Sieben Vergehen gegen die Friedensbewegung. Oder: Die fremdbestimmte Friedensbewegung und andere Ketzereien
Eine durchaus polemische und mit Sicherheit fragmentarische Nachbetrachtung zum Zwanzigsten Dritten
Von Wolfgang Kuhlmann*
Der ZwanzigsteDritte des Jahres 2004, erster Jahrestag des Irak-Krieges, ist vorbei.** Tiefes Aufatmen bei den vielen Menschen, die allerorten mit der Organisation von Veranstaltungen jeglicher Art befasst waren.
Es war wieder einmal sehr viel Stress: Konzepte entwickeln, Menschen für Reden und Musik auftreiben, die lokalen Medien auf Trab bringen, die Friedliebenden hochscheuchen, Flugblätter entwerfen und abstimmen.
Viele Medien – und auch einige friedensbewegte Menschen - gehen von insgesamt 10.000 Teilnehmern aus. Ein Beispiel hierfür ist ein Indymedia-Bericht, der von weniger als 10.000 Teilnehmern in weniger als 50 Städten ausgeht. Das dürfte jedoch daran liegen, dass der Autor seine Recherchen sehr frühzeitig ins Netz gestellt und auf unbekannter Grundlage hochgerechnet haben wird.
Ein exakteres Abbild der Wirklichkeit könnte ergeben, was der Bundesausschuss Friedensratschlag (BAF) zusammentrug.
Eine frühe
Presseerklärung des BAF vom Zwanzigsten Dritten (15.00h) zeigte bereits ansatzweise die Zahlen dieses Tages auf. Das Zahlenmaterial beruht auf den Ankündigungen, die dem BAF vorlagen und dem umgehenden telefonischen Abfragen der Kennzahlen durch den BAF. Das ergab folgerichtig eine bessere Datenqualität als das Addieren der von Medien mit unterschiedlichem Interesse und eben solcher Genauigkeit übermittelten Daten.
Auf der Sitzung des BAF vom Sitzung 21.03.2004 waren Mitglieder aus sehr vielen Regionen vertreten, so dass die am Samstag selbst erhobenen Zahlen noch einmal präzisiert werden konnten. Demnach ist von mindestens 15.000 Menschen auf den Straße und Plätzen der Republik auszugehen. Das ist - zugegeben – gleichfalls keine Zahl, die unbedingt Euphorie erzeugt.
Fazit: Insgesamt gesehen konnte dieser Aktionstag bundesweit längst nicht so viele Menschen wie vor einem Jahr mobilisieren. Doch immerhin waren es bei rund 100 Aktionen in knapp 100 Städten um die 15.000 Menschen, die für den Frieden, gegen den Krieg auf die Straßen gingen
Bei einigen Aktiven stellte sich nach dem Aufatmen allerdings eine absolute Katerstimmung ein: knochenharte Friedensarbeit wie ein Workaholic genossen, berauscht von einer unglaublichen und nie gesehenen Perfektion der eigenen Veranstaltung und dem hochlöblichen Friedenstraum hatten sie Tausende und Abertausende von Demonstranten im Sinn. Dann war der Rausch vorbei, die Wirklichkeit hielt Einzug: die Undankbaren kamen nicht in den geträumten Scharen.
Die dermaßen Verkaterten gaben sodann ihren Frust zu Protokoll: das reicht vom „eine Friedens’bewegung’ gibt es so gut wie gar nicht mehr“ einer lokalen Organisatorin bis hin zur Feststellung Manfred Stenners vom Netzwerk Friedenskooperative Bonn, man sei "zurückgeworfen worden auf den harten Kern" (taz 22.03.2004).
Wenn es denn so wäre, dass am ZwanzigstenDritten wirklich nur der „harte Kern“ in den Straßen und auf den Plätzen war: wir könnten stolz auf diesen Nucleus der Friedensbewegung sein. Mit 15.000 Aktiven könnten wir sehr viel bewegen. Doch wissen wir alle, dass die Zahl der tatsächlich aktiven Menschen nur einen Bruchteil der 15.000 ausmacht. Streiten mag man allenfalls, ob das Verhältnis 1:10 oder 1:20 ist.
Warum die Wirklichkeit nicht dem Rausch der Frustrierten entsprach, ist nicht mit wenigen Worten zu erklären.
Um das Ergebnis für die Menschen mit wenig Zeit zum Lesen vorweg zu nehmen: es gibt einige Vergehen, die sofort von der potentiellen Demonstrantenschar bestraft werden – mit Abwesenheit nämlich. Und dieser Vergehen machte man sich gleich mehrfach schuldig. Also ist das Erlebte kein politisches Negativ-Wunder, sondern zu erklären – und auch künftig zu verhindern.
