"Rüstungsexporte verbieten"
Interview der Aktion "Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" mit Dr. Peter Strutynski *
Bevor ich dir die eigentlichen Fragen stelle, möchte ich dich bitten folgenden Satz zu vollenden: "Rüstungsexporte sind ..."
... zu verbieten.
In deinem schon Jahrzehnte andauernden Einsatz für Abrüstung und für die Bearbeitung
von Konflikten durch Verhandlungen weißt du nur zu gut, dass Rüstungsexporte
die Probleme in aller Regel verschärfen. Die Friedensbewegung hat sich daher auch
immer dafür eingesetzt, den Waffenhandel wenn nicht ganz abzuschaffen so doch wenigstens
einzudämmen. Anders als in der Vergangenheit haben sich in der Kampagne
Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel! mehr Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen
als jemals zuvor. Das stimmt uns optimistisch; teilst du unseren
Optimismus?
Die Rüstungsexportpraxis der Bundesregierung ist nicht erst in den letzten Monaten in die
Kritik geraten. Ich erinnere daran, dass beispielsweise in den 90er Jahren vorgesehene Waffenlieferungen
in die Türkei wegen deren repressiver Kurdenpolitik eingestellt wurden. Immerhin
ist die Türkei NATO-Mitglied und wird als solches beim Waffenhandel privilegiert behandelt.
Als während des „arabischen Frühlings“ ruchbar geworden war, dass deutsche Waffen
in die Hände Mubaraks oder Gaddafis gelangt waren, begann die Öffentlichkeit, in dem
Fall sogar die veröffentlichte Meinung, laut über den Sinn oder Unsinn des deutschen Rüstungsexports
nachzudenken.
Für die „Aufschrei“-Kampagne gegen Rüstungsexporte waren das natürlich belebende Argumente.
Es scheint so zu sein, dass die Forderung nach einem Stopp von Rüstungsexporten
heute in sehr breiten Kreisen der Bevölkerung verstanden und auch unterstützt wird. Unerheblich
scheint mir dabei die in der Kampagne ursprünglich angelegte Beschränkung auf
eine doch sehr vorsichtige Forderung nach Ergänzung von Artikel 26,2 des Grundgesetzes
um den Satz: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert.
Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“ Die Bewegung selbst ist längst über
diese Forderung hinausgegangen. Es geht um den Stopp der Rüstungsexporte – konkretisiert
an bestimmten Waffenarten und an bestimmte potenzielle Empfängerstaaten.
Peter, du bist Sprecher des AG Friedensforschung an der Uni Kassel und auch des
Bundesweiten Friedensratschlags, skizziere uns bitte, welche Aktivitäten ihr hinsichtlich
eines Verbots von Rüstungsexporten ihr für besonders wirksam haltet und was
ihr dafür unternehmt. Eines scheint mir dabei besonders erwähnenswert, weil es für
Friedensengagierte sehr nützlich sein kann: der Internetauftritt der AG Friedensforschung
mit seiner enormen Fülle an (Zeitungs-)Artikeln, Buchbesprechungen, Hintergrundtexten
und Aktionsinformationen.
Damit hast du in der Tat ein sehr wichtiges Mittel unserer Politik benannt: Es geht um Information
und Aufklärung. Das ist die Grundlage für jede konkrete Politik. So ist es z.B. wichtig,
nicht nur mit ethisch-moralischen Argumenten – so wichtig sie auch sind – gegen den Handel
mit dem Tod vorzugehen, sondern Informationen über den Umfang und die politischen
und sozialen Implikationen des todbringenden Waffenhandels zu transportieren. In manchen
Fällen, etwa was den Export von Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien oder Katar
betrifft, scheint das sehr einfach zu sein. Komplizierter wird es bei den U-Boot-Lieferungen
an Israel. Der Aufschrei, den die Leitmedien an Ostern um das überraschende Grass-Poem
losgetreten haben, nur weil er es gewagt hat, den Iran in Schutz zu nehmen und Israel zu
kritisieren, zeigt, wie vermint dieses Gelände hier zu Lande ist. Dabei ist der Sachverhalt
vollkommen klar: Die Lieferung von atomwaffenfähigen U-Booten nach Israel widerspricht
nicht nur den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung (keine Waffen in Spannungsgebiete),
sondern – noch gravierender – dem Atomwaffensperrvertrag, den Deutschland
ratifiziert hat. Dort wird es den Mitgliedstaaten untersagt, Atomwaffen einschließlich ihrer
„Einsatzmittel“ weiterzugeben.
