Bundesregierung veröffentlicht Rüstungsexportbericht und behauptet, sie liefere "nicht in Krisengebiete"
Friedensbewegung: "Bundesregierung manipuliert und verharmlost"
Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung der Bundesregierung anlässlich der Vorlage des schon lange überfälligen "Rüstungsexportsberichts" 2004 sowie zwei kritische Stellungnahmen dazu aus der Friedensbewegung.
Rüstungsexportbericht 2004: Deutschland liefert nicht in Krisengebiete
Der Export von deutschen Rüstungsgütern ist gegenüber 2003 von einem ohnehin niedrigen Niveau um ein weiteres Fünftel zurückgegangen. Knapp drei Viertel der genehmigten Lieferungen ging in befreundete oder verbündete Länder.
Das Bundeskabinett hat am 25. Januar den jährlichen
Rüstungsexportbericht für das Jahr 2004 beschlossen. Der Bericht enthält die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter.
Insgesamt wurden Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von rund 3,8 Milliarden Euro erteilt.
Knapp drei Viertel der Genehmigungen entfällt dabei auf EU-Länder, Nato-Partner und diesen sicherheitspolitisch gleichgestellte Länder. Zahlreiche Exporte hängen mit den vielfältige Kooperationen im Rüstungsbereich zusammen.
Rückgang der Exporte
Kriegswaffen haben am gesamten deutschen Warenexport inzwischen mit 0,15 Prozent nur noch einen sehr geringen Anteil. Ihr Gesamtanteil an den Waffenexporten ist gegenüber 2003 weiter zurückgegangen und beläuft sich nun auf 1,1 Milliarden Euro.
Ausfuhrgenehmigungen für sogenannte Kleinwaffen - insbesondere automatische Handfeuerwaffen - sind im Wert von 36 Millionen Euro erteilt worden. Dies entspricht einem Rückgang gegenüber 2003 um knapp einem Drittel. Davon entfielen nur 8 Millionen Euro auf Empfängerländer außerhalb der EU und der Nato.
Umfassende Einzelprüfung
Die Bundesregierung verfolgt bei den genehmigten Ausfuhren eine restriktive Rüstungspolitik. Es gilt der Grundsatz: Keine Lieferungen in Krisengebiete.
Deshalb muss jeder einzelne Waffenexport aus Deutschland sorgfältig geprüft werden. Denn Rüstungsgüterexporte aus Deutschland sollen bestehende Krisen nicht verschärfen und dürfen nicht zu Menschenrechtsverletzungen dienen. Eine Exportgenehmigung wird nur erteilt, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Rechtsgrundlagen für deutsche Rüstungsexporte sind das Grundgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit der Außenwirtschaftsverordnung.
Die Ausfuhr aller Rüstungsgüter ist genehmigungspflichtig. Über Exportanträge wird auf Grundlage der "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" entschieden. Diese hat die Bundesregierung im Januar 2000 festgeschrieben.
Politische Grundsätze der Bundesregierung für Rüstungsexporte*
Im Unterschied zu einer Reihe anderer Staaten versteht die Bundesregierung die Rüstungsexportpolitik nicht als ein Instrument ihrer Außenpolitik. Entscheidungen über Rüstungsexportvorhaben werden nach einer umfassenden Abwägung der jeweiligen außen-, sicherheits- und menschenrechtspolitischen Umstände getroffen. Bei unterschiedlichen Auffassungen der am Entscheidungsprozess beteiligten Ressorts entscheidet abschließend der Bundessicherheitsrat über die Erteilung oder Versagung einer Ausfuhrgenehmigung.
* Anmerkung der Redaktion:
Auf der Website der AG Friedenforschung finden Sie die - noch gültigen - Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 im Wortlaut:
"Die neuen Richtlinien zum Rüstungsexport"
"Unerträglicher Zustand":
Rüstungsexportbericht 2004(!) viel zu spät veröffentlicht!
"Öl ins Feuer bestehender Konflikte":
3,8 Milliarden Euro für Kriegswaffen und Rüstungsgüter
Stuttgart. 25.01.2006: Als "unerträglichen Zustand" kritisiert die in
Stuttgart ansässige christliche Kampagne gegen Rüstungsexport das die
Bundesregierung erst jetzt- ihren Rüstungsexportbericht 2004(sic)
veröffentlicht hat.
Mit der späten Veröffentlichung verhindert die Bundesregierung nach Ansicht
des Kampagnensprechers Holger Rothbauer "sowohl eine angemessene zeitnahe
Diskussion durch das Parlament als auch eine angemessene zeitnahe kritische
Würdigung durch Friedens- und Menschenrechtsorganisationen". "Skandalös" sei
das weiterhin hohe Niveau der Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen und
Rüstungsgüter in Höhe von 3,8 Milliarden Euro im Jahre 2004.
