoriums habe das nichts mehr zu tun. So werde auch in Europa "eine diffuse Terrorismusgefahr" beschworen, um weltweites Einschreiten mit Waffengewalt zu rechtfertigen.
Als die "europäische Variante" des Bush'schen Präventivkriegskonzepts prangerte der Redner die neue Sicherheitsdoktrin der EU an. Der im Dezember in Brüssel nur geringfügig überarbeitete Entwurf von Solana war als Europäische Sicherheitsstrategie ESS verabschiedet worden. Darin steht unter anderem: "Staatlicher Zusammenbruch und organisierte Kriminalität breiten sich aus, wenn ihnen nicht entgegengewirkt wird? Daher müssen wir bereit sein, vor Ausbruch einer Krise zu handeln. Konflikten und Bedrohungen kann nicht früh genug vorgebeugt werden." Mit "vorbeugen", so der Referent, sei der Einsatz von Militärmacht gemeint. (...)
Strutynskis abschließender Appell: Nur wenn sich die EU als »zivile Macht« präsentiere und sich darauf konzentriere, "die wirtschaftliche und soziale Dimension des Projekts EU-Erweiterung zu lösen", habe sie eine Chance, ihr politisches Gewicht langfristig in die weltpolitische Waagschale zu werfen.

Aus: MAIN-ECHO, 28.02.2004

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Am 28. Februar 2004 erschien im "Neuen Deutschland" als "Gastkommentar" eine leicht gekürzte Fassung der Kritik an der IPPNW-Aktion (siehe die Langfassung: "Geld statt Politik?").

Die IPPNW hat sich etwas besonderes einfallen lassen: Sie will den Verkauf der Hanauer Atomfabrik an China verhindern, indem sie selber kauft. Die dafür benötigten 50 Mio. plus 1 EUR will sie mithilfe zahlreicher Prominenz zusammenbringen. Die Aktion "Hanau selber kaufen" wurde exklusiv am 26. Februar in der Berliner taz vorgestellt (siehe dazu die IPPNW-Presseerklärung, den taz-Bericht und unseren Kommentar "Geld statt Politik?"); einen Tag später machte die Kunde die Runde in zahlreichen anderen Zeitungen (die Frankfurter Rundschau bestrafte die Vorausberichterstattung in der taz damit, dass sie zunächst nicht berichtete).

(...) "Wenn jeder Deutsche einen Euro beitragen würde, könnten wir die Lieferung vielleicht verhindern", hofft Ute Watermann von den Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg. Die Organisation, die 1995 den Friedensnobelpreis erhielt, hat sich die Aktion ausgedacht. Seit gestern kann sich jeder im Internet unter www.hanauselberkaufen.de auf eine Summe verpflichten. Nur wenn die 50 Millionen Euro zusammenkommen, wird das Geld fällig. Neben Promis sind auch Politiker aus der Koalition wie der SPD-Atomexperte Hermann Scheer oder der Grüne Hans-Christian Ströbele dabei. Er wolle das Schlimmste so noch verhindern, sagt Ströbele, und es klingt, als habe er in dieser Sache nur wenig Vertrauen in seine Partei.
Denn es verdichten sich die Hinweise, dass auch der grüne Außenminister Fischer das Geschäft nicht mehr anhalten wird. Noch im März wird wohl eine Entscheidung fallen. Die Zeit drängt also. Was die Chancen ihrer Aktion betrifft, hat Organisatorin Watermann denn auch keine Illusionen: 50 Millionen Euro, sagt sie, "die wären wie ein Wintermärchen".

Aus: Berliner Zeitung, 27.02.2004

In dem Bericht in der Süddeutschen Zeitung wird ausführlicher auf den weiteren Verlauf der politischen Verhandlungen eingegangen:

(...) Vertreter von SPD und Grünen wollen nach Angaben aus Koalitionskreisen in der kommenden Woche über den möglichen Export der Hanauer Anlage beraten. Die Bundesregierung geht nach den Worten des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Gernot Erler davon aus, dass China die Bedingungen für einen Export der Fabrik erfüllen wird. Dazu gehöre die verbindliche Zusage, dass die Anlage nicht für militärische Zwecke genutzt werde. Außerdem müsse Land Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde zustimmen. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte auf Anfrage, ein Datum für eine Entscheidung stehe noch nicht fest. Die Prüfung der Voranfrage von Siemens sei noch nicht abgeschlossen.

Aus: Süddeutsche Zeitung, 27.02.2004

Wenig Sympathie für die Kaufaktion der IPPNW ließ die linke Tageszeitung "junge Welt" erkennen. Den "Anti-AKW-Humoristen des Tages" schrieb sie folgendes ins Stammbuch:

