Von wegen "restriktive Rüstungsexportpolitik"!
Bundesregierung legte ihren "Rüstungsexportbericht 2007" vor - Kritik aus der Friedensbewegung
Im Folgenden dokumentieren wir -
eine Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum "Rüstungsexportbericht 2007" der Bundesregierung, der am 17. Dezember 2008 vorgelegt wurde, sowie
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die amtliche Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums zur Vorlage des Berichts.
Der Rüstungsexportbericht selbst kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden: Rüstungsexportbericht 2007 (externer Link).
Export von Kleinwaffen in alle Welt boomt
Rüstungsexportbericht 2007 der Bundesregierung ein moralischer Offenbarungseid
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
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Wieder hoher Kriegswaffenexport – kein Trend zum Besseren
- Kleinwaffenexporte in Länder außerhalb von NATO und EU übertreffen wieder Vorjahrsrekord
- Restriktive Rüstungsexportpolitik Fehlanzeige
Kassel/Hamburg, 21. Dezember 2008 - Anlässlich der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts 2007 am 17.12.08 durch die Bundesregierung stellen die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Dr. Peter Strutynski (Kassel) und Lühr Henken (Hamburg) fest:
Die Bundesregierung stellt den Rückgang der Kriegswaffenausfuhr von 15
Prozent im Jahr 2007 auf 1,114 Milliarden Euro heraus. Trotzdem bleibt
das deutsche Rüstungsexportniveau weiterhin auf einem hohen Niveau. Der
Wert des letzten Jahrfünfts von 2003 bis 2007 (6,58 Milliarden Euro)
liegt fast doppelt so hoch wie die Summe des Jahrfünfts zuvor (1998 bis
2002: 3,5 Milliarden Euro). Das unabhängige schwedische
Friedensforschungsinstitut SIPRI platziert Deutschland für 2007 auf
Platz 3 in der Welt und auf Platz 1 in der Europäischen Union.
Die Bundesregierung hebt in ihrem Bericht hervor, dass der Wert der
Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter 2007 mit 3,67 Milliarden
Euro um rund 500 Millionen Euro unter dem Wert 2006 liegt. Dieser
Umstand ist zwar richtig. Jedoch sieht die Regierung darüber hinweg,
dass die Summe für die Sammelausfuhrgenehmigungen gleichzeitig um über
1,5 Milliarden Euro gestiegen ist. Damit übertraf die Summe sämtlicher
erteilter Ausfuhrgenehmigungen mit 8,73 Milliarden Euro 2007 die des
Vorjahres (7,69 Milliarden Euro) erheblich. Sie stellt 2007 den
zweithöchsten Wert überhaupt dar und den Höchststand seit 1997. Welche
dieser Genehmigungen tatsächlich umgesetzt werden und in welchem Jahr
das geschieht, gibt der Bericht der Bundesregierung noch immer nicht
her. Der erneute Anstieg der Genehmigungen lässt darauf schließen, dass
die realen Ausfuhren weiter steigen werden. Der deutsche Rüstungsexport
brummt.
Als ganz besonders skandalös ist der Boom der erteilten Genehmigungen
für den Export von Kleinwaffen in Drittländer (also außerhalb von NATO
und EU) zu bewerten. Er bricht seit 2002 jährlich neue Rekorde. So auch
2007. Mit 30,2 Millionen Euro hat er sich gegenüber dem Vorjahr
verdoppelt. Der Wert der Munition dafür hat sich sogar mehr als
verneunfacht. Darunter mit Saudi-Arabien ein autoritäres Regime und
Pakistan ein Land im Kriegsgebiet. Bekanntlich führt das Internationale
Komitee vom Roten Kreuz 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege auf den
Einsatz von Kleinwaffen zurück. Die Bürgerkriege und Massaker dieser
Tage werden mit russischen Kalaschnikoffs und deutschen Gewehren von
Heckler & Koch bestritten.
Die Gruppe der Drittländer umfasst genau 94 Staaten und Gebiete.
Darunter auch jene, die in Spannungsgebieten liegen, wie Chile und Peru,
Kolumbien, Indien und Pakistan, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait,
Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, Südkorea und
Taiwan. Die deutschen Regierungen -- gleich welcher Zusammensetzung --
betonen gebetsmühelenartig, dass sie den Rüstungsexport restriktiv
handhaben würden. Auch durch Widerholung wird diese Falschaussage nicht
richtig, denn die Zahlen sprechen eine gegenteilige Sprache: SIPRI
ermittelte 2007 für die Bundesrepublik Deutschland den höchsten
Rüstungsexportwert seit 1949!
In ihren heute noch gültigen Rüstungsexportrichtlinien vom 19. Januar
2000 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, bei der Genehmigung von
Waffenverkäufen die "Menschenrechte im Bestimmungs- und
Endverbleibsland" zu "beachten". Diese gute Absicht ist nie eingelöst
worden. Insofern stellt der jüngste Rüstungsexportbericht einen
politisch-moralischen Offenbarungseid der Bundesregierung dar: Oberstes
Gebot ist die Ankurbelung des Exports - egal wohin.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Hamburg,
Peter Strutynski, Kassel
Pressemitteilung
17.12.2008
Rüstungsexportbericht 2007
Die Bundesregierung hat heute den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2007 beschlossen.
2007 wurden für Rüstungsgüter (einschließlich Kriegswaffen) insgesamt Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von ca. 3,7 Mrd. € erteilt - das entspricht einem Rückgang um etwa eine halbe Milliarde Euro gegenüber dem Vorjahr. Mit ca. 66 % entfällt der überwiegende Anteil der Genehmigungen auf EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, mit denen vielfältige Kooperationen im Rüstungsbereich bestehen.
Der Anteil von Kriegswaffen an den deutschen Gesamtexporten lag bei nur 0,11 %, das ist der niedrigste Wert seit 2002. Der Gesamtwert der tatsächlich exportierten Kriegswaffen ist gegenüber dem Vorjahr um ca. 15 % auf 1,1 Mrd. € zurückgegangen. Ein Anteil von 75 % des Gesamtwertes entfiel dabei auf Ausfuhren in EU-, NATO und NATO-gleichgestellte Länder. Die übrigen Exporte umfassen hauptsächlich die Ausfuhr von U- Booten nach Südkorea, die etwa 82 % aller Drittlandsexporte ausmachen.
Die Genehmigungswerte für so genannte Kleinwaffen, das sind insbesondere automatische Handfeuerwaffen, sind mit 48 Mio. € gegenüber den beiden Vorjahren um ca. 30 % gestiegen, für die Gruppe der Drittstaaten, d.h. für Länder, die nicht zu EU, NATO oder gleichgestellten Staaten gehören, von 15,6 Mio. € auf 30,2 Mio. €.
Der Bericht enthält erstmals Daten zu der im Jahr 2006 neu eingeführten Kontrolle von Vermittlungsgeschäften für Rüstungsgüter.
Genehmigungen wurden erst nach eingehender Prüfung im Einzelfall erteilt und nachdem insbesondere sichergestellt wurde, dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen.
Die Genehmigungsentscheidungen richteten sich nach dem Verhaltenskodex der EU zu Rüstungsexporten und den teilweise noch strikteren Politischen Grundsätzen der Bundesregierung zum Rüstungsexport von 2000.
Quelle: Website des Bundeswirtschaftsministeriums; www.bmwi.de
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