Die größte Waffenschmiede der Welt
Erstmals britischer Konzern Nr. 1 aller Rüstungsfirmen / Globaler Umsatz höher als Entwicklungshilfe
Von Olaf Standke *
Obwohl USA-Waffenschmieden den globalen Rüstungsmarkt weiter dominieren,
ist mit BAE Systems erstmals ein britischer Konzern zum größten
Waffenhersteller der Welt aufgestiegen, heißt es in einem am Montag
vorgelegten Bericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI.
Das größte Industrieunternehmen Großbritanniens beschäftigt weltweit
über 100 000 Mitarbeiter - und ist eine Waffenschmiede, die u. a.
federführend am Bau des Kampfjets Eurofighter beteiligt ist. Nun hat es
BAE Systems auch an die Spitze aller Rüstungskonzerne geschafft; womit
erstmals kein USA-Unternehmen weltgrößter Waffenhersteller ist, wie aus
einem am Montag veröffentlichten SIPRI-Report hervorgeht.
BAE Systems entstand vor elf Jahren aus dem Zusammenschluss von British
Aerospace und Marconi Electronic Systems. Der Konzern verdankt seinen
Spitzenplatz vor allem dem Pentagon und Washingtons Kriegen, macht er
doch in den USA über die Hälfte seines Umsatzes. 2008, das letzte Jahr,
für das verlässliche Zahlen vorliegen, habe BAE Rüstungsgüter für 32,4
Milliarden Dollar (23,7 Mrd. Euro) verkauft und damit Boeing (21,4 Mrd.
Euro) vom ersten Platz verdrängt. Der Luftfahrt- und Rüstungsriese fiel
sogar noch hinter den heimischen Konkurrenten Lockheed Martin (21,5 Mrd.
Euro) zurück. Insgesamt erzielten die 100 größten Rüstungsfirmen der
Welt laut SIPRI 2008 einen Umsatz von 385 Milliarden Dollar (285 Mrd.
Euro), elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. »Um diese Zahlen in Relation
zu setzen: Die gesamte Entwicklungshilfe aller OECD-Staaten betrug im
selben Jahr 120 Milliarden«, so das renommierte Stockholmer Institut.
Der weltweite Waffenmarkt wird dabei weiter von US-amerikanischen
Konzernen dominiert. Unter den 100 größten listet SIPRI 44 mit
Hauptquartier in den USA auf; sie stellen 60 Prozent des globalen
Umsatzes. Mit Almaz-Antei schaffte es erstmals ein russischer Produzent
unter die Top 20. Dort finden sich auch diverse deutsche Hersteller:
Rheinmetall (Platz 29), Krauss-Maffei (42), Thyssen-Krupp (49), Diehl
(64) und MTU Aero (79). Der europäische EADS-Konzern, an dem Daimler
beteiligt ist, macht etwa 28 Prozent seines Umsatzes mit
Rüstungsgeschäften (Flugzeuge und Raketen) und nimmt inzwischen mit 17,9
Milliarden Dollar Platz sieben auf der Hitliste der Todeshändler ein.
Möglicherweise suchen EADS und BAE demnächst sogar den Schulterschluss,
um doch noch den milliardenschweren Auftrag über Tankflugzeuge für die
US-Luftwaffe zu ergattern. Mit dem früheren Partner Northrop Grumman
hatte sich der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern aus dem Rennen
zurückgezogen, weil man sich benachteiligt fühlte. Das Pentagon
verlängerte inzwischen die Frist für neue Angebote.
BAE Systems, das allein 2008 einen Gewinn vor Steuern von 2,4 Milliarden
Pfund erzielte, ist aber auch noch in anderer Hinsicht rekordverdächtig:
Im Februar zahlte der Konzern 286 Millionen Pfund (327 Mio Euro), um
sich von schweren Korruptionsvorwürfen freizukaufen. Dafür stellte die
zuständige britische Behörde ihre jahrelangen strafrechtlichen
Ermittlungen wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen ein.
Rüstungsgegner zeigten sich empört. Man sei »schockiert und wütend«,
dass sich BAE-Manager nach dem Vergleich nicht mehr vor Gericht
verantworten müssen, so etwa die Campaign Against the Arms Trade. In den
USA muss das Unternehmen zudem 400 Millionen Dollar Strafe an das
Justizministerium zahlen, weil es gegenüber der Washingtoner
Administration irreführende Angaben über Geschäfte mit Ländern wie
Ungarn, Tschechien und Saudi-Arabien gemacht hatte.
* Aus: Neues Deutschland, 13. April 2010
Lesen Sie auch:
US-Justiz versus BAE
Ermittlungen gegen britischen Rüstungskonzern wegen Schmiergeldzahlungen an saudischen Prinzen
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport
Zur Großbritannien-Seite
Zurück zur Homepage