"Och jo" hieß in den Neunzigern eine unglaublich unlustige TV-Sendung des südhessischen Comedy-Duos Badesalz. Noch brutaler als die elenden Eddie Ahrendt und Harald Juhnke gab man sich dem Grundschüler-Genre des Antiwitzes hin. So nach dem Motto: "Kommt ein Pferd zur Apotheke, ist die Apotheke zu." Im Anschluß echote es immer: "Och jo".
Und jetzt geht es erst richtig ab. Zusammen mit den auch gar nicht lustigen Standup-Comedians Peter Sodann, Hans-Christian Ströbele, Konstantin Wecker, Erich Loest, Winfried Nachtwei und anderen möchten Badesalz die Hanauer Atomanlage kaufen. Im Auftrag der Organisation Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). Damit die Anlage nicht nach China exportiert werden muß, wo sie vielleicht dazu benutzt werden könnte, waffenfähiges Plutonium zu produzieren. Für eine Atommacht unvorstellbar! Man möchte 50 Millionen plus einen Euro sammeln, um dem Anlagenverkäufer Siemens ein minimal besseres Angebot als China zu machen. Zusätzlich sind noch einmal 20 Millionen Euro für die Entsorgung fällig. Och jo.
Das Mitglied der Kriegspartei Die Grünen, Winfried Nachtwei, nennt dies in der taz "die für alle beste Alternative" – zu der er "politisch und privat beitragen möchte." Als wollte er die Anlage unter sein Kopfkissen packen. Konstantin Wecker will zum geplanten Kauf 750 Euro beisteuern. Begeistert überlegt er in der taz: "Wir sollten irgendwann alle Atomwaffen aufkaufen und entsorgen." Och jo. Und wenn sie dann noch flüssig sein sollten, werden diese barmherzigen Neoliberalen im Anschluß auch noch die Krankenhäuser, die Kanalisation und die Deutsche Bahn erwerben, weil die BRD gerade pleite ist. Och jo.

Aus: junge Welt, 27.02.2004

Im "Neuen Deutschland" dagegen wird auf die politische Dimension der Aktion abgehoben:

(...) Watermann betonte, es gehe bei der Aktion vor allem um das "politische Signal" vor der anstehenden Exportentscheidung der Bundesregierung. (...)
An der IPPNW-Kampagne wollen sich zahlreiche Kulturschaffende, aber auch Politiker von SPD, Grünen und PDS beteiligen. Mit von der Partie sind u.a. Schriftsteller Erich Loest, "Tatort"-Kommissar Peter Sodann, Liedermacher Konstantin Wecker und Kabarettist Martin Buchholz. Von der SPD machen Andrea Nahles und Hermann Scheer, von den Grünen die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele und Winfried Nachtweih, von der PDS Europaabgeordneter André Brie mit. (...)
"Die Regierung darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie muss das Atomgeschäft untersagen. Die Zusammenarbeit mit China muss sich auf die Mobilisierung erneuerbarer Energien beziehen", fordert SPD-Fraktionsmitglied Hermann Scheer. Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, erklärte: "Der Export der Anlage wäre sicherheitspolitisch verantwortungslos. Die für alle beste Alternative ist die Verschrottung der Anlage." Brie sagte: "Ich verkaufe nicht mein Gewissen, ich kaufe Hanau".

Aus: Neues Deutschland, 27.02.2004

Das "Neue Deutschland" setzt noch einen drauf und bringt auf Seite 4 einen Kommentar von Hanno Harnisch. Darin wird die Kaufaktion geradezu zu einem neuen Politik-Ansatz hochgejubelt:

(...) Eine schöne Aktion. Eine große Initiative. Dabei wäre sie doch eigentlich gar nicht nötig gewesen. Der Kanzler müsste nur seine wohlfeile Verkaufs-Aussage revidieren. Darin hat er ja mittlerweile Übung. Und die guten Beziehungen von Berlin zu Peking würden daran auch nicht zerbrechen. Es gäbe sogar eine Möglichkeit weniger, waffenfähiges Plutonium herzustellen. Aber noch steht der Kanzler zu seinem Wort. Also macht die Sammelaktion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs Sinn. Vielleicht könnte diese Art von Gegen-Politik auch Schule machen?

ND, 27.02.2004

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Eine Presseerklärung der IPPNW zum Bau der israelischen Mauer fand am 21. Februar Eingang in diverse Medien. So schrieb z.B. die taz:

Friedensinitiativen und Menschenrechtsgruppen haben den sofortigen Stopp des Mauerbaus im Westjordanland gefordert. Mit dem Vorhaben verstoße Israel erneut gegen das Völkerrecht und füge hunderttausenden Palästinensern Unrecht zu, erklärten amnesty international, die Ärzteorganisation IPPNW und der Evangelische Entwicklungsdienst. Am Montag beginnt vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Anhörung zum umstrittenen Zaun, den Israel zum Schutz vor palästinensischen Selbstmordattentätern errichten will.
Die Mauer sei kein Beitrag für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern, sondern verstärke noch die Gewalt, erklärte die "Kampagne gegen den Mauerbau". Der Initiative haben sich nach Angaben von IPPNW bisher über 25 Organisationen, darunter Pax Christi, die Deutsch-Palästinensische Gemeinde sowie regionale Friedensgruppen, angeschlossen. (...)

Aus: taz, 21.02.2004

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Genau ein Jahr nach den weltweit größten Friedensdemonstrationen gegen den drohenden Irakkrieg gingen in Madrid wieder Zehntausende auf die Straße. Die gedruckten Medien straften das Ereignis mit Ignoranz. Daher an dieser Stelle eine Meldung der Nachrichtenagentur AP vom 15. Februar:

Zehntausende Menschen haben am 15. Feb. in Madrid gegen die Besatzung Iraks protestiert. Die Demonstranten forderten einen Rückzug der daran beteiligten spanischen Truppen. Sie hielten Spruchbänder mit Parolen wie "USA raus" hoch. Während die Behörden von etwa 9.000 Teilnehmern sprachen, bezifferten die Organisatoren die Zahl der Demonstranten mit rund 150.000. Dem von Gewerkschaften und Sozialverbänden organisierten Protest schlossen sich auch Mitglieder der oppositionellen Sozialisten (PSOE) und des kommunistisch geführten Bündnisses IU an. Der spanische Regierungschef José Maria Aznar war einer der entschiedensten Befürworter des von den USA angeführten Irak-Kriegs.

