Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

10. bis 16. März 2003

Friedensbewegung in den Medien

Wieder gingen am 15. März weltweit Hunderttausende von Menschen auf die Straße, um gegen den drohenden Krieg gegen Irak zu protestieren.

(...) Hunderttausende gingen allein in den europäischen Großstädten Mailand, Paris und Madrid auf die Straße. Allein in der norditalienischen Metropole protestierten nach Polizeiangaben mindestens 400.000, nach Angaben der Organisatoren sogar 700.000 Kriegsgegner. Zu der Kundgebung hatte die größte italienische Gewerkschaft CGIL aufgerufen. (...)
Auf dem Pariser Place de la Nation versammelten sich nach Angaben der Präfektur etwa 55.000 Menschen. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte ein Bündnis von etwa 100 Initiativen, Linksparteien und Gewerkschaften. Im belgischen Brüssel nahmen nach Polizeiangaben knapp 30.000 Menschen an einem Friedensmarsch teil.
Auch in den spanischen Großstädten Madrid und Barcelona versammelten sich nach Angaben der Polizei 150.000 Menschen aus Protest gegen einen Krieg. In Sevilla im Süden der iberischen Halbinsel nahmen etwa 15.000 Menschen an einem Protestmarsch zu dem US-spanischen Militärstützpunkt Rota teil.
Im schwedischen Stockholm folgten tausende dem Aufruf von Kriegsgegnern zu einer Demonstration. In London zogen 2.000 Anhänger einer friedlichen Lösung der Irak-Krise durch die Stadt.
Auch in Jemen zogen Hunderttausende durch die Straßen von Sanaa und anderer Städte. In den Palästinensergebieten beteiligten sich mehr als 8.000 Palästinenser an Anti-Kriegsdemonstrationen. Die rund 4.000 Teilnehmer einer Kundgebung in Chan Junis im Gazastreifen führten Bilder von Palästinenserpräsident Jassir Arafat und dem irakischen Staatschef Saddam Hussein mit sich. Sie verbrannten Fahnen der USA, Großbritaniens und Israels sowie Puppen von US-Präsident George W. Bush und dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon. In Irak selbst demonstrierten zehntausende Menschen in Bagdad und anderen Städten gegen den Krieg.
Zehntausende waren auch in Asien auf der Straße. In der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi folgten mehrere tausend Menschen einem Aufruf der regierenden Kommunistischen Partei. In der Stadt Naha auf der Insel Okinawa, dem Hauptstandort der US-Armee in Japan, protestierten mehr als 5.000 Menschen gegen den Krieg. In Sydney, Melbourne, Brisbane und anderen australischen Städten waren ebenfalls tausende Menschen auf den Straßen.
Nach einer AFP-Meldung, www.yahoo.de, 16.03.2003

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Die Demonstrationen gegen den Krieg vom Wochenende in Deutschland werden diesmal angeführt von der Lichterkette in Berlin. Hier demonstrierten 115.000 Menschen. Der Berliner "Tagesspiegel berichtete u.a.:

