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Rheinmetall entrüsten

Friedensgruppen protestieren bei Aktionärsversammlung gegen größten deutschen Waffenkonzern. Generelles Verbot von Rüstungsexporten gefordert

Von Florian Möllendorf *

Dutzende Kriegsgegner haben sich am Dienstag morgen vor dem Maritim Hotel in Berlin-Tiergarten versammelt, um gegen die Rüstungsexportpraxis der Bundesregierung zu demonstrieren. Sie forderten die Aufnahme eines grundsätzlichen Verbots der Ausfuhr von Kriegsgerät in das Grundgesetz. Anlaß der antimilitaristischen Protest­aktion war die Hauptversammlung der Aktionäre des größten deutschen Rüstungskonzerns, der Rheinmetall AG. Organisiert wurde die Kundgebung, an der sich neben zahlreichen Gruppen aus der Friedensbewegung auch Mitglieder der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke beteiligten, von der Berliner Initiative »Legt den Leo an die Kette!«.

Im Mittelpunkt der Kritik standen die jüngsten Exportgenehmigungen der Bundesregierung, die der Waffenschmiede milliardenschwere Rüstungsgeschäfte bescheren. In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, daß Rheinmetall 240 Kampf- und Schützenpanzer sowie Panzerhaubitzen nach Indonesien bzw. Katar liefern wird. Auf Plakaten und mit Miniaturattrappen von Kampfpanzern und Drohnen forderten die Protestierenden vom Rüstungskonzern die vollständige Aufgabe seiner militärischen Sparte und verlangten die Umstellung der Produktion auf ausschließlich zivile Güter.

»Entrüstet Euch!« riefen die Kriegsgegner die Anteilseigner auf und wiesen darauf hin, daß deren Aktien »blutgetränkt« seien. »Länder wie Saudi-Arabien, Katar und Indonesien achten Menschenrechte nur unzureichend, was die Gefahr der gewaltsamen Unterdrückung der politischen Opposition vorprogrammiert«, erklärte Dorothea Kerschgens vom Dachverband der Kritischen Aktionäre und machte deutlich, daß der Leopard-2 »besonders für Einsätze in städtischen Gebieten konzipiert« wurde. »Über derartige Panzerlieferungen in Krisenregionen sollten sich Aktionäre nicht freuen, denn diese Dividende geht auf Kosten der dort lebenden Menschen«, so Kerschgens weiter.

»Rheinmetall erzielte 2012 mit mehr als 2,3 Milliarden Euro den größten Umsatz seiner Geschichte. Die Auftragsbücher der Rüstungsschmiede sind mit fünf Milliarden Euro so gefüllt wie nie zuvor. Zwei Drittel des Umsatzes erzielt der Konzern im Ausland und dies, obwohl Menschenrechtsverletzungen und Repression in vielen Ländern diese Lieferungen verbieten«, kritisierte Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi. Sie erinnerte daran, daß es Konzernen wie Rheinmetall nur mit tatkräftiger Unterstützung der Bundesregierung möglich sei, mittels »tödlicher deutscher Wertarbeit« Milliardengewinne zu erzielen. In diesem Zusammenhang kritisierte Lühr Henken vom Bundesausschuß Friedensratschlag, daß Rüstungsexporte regelmäßig unter Ausschluß der Öffentlichkeit und unter Umgehung des Parlaments im geheim tagenden Bundessicherheitsrat genehmigt würden. »Es muß endlich Schluß sein mit dieser Geheimniskrämerei. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu wissen, in welche Länder deutsche Rüstungskonzerne mit dem Einverständnis der Bundesregierung Waffen und sonstiges Kriegsgerät liefern«, betonte Henken.

Am Beispiel des Konfliktes in Syrien entlarvte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele die Rechtfertigung der Bundesregierung für Waffenlieferungen in Konflikt- und Krisenregionen. »Die Bundeskanzlerin und ihr Verteidigungsminister begründen die Lieferung von schwerem Kriegsgerät an Saudi-Arabien und Katar mit der Behauptung, diese Länder garantieren regionale Stabilität. Das Gegenteil ist derzeit der Fall: Mit ihrer massiven Unterstützung der Aufständischen mit Waffen und Geld schüren diese Länder den Konflikt und verhindern so ein Ende des Blutvergießens«, so Ströbele. Durch Waffenlieferungen an die beiden Golfmonarchien mache sich auch die deutsche Regierung an dem Nichtzustandekommen einer friedlichen Lösung in dem arabischen Land schuldig.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. Mai 2013


Entrüstet Rheinmetall!

Rede von Lühr Henken, Bundesausschuss Friedensratschlag, Berliner Friedenskoordination **

Guten Morgen liebe Rüstungsgegnerinnen und Rüstungsgegner!
Der Rüstungskonzern Rheinmetall ist ein Konzern der Superlative! Er ist der größte deutsche Rüstungskonzern und erzielte 2012 mit mehr als 2,3 Milliarden Euro den größten Umsatz seiner Geschichte! In diesem Jahr sollen es sogar 2,4 Milliarden Umsatz werden. Die Auftragsbücher des Rüstungskonzerns sind mit 5 Milliarden Euro nie so gefüllt gewesen wie heute. Im letzten Jahr kamen um 60 Prozent mehr Rüstungsaufträge rein als im Jahr zuvor. Die Rheinmetall-Aktien sind mit Blut getränkt!