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Am selben Tag fand auch am Nürnberger Flughafen eine Friedensdemonstration statt, die sich gegen die US-Truppentransporte in den Irak richtete. Sie war mit gemeldeten 100 Teilnehmern etwas kleiner als die Demonstration in Madrid, aber sie fand wenigstens ein gutes Echo in der lokalen Presse:

(...) Die US-Army schickt neue Soldaten aus Bamberg, Würzburg, Vilseck und Grafenwöhr in das Krisengebiet. Hierzu wurde auf dem Nürnberger Flughafen eine Zeltstadt aufgebaut. Die Aktion ist Teil eines Truppenaustauschs in dem Golfstaat (wir berichteten). Sie dauert laut Flughafensprecher Jan Beinßen bis 17. März. Täglich fliegen drei bis sechs zivile Chartermaschinen jeweils 250 Soldaten aus.
"Diese Großaktion der Amerikaner bestätigt unsere Befürchtungen, dass dem Nürnberger Flughafen eine zentrale Rolle für Militäreinsätze der US-Armee in alle Welt zugedacht ist", sagt Hans-Joachim Patzelt vom Friedensforum. Das "massive Zurschaustellen mit einem eigens eingerichteten Militärlager ist eine Provokation", schimpft er. Patzelt wirft der Stadtspitze vor, "abgetaucht" zu sein. Als Stadt des Friedens und der Menschenrechte müsste man aber Stellung beziehen. Für Rainer Knoll ist die Truppenverlegung von 13.000 Soldaten eine Bestätigung dafür, dass es zwischen dem Nürnberger Flughafen und dem geplanten Ausbau des Truppenübungsplatzes in Grafenwöhr einen Zusammenhang gebe. Knoll ist Sprecher des "Zusammenschlusses Umweltbewusster Bürger" im Raum Grafenwöhr. (...)
Mit Transparenten sind die 100 Demonstranten bis vor das Zeltlager marschiert. Sehen konnten sie aber kaum etwas, da der Zaun mit Sichtschutz abgehängt worden war. Es gab auch keinen Kontakt zu US-Truppen.
(...) Die gestrige Demonstration war nach Aussage von Airport-Sprecher Jan Beinßen der erste Protest gegen die aktuelle Verlegung der US-Soldaten. In den letzten Jahren sind von Nürnberg aus immer wieder amerikanische Truppen verlegt worden.

Aus: Nürnberger Nachrichten, 16.02.2004

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Die meisten Medien hatten nach den drei Protesttagen gegen die Münchner "Sicherheitskonferenz" der Friedensbewegung ein weitgehend "friedliches" Verhalten bescheinigt und die Polizei für ihren umsichtigen und deeskalierenden Einsatz gelobt. Viele Schikanen, Provokationen und und unnötige Übergriffe der Polizei, die es nach Ansicht einer Münchner "Beobachtergruppe" gegeben hat, blieben gänzlich unerwähnt. Erst ein paar Tage später reagierte zumindest die linke Tageszeitung "Neues Deutschland" auf eine Pressekonferenz des Münchner Protestbündnisses, auf der das unnötig harte Vorgehen der Polizei angesprochen wurde. Das ND schreibt u.a.:

(...) Die Organisatoren der Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz beklagen brutale Polizeiübergriffe auf friedliche Demonstranten, Misshandlungen von Gefangenen und Angriffe auf die Pressefreiheit. Schon am Freitag war die Situation auf einer von der PDS angemeldeten Kundgebung auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus von massiven Attacken der Polizei geprägt. Bereits zu langsames Überqueren von Straßen wurde als "Blockadeversuch" gewertet und mit Einkesselungen und Festnahmen beantwortet.
Vermummte Spezialeinheiten und Greiftrupps in Zivil holten willkürlich Personen heraus. Mehrere Demonstranten erlitten Platzwunden am Kopf durch Schlagstockeinsätze. Eine halbe Stunde lang verwehrten Polizisten Sanitätern den Zugang zu einem bewusstlos geprügelten Demonstranten. Ein anderer Demonstrant wurde mit einem Leberriss ins Krankenhaus eingeliefert. Er war von einem Tonfa getroffen worden. Diese asiatischen Kampfstöcke der Unterstützungskommandos der bayerischen Polizei sind berüchtigt dafür, schwere innere Verletzungen zu erzeugen. Nach seiner Rede wurden die Personalien des PDS-Europakandidaten Tobias Pflüger festgestellt. Dabei wurde er so verletzt, dass er am nächsten Tag eine Halskrause tragen musste. In seiner Rede, so der Vorwurf des Polizeieinsatzleiters - soll der Mitarbeiter der Informationsstelle Militarisierung aus Tübingen "etwas Strafbares" gesagt haben. "Hier ist der bayerische Polizeiwillkürstaat aufgeblitzt", erklärte Pflüger, der Strafanzeige gegen die Polizei stellen wird. (...)