„Die Kette ist geschlossen“, meldete der Polizeihubschrauber um kurz nach acht am Samstagabend. Mit Kerzen und Teelichtern, Petroleum- und Taschenlampen, Fackeln und Wunderkerzen waren die Menschen gekommen, um mit einer beeindruckenden Lichterkette quer durch Berlin ein Zeichen gegen den drohenden Irak-Krieg zu setzen. Nach Angaben des Veranstalters und der Polizei standen zwischen 20 Uhr und 20.15 Uhr rund 100.000 Menschen auf der großen Ost-West-Achse zwischen Hellersdorf und Spandau. „Ich bin überglücklich“, sagte der Initiator, der Spandauer Pfarrer Peter Kranz .
(...) Die Demonstranten hatten sich gut vorbereitet – trotz des ungewöhnlich kurzfristigen Aufrufes: Ordner wurden nicht gebraucht, es gab keine Anweisungen, alles lief wie von selbst. Sehr ruhig, fast andächtig waren die Menschen. Nur das Geräusch des Polizeihubschraubers war zu hören und ein paar Kirchenglocken in der Ferne. Gesungen wurde allerdings vor der amerikanischen Botschaft: „We shall overcome“, das berühmte Protestlied aus den Sechzigerjahren, schallte über die Straße.
Hier war das Zentrum der Aktion, tausende Menschen standen teils in mehreren Reihen „Unter den Linden“. Die meisten waren äußerst pünktlich erst kurz vor 20 Uhr gekommen, weshalb Skeptiker noch zwanzig Minuten vorher meinten, die Lichterkette komme nicht zustande. Aber dann strömten die Demonstranten plötzlich von allen Seiten herbei und der Berliner Künstler Kurt Jottler konnte sein leuchtendes „No war“-Bild auf der Fahrbahn nahe der US-Botschaft flugs besetzen. (...)
Auch an den Knotenpunkten der Strecke, etwa am Theodor-Heuss- und am Strausberger Platz standen die Menschen dicht an dicht. Kleinere Lücken zum Beispiel auf der Straße des 17. Juni, an der Heerstraße in Spandau oder in Alt-Mahlsdorf fielen nicht weiter auf. Ganz am Anfang der Kette an diesem äußersten östlichen Ende stand die 34jährige Martina Leffelt aus Köpenick und erklärte: „Das ist die erste Friedensdemo in meinem Leben.“
Verkehrstaus gab es „nur wenige“, zog die Polizei Bilanz. Auch deshalb, weil am Samstagabend nur wenige mit dem Auto unterwegs waren. Die Zufahrten von Norden her und die Fahrspuren auf der Hauptstrecke der Demonstration in Richtung Westen wurden gesperrt. Doch der Verkehr in Richtung Osten rollte weiter. 15 bis 30 Minuten traten die Demonstranten nach 20 Uhr auf den Asphalt – und die meisten Autofahrer reagierten laut Polizei verständnisvoll. Nur am Alex gab es ein Hupkonzert. (...)
Der Tagesspiegel, Sonntag, 16. März 2003

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In Kassel demonstrierten am 15. März rund 1.000 Menschen (die Angabe in dem nachfolgenden Zeitungsbericht stammte aus einer Polizeiquelle). Die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (Sonntagszeitung) schrieb unter dem Titel "Die Chance zum frieden nutzen" u.a.:

Er ist ein Urgestein unter den friedensbewegten Menschen in Kassel. Gestern stand Dr. Peter Strutynski wieder am Mikrofon vor dem Rathaus. Rund 500 Menschen demonstrierten dort gegen einen drohenden Krieg im Irak. Seit dem Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung von Pershing-Raketen Anfang der 80er Jahre hat die Friedensbewegung selten so viele Menschen mobilisiert wie in diesen Tagen.
Dr. Peter Strutynski und Frank Skischus vom Kasseler Friedensforum, das gestern als Veranstalter auftrat, waren all die Jahre dabei. Jetzt gebe es eine neue Qualität, so Skischus. Die werde durch das Engagement junger Leute an den Schulen deutlich. Unterstützung bekamen die Teilnehmer der Kundegebung auch von der lokalen Politik. Für die Stadt sprach Bürgermeister Ingo Groß (SPD) ein Grußwort. Er vertrat Oberbürgermeister Georg Lewandowski (CDU), den das Friedensforum eingeladen hatte. Der OB ließ sich wegen anderer Termine entschuldigen.
So lange es noch eine Chance gebe, den Krieg zu verhindern, müsse man dafür auch eintreten, so Groß. Das klare Nein zum Krieg sei auch seine persönliche Überzeugung.
Den größten Beifall bekam gestern der Amerikaner Michael Morrissey. Er ist Lektor am Fachbereich Anglistik der Kasseler Universität und ein entschiedener Kritiker seiner eigenen Regierung. Er könne in Deutschland keinen Anti-Amerikanismus feststellen, so Morrissey. Richtig sei es allerdings, dass die Menschen gegen den Kurs von Präsident Bush seien.
(...) "Mit einem Regimewechsel fängt man am besten zu Hause an", so Morrissey mit Blick auf die Regierung von George W. Bush. (...)
Vom Deutschen Gewerkschaftsbund über Vertreter der in der Region lebenden Palästinenser bis zu kirchlich engagierten Teilnehmern reichte die bunte Mischung bei der Kundgebung. So erinnerte Henner Brosius von der katholischen Gemeinde in Kaufungen an das klare Nein des Papstes zum Krieg. Eine Alternative sind nach Einschätzung von Dr. Peter Strutynski weitere Waffenkontrollen im Irak und eine Lockerung des Wirtschaftsembargos. Nur so hätten die Menschen im Irak die Chance, sich selbst von dem Diktator Saddam Hussein zu befreien.
Im Anschluss an die Kundgebung vor dem Rathaus zogen die Demonstranten zum Königsplatz. Dort stellten sie sich so auf, dass Friedenszeichen im weiten Rund deutlich sichtbar war.
Aus: HNA (Sonntagszeit), 16.03.2003

