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Protest gegen Rüstungsexporte diffamiert

Bundesregierung behauptet, Tatort-Kurdistan-Kampagne sei PKK-gesteuert

Von Nick Brauns *

Wer gegen Rüstungsexporte in die Türkei protestiert, macht sich zum Handlanger von »Terroristen«. Das jedenfalls suggeriert die Bundesregierung mit ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, zur »Bewertung der Kampagne ›Tatort Kurdistan‹ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz«.

Mit der im Mai 2010 angelaufenen Kampagne wollen Flüchtlings- und Friedensinitiativen, Landesverbände der Linkspartei, die Linksjugend [’solid], antimilitaristische und kurdische Vereinigungen auf die Mitverantwortung deutscher Unternehmen und der Bundesregierung bei der Unterdrückung der Kurden hinweisen. Thematisiert werden Waffenlieferungen und Abschiebungen in die Türkei, die Beteiligung deutscher Firmen an Staudamm- und Pipelineprojekten in Kurdistan sowie die Verfolgung kurdischer Aktivisten. Mit ihrer Auflistung im Abschnitt über »Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern« im Verfassungsschutzbericht 2010 sieht sich die Kampagne nun selber stigmatisiert.

»Tatort Kurdistan« sei keine eigenständige politische Initiative, behauptet die Bundesregierung nun. »Es handelt sich vielmehr um eine Propagandaaktion unter maßgeblicher Mitwirkung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihrer nachgeordneten Strukturen.« Hinzugefügt wird, daß die seit 1993 in Deutschland verbotene PKK seit vergangenem Jahr als ausländische terroristische Vereinigung gilt, »deren inländische Teilstrukturen auf die Umsetzung der im Ausland entwickelten Vorgaben verpflichtet sind«. Welches PKK-Gremium die Tatort-Kampagne angeordnet haben soll, verschweigt die Bundesregierung. Lediglich die Beteiligung eines »Tatort Kurdistan«-Blocks auf einer Newroz-Demonstration im März 2011 in Düsseldorf kann die Regierung als »tatsächliche Anhaltspunkte« ihrer behaupteten Zusammenarbeit von PKK und »deutschen linksextremistischen Gruppierungen« anführen.

Die öffentlich propagierten Ziele der »Tatort«-Kampagne seien bewußt allgemein gehalten, damit sie auch ein über die eigene Anhängerschaft hinausreichendes Publikum erreichen können, meint die Regierung, um dann ihr Mantra zu wiederholen: »Die Kampagne ist Bestandteil der PKK-Agitation in Deutschland«, und die PKK wiederum verfolge Bestrebungen, die »auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden«.

»Meint die Bundesregierung mit diesen Belangen vielleicht die Profite der deutschen Rüstungsindustrie?« mutmaßt die Abgeordnete Ulla Jelpke und weist auf Parallelen zur Entwicklung in der Türkei hin. »Dort werden kurdische Bürgermeister aufgrund ihres Engagements für eine Friedenslösung inhaftiert, weil sie angeblich auf Weisung der PKK handeln. Und in Deutschland stellt der Verfassungsschutz mit seiner unbewiesenen Behauptung einer PKK-Steuerung bereits das Engagement gegen Rüstungsexporte unter Extremismusverdacht.«

Unterdessen kündigten die Aktivisten von »Tatort-Kurdistan« einen bundesweiten Aktionstag am 1. September an. Auch auf der antifaschistischen Vorabenddemo am 2. September gegen den neonazistischen »Nationalen Antikriegstag« in Dortmund soll die deutsche Rolle beim Krieg in Kurdistan ein Schwerpunktthema sein.

* Aus: junge Welt, 2. August 2011

Pressemitteilung: Protest gegen Rüstungsexport ist nicht extremistisch

Mo., 01.08.2011 **

„Wer sich gegen Rüstungsexporte in die Türkei engagiert, ist in den Augen der Bundesregierung offenbar schon ein Handlanger angeblicher kurdischer Terroristen“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Bewertung der Kampagne `Tatort Kurdistan´ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz“ (Drucksache 17/6603) Mit der seit Mai 2010 laufenden Kampagne `Tatort Kurdistan´ weisen Flüchtlings- und Friedensinitiativen, Landesverbände der Linkspartei, die Linksjugend [`solid], antimilitaristische und kurdische Vereinigungen auf die Mitverantwortung deutscher Unternehmen und der Bundesregierung bei der Unterdrückung der Kurden hin. Jelpke weiter:

Das unbewiesene Mantra der Bundesregierung lautet: „Die Kampagne ist Bestandteil der PKK-Agitation in Deutschland“. Und die PKK wiederum sei eine ausländische terroristische Vereinigung, deren Bestrebungen „auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“. Meint die Bundesregierung mit diesen Belangen vielleicht die Profite der deutschen Rüstungsindustrie? Ich sehe hier gefährliche Parallelen zur Entwicklung in der Türkei. Dort werden kurdische Bürgermeister aufgrund ihres Engagements für eine Friedenslösung inhaftiert, weil sie angeblich auf Weisung der PKK handeln. Und in Deutschland stellt der Verfassungsschutz mit seiner unbewiesenen Behauptung einer PKK-Steuerung bereits das Engagement gegen Rüstungsexporte unter Extremismusverdacht.

Nicht die Kampagne „Tatort Kurdistan“ oder die kurdische Freiheitsbewegung, sondern die deutschen Waffenlieferungen, die auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen, richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung.

** Quelle: www.ulla-jelpke.de/




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