Aus: ND, 12. Februar 2004
Hier haben wir den ganzen Artikel dokumentiert: "Deeskalation durch Stärke"

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Die Berichterstattung in den Printmedien über die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz fielen am 9. Februar wie gewohnt aus: Kurze Meldungen in den großen überregionalen Zeitungen; ausführlichere Berichte in der linken Presse.
Über die Zahl der Demonstranten am 7. Februar gab es - wie oft bei Demonstrationen - unterschiedliche Zählungen: Die Polizei sprach von höchstens 5.000, die Veranstalter von 10.000. Die Süddeutsche Zeitung wusste es genauer:


Am Samstag beteiligten sich an einem kilometerlangen, weitgehend friedlichen Demonstrationszug rund 6.600 Menschen. (...)
Die Sicherheitskonferenz mit Politikern und Militärstrategen aus aller Welt dauerte am Sonntag noch an, als der stellvertretende Polizeipräsident Jens Viering um 11.30 Uhr vor die Kameras trat und den Einsatz von 4.000 Beamten für beendet erklärte. Zu diesem Zeitpunkt saß US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schon im Flugzeug, und auch die aus dem Norden der Republik angereisten Demonstranten befanden sich wie die Polizeibeamten aus anderen Bundesländern auf dem Heimweg. Nur noch vereinzelt kreuzten Polizeifahrzeuge in den Straßen auf – anders am Freitag und am Samstag, als grüne Uniformen das Stadtbild prägten.
Aus: Süddeutsche Zeitung, 9.02.2004

Die "junge Welt" berichtete über die Demonstration vom 7. Feb.:

Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot haben am Samstag rund zehntausend Menschen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz demonstriert. Bei der Abschlußkundgebung, 500 Meter vom abgeschirmten Tagungshotel entfernt, forderten die Demonstranten den "Abzug der Besatzungstruppen aus Irak".
Dem linksradikalen schwarz-roten Block folgte ein Internationalistischer Block türkisch-kurdischer Kommunisten und ein Roter Block aus DKP, PDS und trotzkistischen Gruppen aus Deutschland und Österreich. Auch ATTAC, ver.di und Pax Christi waren mit Transparenten vertreten. Während die Demonstrationsleitung versuchte, eine irakische Fahne aus der Demo zu entfernen, blieb eine EU-Fahne im Juso-Block unbeanstandet. Greiftrupps der Polizei beschlagnahmten Seitentransparente, die durch einen städtischen Auflagenbescheid verboten waren.
Redebeiträge richteten sich gegen die Kriegspolitik von USA und EU. "Die Militärstrategie der EU sagt, man wolle 'gemeinsam für das Gute kämpfen', doch die wahren Ziele sind andere: Es geht um mehr Macht und mehr wirtschaftlichen Einfluß und das zu Lasten der Menschen im Süden", erklärte der Tübinger Friedensforscher Tobias Pflüger. Im Irak sei für die NATO eine wichtige Rolle vorgesehen und über das deutsch-niederländische Korps auch die Bundeswehr beteiligt. Unter großem Beifall forderte der Liedermacher Konstantin Wecker Soldaten dazu auf, im Kriegsfall zu desertieren: "Verweigert die Befehle der Generäle!" (...)
Aus: junge Welt, 9. Februar 2004

Im "Neuen Deutschland" gab es zusätzliche Informationen über eine Konferenz, die parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz veranstaltet wurde:

Über zivile Formen der Konfliktlösung berieten die Deutsche Friedensgesellschaft DfG/VK, Attac und kirchliche Kreise auf der parallel zur Sicherheitskonferenz stattfindenden"Internationalen öffentlichen Friedenskonferenz" unter Schirmherrschaft des alternativen Nobelpreisträgers Professor Hans-Peter Dürr. Die Friedensbewegung hätten eine Emanzipation der EU von den USA zu lange positiv gesehen, kritisierte der Journalist Andreas Zumach beim Auftaktplenum in der mit 500 Zuhörern vollbesetzten Kreuzkirche. Die EU-Politik sei nicht grundsätzlich anders als die der USA. Im EU-Verfassungsentwurf ist von einer "Pflicht zur Aufrüstung" für die Mitgliedstaaten die Rede. Notwendig sei daher eine grundsätzliche Ablehnung des nicht reformierbaren EU-Verfassungsentwurfs. Die Bush-Administration habe mit der illegalen Besetzung Afghanistans und Iraks und dem Scheitern der Roadmap zur Beilegung des Konflikts um Palästina einen außenpolitischen Scherbenhaufen hinterlassen, erklärte Damu Smith von der afro-amerikanischen Organisation Black Voices for Peace aus den USA. Innenpolitisch sei diese Politik mit einem weitgehenden Abbau von Bürgerrechten im Rahmen des "Patriot Act" verbunden. Die kommende Präsidentschaftswahl sei daher die "vielleicht wichtigste Wahl" in der Geschichte der USA. Eine Stimme für einen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten sei in erster Linie eine Stimme gegen Bush. "Auch nach einem Wahlsieg der Demokraten muss unser Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit weitergehen."
Der israelische Historiker Omri Kaplan von der Friedensbewegung Gush Shalom forderte, das Existenzrecht Israels müsse aus der bloßen Existenz des Landes abgeleitet werden. Israel solle sich im Nahen Osten integrieren, statt nach London und Washington zu schauen. Die Anerkennung des von Israel verursachten Leides der Palästinenser und deren Recht auf einen eigenen Staat sei Voraussetzung für Frieden.
Aus: ND, 9. Februar 2004

Die Frankfurter Rundschau thematisierte das massive Auftreten der Polizei gegenüber den Demonstranten und schrieb u.a.:

