"Ich unterstelle, daß diese Geschäfte illegal sind"
Rüstungsexporte: Strafanzeige gegen den Bundessicherheitsrat und Industrievertreter. Ein Gespräch mit Hermann Theisen *
Hermann Theisen, Friedensaktivist aus Heidelberg, engagiert sich im Komitee für Grundrechte und Demokratie und ist Mitglied der »Deutschen Friedensgesellschaft – vereinigte KriegsgegnerInnen« (DFG-VK)
Am gestrigen Donnerstag haben Sie Strafanzeige wegen Verdachts auf illegale Rüstungsexporte erstattet. Sie richtet sich gegen die Mitglieder des Bundessicherheitsrates sowie gegen Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer deutscher Rüstungskonzerne und deren Geldgeber. Was werfen Sie ihnen vor?
Es geht um die geplante Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an Saudi-Arabien, die im Juli 2011 vom Bundessicherheitsrat genehmigt worden ist, wie der Spiegel berichtete: Ich unterstelle, daß dieses Rüstungsgeschäft illegal ist. Es verstößt gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und die politischen Grundsätze der Bundesregierung. Die besagen: Waffen dürfen nicht dorthin geliefert werden, wo zu befürchten ist, daß Menschenrechte verletzt werden. Erst recht nicht, wenn die Gefahr besteht, daß sie gegen die eigene Bevölkerung gerichtet werden könnten.
Man braucht sich nur die Webseite des Bundesaußenministeriums anzuschauen: In Saudi-Arabien finden vielfach Verstöße gegen Menschenrechte statt – auch Amnesty International bestätigt das. Die Lieferung des Leopard-2 verstößt gegen all diese Richtlinien. Dieses Modell – mit seinem Schutzschild und seinem kurzen Geschützrohr – ist für Häuser- und Partisanenkämpfe ausgelegt: Würde sich der arabische Frühling bis nach Saudi-Arabien ausdehnen, würden die Panzer dort eingesetzt.
Gegen welche Industriellen richtet sich die Anzeige?
Gegen die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co.KG in München und Kassel, aber auch gegen die von Rheinmetall (Düsseldorf). Es kann nicht angehen, daß sich die Waffen-hersteller ihrer Verantwortung entziehen. Die Industrie zieht sich aber auf den Standpunkt zurück, es sei nicht ihre Aufgabe, für ethische Standards zu sorgen, das sei Sache der Politik.
Aus meiner Sicht aber muß die Verantwortung zudem an die Rüstungskonzerne und ihre Geldgeber und Mitverdiener herangetragen werden. Deshalb habe ich auch Versicherungen, Banken und Betriebe angezeigt, die mit diesen verflochten sind und an den Waffendeals mitverdienen: Allianz AG und UniCredit Bank, beide in München, Diehl GmbH (Remscheid), Carl Zeiss Optotronic GmbH (Wetzlar), Tognum AG (Friedrichshafen) sowie die DZ Bank AG, Deutsche Girozentrale, Deutsche Bank AG und Commerzbank AG.
Ist nicht zu erwarten, daß die Staatsanwaltschaft Ihre Anzeige sofort niederschlägt?
Das ist nicht vorhersehbar. Im Dezember 2010 hat beispielsweise die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Rüstungskonzern Heckler & Koch in Oberndorf durchsuchen lassen. Damals hatte der Friedensaktivist Jürgen Grässlin Strafanzeige wegen des Verdachts der illegalen Lieferung von G-36-Gewehren nach Mexiko gestellt. Eigentlich wäre es Aufgabe der Justiz, brisante Fälle – wie diesen der Leopard-2-Panzer – von sich aus zu prüfen.
Welche Wirkung versprechen Sie sich sonst von Ihrem Vorgehen?
Eine Rüstungsfirma sollte sich an ethischen Maßstäben orientieren und wenn nötig, ihr unternehmerisches Handeln entsprechend zu korrigieren. Das erfordern allein schon die Lehren aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Es reicht nicht, Jahre später Historikerkommissionen zu installieren, die sich retrospektiv mit möglichen unternehmerischen Verstößen gegen Menschenrechte befassen.
Sie monieren, daß der Bundessicherheitsrat alleinherrlich über solche Rüstungsexporte befindet…
Diese Kritik teilen viele Politiker im Bundestag, quer durch alle Parteien. Das Gremium tagt nämlich geheim, es dringt nichts nach außen. In ihm sind Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vertreten, der Chef des Kanzleramtes sowie sieben Minister. Die Abgeordneten beschweren sich, daß sie von solchen Rüstungsexporten immer erst dann erfahren, wenn die Entscheidung gefallen. ist.
Interview: Gitta Düperthal
* Aus: junge Welt, Freitag, 1. März 2013
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