Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Heute Nacht haben die Kräfte des Friedens einen Erfolg errungen"

Angela Merkel zum Tod von bin Laden. Weitere Statements und Erklärungen aus der Friedensbewegung und von der Neuen Richtervereinigung


Im Folgenden dokumentieren wir

Keine Jubelstürme bei der Friedensbewegung

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, 2. Mai 2011 - Zum Tod des angeblichen Al-Kaida-Führers Osama bin Laden erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:

Wir können in die Triumphgesänge von US-Präsident Obama, Kanzlerin Merkel und NATO-Generalsekretär Rasmussen nicht einstimmen. Alle drei feiern heute den Tod Osama bin Ladens als "Erfolg für alle Menschen" (US-Botschafter Murphy), als "Erfolg für die Sicherheit der NATO-Alliierten" in Afghanistan (Rasmussen) und als "Erfolg für die Kräfte des Friedens" (Angela Merkel). Wenn die Tötung eines Menschen, wie groß auch seine Verbrechen sein mögen, von westlichen Politiker/innen mit "Erleichterung" aufgenommen und gefeiert wird, begeben sie sich auf das Niveau derjenigen Terroristen, denen ein Menschenleben nichts wert ist.

Aus vier Gründen wollen wir dem Jubel ausdrücklich widersprechen:
  1. Wegen des Attentats vom 11. September 2001, dessen Urheberschaft Osama bin Laden zugeschrieben wird, wurde ein nun schon fast zehn Jahre dauernder Krieg in Afghanistan angezettelt. Diesem Krieg ist eine Vielfaches von Menschen zum Opfer gefallen, als damals beim Anschlag auf das World Trade Center ums Leben kamen. Der von US-Präsident Bush angeordnete Rachefeldzug ist in seiner Wirkung monströser ausgefallen als das Terrorattentat.
  2. Von mehr "Sicherheit", wie Merkel fabuliert, kann doch keine Rede sein - weder in Afghanistan noch in Pakistan. Und auch in anderen Ländern haben sich Terrororganisationen während des 10-jährigen "Krieges gegen den Terror" weiter verbreitet und zahlreiche Regionen destabilisiert. Ein Ende dieser Entwicklung ist mit der Ausschaltung einer terroristischen Führungsperson nicht zu erwarten.
  3. Der Tod eines Top-Terroristen ist nie eine gute Lösung. Gerade wenn man an Aufklärung über terroristische Netzwerke und Aktivitäten interessiert ist, wäre ein lebender bin Laden wertvoller als ein toter.
  4. 2001 bestand das wesentliche Ziel des Afghanistan-Krieges die Gefangennahme bin Ladens (siehe dazu auch die UN-Resolution 1273 vom 28. September 2001). Nun, nach seinem Tod, ist ein Hauptgrund für den Krieg entfallen. Zeit also, ihn sofort zu beenden! Leider ist davon in keiner Regierungs-Stellungnahme die Rede.
Der "Friedensratschlag" betont zum wiederholten Mal: Terrorismus ist mit Krieg nicht zu bekämpfen. Terrorismus ist eine besondere Form von Schwerkriminalität, die mit rechtsstaatlichen Mitteln zu beantworten ist.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Osama bin Laden und die beschämende Freude über seinen gewaltsamen Tod

Pressemitteilung der Neuen Richtervereinigung vom 03. Mai 2011

Ob sich Osama bin Laden wirklich gewaltsam einer beabsichtigten Festnahme widersetzte oder ob er nicht Opfer einer gezielten extralegalen Tötung wurde, bleibt zu klären. So oder so – die Neue Richtervereinigung verurteilt auf jeden Fall die beschämende, ausdrücklich und öffentlich ausgesprochene Freude über seinen gewaltsamen Tod seitens der Bundeskanzlerin, des Bundespräsidenten und des Bundesinnenministers.

Osama bin Laden war einer der gewalttätigsten Verbrecher nach den Weltkriegen. Die Erklärung eines schmutzigen Krieges durch Terrororganisationen vermag es aber nicht zu legitimieren, auf derselben Ebene zu agieren. Wie jeder Verbrecher hätte er vor Gericht gestellt werden müssen. Dies ist ein Eckstein der Zivilisation. Bin Laden in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung für seine Taten zu ziehen, hätte daher eine große Stunde für die Rechtsstaatlichkeit werden können. Sollten die USA sich für den barbarischen Weg einer gezielten extralegalen Tötung entschieden haben, wäre dies eine große Niederlage für die Zivilisation.

