Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zitate der Woche (20 bis 26)

Juni bis September 2001

Zitat Nr. 26: 26. August 2001

Prinzipien der Kriegspropaganda
(Den Pressesprechern der NATO und der Bundesregierung ins Marschgepäck nach Makedonien)

Die Prinzipien der Kriegspropaganda sind zum ersten Mal 1871 von dem britischen Diplomaten Lord Ponsonby systematisch dargestellt worden. Danach gelten folgende Regeln:
  1. "Wir haben den Krieg nicht gewollt!"
  2. Personifizierung des Feindes
  3. "Unsere Zielsetzungen sind humanitärer Art."
    "Man muss die Tatsache verschweigen, dass es wirtschaftliche Ziele des Krieges gibt. Man stellt nur humanitäre Motive in den Vordergrund..."
  4. Berichte über die Grausamkeit des Gegners.
"Wenn wir wissen, dass die Serben es getan haben, sagen wir, dass die Serben es getan haben. Wenn wir nicht wissen, wer es getan hat, sagen wir, dass die Serben es getan haben. Und wenn wir wissen, dass die Serben es nicht getan haben, sagen wir, dass wir nicht wissen, wer es getan hat."
Geständnis eines Verantwortlichen der Nato, der sich anonym einem amerikanischen Nachforscher anvertraut hat. Zitiert nach: Pittsburgh Post Gazette vom 7. November 1999




Zitat Nr. 25: 15. August 2001

Im "Wörterbuch" der Frankfurter Rundschau wird täglich ein Begriff, der gerade in aller Munde ist, ethymologisch-kritisch und nicht selten humorvoll unter die Lupe genommen. Am 15. August widmete sich das Wörterbuch den "Waffen".

Waffen

Gespannt blickt die Welt auf den angepeilten Entwaffnungsprozess in Mazedonien, während die IRA in Nordirland ihr Entwaffnungsangebot zurückgezogen hat. Wären doch nur alle schwedischen Sinnes. Denn dort heißt's sprichwörtlich: "Waffen sind die schlechtesten Argumente."
Kluge Sprüche allein machen aber bekanntlich noch keine eine Pflugschare. Und wenn die Waffen erst einmal sprechen, sind sie gemeinhin nur noch schwer zum Schweigen zu bringen. Egal wie viele Vermittler ihren Geist als beste Waffe ins Feld führen.
Denn geistreich geben sich auch Kriegstreiber oder Machtopportunisten, wie schon Niccolň Machiavelli, der Waffengänge in seiner "Florentiner Geschichte" zu Beginn des 16. Jahrhunderts rechtfertigte: "Nicht wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt." Was wahr sein mag und dennoch nicht hilft, worauf der Philosoph Emmanuel Mounier 1947 vor der Unesco hinwies: "Eine Waffe ist nirgends gefährlicher als in der Hand des Schwachen."
Schon seit dem 8. Jahrhundert ist die Waffe als Wort im Umlauf, hat allerdings im Laufe der Zeit eine Verkürzung erfahren. Im Mittelhochdeutschen stand es noch umfassender für einen Hilfs-, Wehe- und Drohruf.
Heutzutage schlagen Friedensforscher Alarm. Weil der weltweite Waffenhandel ihre Erfolgaussichten schmälert. Dabei verdienen gerade jene Länder am Export des Kriegsgeräts, die sich an vorderster Stelle zur Krisenvermittlung anbieten (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland liegen Studien zufolge vorn).
Dabei könnten doch wenigstens die Deutschen wissen: "Wer Waffen schmiedet, bereitet Krieg und muss davon der Zither Klang nicht erwarten." Schrieb jedenfalls Goethe, nur leider nicht im "Faust", auf dem jeder gute Bildungsbürger schläft, sondern in dem fragmentarischen Epos "Achilleis", das nicht wie der Zweiteiler zur inflationären Sprichwort-Bildung hergenommen wurde. Ob's geholfen hätte, darf bezweifelt werden: siehe oben. (mk)