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Langenau ist eine Kleinstadt in der Nähe von Ulm. Am 14. März gingen rund 1.000 Schüler und Lehrer auf die Straße, um gegen den Krieg zu protestieren. Die in Ulm erscheinende "Südwestpresse" berichtete über diese "eindrucksvolle Demonstration" unter der Überschrift "Deutliches Zeichen für den Frieden" u.a.:

(..) "Es ist fünf vor Zwölf", unter diesem Motto stand die Protestaktion der vier Langenauer Schulen gegen den drohenden Krieg im Irak. Fünf vor Zwölf schloss sich gestern die Menschenkette aus mehr als 1000 Schülern, Lehrern und Bürgern, die vom Ortseingang Langenau aus Richtung Albeck durch den gesamten Ort bis zur Leonhardskirche reichte.
Die meisten Schüler der Albecker-Tor-Schule, des Robert-Bosch-Gymnasiums, der Friedrich-Schiller-Realschule und der Reutte-Schule waren statt in den Unterricht auf die Straße gegangen, um deutlich zu machen, was sie von der Absicht des amerikanischen Präsidenten George W. Bush halten, Krieg gegen den Irak zu führen.
(...) Gustav Bucher, Lehrer am Robert-Bosch-Gymnasium, begrüßte die Aktion, die der Stadtjugendring und die Initiative 8. Mai mitorganisiert hatten. "Es war längst Zeit, so etwas zu machen", meinte Eberhard Fritz, ebenfalls vom Robert-Bosch-Gymnasium. Er definierte die Friedenskette als "kleines Zeichen, das wir von Langenau aus geben können." (...)
(...) "Wir hätten nicht gedacht, dass so viele mitmachen", sagte später Wolfgang Meisen, einer der Organisatoren.
Südwestpresse - Schwäbische Donau Zeitung, 15.03.2003

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Gleich nebenan in Ulm demonstrierten ebenfalls 1.000 Schüler/innen gegen den Krieg, indem sie das weltbekannte Ulmer Münster umzingelten. (Das Ulmer Münster hat den höchsten Kirchturm der Welt: 161 Meter). Die Südwestpresse berichtete unter der Rubrik "Bild der Woche":

Das Bild der Woche zeigt einige der etwa 1000 Ulmer und Neu-Ulmer Kinder und Jugendlichen, die gestern Nachmittag zunächst eine Menschenkette rund um das Ulmer Münster gebildet haben, um mit Buchstabenketten, Friedensfahnen und Transparenten für eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts zu demonstrieren. Anschließend fand ein "Singen für den Frieden" statt. Daran nahmen auch viele Erwachsene teil.
Südwestpresse, 15.03.2003

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Für den 14. März hatte der DGB (und auf europäischer Ebene der Europäische Gewerkschaftsbund) zu betrieblichen Protestaktionen aufgerufen. Hunderttausende sind diesem Aufruf gefolgt. Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber u.a.:

