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Panzerdeal: LINKE will Aufstand der Anständigen

Jan van Aken fordert Abgeordnete auf, den Beschluss des Bundessicherheitsrates zu blockieren

Von Wolfgang Hübner *

Das von der Bundesregierung abgenickte Panzergeschäft mit Saudi-Arabien stand gestern (6. Juli) im Bundestag erneut in der Kritik. Die Linksfraktion forderte von den Abgeordneten einen Aufstand der Anständigen.

Geheimnistuerei und Ausflüchte auf der einen Seite, Empörung auf der anderen Seite – die vom Bundessicherheitsrat befürwortete Lieferung von 200 Kampfpanzern an Saudi-Arabien sorgte gestern für eine scharfe Kontroverse im Bundestag. In einer aktuellen Stunde des Parlaments berief sich der Unionsabgeordnete Joachim Pfeiffer auf Bündnisverpflichtungen und deutsche Interessen und verband mit dem Panzerexport nicht zuletzt die Absicht, Deutschland bei Spitzentechnologien im Geschäft zu halten.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Tritten sagte, Schwarz-Gelb stelle sich mit dem Panzergeschäft »an die Seite der Despotie«. Deutschland liefere die modernsten Panzer der Welt »an ein autoritäres Regime, das anderen Despoten hilft, an der Macht zu bleiben«. Der Grund für die Leisetreterei der Bundesregierung über den Export scheine das saudi-arabische Öl zu sein. SPD-Chef Sigmar Gabriel wies darauf hin, dass laut Exportrichtlinie die Menschenrechtssituation im Empfängerland für Rüstungsexporte eine wichtige Rolle spielt. Indem die Bundesregierung sich nicht daran halte, begehe sie einen Rechtsbruch.

Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärte, angesichts der deutschen Geschichte sei es nicht zu fassen, dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt ist. Deutschland müsse aus seiner Geschichte die Lehre ziehen, »dass wir nie wieder an Kriegen verdienen dürfen«. Gysi fragte, wie glaubwürdig der Krieg gegen den Terror ist, wenn Deutschland Panzer an jenes Land liefert, dessen reichste und einflussreichste Familien den Terror finanzieren. Gysis Fraktionskollege Jan van Aken forderte die Kritiker des Rüstungsgeschäfts in den Reihen von Union und FDP auf, sich dazu im Parlament zu bekennen und einen Aufstand der Anständigen zu wagen. Wenn der Bundestag sich gegen den Export stelle, könne die Regierung das nicht einfach durchziehen. Van Aken hatte zuvor in einem Rundfunkinterview die Bürger dazu aufgerufen, an die Abgeordneten von Union und FDP zu schreiben und ihnen zu sagen, »was für eine Sauerei der Panzerdeal ist. Ich glaube, wenn da genug Post zusammenkommt, wird sich diese Regierung noch mal bewegen.«

Kritik an der Geheimhaltung der Exportentscheidung wies FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gegenüber Journalisten zurück. Dies sei gesetzlich vorgeschrieben. Man könne darüber reden, ob das Verfahren geändert werden soll, sagte Brüderle und wies genüsslich darauf hin, dass die SPD während ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2009 dazu keine Initiative ergriffen habe. Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner erinnerte an einen Antrag der früheren PDS-Fraktion zur Aufhebung der Geheimhaltung, der seinerzeit von Rot-Grün abgelehnt worden war.

Auch außerhalb des Bundestages stieß das Waffengeschäft auf heftigen Widerspruch. So erklärte der katholische Bischof Stephan Ackermann, dass deutsche Waffen nicht in Spannungsgebiete gehören. »Sie gehören auch nicht in die Hände von Regierungen, die sich nicht verlässlich für die Menschenrechte engagieren.« Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, stellte fest, wenn deutsche Panzer dafür eingesetzt werden, Barrikaden aus dem Weg zu räumen und Demonstrationen zu unterbinden, »dann tragen wir Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen«.

Während der Bundestagsdebatte protestierten Rüstungsgegner vor dem Berliner Reichstag. Innerhalb von 24 Stunden unterschrieben auf der Internetseite des Kampagnen-Netzwerks Campact über 45 000 Menschen einen Appell zum Stopp des Panzerexports.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2011

Beiträge zum Panzerdeal mit Saudi-Arabien:

Die Koalition schweigt
Panzerdeal mit Saudi-Arabien bereits beschlossen, 44 "Leopard" bereits verkauft. Aktuelle Stunde im Bundestag kann daran nichts ändern / Arnold Schölzel: Terrorstaaten (8. Juli 2011)
Panzerdeal: LINKE will Aufstand der Anständigen
Jan van Aken fordert Abgeordnete auf, den Beschluss des Bundessicherheitsrates zu blockieren (7. Juli 2011)
Über Leoparden spricht man nicht
Empörung wegen Panzerdeal mit Saudi-Arabien – Bundesregierung schweigt zu Details (6. Juli 2011)
Panzer aus Kassel nach Saudi-Arabien?
Bundesregierung verweigert Stellungnahme zur geplanten "Leopard"-Lieferung / Friedensbewegung: "Rüstungsexporte stoppen - Alternative Produktion diskutieren" (Zwei Erklärungen) (6. Juli 2011)
"Nur U-Boote zu bauen, führt nicht zum Ziel"
Bei ThyssenKrupp stehen 1500, inklusive Zulieferern sogar 4000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ein Gespräch mit Heino Bade / ThyssenKrupp meldet: U-Boot-Auftrag Türkei (Pressemitteilung im Wortlaut) (6. Juli 2011)
Deutsche Kampfpanzer für Saudi-Arabien
Bundesregierung soll Milliardengeschäft genehmigt haben / LINKE will Verkauf im Bundestag stoppen (5. Juli 2011)




Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport

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