Der Bundesausschuss Friedenratschlag unterstützt im Übrigen alle Initiativen, die sich vor
Ort gegen den Waffenhandel und die Waffenproduktion zur Wehr setzen. Wir haben auch
eine bundesweite Arbeitsgruppe installiert, die sich mit Fragen der Rüstungsproduktion, des
Waffenexports und der Rüstungskonversion befasst.
Du kommst aus einer Stadt, die manchen vielleicht mehr durch die Documenta bekannt
ist, als durch die Produktionsstätten von zwei Giganten der deutschen Rüstungsindustrie:
Krauss-Maffei-Wegmann, der Panzerhersteller und die Rheinmetall
AG, die Kanonen und Panzer und deren Komponenten produziert. Was genau wird in
Kassel an militärisch relevanten Sachen hergestellt wird und wie heißen die Unternehmen.
Ist bekannt, wie viele Arbeitsplätze damit verbunden sind?
Das wichtige hast du schon gesagt: Krauss-Maffei Wegmann (KMW) ist an der Produktion
von Leopard-Panzern beteiligt (ein anderer wichtiger KMW-Standort ist München, dazu
kommen noch Zulieferfirmen etwa im Bodenseeraum) und stellt die tödliche Panzerhaubitze
für die Bundeswehr und für den Export her. Die Firma Rheinmetall (Unternehmenssitz in
Düsseldorf) produziert in zwei getrennten Betriebsteilen gepanzerte Fahrzeuge und militärische
Radfahrzeuge, darunter fast alle bekannten Schützen- und Spürpanzertypen (vom
Marder bis zum Puma). Auf diese zwei Firmen entfallen in Kassel rund 3.000 Arbeitsplätze;
das ist in einer traditionell strukturschwachen Region natürlich ein wichtiger Arbeitgeber.
Beide Firmen kooperieren übrigens bei zahlreichen Rüstungsprojekten.
Im Januar 2012 haben die Linken im Kasseler Stadtparlament, den Antrag „Keine Rüstungsexporte
aus Kassel“ eingebracht, und damit eine heftige Diskussionen ausgelöst.
Das Anliegen wurde meines Wissens auch von den Grünen, der Friedensinitiative
und der katholischen Kirche unterstützt und es gab sogar eine Unterschriftensammlung
für dieses Ziel. Was ist damals gelaufen und was ist aus der Initiative inzwischen geworden?
Ohne das Verdienst der Linken in dieser Frage schmälern zu wollen: Die Idee zu dem Antrag
kommt aus der Friedensbewegung. Das Kasseler Friedensforum hat im Juli 2011, nachdem
der vorgesehene Panzer-Deal mit Saudi-Arabien bekannt wurde, eine spontane Demonstration
mit immerhin fast 300 Menschen vor die Tore von KMW gemacht und einen Appell an
die Stadt Kassel formuliert, in dem es um folgende Forderungen geht: Die Stadt soll – ich
zitiere jetzt Mal:
„Initiativen ergreifen und unterstützen, die aus Kassel eine Stadt des Friedens machen sollen. Dazu gehören:
-
öffentlicher Protest gegen den Export von Kriegswaffen aus Kassel in Spannungsgebiete
und an Regime mit einer problematischen Menschenrechtssituation,
- politischer Druck auf die Kasseler Rüstungsunternehmen ihre Produktpalette zu demilitarisieren
und zivile Geschäftsfelder aufzubauen, und
- politische Initiativen bei Land und Bund zur Konversion (Umstellung) der Rüstungsproduktion.“
Der letzte Punkt scheint uns besonders wichtig, weil es nicht darum gehen darf, die Kolleginnen
und Kollegen von KMW und Rheinmetall arbeitslos zu machen, sondern dass sie ihren
Qualifikationen entsprechend nützliche zivile Produkte herstellen sollen. Rüstungsbeschäftigte
sind nicht unsere Gegner. Unser Gegner ist die Militär- und Aufrüstungspolitik der Bundesregierung,
die letzten Endes die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie zu Geiseln ihrer Politik
macht.