Die Präsenz der Polizei war enorm. Uniformierte drängten sich zwischen Demonstranten und Passanten in Münchens Fußgängerzone. 4.000 Beamte hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) für den Schutz der Konferenz im Bayerischen Hof aufgeboten. Das macht pro Demonstrant am Freitag mehr als zwei Beamte und am Samstag immer noch knapp einen für jeden Protestler - geht man von den Zahlen der Polizei aus. "Unverhältnismäßig" sei das, sagten die Veranstalter und kritisierten "Repressionen". Sarah Seeßlen von Attac München berichtete von "Wanderkesseln neben dem Demonstrationszug", von "prügelnden Beamten" und "grundlos verhafteten Jugendlichen". "Die haben Leute mitgenommen, die eigentlich gar nicht teilnehmen wollten."
Der Polizeivizepräsident Jens Viering verteidigte das Vorgehen nach dem Motto "Deeskalation durch Stärke". "Ein nicht unerheblicher Teil der reisenden Zunft muss durch polizeiliche Maßnahmen beeindruckt werden", sagte er. Das hätte die Polizei durch permanente Präsenz und schnelle, konsequente Reaktion erreicht. Er sehe keine Alternative als bei Teilen des Demonstrationszugs "hautnah und dicht mit massiven Kräften" dabei zu sein und sich ein Stück weit "martialisch" zu positionieren.
Aus: FR, 9. Februar 2004

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Zur Münchner "Sicherheitskonferenz" haben wir ausführliche Meldungen - auch über die Proteste der Friedensbewegung - auf einer gesonderten Seite zusammengestellt: Rund um die Münchner Sicherheitskonferenz 2004

Viele Berichte über die Münchner "Sicherheitskonferenz" - relativ spärliche Berichte über die Proteste dagegen. Das ist zusammenfassend das Bild der Printmedien am 7. Februar.
Die alternative Web-Zeitung www.ngo-online.de hat sowohl über eine Presseerklärung von Attac berichtet als auch (am 6. Februar) ausführlich die Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zitiert. (Letztere gibt es hier auch im Original: Münchner "Sicherheitskonferenz" ist Umschlagplatz für Militärplanungen)

Die Proteste vom 6. Februar finden breiteren Niederschlag lediglich in den Lokalausgaben der Münchner Zeitungen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb u.a.:


Begleitet von einem starken Polizei-Aufgebot haben am Freitag in München die Nato- und die Sicherheitskonferenz begonnen. Die Proteste verliefen zunächst friedlich; gegen Abend wurden dann 80 Personen „in Gewahrsam“ genommen.
(...) Die Polizei reagiert nervös an diesem Wochenende. Bis einschließlich Sonntag sind 23 Protestveranstaltungen von Friedensaktivisten angemeldet, die Sicherheitsbehörden sprachen von mehreren hundert Autonomen, die in der Anreise begriffen seien. Insgesamt 4.000 Polizisten sollen schon bei Vorkontrollen auf den Einfallstraßen Gewaltbereite aus dem Verkehr ziehen und vor allem den „Bayerischen Hof“ abschirmen. Zu Tagungsbeginn am Freitag war dort kein Durchkommen. Polizeifahrzeuge, auch Wasserwerfer, blockierten die Wege. Nur wer einen Spezialausweis bei sich trägt – und sich außerdem seine Taschen kontrollieren lässt – kommt annähernd an das Hotel heran, in dem 50 Minister und 230 weitere Teilnehmer aus 45 Staaten konferieren. Bis Freitagabend nahm die Polizei rund 80 Demonstranten in Gewahrsam, nachdem sie versucht hatten, am Platz der Opfer des Nationalsozialismus den Altstadtring zu blockieren.
Während sich Schaulustige an den Absperrgittern um das Hotel mit dem massiven Polizeieinsatz durchaus anfreunden können – ein 66 Jahre alter Tankwart aus Sendling sagte, „das gehört zur Sicherheit halt dazu“ – übte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) massive Kritik an der „reinen Prestigeveranstaltung“, wie Erwin Zacherl, stellvertretender Vorsitzender des Landesbezirks Bayern der GdP die Konferenz nannte. Die Gewerkschaft erneuerte ihre Forderung, Veranstaltungen dieser Art künftig an einem mit weniger Polizeikräften besser zu sichernden Ort stattfinden zu lassen, als ausgerechnet mitten in der bayerischen Landeshauptstadt. (...)
Süddeutsche Zeitung, 07.02.2004

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Die Sicherheitskonferenz am 7./8. Februar 2004 wirft lange Schatten voraus. Im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung werden die Vorbereitungen und Begleitmaßnahmen zur Konferenz geschildert. So heißt es am 6. Februar u.a.:

(...) Offenbar erwartet die Polizei weniger Demonstranten als im Vorjahr. Die Beamten erwarten jedoch einen höheren Anteil an Gewaltbereiten. Bisher seien 23 Gegenveranstaltungen angemeldet. Gestern Abend versammelten sich etwa 80 Demonstranten am Marienplatz, um mit Panzer-Attrappen und Kostümen vor den Bayerischen Hof zu ziehen.
(...) Um das Tagungshotel wurde eine Sicherheitszone festgelegt. Bürger dürfen diese nur betreten, wenn sie einen nachprüfbaren Grund dafür nennen können. Sie müssen sich zudem einer Kontrolle unterziehen. Die angemeldeten Demonstrationen gegen die Sicherheitskonferenz finden außerhalb dieser Zone statt. Viering rechnet bei den Protesten mit Ausschreitungen. Er kündigte an: „Wir werden nicht lange zusehen und rasch gegen Gewalttäter vorgehen.“ München sei kein angenehmes Pflaster für gewaltbereite Demonstranten. (...)
Aus: Süddeutsche Zeitung, 06.02.2004