"Besonders schlimm" sei die Lieferung von rund einem Drittel aller
Rüstungsexporte in Entwicklungsländer. Damit werde "weiterhin Öl ins Feuer
bestehender Konflikte" geworfen. Von einer zurückhaltenden restriktiven
Rüstungsexportpolitik könne angesichts der Lieferung in 122 Länder nicht die
Rede sein. Es stelle sich die Frage, ob die rüstungsexportpolitischen
Richtlinien der Bundesregierung von 1998 "noch das Papier wert sind, auf
dem sie geschrieben wurden. Mit diesen Genehmigungen werden die
menschenrechtlichen und kriegsverhütenden Kriterien dieser Richtlinien ad ab
surdum geführt."
Für Interviews: Holger Rothbauer 0174 - 1314151 oder 07071 -31083
Mit freundlichen Grüssen
Paul Russmann
Die Bundesregierung manipuliert und verharmlost
Friedensbewegung zum Rüstungsexportbericht: Verschrotten statt verkaufen!
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel/Hamburg, 26. Januar 2006 - Anlässlich der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts 2004 durch die Bundesregierung stellen die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Lühr Henken (Hamburg) und Peter Strutynski (Kassel) fest:
-
Kriegswaffenexport 2004 weiterhin erschreckend hoch
- Waffenexport heizt vorhandene Konflikte an
- Von "restriktivem Waffenexport" kann keine Rede sein
- Ausgediente Kriegswaffen verschrotten statt verkaufen!
Den Bericht über den deutschen Rüstungsexport des Jahres 2004 erst Anfang des Jahres 2006 vorzulegen, kann nur als Zumutung aufgefasst werden. Offenbar ist die Offenlegung des Waffenhandels für das Bundeswirtschaftsministerium nur eine lästige Pflichtaufgabe.
Zwar liegt der Wert der deutschen Kriegswaffenausfuhren des Jahres 2004 mit 1,13 Milliarden Euro um 200 Millionen unter dem Vorjahreswert, wie es im Exportbericht beschwichtigend heißt. Es ist aber der dritthöchste Wert seit 1996 und er liegt um rund 50 Prozent über dem Jahresmittel. Wir stellen fest: Der getätigte deutsche Kriegswaffenexport bleibt 2004 auf erschreckend hohem Niveau.
Dasselbe gilt auch für die 2004 erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern, was Kriegswaffen und Ausrüstungen wie Elektronik und militärische Bauteile einbezieht. Die Summe der Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen ist die höchste seit 2001. Bei den Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern fällt auf, dass insbesondere diejenigen in Drittländer (d.h. in solche außerhalb der EU und der NATO und in "der NATO gleichgestellte Länder", das sind Australien, Japan, Liechtenstein, Neuseeland und Schweiz) mit 1,08 Milliarden Euro den dritthöchsten Wert seit neun Jahren annimmt.
Die Gruppe der sog. "Drittländer" umfasst genau 95 Staaten. Darunter sind Staaten, die in Spannungsgebieten liegen wie Äthiopien und Eritrea, Chile, Bolivien und Peru, Indien und Pakistan, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, Kolumbien, Südkorea und Taiwan. Wenn die Bundesregierung bei der Vorlage des Rüstungsexportberichts gestern (25. Jan.) behauptet, "Deutschland liefert nicht in Spannungsgebiete", dann ist das ein dreister Täuschungsversuch der Öffentlichkeit. Wir stellen demgegenüber fest: Diese Exporte heizen vorhandene Konflikte zusätzlich an.
Besonders negativ fällt die Bilanz der Genehmigungen von Kleinwaffenexporten ins Auge. Bekanntlich führt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege auf den Einsatz von Kleinwaffen zurück. Die Ausfuhrgenehmigungen wurden unter Rot-Grün massiv gesteigert. Lagen die Exporte in den drei letzten Jahren der Kohl-Regierung noch bei jahresdurchschnittlich 14,88 Millionen Euro, so steigerte die Schröder-Regierung den Schnitt auf 36,58 Millionen Euro – somit auf das Zweieinhalbfache. Darin enthalten sind auch die Kleinwaffenausfuhren in "Drittländer". Zwar konnte 2004 der Höchstwert des Vorjahres (8,59 Millionen Euro) nicht ganz erreicht werden, aber die 8,17 Millionen 2004 stellen trotzdem den zweithöchsten Wert seit 1996 dar.
Wir stellen fest: Wer angesichts dieser expansiven Rüstungsexportpraxis von einem restriktiven Vorgehen spricht, macht sich der Manipulation der öffentlichen Meinung schuldig.
Anstatt nicht mehr benötigtes Bundeswehrmaterial der Schrottpresse zuzuführen und damit Arbeitsplätze zu schaffen, verkauft die Bundeswehr das ausrangierte Kriegsgerät in alle Welt. Diese Art von Geschäft boomt in den letzten Jahren. Der Wert liegt 2004 bei 104,2 Millionen Euro. Immerhin der zweithöchste Wert in den sechs Jahren seit 1999. Wir fordern statt dessen die Verschrottung alten Bundeswehrmaterials. Auch ausgemusterte Waffen können töten.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Hamburg
Peter Strutynski, Kassel
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport
Zur Presse-Seite
Zur Seite "Friedensbewegung"
Zurück zur Homepage