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FDP für Leopard-Deal

Wirtschaftspolitiker Lindner befürwortet Panzerexport nach Katar. In München protestieren Kriegsgegner heute vor der Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann

Von Rüdiger Göbel *

Das Emirat Katar möchte gerne 200 deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 kaufen. Der Deal würde gut zwei Millarden Euro in die Kassen der hiesigen Rüstungsschmiede Kraus-Maffei Wegmann spülen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist offensichtlich gewillt, das Exportgeschäft an den Golf zu genehmigen. Zur Debatte steht zudem die Lieferung von 800 Leopard-Panzern an Saudi-Arabien. Mit teils hanebüchenen Argumenten verteidigen Koalitionspolitiker die Aufrüstungsmaßnahme gegen Kritik aus Opposition und Friedensbewegung. Am Dienstag machte sich der FDP-Wirtschaftspolitiker Martin Lindner für die Leopard-Lieferung an den Emir in Doha stark. »Unter Abwägung unserer außenpolitischen, sicherheitspolitischen Interessen, unserer wirtschaftspolitischen Interessen, aber auch der Menschenrechtssituation dort käme ich persönlich zu dem Ergebnis, daß ich ihm diese Panzer verkaufen würde«, sagte der Liberale im Deutschlandradio Kultur. Lindner verwies in dem Zusammenhang auf ein »Hegemoniestreben« Irans, dem Deutschland durch eine Stärkung von Golfstaaten wie Katar entgegenwirken müsse. Ein Blick in den Atlas hätte dem FDP-Politiker indes gezeigt, daß das etwa 11500 Quadratkilometer kleine Emirat nur eine Landgrenze hat, etwa 60 Kilometer kurz, und zwar mit dem verbündeten Saudi-Arabien. Teheran seinerseits müßte eigene Stahlkolosse erst durch Irak, Kuwait und Saudi-Arabien gebracht haben, um in Katar von deutschen Leopard 2 gestoppt werden zu können. Über den Persischen Golf wiederum feuert kein Panzer, auch kein in Deutschland gebauter.

Ehrlicher war Lindner, als er bekundete, Waffenexporte lägen im Interesse der BRD, um »die Stückkosten dieser Produktion einigermaßen niedrig zu halten«. Zudem werde Katar, wenn Deutschland nicht liefere, anderswo Panzer kaufen. Kritikern des Geschäfts mit dem Krieg warf der FDP-Politiker »Heuchelei« vor. Schließlich bestehe »überhaupt keine Gefahr, daß Katar irgendwie jemand angreift«. Die Teilnahme des Emirats am NATO-geführten Angriff auf Libyen im vergangenen Jahr und die anhaltende Aufrüstung der Aufständischen in Syrien fielen da einem liberalen Blackout zum Opfer. Auch bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain 2011 reichte Emir Hamad bin Khalifa Al-Thani freundlich die Hand.

Nach der von Linkspartei, SPD und Grünen kam am Dienstag auch aus den Kirchen Kritik am möglichen Panzerverkauf. Die Bundesregierung dürfe keine Waffenlieferungen in Krisenregionen zulassen, sagte Bambergs Erzbischof Ludwig Schick der Nachrichtenagentur dapd. »Es muß in jedem Fall verhindert werden, daß deutsche Waffen als Tötungsmaschinen mißbraucht werden, indem sie für aggressive Kriegshandlungen oder gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden.« Die geplante Lieferung von 200 Leopard nach Katar sei daher sehr bedenklich, mahnte der Erzbischof. Die Vorstellung, daß damit in Krisenregionen Menschen getötet werden, sei auch angesichts der deutschen Vergangenheit nicht akzeptabel. Es müsse nachdenklich machen, daß die BRD der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt sei.