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Auch die Frankfurter Rundschau berichtet aus München:

(...) Weiträumig abgeriegelt werden soll das Tagungshotel bereits am heutigen Freitag; rund 4000 Beamte werden laut Polizei-Vizepräsident Jens Viering im Einsatz sein, um "die Veranstaltung zu schützen, die Innenstadt vor Schäden zu bewahren" und störungsfreie Demonstrationen zu gewährleisten. Ihr Konzept nennt die Polizei "Münchner Linie", und soll mit "niedriger Einschreitschwelle" umsetzen, was Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) angekündigt hat: "Deeskalation durch Stärke."
Vor drei Jahren noch hatte es genügt, ein paar Uniformierte abzustellen. Doch der Kreis der Kriegskritiker wuchs und so versammelten sich bald Tausende auf Marien- und Odeonsplatz. Hinzu kam im Jahr 2002 ein Demonstrationsverbot der Stadt, das zusätzlichen Protest auslöste. Der Einsatz der Polizei war in die Kritik geraten, da zahlreiche friedliche Demonstranten in Gewahrsam genommen worden waren. In diesem Jahr werden wesentlich weniger Teilnehmer erwartet als vor dem Irak-Krieg 2003.
Trotzdem ist die Polizei auf der Hut: Es gebe zwar keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge durch Terroristen, so Einsatzleiter Viering, "aber wir haben einen hohen abstrakten Gefährdungsgrad".
Aus: Frankfurter Rundschau, 6. Februar 2004

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Worüber die "junge Welt" bereits am 27. Januar berichtete: Die Zerwürfnisse in der Verbandsspitze der DFG-VK wurden nun auch in der Frankfurter Rundschau vorgeführt. Unter der Rubrik "Zur Person" hieß es:

Die Bundessprecherin der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK ist von ihrem Amt zurückgetreten, das sie erst im Oktober angetreten hatte. Als Grund nannte die Berlinerin angebliche "rassistische Äußerungen" bei einer Verbandsdiskussion über eine Beratungsstelle für türkische und kurdische Kriegsdienstverweigerer in Berlin. Ein Delegierter soll gesagt haben: "Ich mache Politik für Deutsche", was andere Beteiligte der Runde jedoch bestreiten. Der Vorstand des Berliner Landesverbandes erklärte gar, er wolle aus Protest gegen die "ethnische Säuberung in der DFG-VK" die Zusammenarbeit mit dem Bundesverband einstellen. Fünf der verbliebenen sechs Bundessprecher nannten die Vorwürfe "eine Reihe unrichtiger Behauptungen, Halbwahrheiten und verleumderischer Meinungsäußerungen". Die DFG-VK hat in den vergangenen Jahren Mitglieder verloren, derzeit sind es nach eigenen Angaben noch etwa 5000.
Aus: Frankfurter Rundschau, 29.01.2004

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Die alternative Internetzeitung www.ngo.online.de griff am 26. Januar die Pressemeldung des Bundesausschusses Friedensratschlag auf und verbreitete sie als Top-Meldung in ganzer Länge (www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=7643.
Einen Tag später fanden die Aktionsvorschläge breiten Raum in der jungen Welt (Autor: Reimar Paul). Auszüge:


Die Friedensbewegung will auch in diesem Jahr Flagge zeigen. Bei einem Treffen am Wochenende in Kassel beschloß der »Bundesausschuß Friedensratschlag« Aktionsschwerpunkte und Kampagnen für die kommenden Monate. Eine bei der Konferenz verabschiedete Erklärung »Schluß mit Krieg und Besatzung – Abrüstung statt Sozialabbau« soll den lokalen Initiativen und bundesweiten Organisationen dabei als Orientierung dienen.
Breiten Raum nimmt in dem Papier die »desaströse Lage im Irak« ein, die »zuallererst Resultat eines völkerrechtswidrigen und politisch verheerenden Krieges« und somit von der Kriegsallianz unter Führung der USA zu verantworten sei. Die Besatzungstruppen müßten das Land so schnell wie möglich verlassen, unter der Aufsicht der UNO sollen Wahlen stattfinden. Für den 20. März, den ersten Jahrestag des Kriegsbeginns, ruft der Friedensratschlag zu Aktionen auf. Um 12 Uhr mittags, so lautet ein Vorschlag, soll »ein Zeichen des Widerstands gegen die Kriegspolitik gesetzt« werden. »Wir widersetzen uns, indem wir uns niedersetzen – überall«!
Die geplanten Proteste am 20. März sollen sich auch gegen die »Hardliner« im Nahen Osten richten, die eine friedliche Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts hintertrieben. Der Friedensratschlag unterstützt die Kampagne gegen die Mauer im besetzten Westjordanland. Die Scharon-Regierung blockiere mit ihrer Besatzungspolitik alle ernst zu nehmenden Initiativen.
Die Konferenz griff auch die jüngsten Warnungen des Präsidenten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Mohamed ElBaradei, auf. Er hatte am Wochenende die Gefahr eines Atomkriegs als »noch nie so groß wie heute« beschrieben. (...)
Für äußerst bedenklich hält der Bundesausschuß die Entwicklung der Europäischen Union. Die neue Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) und die – vorübergehend gestoppte – EU-Verfassung bedeuteten eine »historische Wende der EU von einer Zivilmacht zur militärischen Interventionsmacht mit globalen Ambitionen«. (...) Die Konferenz unterstützte den europaweiten »Aktionstag für ein anderes Europa« am 9. Mai.
Scharf ins Gericht geht die Erklärung mit den Bundeswehrplänen von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Danach soll die Bundeswehr für weltweite Militäreinsätze fit gemacht werden. (...) Schließlich unterstützte das Kasseler Treffen die Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am 6./7. Februar 2004 in München. Diese Konferenz sei »längst kein unverbindlicher Meinungsaustausch von Verteidigungsministern und Außenpolitikern aus NATO- und Nicht-NATO-Staaten« mehr, hieß es. Vielmehr würden in München »auch Verabredungen getroffen und Weichen gestellt für die militärische Neuordnung der Welt im Interesse transnationaler Konzerne und der großen Rüstungsindustrie.«