Erstes Vergehen: Fremdbestimmung durch internationale Friedensbewegung
Friedensbewegung ist Arbeit. Dem wird niemand widersprechen.
Gehen wir also davon aus, dass zuvörderst in der Friedensbewegung dasselbe Prinzip gilt wie im „normalen“ Arbeitsleben: Fremdbestimmung führt zu Unlustgefühlen bis hin zur Ablehnung.
Fremdbestimmung? Richtig gelesen.
Der ZwanzigsteDritte ist ein gutes Stück weit der bundesdeutschen Friedensbewegung einfach von der internationalen Friedensbewegung "aufgestülpt" worden. Doch Aufgesetztes - außer dem bekannten flüssigen - ist selten so erfolgreich wie etwas auf und mit einer Basis Gewachsenes.
Die Idee, den Jahrestag für Friedenskundgebungen zu nutzen, ist in den USA entstanden, von dort über die Europäischen Sozialforen an die Friedensbewegungen der einzelnen Länder „weiterbefohlen“ worden. Das ist gewiss ein böses Wort, welches aber richtig verstanden werden will.
Die Friedensbewegung in den USA ist als die eines direkt Krieg betreibenden Landes sehr viel stärker rational und emotional mit diesem Krieg befasst als wir. Wer über eine aktiv Krieg führende Regierung „verfügt“, kann einfacher mobilisieren als der, dessen Regierung sich fälschlich mit dem Nymbus des Nein-Sagers schmückt – und der dieses von weiten Teilen der Bevölkerung auch noch gutgläubig abgenommen wird.
Für die US-Friedensbewegung ist es in ihrer Situation ungleich leichter, die Menschen auf die Straßen zu bringen. Bei uns sind die Inhalte dieses Gedenktages nur sehr schwer zu vermitteln: „man“ war ja schon immer gegen den Krieg, und die Krieg führenden Regierungen waren wiederum so unendlich weit weg.
Zweites Vergehen: Fremdbestimmung durch Zentralisierung
Die Magie großer Zahlen verzaubert ihrer Magier. Große Demonstrantenzahlen bringen die Medien in Wallung, sei es, dass man sie ankündigt, sei es dass man sie sogar erreicht. An diesen Zahlen wird der Erfolg festgemacht, denn man hat es ja geschafft (oder nicht, wie jetzt beim ZwanzigstenDritten). Der FünfzehnteZwote ist ein positives Paradebeispiel hierfür. Doch sind die übergroßen Menschenmassen letztlich nichts wirklich Stabilisierendes. Allein, sie vermitteln für einen Moment des Glücks ein Hochgefühl an Solidarität. Das sollte keineswegs unterschätzt werden. Und doch: wie viele der Demonstranten von Großkundgebungen sind als nunmehr neue Aktive hängen geblieben?
Das bleibende Wesentliche bei den großen Zahlen ist, dass anscheinend alleine sie die Friedensbewegung in den Medien sichtbar zu machen verstehen.
Die Massendemonstrationen lassen sich – unbestritten - am ehesten mit zentralen Kundgebungen erzielen. Und so gibt es die fatale Neigung, die Fremdbestimmung zu doppeln, in dem man hierzulande zentrale Demonstrationen ansetzt. Oder aber den Eindruck vermittelt, es seien zentrale, bei denen sich der gesamte friedliebende Teil der Republik ein Stelldichein gibt (beim ZwanzigstenDritten entstand dieser Eindruck - zu Recht oder zu Unrecht - bezüglich der Kundgebungen in Berlin und Landstuhl/Ramstein). Dazu wird dann noch die politische und kulturelle Prominenz präsentiert, die die letzten Zweifler von der Wichtigkeit gerade dieses Großereignisses überzeugen soll.
Nicht zu vergessen ist auch, dass eine Zentralisierung zwar für die organisatorisch Aktiven auf breiter Ebene eine spürbare Entlastung bedeutet. Sie müssen „eigentlich“ nur die Fahrten regeln. Die Organisationsarbeit im engeren Sinne tragen die Aktiven am Zentralort nebst mehr oder weniger großen Organisationen.
Jedoch – und dies ist ein sehr dickes Aber – bedeuten zentrale Demonstrationen für den „gemeinen Demonstranten“ einen erheblichen Kraftakt.
Bei lokalen Demonstrationen muss er in der Regel nur eine kleine Rüstzeit (keine Missverständnisse: nur arbeitstechnisch gesehen) rechnen. Bei zentralen Kundgebungen ist er für ein bis drei Stunden „Nutzen“ in Form von Kundgebungen und Demonstrationen häufig einen ganzen Tag seines(!) Lebens unterwegs.