Die »Ökumenische Erklärung zur Rüstungsindustrie am Bodensee« formuliert eine grundsätzlichere Kritik. Das Papier von Diakonen, Patern, Pfarrern sowie anderen kirchlich engagierten Menschen war anläßlich des 15. Internationalen Ökumenischen Bodenseekirchentages im Juni veröffentlicht worden. Darin heißt es, die Kirchengemeinden sollten »darauf hinwirken, daß keine Waffen oder Waffenteile vom Bodensee in Krisen- und Kriegsgebiete geliefert werden, zum Beispiel nach Indien und Pakistan, sowie nach Israel und in den Nahen Osten«. Dasselbe gelte für Länder, in denen laut Amnesty International die Menschenrechte mißachtet werden – dazu gehören Saudi-Arabien und Katar. Weiter heißt es: »Es gibt eine gemeinsame Verantwortung der Kirchen, Firmen, Parteien, Vereine und Gewerkschaften für das, was in der Bodenseeregion produziert werden soll. Es liegt nicht in der alleinigen Verantwortung der Menschen, die bei den Rüstungsfirmen arbeiten. Die Unterzeichner sind sich sicher: »Es gibt Alternativen zur Konstruktion, zur Produktion und zum Export von Waffen. Rüstungskonversion ist möglich.«

In den kommenden Tagen sollen vor Rüstungsbetrieben von München bis zum Bodensee Protestaktionen von Friedensgruppen stattfinden. Die DFG-VK Bayern startet am heutigen Mittwoch in München ihre diesjährige Friedensradtour. Vom Stachus aus fahren die Kriegsgegner um 13 Uhr zum Krauss-Maffei-Wegmann-Werk in München-Allach, wo unter anderem Leopard-Kampfpanzer hergestellt werden. Ihren Abschluß findet die achttägige Tour in Friedrichshafen, dort haben Rüstungskonzerne wie MTU und EADS ihren Sitz. Schließlich rufen zum Antikriegstag am 1. September Friedensgruppen zu Protesten vor Waffenschmieden auf.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. August 2012

ZITIERT: "Eine gute Nachricht"

Die Schwäbische Zeitung erklärte ihren Lesern am Dienstag, warum die Aufrüstung des Golfemirats Katar mit »Leopard«-Kampfpanzern aus Deutschland zu begrüßen ist:

(...) Daß das Emirat Katar sein Interesse an deutschen Panzern vom Typ Leopard 2 bekundet hat, daß es Gespräche zwischen den Katarern und der Rüstungsfirma Krauss-Maffei geben soll, ist erst einmal eine gute Nachricht. Sie ist gut für die deutsche Rüstungsindustrie, der Auftrag soll bis zu zwei Milliarden Euro wert sein. Sie ist aber auch gut, weil das kleine Emirat auf einer Halbinsel im Persischen Golf einer unserer natürlichen Verbündeten in der Region ist. Kein anderes Land in der arabischen Welt betreibt eine so offene Politik des Dialogs im Nahen Osten. In Katar residieren die Vertreter der radikalislamischen Hamas, aber es kommen auch israelische Minister zu Besuch. Scheih Hamad bin Khalifa Al-Thani beherbergt auf einer Basis bei Doha 10000 US-Soldaten. Der füllige Scheich versucht, seinen iranischen Nachbarn bei Laune zu halten. Er rief den Fernsehsender Al-Dschasira ins Leben, zu deutsch: die Insel. Ohne den hätten die arabischen Revolutionen nicht stattgefunden. Katar, das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, ist eine absolute Monarchie mit demokratischen Elementen wie den Lokalparlamenten. Es herrscht relative Meinungsfreiheit, der Herrscher und seine Frau fördern nach Kräften die Künste und die Wissenschaften. Das Land ist um Lichtjahre fortschrittlicher als der Nachbar Bahrain, wo die Opposition geknebelt wird, damit die Formel 1 ungestört fahren kann. Das Land hat Gewicht, der Emir unterstützt die Rebellen in Syrien, um den Sturz des Diktators zu fördern. Volker Beck von den Grünen und andere Friedensbewegte warnen, daß deutsche Panzer in Katar in die falschen Hände geraten können. Solange es keinen Putsch gegen den Emir gibt, ist das wenig wahrscheinlich. Nicht jedes Land am Golf ist eine brutale Diktatur. Panzer nach Saudi-Arabien zu schicken, ist heikel. Gegen Panzer für Katar dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden.

(jW, 01.08.2012)



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