Aus: junge Welt, 27. Januar 2004

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Unter der Überschrift "Verkrachte Friedensfreunde" brachte die "junge Welt" am 27. Januar einen Bericht, in dem über eine Kontroverse innerhalb der DFG-VK berichtet wurde. Ein Mitglied des Bundesausschusses, des höchsten Organs der DFG-VK, hatte in einer Sitzung angeblich "rassistische Äußerungen" gemacht (es ging um die Mitfinanzierung der Beratung für türkische Kriegsdienstverweigerer), worauf der Berliner Landesverband das Gremium verließ. Die Mehrheit des Bundesausschusses hat dazu eine Gegenstellungnahme abgegeben.

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Das Gute an den Prozessen gegen Friedensdemonstranten ist, dass mit ihnen die Erinnerung an den Protestgrund wachgehalten werden kann. Die folgende Meldung befasst sich mit den Aktionen gegen den Irakkrieg vor einem Jahr. Der Artikel ("Strafverfahren gegen Blockierer eingestellt"), aus dem wir zitieren, stand am 21. Januar 2004 auf der Hessen-Seite der Frankfurter Rundschau:

Die Strafverfahren gegen zwei Frauen und zwei Männer, die am 29. März 2003 vor der US-Airbase am Frankfurter Flughafen gegen den Irak-Krieg demonstriert haben, sind am Dienstag vom Amtsgericht Frankfurt eingestellt worden. Damit bleibt ihre Sitz-Blockade straffrei. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen Widerstand vorgeworfen, weil sie sich mit einem Fahrradschloss und den Schnürsenkeln ihrer Schuhe aneinander gefesselt hatten. Amtsrichter Wolfgang Menz verhängte gegen die Robin-Wood-Anhänger als Geldauflage 100 bis 200 Euro, die sie an ihre Umweltschutzorganisation bezahlen sollen.
Die 26 bis 38 Jahre alten Angeklagten betonten, dass sie sich nicht gewaltsam gewehrt haben, als sie von Polizisten weggetragen wurden. Sie wollten mit ihrer Sitzblockade lediglich im Anschluss an eine genehmigte Demonstration ihren Unmut über den "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" zeigen. "Wir haben uns ganz leicht gemacht, als wir weggetragen wurden", sagten sie. Ihre Aktion sei lediglich ziviler Ungehorsam am "Knotenpunkt für die Versorgung der tödlichen Maschinerie" gewesen.
In einem weiteren Prozess vor dem Amtsgericht ist ein Student aus Halle wegen Nötigung verwarnt worden. Richter Wolfgang Jakubski behielt sich eine Geldstrafe in Höhe von 120 Euro vor. Der Angeklagte hatte mit einer Gruppe aus 33 Personen eine Straße am Airport-Ring am 29. März 2003 blockiert, bevor er von Polizisten ebenfalls weggetragen wurde.
Aus: Frankfurter Rundschau, 21.01.2004

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Ein Prozess gegen eine Mitarbeiterin des britischen Geheimdienstes, die im Vorfeld des Irakkrieges "verraten" hatte, dass einige Sicherheitsratsmitglieder von den USA ausspioniert wurden, findet hier zu Lande kaum Erwähnung in der Presse. Ein Mitglied des Düsseldorfer Friedensforums sorgte nun selbst dafür, dass der Fall wenigstens in der linken Presse Erwähnung findet. (Sein Artikel wird von uns dokumentiert: Angeklagt: Zivilcourage.)

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Die Vorlage des Verteidigungsministers Peter Struck zur weiteren Reform der Bundeswehr am 13. Januar 2004 hat verständlicherweise Kritik seitens der Friedensbewegung provoziert. Eine entsprechende Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag blieb indessen weitgehend ohne Resonanz in den Medien. Ausnahme: Die "junge Welt" druckte die Erklärung am 16. Jan. im Wortlaut ab.