Doch selbst, wer nicht so genau auf einen einzelnen Tag seines Lebens achtet, denkt mit Wehmut daran, dass ein solcher einzelner Tag bereits die Hälfte seines Wochenendes bedeutet. Dieser Schluss liegt sehr nahe, das Opfer des Einzelnen ist subjektiv sehr groß.
Deswegen sollten sich im Sinne einer Friedens“bewegung“(sic!) solche wahrhaft randständigen Kundgebungsorte wie Berlin verbieten. Es wäre zu überlegen, ob der politische Nutzen hierbei (viele Medien vor Ort) wirklich den Schaden durch eine erheblich schwerere Mobilisierung in solche Orte überwiegt.
Warum wählt man nicht eine für weitaus mehr Menschen zentral gelegene Stadt mit ähnlichem Symbolgehalt wie eine politische Hauptstadt?
Warum nimmt man nicht beispielsweise die wirtschaftliche Kapitale (sic!) Frankfurt? Diese Stadt am Main trägt nicht umsonst den Spitznamen „Bankfurt“. Auch für demokratische Bewegungen gibt es hier genügend Anknüpfungspunkte aus der Geschichte. Eine demokratische Kundgebungstradition lässt sich leicht begründen und schaffen. Und den Massenmedien ist Frankfurt gleichfalls keine Stadt, um die sie einen weiten Bogen schlagen.
Die Menschen wollen ihrem Unmut Ausdruck verleihen. Aber sie sehen anscheinend einen miserablen Kosten-Nutzen-Effekt bei zentralistischen Aktionen. Diesen gilt es folglich zu verbessern.
Drittes Vergehen: FünfzehnterZwoter, die süßeste Versuchung seit es Kriege gibt
Gleichzeitig versuchte man, mit der beobachteten Zentralisierung an das von überwältigende Erlebnis des 15. Februar 2003 mit gleichzeitigen weltweiten Massendemonstrationen geschaffenen Mythos anzuknüpfen.
Das konnte nur misslingen: mit dem Beginn – besser dem Bevorstehen - des Irak-Krieges lässt sich der 20.3., weil es eben nur ein Jahrestag ist, schlicht nicht vergleichen. Genau so gut hätte man ein wenig früher "100 Tage Irak-Krieg" auswählen können.
Es kommt hinzu, dass für viele Menschen durch die Desinformationspolitik der Medien der Krieg im Irak längst zuende und damit „gegessen“ ist. Nichts ist’s also mit der süßesten Versuchung, sie haben diesen Krieg satt und quitt. Dass jetzt dort noch gebombt und geschossen wird, dass das Besatzungsregime einfach nach bester Diktatorenart Menschen „verschwinden“ lässt, dass den Folternkellern Saddams nur ein Schildchen „unter neuer Leitung“ vorgehängt worden ist: das vermag sie im fernen Deutschland mit dem Kanzler, der vermeintlich Nein gesagt hatte, nicht sonderlich zu bewegen. Man nimmt zur Kenntnis, dass dort noch täglich Menschen umkommen, bucht es je nach politischem Gusto als mehr oder weniger bedauerlich aus.
Es ist, wenn man schon mit der Zahlenmystik hantiert, ein Fehler, die heutigen Erwartungen mit dem FünfzehntenZwoten zu verknüpfen oder solche Verknüpfungen durch die Medien unwidersprochen zu lassen. Man kann dabei nur verlieren.
Übrigens: läge uns in der BRD nicht der 24. März näher? Der Beginn des Krieges anno Schröder 01 (vulgo: 1999), der zur Zerstörung des Staates Jugoslawien und zum Tod Tausender führte? Dieser NATO/EU-Krieg - der erste Offensivkrieg mit Beteiligung der BRD - wird jetzt ohne viel Aufhebens im Sarg des Nichterinnerns verschwinden, mögen auch einige Medien diesen Jahrestag aufgreifen werden. Doch der Rest wird Schweigen sein.
Viertes Vergehen: Missachtung des „gemeinen Demo-Konsumenten“
Gedenktage sind lediglich passiver Natur, sie reflektieren die Vergangenheit, aktive Impulse sind in Verbindung mit Gedenktagen nur selten zu erzielen.