(...) Bei DaimlerChrysler, Audi und Volkswagen standen vorübergehend die Bänder still. In Halle an der Saale ruhte für fünf Minuten der Straßenbahnverkehr. (...)
Auch der Europäische Gewerkschaftsbund hatte dazu aufgerufen, am Freitag ein "Zeichen für den Frieden" zu setzen. Tausende Menschen folgten dem Appell allein in Spanien. "Dies ist ein historischer Augenblick. Eine solche Arbeitsniederlegung in ganz Europa hat es noch nie gegeben", sagte Cándido Méndez, Chef des Gewerkschaftsverbandes UGT.
In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen protestierten nach Gewerkschaftsangaben insgesamt mehrere hunderttausend Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg. Der baden-württembergische DGB-Landesvorsitzende Rainer Bliesener sprach von einem Erfolg. Die Proteste seien Ausdruck des Friedenswillens der Menschen.
Dem Aufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) folgten auch Schulen im Südwesten. "Wir wollen damit auch die an den Schulen spürbare Sorge und Unsicherheit bei Schülerinnen und Schülern aufgreifen und zum Thema machen", sagte der baden-württembergische GEW-Landeschef Rainer Dahlem.
In einigen Regionen, etwa in Thüringen, Saarland, Bremen und Hamburg, fiel die Beteiligung geringer aus als erwartet. Als Grund nannten Gewerkschaftssprecher die ablehnende Haltung der Arbeitgeber. So habe der Verband der Wirtschaft Thüringens in einem Rundschreiben von der Teilnahme abgeraten. In manchen Betrieben hätten die Arbeitgeber die Mahnminuten als politische Demonstration untersagt und mit Abmahnungen gedroht.
Frankfurter Rundschau, 15.03.2003

In den "Aalener Nachrichten", einem Blatt der "Schwäbischen Zeitung" wurde über die Gewerkschaftsaktion in Aalen folgendes berichtet:

(...) Nach dem Aufruf der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sammelten sich vor dem Rathaus Mitarbeiter aus Landratsamt, Stadtverwaltung, Kreissparkasse und Dekra mit ihren Anti-Kriegs-Transparenten. Andreas Kapfer (ver.di-Betriebsgruppe) argumentierte in seiner Ansprache für das Anliegen der Demonstranten und den globalen Widerstand gegen den Krieg. Mit den Protesten stehe man an der Seite der amerikanischen Friedensbewegung, um Antiamerikanismus gehe es nicht. Bei allem Ärger über die rot-grüne Regierung könne man eigentlich nur froh sein, dass die Bundestagswahl so ausgegangen ist. "Hätten Stoiber und Merkel das Rennen gemacht, befände sich Deutschland heute in einem Boot mit den Kriegstreibern Bush, Blair und Aznar", sagte Kapfer. Zeitgleich standen Mitarbeiter des Ostalb-Klinikums vor den Toren des Krankenhauses.
Schwäbische Zeitung, 15.03.2003

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Irgendwo im Sauerland muss Neheim liegen. Wenn dort 2.000 Menschen auf die Straße gehen, dann ist das schon etwas Einzigartiges. In der Westfalenpost liest sich das so:

"Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende." Mit diesem Zitat von John F. Kennedy brachte gestern der 17-jährige FSG-Schüler Noor Naqschbandi das Ziel der Friedensdemo auf dem Neheimer Marktplatz auf den Punkt.
Die Demo, an der rund 2000 Bürger teilnahmen, erreichte ihr Ziel: Es wurde ein eindrucksvolles Zeichen für eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts gesetzt. "Die Schüler und Jugendlichen sowie alle Bürger, die sich der Demo angeschlossen haben, reihen sich ein in eine mächtige Friedensbewegung, bei der bereits weltweit Millionen von Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg protestiert haben", betonte Noor Naqschbandi, der mit mehr als 100 Schülern die Demo vorbereitet hatte.
Auf dem Marktplatz waren sich alle Redner einig: "Mit uns gibt es keinen Krieg gegen den Irak!" Pfarrer Heinrich Oest forderte die Politiker auf, niemals einen Präventionskrieg anzustreben, sondern sich stets für Kriegsprävention einzusetzen. Pfarrerin Elisabeth Pakull lobte die Jugendlichen: "Ihr seid auf dem richtigen Weg. Schon Jesus sagte: Selig sind die Friedensstifter."
Der heimische DGB-Chef Heinz Rittermeier stellte klar, dass die Demo keine anti-amerikanische Aktion sei. "Wir wollen auch klar sagen: Für Diktatoren wie Hussein haben wir nichts übrig", fügte Rittermeier unter dem Applaus der Zuschauer an.
Auch dürfe das friedliche Miteinander der Christen und Muslime nicht zerstört werden. In diesem Sinne schloss sich auch Imam Husein Aldün von "Yeni Camii", dem Islamischen Sozial- und Kulturverein, an. Adnan Al-Kabbani vom Islamisch-Arabischen Verein sagte: "Gott will Frieden in allen Religionen."
Zwischendurch sang der Arnsberger Liedermacher Uli Bause Friedenslieder von Bob Dylan und Hannes Waader. Nachdem alle Demonstranten "Give peace a chance" und "Imagine" gesungen hatten, ertönte zum Abschluss die Christusglocke der Johanneskirche als Friedensglocke.
Westfalenpost, 15.03.200

