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US-Justiz versus BAE

Ermittlungen gegen britischen Rüstungskonzern wegen Schmiergeldzahlungen an saudischen Prinzen. Druck auf Noch-Premier Blair wächst

Von Dago Langhans *

Obwohl britische Medien mit immer neuen Details zu umfangreichen Schmiergeldzahlungen des europäischen Waffenkonzerns BAE nachlegen, weigert sich die Labour-Regierung beharrlich, die abgebrochenen Antikorruptions-Untersuchungen wegen der umstrittenen Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien (Siehe jW vom 11. Juni) wieder aufzunehmen. Das sieht auf der anderen Seite des Atlantik ganz anders aus. Die jüngsten Veröffentlichungen haben zugleich den Kongreß in Washington und das US-Justizministerium auf den Plan gerufen. BAE hat sich in den letzten Jahren durch zahlreiche Übernahmen und Fusionen im US-Rüstungsbereich zu einem der zehn wichtigsten Hauptlieferanten des Pentagon emporgearbeitet. Die BAE-Tochter in den USA hatte so unter anderem 2000 einen Unternehmenszweig des Giganten Lockheed aufgekauft, der Raketenwarnsysteme herstellt.

Ungeliebter Konkurrent

Im Jahr 2005 bestätigte der Erwerb von United Defense, die den Bradley-Panzer produzieren, für 4,2 Milliarden Dollar den ungebrochenen Expansionskurs der britischen Firma auf dem profitablen US-Rüstungsmarkt. Ob jedoch der beabsichtigte Aufkauf der ARMOR Holding, die unter anderem den Jeep-Nachfolger Humvee vertreiben, für 4,5 Milliarden Dollar gelingt, darf mittlerweile bezweifelt werden. Nach Informationen der Los Angeles Times betreiben US-Justiz und FBI Vorermittlungen in der BAE-Affäre.

Wichtigster Ausgangspunkt ist die Abwicklung von »Kommissionszahlungen« an den ehemaligen Botschafter Saudi-Arabiens in den USA, Prinz Bandar, über Konten bei der skan­dalträchtigen, inzwischen aufgelösten US-Bank Riggs in Washington.

Zusätzlichen Druck erhalten die Justizuntersuchungen durch weitere Initiativen aus dem US-Kongreß. Denn Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen durch ausländische Firmen bedürfen aus Sicherheitsgründen der Zustimmung des Kongreß-Komitees für Auslandsanlagen. Traditionell repräsentieren die Abgeordneten dort die Interessen ihrer Klientel, und dazu zählt vor allem in Zeiten anhaltender Kriegsökonomie die eigene US-Rüstungsproduktion. In der letzten Woche wurde zwar mit großem militärischem Trara die Auslieferung des tausendsten BAE-Raketenfrühwarnsystems aus den früheren Lockheed-Fabriken an die US-Armee gefeiert, der weitere Ausdehnungkurs von BAE kann jedoch von Kongreß-Mitgliedern jederzeit verhindert werden. Insbesondere das Vordringen des BAE-Konzerns in bisher gesicherte Absatzmärkte der US-Rüstung gibt den juristischen und parlamentarischen Initiativen eine zusätzliche Dynamik. Stellvertretend für EADS und die italienische Finmeccanica verhandelt BAE derzeit mit dem gewichtigen japanischen Rüstungsproduzenten Mitsubishi Heavy Industries über die Lizenzproduktion des Eurofighter in Japan. Im April hatte eine Mitsubishi-Delegation britische Eurofighter-Produktionsstätten besucht und sondierende Gespräche aufgenommen. Der Eurofighter wird auf dem internationalen Waffenmarkt als technologisches Konkurrenzprodukt zum Joint-Strike-Fighter von Lockheed präsentiert.

Blair rudert

Großbritanniens scheidender Labour-Premier Tony Blair versucht unterdessen, mit Macht eine Fortsetzung der umstrittenen Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien durchzudrücken. Dabei nutzt Blair vor seinem Amtsende am 27. Juni jede Gelegenheit zur rhetorischen Selbstrechfertigung, um aus einem verheerenden Beliebtheitstief herauszukommen. Ohne auf die anhaltende Welle neu veröffentlichter Einzelheiten zum Waffen-gegen-Öl-Geschäft zwischen Saudi-Arabien und Großbritannien einzugehen, verteilte er am vergangenen Dienstag heftige Ohrfeigen Richting Medien. Man durfte es als vorgezogene Abschiedsrede verstehen, als er die Journalisten als »wilde Bestien« beschimpfte und insbesondere dem Independent vorwarf, Fakten und Meinungen unzulässig zu vermischen. Die Kollegen des Independent hielten selbstbewußt dagegen: »Hätten Sie dasselbe gesagt, wenn wir den Irak-Krieg unterstützt hätten?« Die Financial Times forderte kurzerhand von Blair, er solle vor seiner eigenen Tür kehren. Seine Regierung trage die umfassende Verantwortung für Fehlinformationen, Günstlingswirtschaft und fatale Fehlurteile zum Irak-Krieg.

Einen Tag später erklärte Blair dem Fraktionschef der Liberaldemokraten Campbell auf dessen Frage, welche Minister für die Zurückhaltung von Dokumenten gegenüber den OECD-Antikorruptionsermittlern verantwortlich gewesen wären: »Wenn Sie irgendwen beschuldigen wollen, beschuldigen Sie mich. Ich bin völlig glücklich damit, dafür die Verantwortung zu übernehmen.«

Der Waffenkonzern selber, der daran festhält, die erhobenen Vorwürfe kategorisch abzustreiten, entwickelt nun neue Strategien, seinen demolierten Ruf zu reparieren. Als Zugpferd in einem »externen Ethik-Komitee« haben die Rüstungsunternehmer den früheren Lord-Oberrichter Harry Baron Woolf ernannt. Ausgestattet mit einem Honorar von knapp 700000 Euro soll sich der renommierte Jurist weitere unabhängige Experten suchen, um die aktuellen und zukünftigen Ethikstandards des größten europäischen Waffenherstellers zu überprüfen. Eine nachträgliche Kontrolle der früheren, umstrittenen Geschäfte ist ausdrücklich ausgeschlossen. Ob diese zukunftssichernde Maßnahme der Selbstverpflichtung das Image des Rüstungsgiganten aufpoliert, bleibt abzuwarten. Die Rüstungsgegner der britischen Kampagne gegen Waffenhandel (CAAT) zumindest sehen in den externen Moralprüfern keinen Ersatz für die Neuaufnahme umfassender Antikorruptionsermittlungen durch staatliche Behörden.

* Aus: junge Welt, 18. Juni 2007

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