Der gemeine Demonstrant möchte jedoch auch etwas aktiv bewegen, möchte konstruktiv in die Zukunft hinein agieren, nicht nur reagieren. Dafür sind Gedenktage schlecht geeignet, bei denen der Schwerpunkt auf einem Ereignis beruht, das schon seit 365 Tage Geschichte ist: der Beginn eines Krieges. Es hilft offenbar wenig, ein solches Erinnern mit flankierenden Forderungen wie „Schluss mit der Besatzung“, die tatsächlich in die Zukunft weisen, zu garnieren. Die Vergangenheit ist übermächtig.
Übermächtig ist vielleicht auch bei vielen das Gefühl, „damals“ versagt zu haben, weil man den Krieg nicht verhindern konnte. An gefühlte Niederlagen erinnert man sich ebenso ungern wie an tatsächlich erlittene. Es ist nicht das Interesse des „gemeinen Demonstranten“, sich als nur passiv zu verstehen, oder seiner Ohnmacht und Niederlagen zu gedenken. Er möchte sich zumindest auch aktiv einwirkend fühlen.
Fünftes Vergehen: Beliebigkeit scheint eine Zier
Doch weiter kommt man nicht mit ihr. Aus der Tatsache, dass in der Vergangenheit die „üblichen“ Demonstrationen nur relativ – wessen Relation, bleibt zu hinterfragen - wenig Interesse fanden, wurde nach neuen Ansätzen, neuen Wegen gesucht. Das ist auf jeden Fall etwas Positives und auf keinen Fall herunter zu ziehen.
Doch führt dies in Einzelfällen auch schon mal in die Sackgasse der Beliebigkeit, von denen zwei kurz angerissen werden sollen.
So gab es in einer Großstadt wohl eine Demonstration, bei der alles mit allem zusammenzuhängen schien und eine Journalistin sich verwirrt fragte, worüber sie denn eigentlich berichten sollte: Warnungen über eine Invasion der Stars-and-Stripes-Männchen in Venezuela wechselten sich mit Forderungen für ein freies Palästina ab, es gab Fahnen der tibetanischen Exilregierung und Proteste gegen das Kopftuchverbot, der Kampf gegen Hochschulgebühren und Sozialabbau wurde gleichzeitig mit Plakaten ausgefochten.
Diese einfältig anmutende Vielfältigkeit war in diesem Fall Programm. Den Demonstranten ist kein Vorwurf zu machen, jedenfalls nicht ihnen allein. Das Programm hieß nämlich „Gegen Krieg und Besatzung – für Frieden und soziale Gerechtigkeit“. Keines der Protestplakate lag also ganz und gar daneben. Doch es war ein politischer Gemischtwarenladen, der keinen so recht erwärmen konnte: die Zahl der Demonstranten blieb recht gering, jedenfalls sehr weit unter den Erwartungen der Veranstalter.
Was dem einen sein politischer Kunterbuntladen, ist dem anderen sein unpolitischer.
In einer anderen Stadt unternahm man das gewagte Experiment, den gewohnten politischen Ansatz zu verlassen, im Aufruf jeglichen Hinweis auf den Jahrestag zu unterlassen und ein „Friedens- und Frühlingsfest“ zu veranstalten: mit „gegen Krieg und Terror“ allgemein, Wehklagen und Protest gegen den Sozialabbau ganz moderat und als absolute Novität mit dem Ansinnen, die Menschen möchten Blumen mit Wurzeln mitbringen und Nahrungsmittel. Mit den Blumen sollten bei der Demonstration die Stadt an hässlichen Ecken lebenswert begrünt und Kirchen, Moscheen und die örtliche Synagoge geschmückt, mit den Nahrungsmitteln die Armenküche beglückt werden. Es strömten nicht die erwarteten Tausende, es war ein Schock Menschen für die Veranstalter im doppelten wörtlichen Sinne, dass sich der Beliebigkeit erbarmte.
Demonstrationen, die politisch und stringent angelegt waren, wurden besser angenommen. Bei Beliebigkeit, gibt sie sich nun politisch oder betont unpolitisch, fühlt sich kaum jemand aufgerufen.
Das ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern sehr wohl nachvollziehbar. Dies zeigt ein Vergleich mit einer Situation, in der man selbst Hilfe von anderen benötigt:
Wer ganz allgemein hilfeheischend in die Runde fragt, wer einem denn helfen könne, kann erleben, dass sich alle verschämt abwenden: sollen doch die anderen helfen, die können es eh viel besser und man setzt sich selbst keiner Blamage, keinem Risiko aus.
Wer jedoch konkret einen bestimmten Menschen zur Hilfe auffordert, wird diesen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Eingreifen und zum Einsatz all seiner Reserven bewegen können.
Beliebigkeit ist der Weg in den Misserfolg. Beliebigkeit führt zu keinem Handlungsbedürfnis: sollen doch die anderen.