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Mal etwas anderes aus Jena: Hier ging ein Dutzend Rentner auf die Straße und zeigte, was man so alles anstellen kann gegen den Krieg:

Rund ein Dutzend Rentnerinnen und Rentner vom Jenaer Friedensbündnis protestierten gestern gegen den drohenden Irak-Krieg. Ohrenbetäubend war das Trommeln auf den Fässern, mit dem die Rentner die Aktion unterstrichen.
"Ich bin gegen den Krieg", sagte Doris Heinze. Die 64-Jährige gehörte gestern zu den trommelnden Rentnern. Sie sei 1939 geboren, habe ihren Vater das erste Mal 1950 gesehen, als er aus der Kriegsgefangenschaft kam. Später habe sie die Auswirkungen der Kriege in Korea und Vietnam erfahren. "Jetzt nehme ich hier als Einzelperson teil, darauf lege ich wert." (...)
Für rund eine Viertelstunde stand der Verkehr am Leutragraben still gestern Nachmittag. Es waren einmal nicht junge Leute mit bunten Haaren, die die Straße blockierten, sondern die Alten. (...)
Mit der Aktion wollten die Rentner mobilisieren für die thüringenweite Demonstration am Sonnabend, 22. März, ab 11 Uhr in Jena. (...)
Aus: Thüringische Landeszeitung, 15.03.2003

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Für den Frieden wird nicht nur auf der Straße und in Betrieben demonstriert. Auch Stadtparlamente und Kreistage befassen sich mit dem Irakkrieg und zeigen mitunter parteiübergreifende Einigkeit. So z.B. in Grevesmühlen (Kreis Nordwest-Mecklenburg), wie die Lübecker Nachrichten berichteten:

(...) Die Sitzung im Rathaussaal der Kreisstadt begann harmonisch. Das Geburtstagskind Dennis Klüver bekam Blumen und aus dem Foyer schallte Musik, weil dort Tagesmütter ihre Angebote offerierten. Dann gab es ernste Mienen. SPD, PDS und der Bauernverband brachten eine Vorlage zur Abstimmung. So appellieren die Mitglieder des Kreistages an den Bundestag und die Bundesregierung, "auf ein klares Nein zu einem Militärschlag gegen den Irak zu bestehen, sich an einem Krieg gegen den Irak nicht direkt oder indirekt zu beteiligen". CDU-Fraktionschef Hans-Otto Schmiedeberg bat um eine Ergänzung, dass ein eventueller Krieg auch Auswirkungen auf die Kommunen und so auf den Nordwestkreis haben werde. Der Appell fand mit der Ergänzung die einstimmige Zustimmung der 42 anwesenden Volksvertreter. (...)
Lübecker Nachrichten, 15.03.2003

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Die Montagsdemonstration in Leipzig erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.

Mehr als 20.000 Menschen haben Montagabend nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche auf dem Leipziger Altstadtring für eine friedliche Lösung des Irakkonflikts demonstriert. Auf Transparenten forderten sie "Stoppt den Bush-Brand" und "Krieg ist keine Antwort".
taz, 12.03.2003

Das "Wunder von Leipzig" hat sich mittlerweile auch republikweit herumgesprochen. Am 15. März brachte die Frankfurter Rundschau einen längeren Artikel über das Phänomen ("Leipzig rennt wieder" von Bernhard Honnigfort). Hieraus ein kleiner Auszug:

