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"Krieg gegen die Natur und Kultur"

Vandana Shiva über die Macht des Weltkonzerns Monsanto *


Die indische Saatgutaktivistin Vandana Shiva wurde 1993 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

nd: Heute demonstrieren weltweit Menschen gegen den Weltkonzern Monsanto. Er steht für die Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen, die Patentierung von Lebensmitteln und kontrolliert einen großen Teil des internationalen Saatgutmarktes. Wie ist Monsanto so mächtig geworden?

Shiva: Monsantos Hauptgeschäft bestand lange Zeit darin, chemische Produkte zu produzieren, neben Pflanzen- und Insektengiften für die Landwirtschaft auch Agent Orange für den Vietnamkrieg. In den 1980ern kam das Unternehmen auf die Idee, über intellektuelle Eigentumsrechte Lizenzgebühren auf Saatgut zu erheben. Der Weg dazu war das genveränderte und patentierte Saatgut, z.B. bei Mais, Baumwolle und Soja. Um den Markt beherrschen und Lizenzgebühren erheben zu können, müssen Saatgutvielfalt, -souveränität und Ernährungsautonomie zerstört werden. Monsanto schrieb das WTO-Gesetz über intellektuelle Eigentumsrechte. Der Konzern hat das »Monsanto-Schutzgesetz« in den USA formuliert. Das verbietet den US-Gerichten faktisch, Urteile gegen den Konzern zu vollstrecken. Gerade versucht Monsanto, das Biosicherheitsgesetz in Indien zu seinen Gunsten zu modifizieren. Ähnliches geschieht jeden Tag, in jedem Teil der Welt. Es gibt keinen Ort, an dem Monsanto nicht daran arbeitet, das Regierungssystem zu korrumpieren.

Warum ist die Frage des Saatgutes so wichtig?

Saatgutvielfalt bedeutet Handlungsfreiheit für die Bauern. Es gibt einen Krieg gegen diese Freiheit, der in Indien zu einem Massenmord führte: 270 000 Bauern begingen Selbstmord, weil sie durch Lizenzgebühren verschuldet waren. Monsanto kontrolliert dort 95 Prozent des Baumwollsaatgutes. Das öffentliche Saatgut kostete fünf Rupien pro Kilo, das Gensaatgut von Monsanto nun 4000 Rupien. Es gibt kein Saatgut der Regierung mehr, kein eigenes der Bauern, sondern nur noch den Markt. Aber praktisch jedes indische Unternehmen, das früher eigenes Saatgut anbot, wurde in Lizenzverträge gezwungen und darf nur noch genverändertes Saatgut verkaufen. Überall in der Welt wird die öffentliche Saatzucht stranguliert, wenn Monsanto auftaucht. Zusätzlich fördert der Konzern Registrierungsgesetze, die sich nach Industriekriterien richten. Nicht uniformes Saatgut wird so illegal. In Europa wurde Kokopelli, die größte französische Initiative zur Bewahrung traditionellen Saatgutes, kriminalisiert.

Monsanto und andere Gentechnikkonzerne argumentieren mit erhöhten Ernteerträgen.

Nichts ist falscher als das. Monsanto produziert keine Nahrung, sondern giftige Profitgüter, die bei Mais und Soja nur zu zehn Prozent für die direkte menschliche Ernährung bestimmt sind. Der Rest wird für Viehfutter oder Agrotreibstoffe verwendet. Geldgier ist der Antrieb, die Auswirkung ist ein Krieg gegen die Natur und die Kultur. Monsanto handelt pervers, vergewaltigt Kultur und Ökologie. Wir könnten die Weltbevölkerung vier- bis fünfmal ernähren, wenn wir weltweit wie die Kleinbauern arbeiten würden. Wir reden von Gesundheit und Nahrhaftigkeit auf dem Feld, denn darum sollte es sich bei Nahrungsmitteln handeln.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, Monsanto Einhalt zu gebieten?

In Monsantos Welt ist kein Platz für Demokratie. Demokratie soll von den Menschen für die Menschen sein. Das Monsanto-Reich kann sich nur auf Lügen, Manipulation, Kontaminierung und Korruption stützen. Monsanto unterscheidet sich heute mit dem Durchsetzen seiner patentierten Genprodukte durch nichts von einem Straftäter. Wir Bürger müssen uns in einer weltweiten Allianz für Saatgutfreiheit zusammenschließen. Dies ist meiner Meinung nach der einzige Weg. Monsanto praktiziert einen Bioimperialismus, eine Versklavung des Lebens. Wir wollen eine Welt frei von Monsanto.

Fragen: Gerold Schmidt

* Aus: neues deutschland, Samstag, 25. 2013

Protest gegen Monsanto

Tausende Menschen haben weltweit am 25. Mai gegen den US-Agrarriesen Monsanto und gentechnisch veränderte Organismen (GVO) demonstriert. In Paris beteiligten sich mehrere hundert Demonstranten an einem Sit-in am Trocadéro-Platz nahe des Eiffelturms. Sie forderten, daß Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen generell als solche ausgewiesen werden. Im niederländischen Wageningen, Zentrum der Lebensmittelindustrie, versammelten sich laut den Organisatoren rund 3000 Demonstranten vor dem dortigen Sitz von Monsanto. Das Foto zeigt Protestierer in New York.
(Agenturberichte, 25.05.2013



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