In den 1980er-Jahren war das Thema Rüstungskonversion - die Produktion von zivilen
anstelle von Militärgütern ein viel diskutiertes Thema und die Gewerkschaft IG Metall
machte sich dafür stark. Es gab sogar in Rüstungsbetrieben Arbeitskreise, die konkrete
Vorschläge machten, was in ihren Unternehmen anstelle von Rüstungsgütern produziert
werden könnte. Andererseits gab es auch einen Arbeitskreis von Betriebsräten aus so genannten wehrtechnischen Unternehmen, die sich bei der Regierung für die Erleichterung von Rüstungsexporten einsetzten. Wie ist die Situation heute und konkret in Kassel?
Der von dir genannte Arbeitskreis aus wehrtechnischen Unternehmen hatte in den 80er Jahren
vorübergehend sogar seinen Geist aufgegeben – die IG Metall war damals ein interessanter
Partner der Friedensbewegung und hat ein gut durchdachtes Konversionsprogramm
aufgelegt. Anfang der 90er Jahre hatten auch wir in Kassel eine gemeinsame Veranstaltung
von IG Metall und Friedensforum, worin wir mit den Betriebsräten aus den Rüstungsunternehmen
Konversionspläne diskutiert haben. Eine Forschungsgruppe an der Uni Kassel, der
ich angehörte, hat sogar ein erstes Konzept für die Betriebe erarbeitet mit zahlreichen konkreten
Konversionsvorschlägen. Heute scheint sich der Wind wieder gedreht zu haben. Aus
der IG Metall kommen keine positiven Signale, mit dem Rüstungsschrott doch lieber wieder
aufhören zu wollen und über Alternativen nachzudenken. Dabei bin ich der festen Überzeugung,
dass viele Beschäftigte lieber heute als morgen statt der todbringenden Kriegswaffen
sinnvolle Güter für das (Über-)Leben der Menschen herstellen würden.
Seitdem letztes Jahr bekannt wurde, dass die Bundesregierung dem Export von Leopard-
Panzern an das diktatorische Regime in Saudi-Arabien zugestimmt hat, versucht
die Friedensbewegung, diesen Export zu verhindern. Dabei wird es auch an den Standorten
der Rüstungsbetriebe Mahnwachen und Kundgebungen geben. Wie reagieren
die die Beschäftigten und die IG Metall vor Ort? Gibt es der Forderung nach Rüstungskonversion
neuen Aufschwung, oder führt es eher zu einer Abschottung und
sinkenden Gesprächsbereitschaft?
Ich sehe im Moment eher eine Abschottung als ein Aufeinander-Zugehen. Das kann sich
aber ändern, wenn der gesellschaftliche Druck zunimmt. Der Appell des Kasseler Friedensforum
– den auch viele Kirchengemeinden in ihren Häusern zur Unterschrift ausgelegt haben
– erfreut sich breiter Zustimmung. Möglich, dass wir auf dieser Basis einen örtlichen Dialog
hinbekommen.
* Die Fragen an den Politikwissenschaftler und Sprecher der AG Friedensforschung an der Uni Kassel und des Bundesausschusses Friedensratschlag stellte Otto Reger.
Die Aktion "Aufschrei" ist hier zu erreichen: www.aufschrei-waffenhandel.de
Hier geht es zu einer druckfreundlichen Fassung des Interviews:
pdf-Datei.
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