Die international zu ächtende Todesstrafe hätte im Rahmen der Werteordnung des Grundgesetzes gegen ihn weder verhängt, noch vollstreckt werden dürfen. Selbst in den USA hat einer Hinrichtung ein Strafverfahren voraus zu gehen, das mit einem Todesurteil endet. Sollte bin Laden aber schlicht exekutiert worden sein, wäre dies ein extralegaler und barbarischer Akt, der als solcher von deutschen Politikern benannt und verurteilt werden müsste. Wer stattdessen, wie Frau Merkel, Herr Wulff oder Herr Friedrich als oberste/r Staatsrepräsentant/in bedenkenlos seine Freude über den Tod Bin Ladens ausspricht, handelt nicht nur unethisch, sondern verrät zugleich die Grundprinzipien des modernen Rechtsstaats, für den sie / er zu allererst stehen sollte.

"Der gewaltsame Tod eines Menschen ist immer ein Unglück. Statt den Tod eines Menschen ohne jegliche Skrupel zu begrüßen und damit die Barbarei auch bei uns einkehren zu lassen, sollten sich unsere Politiker daran erinnern, dass sich eine Zivilisation gerade dadurch auszeichnet, wie sie mit ihren Gegnern umgeht. Hier zeigt sich einmal mehr, dass der respektvolle Umgang mit dem Rechtsstaat in Zeiten des Anti-Terror-Krieges noch nicht einmal mehr ein Lippenbekenntnis ist", kommentiert Martin Wenning-Morgenthaler, Sprecher der Neuen Richtervereinigung.

DOKUMENTIERT:

Erklärung von Botschafter Murphy zum Tod Osama bin Ladens

Osama bin Ladens Tod ist ein Erfolg für alle Menschen, die nach einem Leben in Frieden, Sicherheit und Würde streben. Er hat sein Leben dem Töten unschuldiger Menschen und der Verhinderung des menschlichen Fortschritts gewidmet. Sein Tod bedeutet letztlich für uns alle mehr Sicherheit und stärkt all diejenigen auf der Welt, die nicht zerstören, sondern etwas aufbauen wollen.

Bin Laden war verantwortlich für die tausenden unschuldigen Todesopfer aus 80 Ländern am 11. September 2001 und auch für andere Anschläge auf Männer, Frauen und Kinder vieler Nationalitäten und Glaubensrichtungen weltweit. Wir ergreifen diese Gelegenheit, um der Opfer bin Ladens und Al Kaidas aus vielen Ländern auf der ganzen Welt, einschließlich Deutschland, zu gedenken. Wir trauern angesichts ihres Todes und gedenken des Verlusts, den Ihre Familienmitglieder und Angehörigen erlitten haben.

Wie Präsident Obama bereits betont hat, befinden sich die Vereinigten Staaten nicht im Krieg mit dem Islam – und werden das auch nie sein. Sie befinden sich im Krieg mit Al Kaida, einer terroristischen Vereinigung, die entschlossen ist, so viele unschuldige Menschen wie nur möglich zu ermorden, einer Organisation, die Menschen jeden Glaubens tötet und bedroht, auch Muslime.

Quelle: Newsletter der US-Botschaft in Berlin, 2. Mai 2011

*****

Bundeskanzlerin Merkel zum Tod von Osama bin Laden

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, teilt mit:

Mit der Kommandoaktion gegen Osama bin Laden und seiner Tötung ist dem US-Militär ein entscheidender Schlag gegen Al Qaida gelungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat US-Präsident Barack Obama ihre Erleichterung über diese Nachricht übermittelt.

Osama bin Laden war verantwortlich für den Tod tausender unschuldiger Menschen. In seinem direkten Auftrag und in seinem Namen wurde der Terror in viele Länder getragen, er richtet sich gegen Männer, Frauen und Kinder, Christen wie Muslime. Osama bin Laden gab vor, im Namen des Islam zu handeln, in Wirklichkeit jedoch verhöhnte er die Grundwerte seiner und aller anderen Religionen.

Heute Nacht haben die Kräfte des Friedens einen Erfolg errungen. Besiegt ist der internationale Terrorismus damit noch nicht. Wir alle werden wachsam bleiben müssen.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2. Mai 2011

*****

Statement by the NATO Secretary General on Osama Bin Laden

I congratulate President Barack Obama and all those who made the operation against Osama Bin Laden possible. This is a significant success for the security of NATO Allies and all the nations which have joined us in our efforts to combat the scourge of global terrorism to make the world a safer place for all of us.

NATO made clear that it considered the September 11 attacks on the United States an attack against all Allies. We remember the thousands of innocent lives lost to terrorist atrocities in so many of our nations, in Afghanistan, and around the world.

As terrorism continues to pose a direct threat to our security and international stability, international cooperation remains key and NATO is at the heart of that cooperation.

NATO Allies and partners will continue their mission to ensure that Afghanistan never again becomes a safe haven for extremism, but develops in peace and security. We will continue to stand for the values of freedom, democracy and humanity that Osama Bin Laden wanted to defeat.

Quelle: Newsletter der NATO, 2. Mai 2011




Zurück zur "Terrorismus"-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zur Friedensbewegungs-Seite

Zurück zur Homepage