Aus: Frankfurter Rundschau, 15.08.2001




Zitat Nr. 24: 1. August 2001

Amtgericht Köln

Der Kölner EXPRESS (28.07.01) und der Kölner Stadtanzeiger (28./29.07.01) wussten folgendes zu berichten:
Rechtzeitig zur neuen Reisesaison hat das Kölner Amtsgericht über den Reisemangel Hotelunterbringung gemeinsam mit Soldaten entschieden. Ein Kölner Pärchen hatte ein Bade und Safariurlaub in Kenia gebucht. Im Hotel waren allerdings rund 1000 Soldaten des US Marinecorps(!!!) als Gäste im Rahmen einer Übung untergebracht. Die Soldaten legten selbst am Frühstücksbuffet die Waffe nicht ab und kontrollierten die Gäste am Eingang der Ferienanlage!!
Der Richter urteilte (Aktenzeichen: 135 C 556/00):


"Die Belegung eines Urlaubshotels mit bewaffneten Soldaten ist als Reisemangel anzusehen."
"Ein Reisender darf erwarten in einem Hotel gleichgesinnte Urlauber anzutreffen oder auch Geschäftsleute"

(Erhalten von der Infostelle der DFG-VK. Vielen Dank dafür!)




Zitat Nr. 23: 5. Juli 2001

Martin Luther King

Vor wenigen Tagen brachte die US-Regierung ihren Haushaltsplan im Kongress ein. Die Verteidigungsausgaben, die in diesem Jahr bereits die 300 Mrd. US-Dollar-Grenze überschreiten, sollen danach im kommenden Jahr um 18 Mrd. Dollar erhöht werden. Der Rüstungswahnsinn, den wir noch vor wenigen Jahren für überwindbar gehalten haben, ist also noch steigerungsfähig. Dabei erkannte schon der 1968 ermordete Bürgerrechtler, Vietnam-Kriegsgegner und Friedenskämpfer Martin Luther King:

"Die Vereinigten Staaten sind der größte Verursacher von Gewalt in der Welt unserer Tage. Eine Nation, die Jahr für Jahr mehr Geld für Militär ausgibt als für sozialen Fortschritt, nähert sich dem geistigen Tod."

(Ein Dankeschön an Elke für das gefundene Zitat!)




Zitat Nr. 22: 11. Juni 2001

Karl Valentin

Karl Valentin auf der Homepage des Friedensratschlags? Jetzt seid ihr wohl ganz verrückt geworden!?
Gemach, liebe Freunde, Karl Valentin hat nicht nur einen hintersinnigen Alltagshumor mit philosophischem Tiefgang, er war auch in weltpolitischen Dingen sehr bewandert. Dies zeigt u.a. sein beißender Spott an der Phrasenhaftigkeit und Inhaltslosigkeit politischer Akteure auf dem diplomatischen Parkett. Hier unsere Kostprobe:


Ansprache an die UN:
Die Cholerierungspodestillation des Nichteinmischungspaktes

Unausgesetzt treibt der am Horizont des Weltalls sich zeigende Gedanke der ganzen Menschheit, dass sich ein Problem, welches dazu geeignet ist, Formen anzunehmen, die einen Konflikt, sei es über die Kolonien-Frage oder der Wille, der sich seinen kommenden Geschlechtern des Fernen Ostens nähert. Immer und immer wieder haben wir die gleichen Erscheinungen. Was vor Tausenden von Jahren, sei es nun die Zeit einer Emanzipation der alten Griechen, oder ergründen wir die Vorzeit amerikanischen Strebens, so spricht die Zeit ein deutliches Wort, ohne dass an das Merkwürdigste im Zeitraum der Phantasie den geringsten Zweifel aufkommen lässt. Ob ein Zustandekommen oben erwähnter Weltanschauungen von so schwerwiegender Bedeutung ist, um Vorteile, wie sie die Inder damals gezeigt haben, muss bezweifelt werden. So tragen wir es geduldig, solange ein Volk aus Ost und West, Süd oder Nord Repontionen erhält, spielt dabei keine nennenswerte Rolle, nur der Wille einer Nation kann nach Lage der Vernunft ersetzt werden, so wird sich die Meinung der ganzen Welt zerschlagen, wenn die Einigkeit Spuren hinterlässt, die nur dazu die Nerven des Volkes beunruhigen. Wenn Lumiotto, der einzige Mann, der schon vor Beginn seine Worte zusammenfasste und sich in Äußerungen verstieg, einen Regierungsabschnitt verhüllt, dann treten wir der Sache näher, aber wir werden niemals daran zweifeln, da demgegenüber keine Absicht bestanden hat, neutral zu bleiben. Schauen wir zurück, die Vergangenheit ist unser wahrhaftigster Zeuge, wenn die Zügel der Vernunft sich lockern, wenn der Sinn für alles verloren geht, so sollen sich diejenigen, die schuldbeladen, selbst prüfen, denn ein einiges Volk, denken Sie dabei an das Land der Versionen, an das Land der Kulturismuses. Ja, leere Redensarten, Phrasen etc. damit, womit sich viele ereifern könnten, in Verbindung mit den einfachsten Mitteln Wege zu bilden, die solche Banalitäten ein für allemal aus der Welt schaffen. Es ist an der Zeit, sich in den Nichteinmischungspakt hineinzumischen, um die Nichteinmischung zu dumidizieren."

