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Der richtige Ton

Radikal und bündnisfähig – Arno Klönne wird heute 80

Von Georg Fülberth *

Der sogenannten Westlinken mag man ja manches vorhalten, zum Beispiel ihre Niederlagen. Kaum bedacht wird, daß sie auch ein Ort geglückten Lebens sein konnte. Reden wir von Arno Klönne, der (am 4. Mai) vor achtzig Jahren in Bochum geboren wurde. Er verlebte seine spätere Kindheit in Paderborn und hat es so eingerichtet, daß er – von einigen durch Studium und Beruf bedingten Ausflügen abgesehen – die längste Zeit seines Lebens in Westfalen bleiben konnte. Im Faschismus kam er ins Jungvolk, aber seine meiste Zeit verbrachte er da in der geduldeten katholischen Jugendbewegung. Sie hatte die besseren Lieder, und es war überhaupt mehr los. Bis heute ist er ein unangefochten gläubiger Katholik geblieben.

Um aus dem zerbombten Paderborn herauszukommen, ging er 1951 zum Studieren nach Marburg. Im gerade eröffneten Institut für wissenschaftliche Politik lief er einem frisch berufenen Professor über den Weg. Sie nahmen Witterung auf und stellten fest: Beide kamen aus der Jugendbewegung. Klönne war SDS-Gruppenvorsitzender und im AStA und rief, damit er den Film »Der Untertan« zeigen konnte, dafür eigens einen Club ins Leben. Dies dürfte die erste seiner vielen Gründungen gewesen sein.

Zusammen mit Freunden aus der Bündischen Jugend gab er seit 1957 die Zeitschrift pläne heraus. 1961 kamen ein Verlag und eine Plattenfirma gleichen Namens hinzu. Dieter Süverkrüp begann dort seinen Weg.

Im linken Teil der Jugendbewegung war man gegen die Wiederbewaffnung. Als die SPD 1958 aus der von ihr zunächst mit angezettelten Bewegung »Kampf dem Atomtod« ausstieg, waren die illegale KPD und ein paar versprengte kirchliche und bürgerliche Pazifisten mit diesem Thema allein. Zusammen mit ihnen wirkte Klönne bei der Gründung des deutschen Zweigs der Ostermarschbewegung mit.

In diesen Jahren muß seine Verfassungsschutzakte kräftig angeschwollen sein. Man redete ihm nach, mit den Kommunisten unter einer Decke zu stecken. Dazu sagt er heute: stimmt. Aber als sich 1968 die DKP konstituierte, war er sauer. Seiner Meinung nach hätten die Kommunisten ihren Kampf gegen das KPD-Verbot fortsetzen und ihre inzwischen wohlgeratene Bündnisstruktur erhalten sollen. Nun wurde eben wieder etwas gegründet: das »Sozialistische Büro« in Offenbach mit seiner Zeitschrift links, deren Redaktion Arno Klönne angehörte.

Anfang der fünfziger Jahre war er nach dem Scheitern der titoistischen Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands (UAPD), in die er durch jugendbewegte Freunde gekommen war, zur SPD gestoßen. 1960 verließ er sie aus Protest gegen Wehners Bekenntnis zur NATO. Genossinnen und Genossen in Ostwestfalen baten ihn zurückzukommen, sie brauchten ihn. Da trat er halt wieder ein und war zeitweilig sogar im Bezirksvorstand. Wegen seiner Schrift »Machte Wehner die SPD kaputt?« (1975) erhielt er ein Funktionsverbot für zwei Jahre. Danach ackerte er weiter unbeirrt und vergeblich an der Erhellung seiner Partei. Als er in der Schröder-Zeit dann doch ging, schrieb ihm die Unterbezirksvorsitzende einen höflichen Brief und dankte ihm für seine bisherige Arbeit. Doch sei es wohl besser, daß er diese jetzt außerhalb fortsetze.

Das mußte man ihm nicht extra sagen. Als nach der Wende die Weltbühne einging, gab es zwei Nachfolge-Organe. Eines davon ist Ossietzky, begründet u.a. von Arno Klönne und Eckart Spoo. Ersterer ist Mitbetreiber des »Linken Forums Paderborn«. Dessen kommunalpolitischer Arm ist die Stadtratsfraktion »Demokratische Initiative Paderborn«.

Und dies alles ist noch lange nicht der ganze Klönne. Neben seinen politischen Aktivitäten absolvierte er mühelos eine eindrucksvolle wissenschaftliche Laufbahn. Die Doktorarbeit des Vierundzwanzigjährigen (bei Abendroth) über die Hitlerjugend wurde, immer wieder erweitert und schließlich als eine Darstellung von Jugend im Dritten Reich, die Grundlage zu einem Standardwerk. Ein Bestseller mit vielen Auflagen war die »Sozialkunde der Bundesrepublik Deutschland«, herausgegeben von Dieter Claessens, Armin Tschoepe und Arno Klönne, der auch die meisten Beiträge schrieb. Seine Bücher über die Geschichte der Arbeiterbewegung behandeln ein Feld, das zwischen den Fraktionen der Linken umkämpft war. Er fand dann den Ton, auf den schließlich alle gern hörten. Nachdem er 1973 das geworden war, was so mancher akademisch Strebende sich ersehnt: ein Ordinarius an der Universität, ließ er sich 1978 zum Außerordentlichen Professor zurückstufen, damit er in sein geliebtes Paderborn zurückkehren konnte.

Seine publizistische Aktivität ist ungebrochen. Er schreibt viel und redet wenig. Wenn den Paderbornern aber der Libyen-Krieg erläutert werden muß, steht er in der Fußgängerzone und macht das.

Verehrte Leserin, geschätzter Leser: Falls Sie einmal schon am frühen Morgen schlecht drauf sein sollten und am Sinn Ihres linken Wirkens zweifeln – denken Sie an Arno Klönne. Das Herz geht Ihnen auf, und Sie sind ermutigt.

Danke, Arno.

* Aus: junge Welt, 4. Mai 2011


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