Tödliche Profite
Deutsche Panzer von Arabien bis Kurdistan im Einsatz. Rüstungsexporte sollen auch weiterhin den Einfluß der westlichen Staaten im arabischen Raum sichern
Von Ellen Jaedicke und Elmar Millich *
Die aktuell von der Bundesregierung geplante Lieferung von 200 Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien hat die Diskussion über Rüstungsexportpolitik neu entfacht. Im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen und der mit den Waffenexporten verbundenen außenpolitischen Einflußnahme bleibt zumeist der Aspekt der Menschenrechte auf der Strecke. Anläßlich des Antikriegstages am 1. September 2011 soll der folgende Beitrag den aktuellen Stand und die Folgen deutscher Rüstungsexporte näher beleuchten.
Bronzemedaille für die BRD
Im Zeitraum 2006 bis 2010 stammten nach Angaben des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI elf Prozent der weltweiten Rüstungsexporte von schweren konventionellen Waffen aus der Bundesrepublik; sie rangiert damit in diesem Bereich auf Platz drei hinter den USA (30 Prozent) und Rußland (23 Prozent). Hauptabnehmer der Produkte aus der BRD waren im genannten Zeitraum Griechenland, Südafrika und die Türkei.
Gemäß dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2009 wurden Kriegswaffen im Wert von 1 338,8 Millionen Euro ausgeführt.[1] Von diesen Exporten gingen 76 Prozent an EU-, NATO- und der NATO gleichgestellte Länder. Die Kriterien für die Exportgenehmigung bei diesen Ländern sind nach den »Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern« grundsätzlich nicht zu beschränken; vom Prinzip her werden sie damit erst einmal als unbedenklich eingestuft. Problematisch ist dies insbesondere bei Ländern wie z.B. dem NATO-Mitglied Türkei, wo nachweislich deutsche Waffen zur Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung eingesetzt werden.
Ebenso brisant sind viele der restlichen 24 Prozent der Waffenexporte, die an sogenannte Drittländer gingen, wie zuvorderst an Ägypten, wo sie in diesem Jahr wie auch in vielen anderen Staaten dieser Region beim Versuch der Niederschlagung der Demokratiebewegungen eingesetzt wurden.
Finanziell nicht unerheblich, aber kein Posten im offiziellen Rüstungsbericht, sind Exportgarantien, die sogenannten Hermes-Bürgschaften. Diese werden zusätzlich zum tatsächlichen Verkauf von Rüstungsgütern von seiten der Regierung gewährt, um das politische und wirtschaftliche Risiko der Unternehmen auf die Steuerzahler abzuwälzen.
Was im Rüstungsexportbericht der BRD keine Berücksichtigung findet, aber faktisch zu einer schwer kontrollierbaren Weiterverbreitung von Kampfgerät beiträgt, ist die Produktion deutscher Rüstungsgüter in Lizenz in anderen Ländern. Dies betrifft insbesondere kleine und leichte Waffen. Die Regierung selber schreibt in ihrem Rüstungsbericht, daß diese die weitaus meisten Opfer in Konflikten verursachen. Nach Erhebungen der Studie »Global Burden of Armed Violence«, die 2008 anläßlich eines Genfer Ministertreffens vorgestellt wurde, kommen von den derzeit jährlich etwa 740000 Menschen, die infolge von Waffengewalt in Kriegssituationen oder infolge krimineller Handlungen sterben, sechzig Prozent durch kleine und leichte Waffen um. Bei deren Produktion sind deutsche Firmen, allen voran das Unternehmen Heckler&Koch in Oberndorf (Kreis Rottweil), führend im Weltgeschäft. Gefertigt werden dessen Handfeuerwaffen z.B. in der Türkei oder ab 2012 auch in einer aus der BRD exportierten Waffenfabrik in Saudi-Arabien.
Restriktionen ohne Effekt
Im Grundgesetz (Artikel 26, Absatz 2 ) heißt es: »Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.« Die konkreten Bestimmungen für deutsche Rüstungsexporte finden sich entsprechend im Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und im Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Darüber hinaus gelten die »Politischen Grundsätze der Bundesregierung« aus dem Jahr 2000 und der sogenannte Gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008, die den Ermessensspielraum der Regierung bei der Entscheidung über Rüstungsexporte abstecken.
Mehrere Abschnitte in den entsprechenden Gesetzeswerken beziehen sich auf die Einhaltung der Menschenrechte. So heißt es zum Beispiel in den »Politischen Grundsätzen«: »Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen.« In einer weiteren Erklärung im Bericht wird hierzu ausgeführt: »So werden Rüstungsexporte grundsätzlich nicht genehmigt werden, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß das betreffende Rüstungsgut zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen mißbraucht wird.«
Wie wenig dies der Realität entspricht, zeigen aktuelle Beispiele wie z.B. die Verkäufe von G-36-Gewehren der Firma Heckler&Koch nach Mexiko, die vergangenes Jahr in umkämpften Provinzen wie zum Beispiel Chiapas auftauchten, was Ermittlungsverfahren gegen den Rüstungshersteller nach sich zog.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Regierung dazu angehalten ist, sich eine formale sogenannte Endverbleibserklärung vom Empfänger ausstellen zu lassen, in der dieser versichert, die erstandenen Waffen nicht unerlaubt an andere Länder weiterzuverkaufen. Die Bundesregierung verzichtet jedoch darauf, eine Exportgenehmigung für Rüstungsgüter mit einer regelmäßigen Berichterstattungspflicht des Empfängerlandes über den Bestand bzw. den Verbleib der gelieferten Güter zu verknüpfen. Hinsichtlich der Drittländer wird dieser Grundsatz maßgeblich eingeschränkt: »Auch im Rahmen dieser restriktiven Genehmigungspraxis für Drittländer können daher z.B. legitime Sicherheitsinteressen solcher Länder im Einzelfall für die Genehmigung einer Ausfuhr sprechen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die jeweiligen Sicherheitsinteressen auch international von Belang sind, wie beispielsweise bei der Abwehr terroristischer Bedrohungen und der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels« (siehe Rüstungsexportbericht 2009).
Es ist kein Zufall, daß der Bundessicherheitsrat im geheimen tagt, dessen Mitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und auch die Rüstungsexportberichte häufig erst im zweiten Jahr nach Ablauf eines Kalenderjahres erscheinen. Jedoch gelangten in den letzten Jahren immer wieder Entscheidungen des Gremiums an die Öffentlichkeit und sorgten für Proteste, so zuletzt Ende Juni der Panzerdeal mit Saudi-Arabien.