Karl Valentin, mit bürgerlichem Namen Valentin Ludwig Fey, lebte von 1882 bis 1948 und war einer der bedeutendsten Komiker und Kabarettisten des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit Liesl Karlstadt schuf er unvergessene Filmszenen und Dialoge (z.B. Orchesterprobe, Der Firmling, Im Schallplattenladen). Bert Brecht zählte sich zu den größten Fans Karl Valentins. Unser Textausschnitt ist in der Werkausgabe nicht datiert, aber er kann unschwer in die Zeit zwischen 1945 und 1948 eingeordnet werden - obwohl es Karl Valentin zuzutrauen ist, dass er auch noch nach seinem Ableben Hohn über die von ihm verachtete Politikerkaste ausschüttete. - Ein Dankeschön an Ralph für die Fundstelle!




Zitat Nr. 21: 27. Mai 2001

Patrice Lumumba

Wenn US-Außenminister William Powell dieser Tage seine Antrittsbesuche in ein paar afrikanischen Staaten macht und wohlfeile Reden über Demokratie und westliche Werte hält, sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass es vor allem das Erbe des Kolonialismus ist, das den schwarzen Kontinent in extremster Abhängigkeit und Armut hält. Powell wird auf wichtige Fragen passen müssen, z.B. auf die Frage des Menschenrechtlers Wafula Buke von der "Afrikanischen Befreiungsinitiative" in Nairobi nach der Verwicklung des CIA in den Mord von Kongos erstem Präsidenten Patrice Lumumba 1961. Unser Zitat stammt diesmal aus dem letzten erhaltenen Brief von Lumumba, das dieser kurz vor seiner Ermordung an seine Frau Paulie schrieb:

Ich schreibe diese Worte ohne zu wissen, ob sie dich erreichen werden, wann sie dich erreichen werden und ob ich noch am Leben sein werde, wenn du sie liest. In der ganzen Zeit meines Kampfes für die Unabhängigkeit meines Landes habe ich keinen Augenblick daran gezweifelt, dass unsere heilige Sache, der meine Gefährten und ich unser ganzes Leben geweiht haben, zuletzt triumphieren wird. Aber das, was wir für unser Land wollten - das Recht auf ein ehrenhaftes Leben, unangetastete Würde, uneingeschränkte Unabhängigkeit - wollten der belgische Kolonialismus und seine westlichen Alliierten, die direkte und indirekte Unterstützung, bewusst und unbewusst, bei hohen Funktionären der Vereinten Nationen gefunden haben, jenem Organismus, auf den wir unser ganzes Vertrauen setzten, als wir um seine Hilfe baten, nie. Sie haben einige unserer Landsleute korrumpiert, andere gekauft und sie haben dazu beigetragen die Wahrheit zu verdrehen und unsere Unabhängigkeit zu beflecken. ...
Ob tot, lebendig in Freiheit oder von den Kolonialisten ins Gefängnis geworfen, es geht nicht um meine Person. Es geht um den Kongo. Es geht um unser armes Volk, dessen Unabhängigkeit man zu einem Käfig gemacht hat, wo man uns von außen betrachtet ... Wir sind nicht allein. Afrika, Asien und alle freien und befreiten Völker in allen Winkeln der Welt finden sich immer an der Seite der Millionen Kongolesen, die den Kampf nicht aufgeben werden, bis zu dem Tag, wo es keine Kolonialisten und deren Söldner mehr in unserem Land geben wird.
Den Kindern, die ich verlasse und die ich vielleicht nicht mehr wiedersehen werde, möchte ich sagen, dass die Zukunft des Kongo schön ist und dass auf sie wie auf jeden Kongolesen die heilige Aufgabe wartet unsere Unabhängigkeit und Souveränität wiederherzustellen. Denn ohne Gerechtigkeit gibt es keine Würde und ohne Unabhängigkeit gibt es keinen freien Menschen.
Eines Tages wird die Geschichte ihr Urteil sprechen. Aber es wird nicht die Geschichte sein, die man bei den Vereinten Nationen, in Washington, Paris oder Brüssel lehren wird, sondern die, die man in den Ländern lehren wird, die vom Kolonialismus und seinen Marionetten befreit sind. Afrika wird seine eigene Geschichte schreiben. Und es wird, nördlich und südlich der Sahara, eine Geschichte des Ruhmes und der Würde sein.
Weine nicht, meine Gefährtin. Ich weiß, dass mein Land, das so viel leidet, seine Unabhängigkeit und seine Freiheit zu verteidigen wissen wird.
Es lebe der Kongo! Es lebe Afrika!