(...) Die Leipziger Montagsdemonstrationen sind ein Phänomen. Niemand organisiert sie, niemand ruft dazu auf. Es werden keine Flugblätter verteilt, keine Telefonrundrufe gestartet. Sie entstanden von selbst. Leipzig rennt. Anders als in anderen Städten, wo viel weniger Menschen auf den Beinen sind. Es ist der Mythos der Nikolaikirche, es ist die Tradition der Montagsdemonstration, und es ist ein starkes Bürgerbewusstsein, was mobilisiert. Und natürlich ist es die Erfahrung, die Leipzig gemacht hat: Man kann Dinge ändern, auch wenn es noch so aussichtslos erscheinen mag. "Wir haben damals die Erfahrung gemacht, dass nicht nur Geld, Wirtschaft und Armeen etwas bewegen. Es lohnt sich, sich einzubringen und Unmögliches möglich zumachen", sagt Führer.
(...) Pfarrer Führer, bei den Friedensdemonstrationen meist in der ersten Reihe, ist zuversichtlich, dass sich der Krieg verhindern lässt. Ja, das glaube er. Wenn er einmal mit Bush reden könnte, er würde ihm klar machen wollen, dass ein Truppenabzug kein Gesichtsverlust wäre. Im Gegenteil. Er wird weiter demonstrieren und es werden ihm Tausende folgen, jeden Montagabend. "Auf alle Fälle", sagt Pfarrer Führer. Bis die Kriegsgefahr gebannt sei.
Frankfurter Rundschau, 15.03.2003

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Im Vorfeld der 10 Mahnminuten für den Frieden, zu denen der DGB für den 14. März aufgerufen hat, gibt es an der "Basis" in Betrieben und Verwaltungsstellen der Gewerkschaften viel zu tun. Anne Rieger, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen und Sprecherin des "Gewerkschaftlichen Netzwerks gegen den Krieg" sowie des Bundesausschusses Friedensratschlag wurde dazu von der "jungen Welt" befragt:

Frage: Wie ist die Stimmung in den Betrieben? Wird gemurrt, daß mehr gemacht werden müßte?
A. Rieger: Nein, das kann man nicht sagen. Die Stimmung ist eindeutig gegen den Krieg, aber es ist nicht ganz einfach, den Beschluß schnell umzusetzen. Ich bin sicher, es wird möglich sein, in den Betrieben etwas zu machen. Aber wir müssen unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Wir stellen zum Beispiel Redebausteine zur Verfügung. Vor Ort brauchen die Betriebsräte und Vertrauensleute eigene Aufrufe, die auf ihre Aktion und den Betrieb zugeschnitten sind. Bei Tarifverhandlungen, haben wir einen längeren Vorlauf. Da ist es dann einfacher. Wir sind ja ein großer Tanker; das dauert eine Weile, den anzuschieben.
F: Von Zuständen wie in Italien, wo verschiedene Gewerkschaften Streiks vorbereiten, sind wir also in Deutschland weit entfernt?
Ja. Jedenfalls in dem Umkreis, in dem ich tätig bin. Ich weiß nicht, ob das woanders anders ist. Aber bei uns ist die Angst um den Arbeitsplatz enorm groß. Das spielt bei allen Aktionen eine Rolle, und das muß man berücksichtigen.
F: Im letzten Sommer ist ein gewerkschaftliches Friedensnetzwerk gegründet worden, dem Sie angehören. Arbeitet das noch?
Das Netzwerk hat sich hauptsächlich zur Aufgabe gemacht, gute Aktionen und gute Beschlüsse zu verbreiten und weiterzuleiten. Zum Beispiel ist dieser Aufruf für die Aktionen am Freitag schon frühzeitig von uns verbreitet worden. Wir sind kein Aktions-, sondern ein Vernetzungsbündnis für diejenigen, die sich neben den sonstigen Angriffen, die zur Zeit auf die Gewerkschaften einprasseln, auch noch in der Friedensfrage besonders engagieren.
Aus: junge Welt, 12.03.2003