Für die Auslandseinsätze der Bundeswehr ist Rheinmetall maßgeblicher Ausrüster der deutschen Infanterie. Rheinmetall ist Generalunternehmer für die Herstellung von High-Tech-Ausrüstungen für jeden der 11.000 deutschen Infanteristen zum Stückpreis von 150.000 Euro. Rheinmetall stellt mit Krauss-Maffei Wegmann zusammen 350 Schützenpanzer und 272 Infanteriepanzer Boxer für den Stadtkampf her. Rheinmetall kämpft darum, von der Bundeswehr den Auftrag für die israelischen Kampfdrohnen Heron TP zu bekommen. Die Firma ist ein wahrer Rüstungskrake, der 700 verschiedene Waffensysteme und Ausrüstungen für Heer, Luftwaffe, Marine und Spezialkräfte anbietet.

Zwei Drittel des Umsatzes macht Rheinmetall im Ausland. So profitieren die Rheinmetall-Aktionäre vom Exportgeschäft mit Indonesien über 104 Kampfpanzer Leopard 2. Unter ihnen sind wahrscheinlich 63 Spezialanfertigungen des Typs MBT-Revolution, von Rheinmetall konzipiert für den Stadtkampf, versteckt. Indonesien wollte diesen Leo 2-Typ, der zur inneren Repression verwendet werden kann. Die Bundesregierung schweigt sich in ihrer Antwort auf die bündnisgrüne Anfrage darüber aus. Nicht nur ich frage: Wann hört endlich diese Geheimniskrämerei auf? Die deutsche Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, ob die Regierung das Recht bricht, wenn sie Waffen verkauft, die in anderen Ländern zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden können.

Was man über die genehmigte Lieferung nach Indonesien nicht weiß, ist über die noch nicht genehmigte Lieferung nach Saudi-Arabien bekannt. Saudi-Arabien will bis zu 270 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 A7+, die Krauss-Maffei Wegmann speziell für den Stadtkampf anbietet. Rheinmetall steuert Kanone, Feuerleitanlage und Munition bei.

KMW bewirbt den A7+ als „Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts“, mit dem sich, so wörtlich, „asymmetrische Bedrohungen, zum Beispiel Terroristen, Sprengfallen (IED's) oder Einzelpersonen“ bekämpfen lassen. Speziell auf den Stadt- und Ortskampf ausgerichtet, erhielt der A7+ einen ungewöhnlichen Tarnanstrich, der den Verhältnissen in Innenstädten angepasst ist. Mit ihm werden, so KMW, die Soldaten „optimal auf neue Einsatzszenarien vorbereitet“. Er erhält ein Räumschild gegen Barrikaden, Suchscheinwerfer und Wärmebildkameras. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschreibt die Fähigkeiten dieses Panzers so: Mit dem Maschinengewehr kann „man auch steil nach oben schießen – beispielsweise in engen Straßen gegen Feinde auf Hausdächern. Neue Munition, die zeitverzögert explodiert, wirkt auch hinter Mauern. Außerdem kann der Panzer rundum gegen Panzerfaustangriffe gewappnet werden, eine Kühlanlage sorgt auch in heißen Ländern für erträgliche Temperaturen.“ (FAZ 06.07.2011) Also quasi eine uneinnehmbare mörderische Festung. Auf die 120mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall wird selbstverständlich nicht verzichtet. Rheinmetall bietet für den A7+ ein um 1,30 m verkürztes Rohr an, weil die kürzere Waffe beim Einsatz in engen Straßen und Gassen von Vorteil sei.

Ausgerechnet das absolutistisch regierte Saudi-Arabien will diese Monstren –für den Stadtkampf! In Saudi-Arabien lebt eine entrechtete schiitische Minderheit, die von der saudischen erzkonservativen Staatsmacht unterdrückt wird. Die Kampfpanzer sollen zur Repression eingesetzt werden.

Für Katar, das innenpolitisch ähnlich autoritär verfasst ist wie Saudi-Arabien, hat die Bundesregierung vor Kurzem bereits 62 Kampfpanzer des Typs Leo 2 A 7 + genehmigt. Katar hat den Wunsch nach 200 Leopard 2 dieses Typs für den Stadtkampf. Auch Katar hat eine schiitische rechtlose Minderheit.

Die politischen Richtlinien zum Rüstungsexport stehen dem entgegen: Dort heißt es:

„Genehmigungen für Exporte […] kommen nicht in Betracht, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z.B. […] bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.“

Kanzlerin Merkel hat die Entscheidung über den Kampfpanzerexport nach Saudi-Arabien auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Sie soll sie nicht verschieben, sondern dem Export nicht zustimmen und den Leo an die Kette legen. Entrüstet Rheinmetall! Stoppt den Waffenexport!

** Bei der Kundgebung anlässlich der Hauptversammlung der Rheinmetall AG in Berlin, Maritim-Hotel, Stauffenbergstr. 26, am 14. Mai 2013

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