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Die Münchner "Sicherheitskonferenz" wirft ihre Schatten voraus. Die Kriegsgegner "rüsten" zum friedlichen Protest - die Stadt München denkt im Moment nicht an Demonstrationsverbote. Im Neuen Deutschland vom 6. Januar findet sich eine Lageeinschätzung (Autor: Nikolaus Brauns), aus der wir Auszüge zitieren:

(...) Unter den rund 200 Teilnehmern der regierungsamtlichen Konferenz befinden sich die Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten, hochrangige Militärs und Rüstungslobbyisten. Gegen dieses Treffen der »Kriegselite« im Nobelhotel Bayerischer Hof ruft ein Aktionsbündnis zu einer Großdemonstration auf. »Bei der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz geht es nicht um internationale Sicherheit. Es geht um Absprachen und Koordination weltweiter Strategien zur militärischen Absicherung ökonomischer Herrschaftsansprüche«, heißt es im Aufruf des Aktionsbündnisses (...)
Ein Verbot der Gegendemonstration am 7.Februar sei nicht geplant, kündigte Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle an. Wie bereits in den vergangen Jahren sollen allerdings neben einer massiven Polizeipräsenz in der Innenstadt und einem Sperrgürtel rund um das Tagungshotel Polizeikontrollposten an allen Zufahrtsstraßen eingerichtet werden.
Im vergangenen Jahr hatten über 30000 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz und den Irak-Krieg demonstriert. Nachdem die Lüge von 3000 anreisenden »Chaoten«, die anlässlich der Sicherheitskonferenz 2002 zum totalen Demonstrationsverbot im Münchner Stadtgebiet und zur Festnahme von rund 800 Kriegsgegnern führte, nicht mehr aufrecht zu erhalten war, hat Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer ein neues Feindbild gefunden: den »Berufsdemonstranten«. »Offensichtlich meint er damit Menschen, die häufiger von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, als ihnen das die Polizei zugestehen würde.
Die Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit soll also damit begründet werden, dass man ›zu‹ häufig an Versammlungen teilnimmt«, kommentiert die Pressesprecherin der Münchner Roten Hilfe, Paula Schreiber, die Ankündigung der Polizei, »einschlägig bekannte Berufsdemonstranten« bereits im Vorfeld herauszufiltern und heimzuschicken. Wer als »Berufsdemonstrant« gilt, bestimmt der Verfassungsschutz. (...)
Aus: ND, 06.01.2004

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Ob das Jahr 2004 zum Jahr des Kampfes um die Europäische Verfassung wird? Angesichts der in ihr enthaltenen Militarisierungsvorschriften wäre das durchaus wünschenswert. Die Tageszeitung "junge Welt" unterhielt sich Anfang des Jahres mit Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen. Ein Auszug:

Frage (Wolfgang Pomrehn): Die Informationsstelle Militarisierung hat vor einigen Wochen der Friedensbewegung und anderen sozialen Gruppen vorgeschlagen, eine Kampagne gegen den EU-Verfassungsentwurf zu starten. Worum geht es Ihnen dabei?
Zwei Punkte sind an dem Text besonders problematisch: Zum einen die Militärpolitik. Die EU-Mitglieder werden zur Aufrüstung verpflichtet, Kampfeinsätze der EU werden festgeschrieben, entscheiden soll darüber künftig der EU-Ministerrat. Zum anderen wird mit dem Entwurf das neoliberale Wirtschaftsmodell festgeschrieben.
In vielen anderen Politikbereichen ist der Entwurf ähnlich problematisch. Daher bietet es sich an, eine bewegungsübergreifende Kampagne gegen diese EU-Verfassung zu organisieren.
F: Wie fällt die Resonanz auf den Vorschlag aus?
Wir haben sehr viele Rückmeldungen erhalten. Eine Reihe von Einzelpersonen und Organisationen reagierte sehr positiv, andere sagten, sie benötigten vor allem erst einmal mehr Informationen, und wieder andere meinten, es sei ohnehin schon alles gelaufen. Daß letzteres nicht stimmt, hat man beim EU-Gipfel Mitte Dezember gesehen, bei dem sich die Regierungen nicht auf den vorliegenden Verfassungstext einigen konnten. Der entscheidende Grund für das Scheitern war, daß die deutsche und die französische Regierung ihre Auffassungen durchpeitschen wollten.
F: Hat sich damit die Ausgangslage für eine Kampagne verbessert?
Ja. Damit bleibt mehr Zeit für Aufklärung. Der Entwurf ist immer noch ziemlich unbekannt, aber der Streit verschafft ihm Aufmerksamkeit. Wir haben also mehr Zeit, auf die vielen negativen Seiten dieses Verfassungsentwurfs hinzuweisen. (...)
Kaum beachtet, ist auf dem Gipfel die neue EU-Militärstrategie verabschiedet worden, in der ganz offen die Rede davon ist, daß die EU "Einfluß im Weltmaßstab" haben will. Das heißt, man möchte gerne eine neue Supermacht sein und fordert die USA heraus. In diesem Strategiepapier gibt es eine Passage, die wenig verklausuliert sogenannte Präventivkriege befürwortet. Man kann sagen, daß Paris und Berlin auf militärischer Ebene auch ohne Verfassung das durchgesetzt haben, was sie wollten. Das muß bei einer Kampagne bedacht werden.
F: Wie ist der Stand der Kampagne?
Sie läuft an. Anfang Dezember hat der Friedensratschlag in Kassel einen Aufruf unter der Überschrift »Gegen diese EU-Verfassung – Für ein Europa, das sich dem Krieg verweigert« angenommen. Dieser wird inzwischen von einer Reihe relevanter Friedensgruppen mitgetragen. Auf dem Europäischen Sozialforum hat man sich auf den 9. Mai als Aktionstag gegen die EU-Verfassung geeinigt, woran wir uns beteiligen werden. Und die Aktionstage im Vorfeld wie den 20. März als internationaler Aktionstag gegen Krieg und Besatzung und den 2. und 3. April gegen Sozialabbau werden wir nutzen, um weiter über den Verfassungsentwurf aufzuklären.
Aus: junge Welt, 5. Januar 2004


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