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Unter der Überschrift "Friedensbewegung lässt nicht locker" berichtet die "junge Welt" über die Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag, in der über die anstehenden Aktionen der Friedensbewegung informiert wird, u.a.: In ihrem Bemühen, mit allen Mitteln auf eine friedliche Beilegung des Irak-Konfliktes zu drängen, fühlt sich die Friedensbewegung vom jüngsten Bericht des UN-Chefinspektors Hans Blix ermutigt. Der am vergangenen Freitag vorgelegte dritte Bericht habe der US-Regierung keinerlei Anhaltspunkte geliefert, die Waffeninspektionen für gescheitert zu erklären und einen Krieg zu beginnen, erklärte der Sprecher des Friedensratschlags, Peter Strutynski, in einer Pressemitteilung (...).
Eine "bedrohliche Zuspitzung der Lage" stellt laut Strutynski das Vorhaben der US-Administration dar, eine zweite Resolution im UN-Sicherheitsrat zur Abstimmung zu bringen, die dem Irak ein Ultimatum zur vollständigen Vernichtung von Massenvernichtungswaffen bis zum 17. März stellen soll. Dieser Zeitraum müsse von der weltweiten Friedensbewegung genutzt werden, um den Druck auf Washington und London weiter zu erhöhen und den Kriegstreibern in letzter Minute doch noch in den Arm zu fallen. Wie schon am 15. Februar ruft die weltweite Friedensbewegung auch für den 15. März zu einem internationalen Aktionstag gegen den drohenden Irak-Krieg auf. (...) Der Friedensratschlag begrüßt in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich den Beschluß des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) vom 7. März, "als Form des Protestes gegen den drohenden Krieg am 14. März gegen Mittag zu Arbeitsunterbrechungen aufzurufen". (...)
junge Welt, 11.03.2003

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Die Stuttgarter Zeitungen berichteten von der Blockadeaktion, die am Samstag, den 8. März an der Zufahrt zu EUCOM stattfand. Hier ein Auszug aus der "Stuttgarter Zeitung" (Autorin: Susanne Janssen):

(...) Gut 300 Demonstranten erschienen gegen 10 Uhr auf dem Feldweg vor der US-Kommandozentrale Eucom in Vaihingen, drei Hundertschaften der Polizei hielten sich bereit. Die Teilnehmer der Kundgebung bildeten eine bunte Mischung: viele junge Leute, erfahrene Demonstranten mit Klampfe und Liedzetteln, ein Vietnam-Veteran und jungen Frauen als verkleidete Friedensengel.
In ihren Botschaften waren sich kirchliche Friedensaktivisten, Tierschützer, Gewerkschafter und Sozialisten einig: "Blockiert den Krieg", hieß es auf den Plakaten. "Krieg löst keine Probleme", "Ich sterbe für billiges Öl", ließen die Demonstranten einen US-Soldaten auf einem Transparent sagen. Gegen 10.45 Uhr begaben sie sich vom genehmigten Platz auf dem Feldweg zum Haupttor. Zwei kleinere Gruppen von jeweils rund 20 Teilnehmern blockierten die Nebenzufahrten an der Katzenbachstraße und an der Kurmärker Straße, die anderen Demonstranten ließen sich vor dem Haupteingang nieder. Kurz nach 11 Uhr waren alle Eingänge zu den Patch Barracks dicht, was die Demonstranten mit jubelndem Applaus quittierten.
(...) Um 11.30 Uhr kündigte die Polizei an, dass alle, die die Straße nicht freiwillig räumen, sich strafbar machen. Die Blockierer tauschten Rechtshilfe-Infos und Tipps zum Wegtragen aus: "Die Arme um die Knie legen, dann geht es am besten", so ein alter Demo-Hase. Friedenslieder erklangen, Jugendliche skandierten Sprechchöre. Gegen halb eins rückten die Polizisten an und begannen mit der Räumung. Wer sich wegtragen ließ, musste rund 40 Euro mehr zahlen, "das hängt von der Kooperation der einzelnen ab", so Polizeisprecher Günter Loos. 117 werden abgeräumt, davon lassen sich rund 40 tragen.
Nach Auskunft der Polizei bekommen 107 ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit, zehn werden wegen Nötigung angezeigt. Sechs Blockierer konnten sich nicht ausweisen und mussten auf die Polizeiwache, zwei von ihnen leisteten dabei Widerstand. (...) Paul Russmann, Sprecher des Veranstalters "Ohne Rüstung leben", wertete die Versammlung als Erfolg: "Seit dem letzten Golfkrieg haben nicht mehr so viele Menschen die Eucom blockiert." (...)
Stuttgarter Zeitung, 10.03.2003


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