Zitat Nr. 20: 17. Mai 2001

Erich Fried
Erich Fried, dieser große jüdische, demokratische, linke Dichter wäre dieser Tage 80 Jahre alt geworden. Er nahm Zeit seines Lebens Anteil am Schicksal seines Volkes, er nahm auch Anteil am Schicksal aller Unterdrückten, Verfolgten und Benachteiligten dieser Erde. Schon während des 6-Tage-Kriegs 1967 verurteilte er das Vorgehen des Staates Israel. Seine Solidarität schloss die heimatlosen und vertriebenen Palästinenser ein. Eines seiner engagierten und bitteren Gedichte heißt "Eure Toten". (Den Hinweis darauf verdanke ich Hermann.)

Eure Toten

Die Palästinenser an die Zionisten

Eure Toten
eure toten Eltern und Großeltern
eure toten Brüder und Schwestern
auf die ihr euch immer beruft
eure Toten die euer Trumpf sind
eure Toten für die ihr euch Geld bezahlen laßt
als Wiedergutmachung
sie sind nicht mehr eure Toten

Ihr habt eure Toten verloren
denn eure Toten
das waren die Opfer der Mörder
die Gerechten die Unterdrückten:
Die Machtlosen die Verfolgten
die ermordeten Widerstandskämpfer
und ihre Kinder
das waren eure Toten

Jetzt aber seid ihr Machtanbeter und Mörder geworden
und werft Bomben auf eure Opfer wenn sie sich wehren
Ihr vertreibt die Machtlosen aus ihren niederen Hütten
Ihr kommt rasselnd in rasenden Panzern
Ihr laßt das Sprühgift
aus euren Flugzeugen regnen
nieder auf unsere Felder
und euer Napalm auf unsere Frauen und Kinder

Glaubt ihr denn eure Toten würden euch wiedererkennen
versteckt in eure Panzer und Kampfflugzeuge?
Eure Toten sind übergegangen zu uns
Opfer zu Opfern
Verfolgte zu Verfolgten
denn die Ermordeten sind der Ermordeten Brüder und Schwestern
und nicht die der Mörder
Eure Toten wollen euch nicht mehr kennen

Darum beruft euch lieber nicht mehr auf eure Toten
um die Welt schweigen zu machen jedes Mal wenn ihr tötet
Darum tut lieber nicht mehr
als wären sie das gewesen was ihr seid
als wäret ihr wirklich noch ihre echten Kinder und Enkel
denn ihr habt Verrat begangen an ihrem Leben und Sterben
als ihr eingetreten seid in die Dienste derselben Ordnung
die eure Toten gequält und getötet hat

Eure Toten sind nun zu Gast bei unseren Toten
die versuchen sie zu beruhigen daß ihr vielleicht nur
aus Unwissenheit und aus Dummheit tut was ihr tut
Doch eure Toten sagen ihr seid immer so klug gewesen
die klügsten Kinder der Welt
und sie können euch nicht mehr verstehen
Und unsere Toten wollen sie trösten und sagen
daß nur die Macht der Mächtigen euch so verlockt und verwirrt hat
und daß ihr vielleicht es noch sehen und doch noch umkehren werdet
statt so zu sterben daß eure Toten euch nicht mehr kennen

Erich Fried




Zum neuesten Zitat der Woche

Zu den vorangegangen "Zitaten der Woche"

Zurück zur Homepage