Sechstes Vergehen: Termine-Hopping
Wichtiger als die Gesamtzahl der Demonstranten ist, dass die bundesdeutsche Friedensbewegung in der Breite agiert hat: nach bisherigem gesichertem Wissensstand, siehe oben, fanden in knapp 100 Städten Kundgebungen und Demonstrationen statt (siehe die
Übersicht über die Aktionen). Mitunter waren es auch "nur" Mahnwachen, die es erlauben, mit relativ wenig Aktiven auszukommen, gleichwohl aber in die Öffentlichkeit hineinwirken.
Nicht zu übersehen ist auch, dass gerade zur Zeit sich die Ereignisse für den "harten Kern" der Aktiven häufen. Nicht nur dieser Jahrestag steht auf der Agenda 2004, auch der 3.4 ist zu organisieren. Das Hauptgewicht trägt zwar der Gewerkschaftsflügel der sozialen Bewegungen, doch auch die Friedensfreund/innen organisieren emsig, um auf den Kundgebungen und Demonstrationszügen die Zusammenhänge von Krieg, Hochrüstung und der Politik des Sozialraubes darstellen zu können. Nicht zu vergessen ist, dass auch die Ostermärsche sehr viel Arbeit bedeuten und in etlichen Städten, die davon "betroffen" sind, die Aktiven fordern.
Es ist zudem zu berücksichtigen, dass auch der „gemeine Demonstrant“ nicht jede Woche demonstrieren mag. Auch er setzt Prioritäten.
Mit all diesen Prämissen lösen die Zahlen zwar immer noch keinen Freudentaumel aus. Sie legen jedoch dar, dass die Friedensbewegung auch unter diesen Bedingungen noch weit über ihren aktiven Kern hinaus in die Breite zu wirken vermag. Nicht zu vergessen ist auch, dass außer den 15.000 Menschen viele andere die Kundgebungen und Demonstrationen wahrgenommen haben. Viele von ihnen mögen verhindert gewesen sein, viele sympathisieren mit den Zielen der Friedensbewegung, ohne sich die „Blöße“ einer Demonstration geben zu wollen (was denken denn die Nachbarn, Freunde und Bekannten!). Nicht umsonst weisen Meinungsumfragen – meines Erachtens ohne Ausnahme – eine mehrheitliche Ablehnung des Irak-Krieges durch die Bevölkerung der BRD aus. Die Meinung ist nicht gekippt, sie ist „nur“ unsichtbar.
Das ist die positive Botschaft, die von 15.000 Menschen ausgeht: die Friedensbewegung, sie lebt und pulsiert.
Siebentes Vergehen: Schönfärberei
Das Vergehen des Autors, steht zu befürchten, und namentlich in Punkt 6 verwirklicht. Doch das bleibt dem Urteil des Publikums überlassen. Vielleicht folgt hier sogar eines Fortsetzung des Deliktes:
Wenn man schon einzelne Demonstranten zählen möchte, dann zähle man auch mal die der anderen Seite: wann hat die bundesdeutsche Kriegsbewegung jemals auch nur 100 Menschen für ihre Zwecke auf die Beine bekommen? Sie hat Millionen - es sind nur EURO. Wir haben die Millionen - reale Menschen als Sympathisanten.
Ebenfalls wichtig: es ist den USA nicht gelungen, ihren Krieg in den Köpfen der Menschen zu verankern. Nicht einmal in der generell US-freundlichen BRD. Nicht einmal angesichts der erheblichen medialen Unterstützung für den unausgesprochenen Weltkrieg, den man euphemistisch „Enduring Freedom“ nennt. Das ist zu einem nicht geringen Teil unser Werk, unser Erfolg.
Also, all Ihr Frustrierten dieses Landes: bei all Eurem gefühlten Frust nicht resignieren! Es gibt schlicht keinen Grund hierfür. Um von Eurer Befindlichkeit aus zu argumentieren, ein Kalauer zum Abschluss: wem das Wasser bis zum Hals steht, sollte den Kopf nicht hängen lassen.
In diesem Sinne.
* Wolfgang Kuhlmann ist friedenspolitisch aktiv im Friedensforum Düsseldorf - http://www.attac.de/duesseldorf/frieden/index.htm -, dort insbesondere bei der wöchentlichen Mahnwache im Stadtzentrum, und im Bundesausschuss Friedensratschlag. Daneben gibt er mit seiner FriedensTreiberAgentur den täglich erscheinenden friedenspolitischen Newsletter FTA - www.FriedensTreiberAgentur.de - heraus.
** Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im allgemeinen die männliche Sprachform benutzt.
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